Kellervisite: auf den Spuren des Crémant
Seit wann gibt es Crémant in Frankreich? Entstand der französische Schaumwein vielleicht als bürgerliches Pendant zum aristokratischen Champagner während der Tage der Revolution? Oder ist er viel älter? Was meint ihr? 200 Jahre, 400 Jahre, 800 Jahre?
„Alles falsch“, sagt Jérôme Keller, dessen Name unglaublich gut zum Beruf passt. Er ist Kellermeister bei Wolfberger in Eguisheim, einer kleinen Winzergemeinde südlich von Colmar im südlichen Elsass. Dort stellt die 1902 gegründete Genossenschaft mit 450 Vertragswinzern und 142 Mitarbeitern rund die Hälfte der elsässischen Crémants her.
„Crémants gibt es erst seit 1976!“, löst Monsieur das Geheimnis. Nun bin ich in der Tat überrascht. Doch Monsieur hat nur aufs Elsass geguckt. Nur ein Jahr davor waren bereits – 1975 – die Crémants de Loire und Burgund als g.U. gegründet worden.
Jérôme Keller erklärrt, wie es dazu kam. „Der Begriff Crémant wurde auf Druck der Champagne eingeführt. Er macht deutlich, dass der Schaumwein außerhalb der Champagne nach der méthode champenoise, sprich, der Flaschengärung, in Frankreich hergestellt wurde.“
Notwendig wurde der neue Begriff, weil die EU die Bezeichnung méthode champenoise auf Schaumweine begrenzte, die in der Champagne erzeugt werden.
Das Elsass war neben Burgund die erste Weinregion, die ihren Crémant als AOP schützen ließ. Seit dem 24. August 1976 tragen ihre Schaumweine die geschützte Herkunftsbezeichnung Frankreichs. Köstliche Crémants kommen auch von der Loire, wo Saumur die Hochburg der Schaumweinherstellung ist.
Insgesamt gibt es in Frankreich sieben klassifizierte Appellationen für Crémant. Neben dem Elsass und Burgund sind noch Crémant de Bordeaux, Crémant de Die, Crémant de Limoux, Crémant de Loire und Crémant du Jura zugelassen.
Crémant: ein echter Europäer
Doch Crémant ist nicht auf Frankreich limitiert. So hat Luxemburg seinen Crémant de Luxembourg und auch in Deutschland sieht man die Bezeichnung immer häufiger. Hier ist es auch erforderlich, dass die jeweilige Anbauregion auf dem Etikett erscheint. Es gibt also Crémant Baden, Crémant Pfalz, Crémant Rheinhessen usw.
Zu verdanken haben wir dies dem großen spanischen Schaumweinhersteller Cordoníu. Dieser klagte gegen die zuvor geltende Regelung, die Crémant nur für Frankreich und Luxemburg vorsah. Und bekam Recht: Der Europäische Gerichtshof erklärte durch sein Urteil vom 18. Mai 1994, dass Crémant keine Herkunftsbezeichnung, sondern ein Herstellungsverfahren für Schaumweine sei.
Damit war der Begriff Crémant nicht mehr herkunftsgebunden und auch für andere Länder zugelassen. Die Herstellungsbedingungen werden deshalb in einer EU-Verordnung geregelt.
Champagner vs. Crémant : die Unterschiede?
Champagner wird ausschließlich in der Champagne hergestellt – und nahezu ausschließlich aus den Sorten Chardonnay, Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling).
Das ist nicht der einzige Unterschied. Man sagt zwar, dass Crémant nach der gleichen Methode wie Champagner hergestellt wird. Doch das betrifft nur die klassische Flaschengärung– nicht jedoch die Pressung. Die maximale Ausbeute bei der Pressung ist bei Champagner etwas geringer als bei Crémant.
Um rund 100 l Most zu pressen, müssen es für Champagner 160 kg Trauben sein, bei Crémant nur 150 kg Trauben. Gute Erzeuger von Champagner pressen sogar nur 82 l Most aus 160 kg Trauben. Sprich: Die Ausbeute ist bei Champagner geringer.
Strenge Auflagen der AOP
Doch das sind dann schon die großen Unterschiede. Denn für beide legen strenge AOP-Auflagen fest: Lese per Hand, Ganztrauben-Pressung, eine Mindestdauer von neun Monaten für die Verweildauer auf der Hefe sowie eine obligatorische Geschmacksprüfung. Bei fast allen Crémant-Herstellern verweilt der Wein deutlich länger auf der Hefe.
Bei Wolfberger lagern die traditionellen Cuvées mindestens 16 Monate auf der Hefe; die vieilles vignes sogar bis zu 24 Monate. Bei reinsortigen Crémants sieht der Marktführer im Elsass eine mindestens 18-monatige Hefelagerung vor. Für den Crémant Prestige sind sogar 36 Monate gefordert. Warum so lange? „Je länger die Lagerung auf der Hefe dauert, desto feiner werden die Perlen im Wein!“, erklärt Jérôme.
Das Geheimnis der Dosage
Wenn das Hefelager abgeschlossen ist und der Schaumwein degorgiert wurde, sind alle Schaumweine brut nature, also knochentrocken. Beim Degorgieren geht jedoch immer eine kleine Menge an Flüssigkeit verloren. Zu diesem Zeitpunkt wird dann entschieden, welche Geschmacksrichtung der Schaumwein bekommen soll.
Bleibt er brut nature, also zéro dosage, wird die Fehlmenge einfach mit demselben Schaumwein aufgefüllt. Soll er einen höheren Zuckerwert bekommen, wird eine Wein-Zuckerlösung, die so genannte Versanddosage (liqueur d’expédition) zugefügt. Typisch für die Crémant von Wolfberger ist eine Dosage von 8 g/l.
Wenn ihr euch jetzt wundert, dass der Restzuckergehalt so hoch ist, ihr dies aber nicht wirklich schmeckt, dann lüfte ich jetzt ein Geheimnis für euch: Die im Schaumwein enthaltene Kohlensäure spielt unserem Gaumen einen Streich. Während man bei einem Stillwein – je nach persönlicher Empfindlichkeit – Restzucker schon ab vier oder fünf Gramm pro Liter wahrnimmt, liegt diese Schwelle bei Schaumweinen erst bei rund zehn bis zwölf Gramm pro Liter.
Die Crémant-Zauberin von Colmar
Wolfberger stellt heute am Stammsitz Eguisheim nur stille Weine her. Die gesamte Crémant-Produktion ist in Colmar konzentriert, wo die Genossenschaft eine riesige Produktionsanlage samt Boutique an den Stadtrand gestellt hat.
Sie ist das Reich von Déborah Ruffing, eine von sechs Kellermeistern, die Jérôme unterstellt sind. Die junge Crémant-Fachfrau überwacht dort seit September 2017 die Produktion. Zuvor hat sie jahrelang im Weinberg gearbeitet.
„Wenn draußen nicht alles top ist, kann ich hier auch nicht mehr zaubern. Allerbeste Arbeit im Weinberg ist das Kapital, aus dem wir hier 15 Sorten Crémant herstellen. Viele sind sortenrein. Das ist selten im Elsass!“ Spricht’s und öffnet mit einem Schlüssel den Zapfhahn eines riesigen Stahltanks. “ Goutez. Probieren Sie!“ Noch ungefiltert moussiert ein junger Crémant im Glas. Köstlich!
Überprüft wird die gleichbleibende Qualität der Produktion im Labor. Und das nicht nur einmal pro Schicht, sondern stündlich. Die eigentliche Herstellung ist weitestgehend automatisiert. Die Maschine arbeitet, der Mensch überwacht. Selbst das Rütteln der Flaschen geschieht vollautomatisch.
Bälle im Tank
Farbige Schläuche verraten, ob Wein oder Reinigungsmittel durch sie fließen. Auf manchen Türen der Stahltanks liegen bunte Schaumstoffbälle. „Damit spielen wir nicht Fußball, sondern reinigen wir die Verbindungsröhren“, lacht Deborah.
Gabelstapler sausen umher, holen und bringen Paletten mit Wein, der noch in Arbeit ist – oder schon frisch verpackt. Zwischen hohen Kragen und Ohrenschützern entdecke ich nicht nur Gesichter von Männern, sondern auch Frauen, die sehr flott mit den Gabelstablern durch die Hallen düsen. Gelbe Streifen markieren, wo sich Menschen gefahrlos bewegen können.
Jedes Jahr vor Weihnachten läuft die Produktionen auf Hochtouren. Dann sind statt 50 mehr als 80 Mitarbeiter am Arbeiten.
Sie überwachen, ob die Etiketten sauber bedruckt sind, ob die Kartons richtig gepackt werden, ob die Produktion rund läuft. Nur zum Degorgieren müssen sie körperlich ran: tief in die Kiste bücken und die Flaschen rauf aufs Band stekkeb.
Doch da greift sie schon die Maschine, nimmt den Korken ab und dreht sie auf den Kopf. Sekunden später ist der Hefepropfen draußen, sitzt der Kork auf der Flasche, verdeckt ihn das Stanniol. Sechs Millionen Flaschen Crémant füllt Wolfberger jedes Jahr ab. Habt ihr Lust, einige zu verkosten?
Crémant d’Alsace: die Verkostung
Ich gebe zu: Ich bin eher ein Freund von stillen Weinen. Clairette oder Cava, Blanquette oder Prosecco, Spumante oder Sekt, selbst Winzersekt würdet ihr wohl kaum in meinem Kühlschrank finden. Umso neugieriger war ich, was Jérôme zum Verkosten anbot.
Was ich sah, verschlug mir den Atem. Nicht sechs bis zehn, sondern insgesamt 25 Flaschen standen zur Verkostung an jenem Nachmittag an. Dazu gab es Brezeln, viel Wasser – und ein Gefäß, in das der verkostete Crémant wieder ausgespuckt wurde. Cracher nennen das die Franzosen.
Aus der ganzen Palette der probierten Tropfen stachen diese Crémants für mich heraus. Welche Crémants gefallen euch besonders gut? Verratet es gerne in den Kommentaren!
Crémant d’Alsace Brut
Dieser Crémant mit 12,5 %vol , schwarzem Etikett und schwarzem Stanniol-Kopf wird aus Pinot Blanc als cuvée gekeltert. Tête de Cuvée meint in der Crémant-Herstellung die Traubensäfte aus der ersten Pressung, die hochwertiger sind als der Most der zweiten Pressung ( taille ). Letzterer wird für andere Assemblagen verwendet.
In klarem Gelb perlt er intensiv im Glas, ist buttrig und fruchtig zugleich – und überrascht mit Noten von gerösteten Mandeln.
Sind Kopf und Etikett in Gold, handelt es sich ebenfalls um einen Wolfberger Crémant d’Alsace Brut. Jener jedoch verbindet die Frische des Weißburgunders mit den runden Aromen des Pinot Gris – ebenfalls bei 12,5 „Umdrehungen“.
Crémant d’Alsace Cuvée Secrète
Verhüllt in lila Plastik, trendy gebranded mit dem Hashtag #W40: Zum 40. Geburtstag der Genossenschaft im Jahr 2016 präsentierte Jérôme Keller einen ganz besonderen Crémant. 2009 gepresst, hatte er 60 Monate lang auf der Hefe reifen dürfen. Heraus kam ein Chardonnay-Crémant mit zéro dosage – ein goldener Genuss im Glas! Mineralisch, kraftvoll, ein wenig nussig, ein Hauch von Frucht, ein toller Tropfen!
Crémant d’Alsace Brut Lucien Albrecht
Fast acht Wochen lang fermentierte der Most des Pinot Blanc im Stahltank, ehe er zwölf Monate lang in der Flasche reifte und beim Degorgieren mit 10,5 g/l eine höhere Dosage erhielt als sonst bei Wolfberger üblich.
Solch ein Geschmack gefällt vor allem den Auslandsmärkten in China, Großbritannien und Amerika. Auch das US-Fachblatt Decanter war begeistert und verlieh diesem Crémant 2016 die DWWA-Silbermedaille.
Die Welt von Wolfberger
Crémants sind der umsatzstärkste Baustein im Portfolio der Genossenschaftskellerei, deren 1.200 Hektar große Weinbaufläche sich vom Norden bis in den Süden des Elsass über fast 100 Kilometer erstreckt.
Mit 13 Millionen Flaschen Wein, darunter sechs Millionen Flaschen Crémant und 15 Grands Crus, Spezialitäten und exklusiven Wein-Editionen sowie Elsässer Obstbränden erwirtschaftet Wolfberger fast 60 Millionen Euro Umsatz. Heute könnt ihr in den sechs Weinboutiquen des Unternehmens auch Whiskys und Liköre probieren.
Offenlegung
Zu dieser Reise lud mich Daniela Rau von raumedia im Rahmen einer Pressereise für ihren Kunden Wolfberger ein. Dafür sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Artikel bezahlt.
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Im Blog
Auch aus anderen Regionen kommen köstliche Crémant. An der Loire könnt ihr beispielsweise in Saumur eine ganz außergewöhnliche Kellertour machen.
Kennt ihr schon das köstlichste Prickeln des Midi?
Im Buch
Antje und Gunter Schwab, Elsass*
Gunter Schwab, ist Erdkundelehrer an einem Karlsruher Gymnasium, seine Frau Antje ist mindestens genauso reiselustig und frankreichliebend wie ich (ob’s am Jahrgang liegt?). Gemeinsam haben sie den wohl besten Reiseführer für Individualreisende verfasst.
Auf 444 Seiten stellt er alles vor, was das Elsass zwischen Wissembourg und Mulhouse zu bieten hat: mittelalterliche Fachwerkdörfer, das beschauliche Colmar und die multikulturelle Europastadt Straßburg. Kunst und Kirchen, Berge und Burgen. Und natürlich viele Schlemmeradressen, denn auch das gehört zum Elsass. Wer mag, kann den Band hier* direkt beim Verlag bestellen.
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wir fahren seit nunmehr 30 Jahren immer wieder nach Eguisheim. Der Grund beim ersten Trip war tatsächlich der Besuch bei Wolfberger. Wir kennen noch die alte erste Probierstube dort. Es hat sich viel verändert in den ganzen Jahren, aber die Qualität ist stets gleichbleibend hoch und es gibt immer wieder etwas neues zu entdecken. Immer schön am Fuße der Vogesen….
Jörg
Hallo Jörg, ja, Eguisheim ist wunderschön – schau auch mal hier für einige Eindrücke aus der Weihnachtszeit: https://meinfrankreich.com/eguisheim/. Alles Gute für 2022, Hilke
Was für ein wundervoller Bericht … ich liebe Cremant und fahre seit mehreren Jahren (2020 leider nicht *grmpf*) mit meiner „Rentnergang“ (Mama, einem befreundeten Ehepaar und noch ein Freund … alle Mitte 80!) nach Bergheim ins Elsass zum Cremant einkaufen zu Gustav Lorentz … der Cremant Rosé von dort ist mir der liebste, dafür lasse ich jeden Champagner links liegen … und überhaupt ist Bergheim ein wunderschönes Örtchen zum Bummeln und mit lecker Essen … ich hoffe auf 2021, auf dass ich wieder ins Elsass und auch in mein geliebtes Languedoc fahren kann … ich vermisse Frankreich sehr und erfreue mich derweil hier über die schönen Berichte … Merci!
Danke für den Tipp, liebe Anja! Bergheim kenne ich noch nicht – muss ich nachholen! Schönes Adventszeit!! Hilke
Danke für diesen tollen Artikel
Merci!
Diesen Bericht habe ich mit viel Freude gelesen, so genau kannte ich die Herstellung von Champagner nicht, ich trinke schon lange Crémant und auch Clairette ist mir ein Begriff.
Mein Favorit ist „Clairette de Die“. Das hat familiäre Gründe.
Liebe Brita, Clairette ist köstlich – wie auch Blanquette aus Limoux, die auch sehr fein perlt – und älter ist als der Champagner. Bises! Hilke
für mich war Crémant auch Neuland – und der Besuch daher eine besonders köstliche Lehrstunde 😉