Bettentest: der Manoir de Rétival an der Seine
Eine neogotische Villa mit schmiedeeisernem Tor und Kieselauffahrt, eingebettet in einen Garten mit mediterranen Kräutern, blühenden Büschen und Paradeblicken von der Terrasse auf eine befahrene Schifffahrtsstraße. Etwas höher am Hang eine Kapelle, neben dem Haupthaus eine Remise: eine Kulisse, wie sie an die Prachtbauten der Hamburger Elbchaussee erinnert. Bienvenue im Manoir de Rétival.
In Caudebec-en-Caux, heute administrativ aufgegangen in die Großgemeinde Rives-en-Seine, hat der Hamburger David Görne (Jahrgang 1975) mit seiner norddeutschen Partnerin Mai-Britt Swane sich damit einen Lebenstraum erfüllt und ein luxuriöses chambres d’hôtes geschaffen, das Lebensart und Gastlichkeit nicht inszeniert, sondern lebt.
David genießt es, als kreativer Sternekoch zugleich ein sehr herzlicher, charmanter Gastgeber zu sein. Seine Partnerin ist in diesem Duo der kühle Kopf, kümmert sich um das Marketing und hat die Finanzen im Blick. Gemeinsam bilden sie ein erfolgreiches Team, das mit dem Manoir de Rétival eine exquisite Verwöhnoase an der Seine geschaffen hat.
Von der Elbe an die Seine
David Görne studierte zunächst Jura, schnupperte auch einmal in Medizin rein und folgte dann doch dem Rat seiner Freunde, die ihn drängten, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen: das Kochen.
Nach einem Praktikum bei Alfred Klink im Freiburger Colombi Hotel machte David Görne eine Ausbildung beim Sternekoch Thomas Martin im Restaurant Louis C. Jacobs und damit in einem noblen Hotel-Restaurant mit Eiskeller, das wie der Manoir de Rétival hoch am Ufer über einem Fluss und einer viel befahrenen Schifffahrtsstraße liegt, der Elbe.
Nach Jahren bei Dirk Luther im Seehotel Töpferhaus und im Alten Meierhof von Glücksburg ging er, wie zuvor auch Luther, nach Frankreich. Beim französischen Dreisternekoch Alain Ducasse holte sich David Görne den letzten Schliff in der Haute Cuisine. 2009 schließlich eröffnete der charmante Hamburger mit seiner Partnerin Mai-Britt Swane sein Restaurant G.a. im Herrenhaus Manoir de Rétival.
Der rätselhafte Rebus
Der Name verweist auf einen berühmten Rebus, ein Buchstabenrätsel. Friedrich der Große korrespondierte ab 1736 mit dem französischen Schriftsteller Voltaire bis zu dessen Tod im Jahr 1778 intensiv.
Neben 654 Briefen ist auch eine rätselhafte Einladung erhalten, mit der der preußische König Friedrich der Große Voltaire einst in sein Schloss Sanssouci eingeladen hatte. Voltaire antwortete auf die als Gleichung dargestellte Frage venez sous p à cent sous six (Venez souper à Sanssouci. Kommen Sie zum Souper nach Sanssouci?) genauso geistreich: G. a. = J’ai grand appetit. Ich habe großen Hunger.
Küche, Terrasse oder versteckter Tisch?
Sans soucis, ohne Sorgen, kann man Davids Kochkunst vertrauen. Auch, wenn er den Teller zunächst mit großen Kieseln bedeckt. Später wird er darauf die Auster platzieren, die er mit Spinat gratiniert hat.
Wer mag, kann sich an den großen Esstisch im Herzen der Küche setzen und beim Nippen am Champagner oder Wein David dabei zuschauen, wie er brutzelt und kocht, mariniert und flambiert, dekoriert und sichtlich begeistert ist vom kulinarischen Trubel ringsum.
Oder setzt euch an den kleinen, verwunschenen Solotisch mit Paradeblick auf die Seine inmitten von Rosmarin. Mittags flirtet dort beispielsweise ein mariniertes Thunfischfilet mit einem Gartensalat, der die Geschmacksknospen sinnlich verzaubert – und doch genug Platz lässt für das Abendmenü, das zum Sonnenuntergang an der Seine zehn Gänge lang Überraschungen präsentiert.
Die Gästezimmer
Nach dem dîner ist der Weg zum Bett nicht weit: Zum Manoir de Rétival gehören vier äußerst geräumige Gästezimmer, darunter eine schlichtweg grandiose Suite. Ihre Decke erinnert an eine Kapelle, ihr Kamin an den Glanz der Renaissance, ihre Möbel, Textilien und Dekorationen an eine Reise rund um die Welt.
Das gesamte Herrenhaus ist ein faszinierendes Privatmuseum mit einem bunten Mix aus Gemälden und Gegenständen, die Davids Eltern bei ihren Besuchen französischer Flohmärkte und Trödler gefunden haben. Mit wahrer Leidenschaft erwerben Davids Eltern Immobilien, sanieren sie und dekorieren sie.
Frankreichs deutscher Sternekoch
So kam auch David zu seinem Haus. Als seine Eltern das Manoir de Rétival in der Normandie erwarben, begann Görne, im Wohn-Esszimmer seiner Eltern Gäste im kleinen Rahmen zu bewirten. Schnell sprach es sich herum, wie einzigartig ein Essen bei David Görne war.
2016 erhielt David Görne als einer der ersten Deutschen im Heimatland der Haute Cuisine für seine kreative Kochkunst einen Stern vom Guide Michelin, den er seitdem jährlich bestätigt hat. Vor ihm hatten bereits Michaela Peters im Jahr 2005 (Elsass), Lutz Janisch im Jahr 2009 (Bitche Lothringen) und Fabian Feldmann im Jahr 2013 (Biarritz) einen Michelin-Stern erhalten.
2020 folgte der grüne Michelin-Stern für eine besonders nachhaltige, umwelt- und ressourcenschonende Arbeit in der Küche.
Die Brasserie
Zum Anwesen gehört eine Remise, die wie eine Schankwirtschaft des 19. Jahrhunderts eingerichtet ist und die gleiche Küche birgt wie im Haupthaus – allerdings nicht in Rot, sondern hier in Grün. Die Brasserie in der Remise wird für Events privatisiert. Firmen nutzen sie ebenso wie Familien für ihre Feiern.
Alljährlich beim SHGF
Wer David Görne nicht an der Seine besucht, kann ihn auch in seiner alten Heimat erleben: Beim Schleswig-Holstein Gourmet Festival gibt der Sternekoch seit vielen Jahren ein Gastspiel – 2024 am 23., 24. und 25. 2. im Hotel Cap Polonio in Pinneberg. Doch dies ist nur ein kleiner Vorgeschmack von jenem, was euch an den Ufern der Seine bei David erwartet.
Le Manoir de Rétival: die Wertung
Top
Ihr habt es sicherlich schon am Text bemerkt. Ich bin völlig begeistert von Davids Konzept, seiner Küche und dem Ambiente – und von der guten Stimmung in seinem Team. Angesichts der Personalkrise, unter der Frankreichs Gastronomie derzeit leidet, ist die Harmonie im Team – und die Begeisterung, mit der jeder dabei ist, ganz besonders hervorzuheben. Die Highlights für mich waren:
Die Terrasse
Die Unterkünfte
Stundenlang hätte ich einfach nur schauen können, so üppig ist der Manoir de Rétival mit Antiquitäten und Gemälden und typisch französischen Reminiszenzen eingerichtet – Postern, alten Werbeschildern und anderen Zitaten der Vergangenheit.
Alle Zimmer sind überaus geräumig und ebenfalls sehr individuell eingerichtet. Zum Turmzimmer gehört eine intime Terrasse zur Hangseite. Standard in allen Zimmern ist neben Mineralwasser die Möglichkeit, sich selbst einen Tee (Wasserkocher) oder einen Kaffee (Nespresso-Maschine) zuzubereiten. Und in einer Karaffe mit einigen Gläsern entdeckte ich allerfeinsten Calvados auf dem Zimmer….
Die Küche
Sinnlich und überraschend: In der Küche liebt David Görne Experimente und hat eine Freude daher, lokale Produkte aufregend anders zu präsentieren. Seine abendlichen Menüs sind magische Miniaturen. Mittags beweist David, dass er auch die bodenständig leichte Saison-Küche perfekt beherrscht.
Flop
So sehr ich kritisch schaue: Es gab wirklich keinen einzigen Kritikpunkt. David Görne und sein Team führen das Haus perfekt.
Offenlegung
Ich lernte David Görne und Mai-Britt Swane bei meinen Recherchen für mein Normandie-Kochbuch kennen, in dem ich David als Küchenchef mit einigen seiner Rezepte vorstelle. Ursprünglich sollte ich mittags zum Teller fotografieren kommen, dann folgte spontan die Einladung zum Dîner samt Übernachtung. Dafür sage ich David, Mai-Britt und dem gesamten Team herzlichen Dank.
Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Beiträge bezahlt.
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Im Blog
Alle Unterkünfte, die ich in Frankreich getestet habe, vereint die Kategorie Bettentest.
Mehr Beiträge zum Département Seine-Maritime gibt es hier.
Im Buch
Glücksorte in der Normandie*
Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.
Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.
Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen. Wer mag, kann es hier* bestellen.
Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massentrefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolites, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.
Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.
Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* könnt ihr den handlichen Führer bestellen.
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Liebe Hilke,
unser außergewöhnliches Erlebnis müssen wir Ihnen doch unbedingt erzählen!
Anfang Januar 2024 haben wir, dank Ihnen, einen wundervollen Abend erlebt – im „Manoir de Retival“.
Wie reagiert ein Meisterkoch, wenn er einen Anruf bekommt und erfährt, dass zwei Gäste vor der verschlossenen Türe
seines schönen Manoirs stehen und behaupten, ein Zimmer und Tisch für diesen Tag reserviert zu haben und er diese Buchung auch bestätigt hätte – und er vollkommen ahnungslos ist?
Wenn er David Goerne heißt – dann phantastisch!
Nach 20 Minuten kommt er angerannt, völlig außer Atem, schaut auf sein Téléphone portable und schüttelt nur den Kopf.
Wie sich herausstellte, ist diese Reservierung, wohl durch einen Provider-Wechsel, verloren gegangen und er hatte Ruhetag!
Es war ihm extrem peinlich und er suchte nach einer Lösung aus dieser vertrackten Situation.
Dann kurzes Durchatmen, ein Blick auf die Uhr und nun ging alles sehr schnell!
„Sie bleiben hier, ich koche. Es wird ein Menü, aber ich kann noch nicht sagen mit welchen Gängen. Wollen Sie Champagner?“
Er schnappt sich unseren Koffer, rennt damit wie der Blitz die Treppe hoch und führt uns in die Suite (die wir gar nicht gebucht hatten), verschwindet und kommt mit zwei großzügig gefüllten Champagner-Gläsern zurück mit dem Hinweis uns in 3 Stunden zum Apero in der Küche zu erwarten verschwindet er.
Wir waren im wahrsten Sinne des Wortes „SPRACHLOS“ und genossen diese unheimlich große Suite, den wunderschönen Ausblick auf die Seine und natürlich den Champagner.
Was dann folgte?
Ein toller, leckerer Abend, ein liebevoll gedeckter Tisch – nur für uns zwei – eine einmalige „Küchen-Atmosphäre“!
David Goerne hatte noch einen zusätzlichen Koch, den sehr sympathischen Erwan, auf die Schnelle organisiert und seine Frau Mai-Britt unterstützte die beiden.
Wohlgemerkt – alle haben ihren freien Tag für nur uns geopfert!
David, inzwischen waren wir beim Du angelangt, zauberte nach allen Regeln der Kunst, spontan und mit nur 3 Stunden Vorbereitungszeit, ein wahrhaft köstliches 8-Gänge-Menü.
Beseelt und glücklich fielen wir in das sehr bequeme Bett um am nächsten Morgen, wieder in der Küche, ein liebevoll zubereitetes Frühstück zu bekommen, was wir nach der Völlerei das Abends leider nicht mehr bewältigten. Und was macht David? Kurzer Hand packt er davon einen ausgiebigen Reiseproviant für 8-stündige Heimreise zusammen.
Am Ende dieses unglaublichen Erlebnisses wurden wir von David und Mai-Britt noch herzlich verabschiedet.
Schöner hätte unser Aufenthalt im „Manoir de Retival“ nicht sein können und wir werden sicherlich wieder kommen!
Herzliche Grüße aus Stuttgart
Sylvia und Jörg
Liebe Sylvia, lieber Jörg, welch schöne Erlebnisse! Ja, David kocht – und bewirtet – fantastisch… und hat mit einigen seiner Rezepte auch Eingang gefunden in meinen inzwischen drittes Kulinarik-Reiseführer: Normandie.
Herzliche Grüße! Hilke