Château-Thierry: daheim bei Jean de la Fontaine
Auf halbem Weg zwischen Paris und Reims wurde am Ufer der Marne ein Mann geboren, den jedes Kind in Frankreich kennt. Weithin sichtbar ragt sein Denkmal aus dem zentralen Kreisverkehr der Mittelstadt an der Marne heraus: Jean de la Fontaine.
Am 8. Juli 1621 erblickte er in Château-Thierry in einem Stadtpalais das Licht der Welt, der heute in der Rue Jean de la Fontaine 12 als Musée Jean de la Fontaine Leben und Werk des Fabeldichters wachhält.
Daheim bei Jean de la Fontaine
Als Autor berühmter Fabeln wie „Der Rabe und der Fuchs“ oder „Die Zikade und die Ameise“ übte er, versteckt in tierischem Geschehen, Kritik an der Gesellschaft zur Zeit des Sonnenkönigs Ludwigs XIV.
Sein Werk überlebte, da seine Fabel allgemein menschliches Verhalten bloßstellt, das nicht an eine Ära oder Epoche gebunden ist. So sind seine Fabeln auch noch heute aktuell.
Setzt euch in das Baron Feuillet de Conches‘ Zimmer und lass euch von einem Film das Leben von La Fontaine erzählen, ehe ihr die Sammlung entdeckt. Baron Feuillet de Conches ließ im 19. Jahrhundert die Fabeln von Jean de la Fontaine illustrieren.
Zuvor hatten bereits viele andere Künstler das Werk als Motiv ihrer Kunst gewählt. Ein echter „Bestseller“ war die Ausgabe der ausgewählten Fabeln, die François Chauveau 1688 illustriert hat.
Aber auch Steingut und Porzellan, Silber und Stoffe, Möbel, und Tapisserien wurden mit den Motiven der Fabeln illustriert. Das Arbeitszimmer im ersten Stock, das bis 2006 die historische Gesellschaft von Château-Thierry nutzte, vermittelt heute den Eindruck, als sein der Dichter nur eben kurz fortgegangen.
Palais einer Mätresse
Nicht nur die Sammlung im Innern, auch von außen ist sein Geburtshaus ein Highlight. Seine Architektur verschmilzt Naturstein mit Backstein, der Schmuck erinnert an eine Dame, die beim Bau des Hauses die Mätresse des französischen Königs Heinrich II: war: Diana von Poitiers (1499/1500 – 1566). Die seltsam verwobenen Halbmonde auf der Fassade waren ihr Monogramm.
Seitdem Fontaine dort lebte, hat sich einiges verändert. Im 18. Jahrhundert wurde der Turm im Garten abgerissen. Doch die Reste der Stadtmauer sind bis heute dort zu sehen. Auch der kleine Turm, der früher zum Arbeitszimmer von Jean de la Fontaine führt, ist verschwunden.
Erst 1882 erhielt das Stadthaus von 1559 sein heutiges Tor. Original erhalten sind die schmuckvollen Ziegelsteinwände, die den Kutscheneingang umrahmen.
Rauf zur Aussichts-Ruine!
Gegenüber vom Museum führt ein sandiger Pfad leicht bergauf. Im schattigen Grün bringt er euch zur Burgruine, in der Karl Martell Theuderich IV. gefangen haben, soll.
Die Wurzeln der Burg aus dem 13. Jahrhundert, einst eine ausgedehnte Befestigungsanlage, reichen bis in die Antike zurück, verraten ein paar dürftig aufgestellte Infotafeln, die schon bessere Tage gesehen haben.
Auch auf eine Greifvogelschau weist ein Plakat hin, 70 Vögel aus 25 Arten werden dort vorgestellt. Großartig ist auch die Aussicht: An sanften Hängen schmiegt sich Château-Thierry an die Marne. Gärten und Gassen eröffnen völlig neue Einblicke, Linden spenden Schatten. Bänke laden zur Rast.
In der Ferne leuchtet hell das amerikanische Ehrenmal aus dem Grün. Paul Cret, ein franco-amerikanerischer Architekt, entwarf es monumental mit einem doppelten Säulengang, schlicht und imposant zugleich.
Frankreich und die USA stehen zusammen, Hand in Hand, sagen die beiden riesigen Statuen in der Mitte des Denkmals. Inschriften erinnern auf Englisch und Französisch an die Schlachten und Opfer vom Juli 1918.
Auf dem Spazierweg Chemin de Ronde erreicht ihr eine monumentale Treppe, die zurück zur Stadt führt, direkt zur Place de l’Hôtel de Ville. Von unten trägt eine leichte Brise die Klänge des Klassikers Bridge over troubled water“ von Simon & Garfunkel hinauf.
Neugierig steige ich die Stufen hinab, folge den Klängen. Und sehe neben der evangelischen Pfarrkirche eine geöffnete Tür: Eine kleine Musikgruppe probt für ihren Auftritt.
Still ist es an diesem Morgen. Und so kann ich den Rathausplatz ganz in Ruhe betrachten. Vor dem Rathaus verrät ein gelbes Ortsschild: 500 Kilometer sind es bis Mosbach, der deutschen Partnerstadt von Château-Thierry.
Im Osten begrenzt ein Art-Déco-Bau den Platz: das Theater, das Bertin 1899 als Schauspielbühne erbaute. Bereits zwischen den beiden Weltkriegen wurden dort die ersten Filme gezeigt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Ebenfalls am Marktplatz findet ihr die Markthalle, die 1928 aus Ziegelwerk und Stahlbeton errichtet wurde. Mit La Vie Claire findet ihr dort auch einen Biohändler.
Von hier sind es nur wenige Schritte zurück zur Marne. Lasst euch noch ein wenig durch die Gassen und Straßen des kleinen Städtchens treiben, bummelt noch ein wenig am Ufer der Marne. Und lauf auf der Brücke der Rue Carnot hinüber zur großen Flussinsel in der Marne, von der ihr die Stadtsilhouette am besten bewundern könnt!
Château-Thierry: meine Reisetipps
Schlemmen & genießen
L’Adresse Rive Droite
Modernes Ambiente, kreative Küche und ab und an Musik: Hier trifft, speist und genießt die Stadt am rechten Ufer der Marne.
• 7, rue Drugeon Lecart, 02400 Château-Thierry, Tel. 03 60 38 12 96, www.facebook.com/ladresserivedroite, https://ladresserivedroite.eatbu.com; Mo. geschl.
Chacun sa bière
Mehr als 150 Flaschenbiere und fünf Fassbiere gibt es an der Theke! Dazu munden die planches mit Wurstwaren, Käse und Foie Gras.
• 66, rue Carnot, Tel. 09 54 84 89 49, https://en.lesportesdelachampagne.com
Champagner
Les Portes de la Champagne, die Tore der Champagne, so nennt sich Château-Thierry stolz. Und hat im Tal der Marne eine Champagner-Route angelegt, die euch bis nach Épernay bringt. Auf 3400 Hektar wachsen dort die Reben. Mehr dazu in diesem Beitrag.
In Château-Thierry hat Champagne Pannier seine Keller für Besucher geöffnet. Das 1899 gegründete Haus ist der größte Champagnerhersteller im westlichen Marne-Tal.
Erleben
Fontaine-Feste
Alljährlich im Juni feiert Château-Thierry drei Tage lang bei La Fête Jean de la Fontaine seinen großen Dichter – mit Theater, Straßenshows, Konzerten, Tanz, Feuerwerk, Spielen und Unterhaltung für alle. Ebenfalls im Juni feiert das Festival Escale et livres chez La Fontaine das literarische Schaffen.
Schlafen
Hotel Île-de-France*
Das Haus ist ein wenig in die Jahre gekommen. Die 37 Zimmer sind recht klein, aber ordentlich, gemütlich und sauber. Doch das Highlight ist das Restaurant La Symphonie des Saisons mit seiner vorzüglichen Küche. Die köstlichen Kalorien könnt ihr danach im Schwimmbad verbrennen.
• 60, rue Léon Lhermitte, 02400 Château-Thierry, Tel. 03 23 69 10 12, www.hotel-iledefrance.com
La Rose des Fables*
Nur einen Steinwurf vom Fontaine-Museum findet ihr das charmant nostalgische Anwesen von Marie Maurice. Als die Kinder aus dem Haus waren, öffnete die gelernte Friseurin aus Paris ihr Haus für Besucher, richtete vier Gäste ein und verwöhnt sie mit reichhaltigem Frühstück und vielen Tipps.
Marie liebt es nostalgisch und etwas plüschig, ihr Gästehaus ist eine charmante und sehr französische Unterkunft. Ein wenig der Zeit entrückt ist auch der Blumen geschmückte Innenhof des Stadthauses aus dem 15. Jahrhundert.
• 10, rue du Château, 02400 Château-Thierry, Tel. 06 83 44 37 46
Villa Mélaine
Gruppen, Freunde und große Familien finden in diesem 200 Quadratmeter großen Ferienhaus mit drei Bädern in fünf Zimmern Betten für bis zu 20 Gäste.
• 19 bis, rue Jules Maciet, 02400 Château-Thierry, Tel. mobil 06 52 63 68 20, www.facebook.com
Noch mehr Betten*
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Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
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