Die Église Saint-Savinien. Foto: Hilke Maunder
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Melle: Frankreichs Silberstadt

Eine römische Silbermine legte den Grundstein für die Gründung von Melle. Unter der Merowingern begann im 7. Jahrhundert die Ausbeute im großen Stil.  Zwölf Jahrhunderte lang waren die Bergwerke in Betrieb.

Das Silber von Melle

Die Minen befanden sich allesamt in den Hügeln ringsum und hießen Verrerie, Brossard oder Bois-Renard. Dort wurde das silberhaltige Gestein von Hand abgebaut, zerkleinert und zur Gewinnung des Silbers geschmolzen.

Die Mine der Könige

Als größte und produktivste galten die Mines d’Argent des Rois de France. Mehr als 60 Tonnen Silber soll die Mine der französischen Könige produziert haben. Zu den bekanntesten Objekten, die aus ihrem Silber hergestellt wurde, gehört der Kelch des Heiligen Ludwig, der im 13. Jahrhundert für König Ludwig IX. geschaffen wurde.

Ebenfalls aus Meller Königssilber wurden die Insignien des Ordens des Heiligen Geistes, den König Heinrich III. im 16. Jahrhundert gegründet hatte, hergestellt. Heute ist die Mine ein Besucherschauwerk. Auf Führungen könnt ihr die Stollen und Schächte dieser historischen Silbermine erkunden.

Der Schatz der Silberminen

Das Silber hat schon früh die Fantasie inspiriert und Mythen geschaffen. Landesweit berühmt wurde die Legende vom Schatz der Silberminen.

Eine Gruppe von Bergleuten entdeckte im Mittelalter bei Arbeiten in den Minen um Melle eine riesige Silberader. Bei der Gewinnung des Silbers häuften sie ein großes Vermögen an, das sie in den Stollen und Schächten des Bergwerks versteckten.

Im Laufe der Zeit wurde die Stelle, an der sich der Schatz befand, vergessen. Seitdem haben viele vergeblich nach ihm gesucht. Einige glauben, dass der Schatz von übernatürlichen Kräften bewacht wird. Andere behaupten, dass er durch eine Reihe von Fallen und Hindernissen geschützt ist. Trotz zahlreicher Versuche wurde der Silberschatz bis heute nicht geborgen.

Die Münzen von Melle

Im Mittelalter und in der Renaissance gehörten die Silberbergwerke von Melle zu den wichtigsten Minen in Europa und produzierten hochwertiges Silber, das für seine Reinheit und Qualität hoch geschätzt und als Zahlungsmittel verwendet wurde. Im 9. Jahrhundert besaß es die einzige Münze Aquitaniens.

Eine der berühmtesten Münzen, die aus Meller Silber hergestellt wurden, war der „Meller Pfennig“, der während der Herrschaft von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert geprägt wurde.

Edle Silberwaren

Neben Münzen wurden aus Meller Silber zahlreiche dekorative Objekte hergestellt:  Kelche, Leuchter und liturgische Gegenstände.

Der Niedergang der Silberminen von Melle begann im 17. Jahrhundert. Einige der ergiebigsten Minen waren nahezu ausgebeutet. Und wo es noch Silber gab, wurde es immer schwieriger, es zu gewinnen – und damit teurer.

Das Ende der Silberminen

Den Niedergang beschleunigte die Erschließung neuer Silberquellen in Amerika. Im 19. Jahrhundert waren die meisten Minen in der Gegend bereits stillgelegt und die Silberindustrie der Stadt stark zurückgegangen. Mit der Mine Bois-Renard stellte im Jahr 1872 das letzte Silberbergwerk seinen Betrieb ein.

Der Baudet du Poitou

Melles Geschichte ist auch eng mit einer seltenen Eselsrasse verbunden: dem Baudet du Poitou. Jahrhunderte lang wurde er in der Landwirtschaft eingesetzt.

Er trug in Säcken das Salz des Poitou und wurde mit seinen bunten Hosen zum Markenzeichen der Region. Auch zum Pflügen und Ziehen von Karren wurde der gutmütige Esel eingespannt.

Ganz und gar zottelig gehört dazu: Poitou-Esel. Foto: Hilke Maunder
Ganz und gar zottelig gehört beim Baudet du Poitou-Esel einfach dazu. Foto: Hilke Maunder

Ein gutmütiger Geselle

Der Baudet du Poitou ist ein großer und kräftiger Esel mit einer Schulterhöhe von 1,25 bis 1,45 Metern und einem Gewicht von bis zu 450 Kilogramm.

Reichlich zerzaust hängt sein langes Fell am Körper, dunkelbraun oder schwarz mit hellem Bauch und weißer Nase. Ungewöhnlich sind auch die Ohren. Bis zu 30 Zentimeter können sie lang werden!

Brain-sur-Vilaine: Esel auf der Weide. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Eine seltene Rasse

Heute gilt der Baudet du Poitou als seltene Rasse, von der es weltweit nur noch einige hundert Exemplare gibt. Um sie zu erhalten, gibt es Zuchtprogramme und Bildungsinitiativen. Mehr dazu könnt ihr im Esel-Interpretationszentrum erfahren.

Im Herzen von Melle bietet es nicht nur Ausstellungen zur Geschichte und die Verwendung dieser Rasse, sondern auch Vorführungen traditioneller landwirtschaftlicher Techniken mit Baudet du Poitou-Eseln.

Ein Stadtpalais in Melle. Foto: Hilke Maunder
Schlicht schön: ein Stadtpalais in Melle. Foto: Hilke Maunder

Juwelen der Romanik

Melle ist schließlich auch für sein Kirchentrio aus der Romanik bekannt. Die Église Saint-Hilaire wurde im 11. und 12. Jahrhundert erbaut und besitzt aus der Romanik ein geschnitztes Tympanon und einen hohen Glockenturm.

Ihre Reiterstatue am Nordportal soll den römischen Kaiser Konstantin darstellen. Fresken und Wandmalereien aus dem Mittelalter schmücken ihr Inneres.

Nur wenige Jahre jünger ist die Église Saint-Pierre mit ihren geschnitzten Kapitellen und Figuren und dem großen romanischen Tympanon mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts.

Die <em>Église Saint-Savinien<em>. Foto: Hilke Maundere
Juwel der Romanik: die Église Saint-Savinien. Foto: Hilke Maunder

Die Église Saint-Savinien stammt ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert. Ihr Hingucker ist ihre romanische Fassade, die kunstvolle Schnitzereien und eine große Fensterrose zieren.

Charmant entspannt

Das Kulturerbe von Melle könnt ihr auf einem markierten Stadtrundgang entdecken. Mehr als 1000 Jahre Geschichte verbindet er mit seinen 26 Stationen.

Von der Romanik bis zum Art-déco reicht die Bandbreite der Architektur, die euch beim Bummeln begleitet. Der Rundgang Melle au fil des rues beginnt an der Place Bujault und dauert rund 75 Minuten.

Auf der nahen Place René Groussard sprudelt dieser Brunnen. Hilke Maunder

Dort erhebt sich seit 1930 ein Musikpavillon im Art-déco-Stil, den der örtliche Musikverein in Auftrag gab. Das Dach, eine achteckige Kuppel mit Lyra, tragen gusseiserne Säulen.

Geometrische Motive zieren ihre Kapitelle. Wie die nahen Markthallen gehört auch der Kiosk in Melle zu den wenigen Metallkonstruktionen dieser Art, die im Département Deux-Sèvres erhalten sind.

Die Markthalle

Die Markthalle von Melle. Foto: Hilke Maunder
Die Markthalle von Melle. Foto: Hilke Maunder

Im Jahr 1903 erhielt Melle seine Markthalle im Baltardstil – und damit einen Bau, der die größte technische Innovation jener Zeit nutzte: die Gusseisenkonstruktion. Baltard übertrug damit die gotische Skelettbauweise auf seine Architektur.

Das Gerüst der Markthalle bilden Metallpfosten. An der Basis wurden die Wände mit Ziegeln gefüllt, auf die große Fenster gesetzt wurden. In der Mitte der Frontseite erhielten Les Halles ein monumentales Steintor mit einem skulpturalen Giebel als Eingang.

Das Schieferdach ist mit einer Laterne versehen – sie sorgte für die Belüftung des Baus. Im Inneren stützen gusseiserne Pfosten den erhöhten Mittelteil des Daches. Gusseisen, ein Material, das stärker als Kalkstein ist, ersetzt den Stein. Nur noch fünf dieser Metallhallen gibt es im Département. In Melle ist sie wie einst voller Leben.

<em>Le Pont aux roses</em>. Foto: Hilke Maunder
Le Pont aux roses. Rechts lugt die Markthalle zwischen den Bäumen hervor. Foto: Hilke Maunder

Das Hôtel de Menoc

Das einstige Amtsgericht von Melle ist ein wilder Stilmix – aber vielleicht deshalb so charmant. Zwischen seine beiden Treppentürme aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts im Stil der Flamboyant-Gotik wurde erst im 19. Jahrhundert das heutige Hauptgebäude gesetzt – passend im Stil der Neorenaissance.

Auf dem Südturm könnt ihr das Wappen der Familie de Cousdun sehen, den seigneurs von Les Ousches en Melle , für die dieses Stadthaus gebaut wurde. Von 1582 bis 1646 diente es als erste protestantische Kirche von Melle.

Das Hôtel Menoc diente als Palais de Justice. Heute werden hier Ausstellungen gezeigt. Foto: Hilke Maunder
Das Hôtel de Menoc diente als Palais de Justice. Heute werden hier Ausstellungen gezeigt. Foto: Hilke Maunder

Der Saal der verlorenen Schritte

Im Erdgeschoss des Hôtel de Menoc findet ihr die Salle des Pas Perdus. Ihr Name verweist auf seine frühere Funktion als Warteraum für Anwälte und ihre Mandanten – und auf das Gefühl der Frustration und Ungeduld, wenn sie wieder einmal stundenlang im „Saal der verlorenen Schritte“ warten mussten, ehe sie aufgerufen wurden.

Die Salle des Pas Perdus im Hôtel de Menoc war einer der berühmtesten Wartesäle Frankreichs und wurde zu einem Symbol des französischen Rechtssystems. Heute wird der Ausdruck Salle des Pas Perdus umgangssprachlich für alle Warteräume verwendet, obwohl er seinen Ursprung im französischen Rechtssystem hat.

Auf Konfrontationskurs: diese Mosaik-Straßenkunst in Melle. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Partnerstädte von Melle

Schmunzeln musste, als ich erfuhr, welche erste Partnerstadt sich Melle vor mehr als 40 Jahren in Deutschland suchte: die niedersächsische Kleinstadt Melle. Später gesellten sich noch Melle in Belgien sowie das rumänische Städtchen Hateg hinzu.

Melle: meine Reisetipps

Die Épicerie fermière verkauft nur, was bio und lokal ist – und wird von vielen Erzeugern direkt beliefert. Melle. Foto: Hilke Maunder
Die Épicerie fermière verkauft nur, was bio und lokal ist – und wird von vielen Erzeugern direkt beliefert. Melle. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen und genießen

L’Argentière

Vor vier Jahrzehnten gründete Daniel Mautre das L’Argentière. Am Herd stehen heute zwei Küchenchefs: Laurent Olivier, zuständig für traditionelle französische und japanische Küche, sowie Jérémy Duval. Der junge Küchenchef liebt kreative kulinarische Experimente – und die Pâtisserie!
• Route de Niort (D 948; stadtauswärts hinter der Peugeot-Werkstatt auf der rechten Seite), 35420 Melle, Tel. 05 49 29 13 74, www.restaurantlargentiere.fr

Le Mellouën

Pizza und Pasta, Flammenkuchen und Fleisch: grundsolide und günstig.
• 1, Place Saint-Martin, 35420 Melle, Tel. 02 99 95 92 45, www.facebook.com

Street-Art gibt es in Melle wenig, aber dann gerne überraschend.Foto: Hilke Maunder
Street-Art gibt es in Melle wenig, aber dann gerne überraschend. Foto: Hilke Maunder

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Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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