Fischboote am Ufer des Étang de Bages. Foto: Hilke Maunder

Bages: vom Aal zur Kunst

Bages war jahrhundertelang eine Hochburg der Aalfischerei im Languedoc. Das mittelalterliche Dorf im regionalen Naturpark Narbonnaise en Méditerranée hat seit der Millenniumswende einen bemerkenswerten Wandel durchgemacht und sich zu einem beliebten Künstlerdorf entwickelt.  Entdeckt Bages auf einer kleinen Zeitreise zwischen einst und heute.

Bages, 1999

In aller Frühe schiebt Gérard Barbouteau seinen bunten Kahn in den Étang de Bages, stakt ihn einige Meter und startet dann den Außenborder. Flott steuert er die Stangen an, die sich am Horizont im Licht der aufgehenden Sonne abzeichneten. Dort greift er ins dunkle Wasser und zieht die erste Reuse hoch, blickt hinein und strahlt. Heute hat sich das frühe Aufstehen gelohnt!

Gérard ist einer der letzten Aalfischer am Lagunensee von Bages. Der Reichtum des 5500 Hektar großen Küstensees ist legendär. 85 Fisch- und 25 Krebsarten leben hier. Rosa Flamingos und Uferschnepfen sehen Gérard bei seinem einsamen Tagewerk zu. Mutiger sind die Möwen, die sich gierig auf die Bugkante hocken und hoffen, etwas vom Beifang zu erhaschen, den Gérard zurück in den See wirft. Dorade, Wolfsbarsch und Crevetten wandern in schwarze Eimer für den Verkauf.

Und heute sogar fast 40 Kilogramm Aale. „Ihr Fleisch ist feiner, ihr Geschmack ist aromatischer als das der Flussaale“, sagt Gérard stolz. „Doch was nützt das, wenn in Nordeuropa Aal in großem Stil gezüchtet wird. Der schmeckt zwar nicht, aber macht unser Geschäft kaputt. Und drückt die Preise“. Um fast 20 Prozent sind sie seit dem neuen Jahrtausend gesunken. Fast alle der zehn Aalfischer von Bages haben noch ein zweites Einkommen.

Gérard vermietete damals Gästezimmer. 2010 gab er die Fischerei auf und fuhr nur noch ab und an Touristen auf dem See spazieren. Heute hat er sich auch als Gastgeber zur Ruhe gesetzt.

Die Netze und Boote am Ufer sind heute nur noch Kulisse. In Bages gibt es keinen Fischer mehr, der vom Aalfang lebt. Der Einzige, der in Bages noch mitunter Reusen ausspannt, ist Kevin aus Port-la-Nouvelle.

Aufgegeben hat auch Jean-Marie Martin Martin, der einst in seinem kleinen Familienbetrieb Les Saveurs du Pêcheur köstliche Fischeintöpfe und -suppen, Krebs-Vélouté, Aalragout und Terrinen ins Glas packte.

Einzig einige Schwarzweißfotos und Infoschilder, die die Kommune an die Fassaden anbringen ließ, erinnern heute noch an die große Zeit der Aalfischerei von Bages. Und das Aalmenü, das Jean-Christophe Rousseau seit zwei Jahrzehnten in seinem Restaurant Le Portanel anbietet. Die anguille ist bei ihm noch immer der Star seiner Karte, die ihn in neun Varianten präsentiert: gebraten, geräuchert, grün, in Aspik oder Suppe.

Alle seine Aalgerichte sind tief in der Region verwurzelt: die Pinhata, die Anguilles à la Narbonnaise, die Bourride d’Anguilles und der Civet d’Anguilles mit Fitou-Rotwein.

Blick auf Bages vom Étang, Foto: Hilke Maunder
Blick auf Bages mit der Terrasse des Restaurants Le Portanel. Foto: Hilke Maunder

Fischerdorf mit Aussicht

Seit dem 11. Jahrhundert klammert sich das Fischerdorf mit weißen Häusern an einen Kalkkegel, den Lagunenseen und Salzmarschen umgeben. 12.000 Hektar amphibischer Landschaften mit Süß-, Brack- und Salzwasser, in dem 350 Tierarten leben. Rosa Flamingos staken durch flache Fluten. Ibisse waten schneeweiß, Reiher im Silbergrau durch das feuchte Land.

Bunte pointus, traditionelle Holzkähne, sind am Ufer auf den Kies gezogen. Einige sind in den Farben der Region Okzitanien angemalt: gelb der Rumpf, darauf das rote Kreuz des Languedoc. Das Mosaik von Landschaften, das sich vom Belvédère des Remparts bietet, gehört zu den schönsten Panoramen des Département Aude.

Blau glitzernde Lagunen erstrecken sich zu den Füßen. Dann folgen sandig gelbe Riegel, und schließlich das ferne Mittelmeer. Schnurgerade Kanäle sehe ich, rosa funkelnde Salzseen mit weißen Rändern und tief im Süden die Schneekappe des Canigou, König der katalanischen Pyrenäen.

Seit den 1960er-Jahren ist die Ausgleichsküste südlich von Narbonne zwischen der Autobahn A 9, der Route Nationale 9 und dem Mittelmeer malariafrei. Ihre Lagunen und Nehrungsstreifen sind auf 80.000 Hektar als Parc naturel régional de la Narbonnaise en Méditerranée streng geschützt. Er ist damit genauso groß wie der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft!

Alte Gassen, neue Kunst

Bausünden gibt es hier nicht. Sondern weite, wilde, maritime Urlandschaften und Orte wie Bages, die zunehmend Künstler, Neorurale und Großstädter anlocken. Sie renovieren die alten Häuser und sorgen für eine beginnende Gentrifizierung. Das spült frisches Geld in die Kassen der Kommune, die mit Mitteln der EU, der Region und des Landes in den Ausbau eines sanften Tourismus investiert. Der Wandel von Bages ist typisch für die Veränderungen, die die Orte im Languedoc erlebt haben.

Hinein ins Herz seines alten bourg führt die Porte du Cadran Solaire, ein Torbogen mit Sonnenuhr. Im Gewirr der alten Gassen blühen auch im Winter die Geranien, tragen Orangen- und Zitronenbäumen in versteckten Gärten ihre Früchte. Hier und da zieren Disteln als Barometer-Pflanzen die Türen. Je nach Wetterstand sind die Blüten geöffnet oder geschlossen. Treppenwege, Gassen und Stiegen führen zurück ans Ufer des étang, hin zu den früheren Hütten und Werkstätten der Fischer.

Bages hat in den letzten Jahrzehnten einen erstaunlichen Wandel hin zu einem Künstlerdorf gemacht. Er begann 1958 mit dem rätoromanischen Künstler Matias Spescha, der seit 1958 bis zu seinem Tod in Bages lebte. Seine Skulpturen stehen am Bouleplatz.

Die deutsche Malerin Ina Sachsenheimer lebt und arbeitet seit 2009 in Bages. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch die Beherrschung von Farbe aus, die still oder sehr präsent minimalistisch reduzierten, amphibischen Landschaften intensives Leben verleiht. Sie arbeitet hauptsächlich mit Acryl auf Leinwand und Papier. Ina Sachsenheimer stellt ihre Arbeiten regelmäßig in Frankreich aus.

Sie ist Mitglied des Künstlervereins ArtBages und beteiligt sich aktiv an der lokalen Kunstszene. Schaut auch bei Latuvu vorbei, der sehr engagierten Kunstgalerie von Sabine Friedrichs und Herrmann van Synghel, die auch artists in residence Unterkunft und Atelier bietet.

Im Ortsteil Esterac betreibt die Schweizerin Doris Schläpfer ihre Galerie NullepArt. La Maison des Arts (Haus der Künste) nennt sich eine Galerie, die die Gemeinde im früheren Pfarrhaus eingerichtet hat. Die vierte Galerie des ehemaligen Aalfischerdorfes betreibt ein Verein als L’Étang d’Art.

Die zwölf Künstler und vier Galerien von Bages haben sich zum Verein Art Bages zusammengeschlossen. Alle zwei Jahre organisiert dieser eine Biennale. 2022 hießt das Thema der Biennale Lumen (Licht). 2024 widmet sie sich noch bis Mitte August dem Thema Aqua (Wasser).

im alten Zentrum von Bages. Foto: Hilke Maunder
Im alten Zentrum von Bages. Foto: Hilke Maunder

Bages: meine Reisetipps

Schlemmen

Les Beaux Arts

Das Terrassencafé auf dem Stadtplatz des alten bourg.
• Place Juin 1907, 11100 Bages, Tel. 04 68 42 55 66

Restaurant Le Portanel

Wer nicht neugierig auf Aal ist, kann zum Paradeblick aufs Wasser hier Spanferkel in Banyuls-Jus genießen.
• Pas du Portanel – La Placette, 11100 Bages, Tel. 04 68 42 81 66, www.leportanel.net

Shopping

Domaine Daudé

Das Familienweingut mit 20 Hektar unter Reben organisiert im Sommer diverse Events zu Natur- und Weinbauthemen.
•  56, rue de l’Ancien Puits, 11100 Bages, Tel. mobil  06 03 79 99 62, www.facebook.com

In der Nähe

L.A.C. – Kunst im Weinkeller: Mehr Infos gibt es in diesem Blogbeitrag !

• Die Réserve Africaine von Sigean: Afrika am Mittelmeer – hier habe ich es euch vorgestellt.

• Narbonne: Meine kleine Liebeserklärung gibt es hier.

Hier könnt ihr schlafen*

 

Lagungenseen: Surfer auf dem Étang de Bages
Windsurfer am Étang de Bages. Foto: Hilke Maunder

Weiterlesen

Im Blog

Mehr zu den Lagunenseen des Languedoc erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Im Buch

Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

 Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2024 in der 10. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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