(v.l.) Peter und Jutta Fassbender. Foto: privat
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Mein Frankreich: Jutta Faßbender

“Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal stellt Jutta Faßbender ihr Frankreich vor.


Mein Name ist Jutta Faßbender. Gemeinsam mit meinem Mann Peter besitze ich seit mehr als 20 Jahren ein altes Pfarrhaus (von 1856) in der Normandie.

Vor etwa 18 Monaten entdeckte ich „Mein Frankreich“. Seitdem lese ich mit großem Interesse die vielfältigen Artikel. Besonders dankbar bin ich für die verständlichen Informationen über den Verlauf der Corona-Pandemie in Frankreich. Irgendwann kam mir der Gedanke, auch mal „mein Frankreich“ vorzustellen – et voilà !

„Ein weißes Haus an der Côte d’Azur“ antwortete ich meiner Mutter im Teenageralter, als sie fragte, was ich vom Leben erwartete. Das Haus verwandelte sich bei regelmäßigen Besuchen mit meiner besten Freundin in Paris in ein Appartement gegenüber dem Café Les Deux Magots auf dem Boulevard St.Germain. Das scheiterte am Geld, meinen mäßigen Französisch-Kenntnissen und dem Leben an sich. Abitur, Ausbildung, Heirat, zwei Söhne, ein Haus, das war es, was mich die nächsten Jahre beschäftigte.

Den ersten richtigen Familienurlaub verbrachten wir auf der Insel Ré, damals noch nicht besonders touristisch erschlossen, da es noch keine Brücke zum Festland gab. Viele Urlaube in den unterschiedlichsten französischen Regionen brachten auch meinem eher anglophilen Ehemann die französische Lebensart näher und begründeten seine Zuneigung zu Rotwein und Austern.

Das graue Haus - unser Pfarrhaus in der Normandie. Foto: Jutta Fassbender
Das graue Haus – unser Pfarrhaus in der Normandie. Foto: Jutta Faßbender

In jedem Urlaub schauten wir uns die Angebote der Immobilienmakler an, wobei uns nicht jede Region anzog, aber Bretagne oder Normandie wäre schon schön, nicht unbedingt an der Küste, ein wenig im Hinterland, das wäre es!

Manchmal geschehen Wunder, mein Vater erbte und erfüllte uns unseren Herzenswunsch. Aber wo wollten wir hin? Auf die Anzeige einer deutschen Maklerin hin machten mein Vater, mein Mann und ich uns auf den Weg in die Manche, diesem landschaftlich so unterschiedlichen Teil der Normandie.

Sie hatte uns das Exposé eines alten Pfarrhauses geschickt, aber hinzugefügt, dass es wahrscheinlich schon verkauft sei, sie habe aber andere Objekte im Angebot, die sie verkaufen und dann mit ihrer équipe renovieren würde. Glücklicherweise hatte sich der Verkauf zerschlagen, und an einem Oktobertag hieß uns das alte Pfarrhaus willkommen.

Es stand seit sieben Jahren leer. Die sanitären Anlagen stammten aus einer anderen, weit zurückliegenden Epoche. Der Kamin war silberfarben gestrichen. Dazu roch es stark nach Muff und Mäusen. Aber die Chemie zwischen dem Haus und uns stimmte sofort, und der Blick aus dem Fenster im ersten Stock lies Muff und Mäuse vergessen. Das Abenteuer begann.

Es gab damals noch keine Währungsunion. Der Notar-Termin lag zwischen einem Wochenende und dem 1. November, in Deutschland und Frankreich ein Feiertag, Auslandsüberweisungen brauchten ihre Zeit, während einer Ansammlung von Feiertagen noch länger.

Der Blick aus dem Fenster auf unseren Garten. Foto: Jutta Fassbender
Der Blick aus dem Fenster auf unseren Garten. Foto: Jutta Faßbender

Zum Notartermin mussten wir ein Konto einer französischen Bank mit entsprechender Deckung vorweisen, damit der Kauf von statten gehen konnte. Der Kaufpreis in DM passte in einen Briefumschlag, aber Franc-Scheine waren größer, und die höchste Banknote war der 500-Franc-Schein. Das waren damals ungefähr 150 DM.

Wir reisten also mit einem mit Franc-Noten prall gefüllten Aktenkoffer, nächtigten in einem Chambres d’Hôtes, den Geldkoffer unter dem Bett. Ich war heilfroh, als wir das Geld am nächsten Morgen beim Crédit Agricole Normandie einzahlten. Es hat sich weder in Deutschland noch in Frankreich jemand gewundert, dass wir diesen Haufen Bargeld brauchten.

Nach dem Notar-Termin stießen wir mit der Maklerin an, die uns mit den Worten: „Wer hier ein Haus kauft, muss etwas bekloppt sein!“ in der Manche willkommen hieß. Na, diese Vorgabe konnten wir erfüllen – mühelos! Das dachten mit Sicherheit auch einige Verwandte, Freunde und Bekannte.

Was wir als Erstes lernen mussten war Geduld! Französische Handwerker sind höflich, fleißig, kreativ, arbeiten gründlich und sauber, kommen im Notfall auch am Abend, an Sonn- und Feiertagen, an denen man in Deutschland nur einen teuren Notdienst erreicht.

Ich erinnere mich an einen kompletten Stromausfall an einem nasskalten November-Samstagabend, der von einer Maus in selbstmörderischer Absicht im Herd verursacht worden war. Es ging nichts mehr, kein Strom, keine Heizung, kein warmes Wasser. Der Elektriker kam um 19 Uhr, entsorgte die Maus, löste somit das Problem, murmelte: „20 Euro“ und verschwand.

Auf der anderen Seite heißt demain nicht immer morgen, und der heilige Schwur, dass unser Haus als nächstes fertiggestellt werde, lässt sich ins Reich der Märchen und Fabeln einordnen. Es dauerte 15 Monate, bis wir das erste Mal einen Urlaub in unserem Haus verbringen konnten.

Die Zeit bis dahin verbrachten wir mit dem Erkunden der Gegend, Avranches und Coutances mit ihren ehrwürdigen Kirchen, die Kupferstadt Villedieu-les Poêles (Gottes Stadt der Bratpfannen) und Granville, das Monaco des Nordens. Wir besuchten die Invasionsstrände und bestaunten in Bayeux den berühmten Teppich, kauften auf wunderbaren Märkten in größeren und kleineren Orten ein.

Der Mont Saint-Michel Ende November. Foto: Jutta Fassbender
Der Mont Saint-Michel Ende November. Foto: Jutta Faßbender

Und immer wieder bis heute La Merveille, den Mont-Saint-Michel, gerade mal in 45 Minuten mit dem Auto zu erreichen. Im Herbst und im Winter, wenn sich keine Touristenmassen durch die engen Gassen drängen, verändert ein wenig Dunst oder Nebel den Blick auf die Küste und die Welt. Das Gefühl, das mich im Kreuzgang dort durchströmt, lässt sich kaum in Worte fassen.

Wir verbrachten viel Zeit in Baumärkten und dêpots-ventes, dort kauften wir günstig einen großen Tisch und Stühle sowie einen Buffetschrank, der noch gezapft und nicht geschraubt ist. Mit ordentlich Politur und viel Ärmelschmalz haben wir Möbel, die aussehen, wie für das Haus gemacht. Die Zeiten, in denen man noch richtige Schnäppchen in den dêpots machen konnte, sind lange vorbei, aber ab und zu findet man noch ein Kleinod.

Mein Vater, dessen Französisch-Kenntnisse man mit viel gutem Willen als rudimentär bezeichnen konnte, kaufte sich eine voiture sans permis, eine voiturette, eines dieser kleinen Autos, die man ohne Führerschein fahren darf.

Die <em>voiturette</em> meines Vaters. Foto: Jutta Fassbender
Die voiturette meines Vaters. Foto: Jutta Faßbender

Er, der nie einen solchen erworben hatte, durchstreifte mit meiner Mutter jeden erdenklichen Winkel der Manche. Allein die Anreise für die beiden älteren Herrschaften war kompliziert. Mit dem Thalys nach Paris, von der Gare du Nord mit der Métro zur Gare Montparnasse, von dort mit dem Regionalzug nach Villedieu-les-Pôeles. Mt Glück stand dort ein Taxi, das sie zu unserem Haus brachte. Chapeau ! Mein Vater war es auch, der erste Kontakte zu den Nachbarn knüpfte und allabendlich auf einen calva  dort vorbeiging.

Das Haus war nun fertig. Das heißt, so richtig fertig wird ein so altes Haus nie, es gibt immer irgendeine Baustelle, daneben gibt es Stürme, die das Dach teilweise abdecken, oder Äste so durch die Luft wirbeln, dass alle Terrassenmöbel bei deren Absturz zerschmettert werden.

Mäuse- und Ameisenüberfälle haben wir überstanden. Im Laufe der Jahre haben wir uns aber sehr komfortabel eingerichtet, haben uns mit widerspenstigen Boilern und in unserem Garten erscheinenden Kühen arrangiert.

Rosalie besucht uns im Garten. Foto: Jutta Fassbender
Rosalie besucht uns im Garten. Foto: Jutta Faßbender

Lange haben wir mit unserem Stromtarif gehadert, der uns von der Maklerin empfohlen worden war. Er sei insgesamt billiger, dafür gäbe es an einigen Tagen im Winter kein Heizungsstrom, diese Tage seien nie in den Ferien oder am Wochenende.

Aber die Zeit verflog. Wir waren nicht mehr auf Schulferien angewiesen, und drei Tage im Januar in einem alten Gemäuer nur mit dem Kamin als Heizung können ganz schön lang werden. Der eben schon erwähnte Elektriker weigerte sich vehement, die zur Änderung des Tarifs nötigen Arbeiten zu erledigen, wir seien wohl verrückt! So einen Tarif bekämen wir nie wieder!

Das Haus ist nunmehr ein fester Bestandteil unseres Familienlebens geworden, in dem unsere Söhne mit ihren Familien die Urlaube verbringen. Auch wir sind mehrmals im Jahr dort. Jetzt warten wir sehnlichst darauf, dass „Corona“ uns wieder reisen lässt.

Wir bereisen Frankreich weiterhin, die Bretagne, Burgund, das Périgord, die Provence, die Côte d’Azur und immer wieder Paris. Das ist alles wunderschön, aber „mein Frankreich“ ist das alte graue Haus in der Normandie!

Apéro auf unserer Terrasse. Foto: Jutta Fassbender
Apéro auf unserer Terrasse. Foto: Jutta Faßbender

Der Beitrag von Jutta Faßbender ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!)  – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

• Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !

Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

11 Kommentare

  1. Was für ein schöner Bericht, danke fürs Teilhaben lassen! Wir fühlten uns so sehr an unsere eigene Geschichte mit unserem bretonischen Landhaus erinnert und können alles so gut nachvollziehen. Bei uns kam wegen eines Problems mit der neuen Sickergrube einer der Handwerker an Heiligabend mal eben vorbeigefahren, die ganze Familie saß im Auto da es regnete. Er war super freundlich und entspannt, regelte alles und wehrte meine Dankbarkeit mit einem „das ist doch selbstverständlich!“ ab ehe er winkend davon fuhr – und sein Werkzeug vergaß. Das holte er ein paar Tage später, ebenso gut gelaunt.

    Auch wir haben noch so manche Renovierung vor uns und hoffen auf ein baldiges Ende von Corona, wie alle. Aber gerade durch dieses schrittweise Arbeiten an Haus und Hof wird es ja so richtig „unsers“.

    Herzliche Grüße von den bretonischen „Nachbarn“ :-).

    Sylvie, die auch mit einem Peter verheiratet ist

  2. Liebe Frau Faßbender,

    vielen Dank für diese humorvolle Schilderung Ihres Frankreich-Abenteuers! Sie haben das alles so schön und lebendig beschrieben! Ein Häuschen in Frankreich ist auch mein großer Traum und ich hoffe, dass wir diesen trotz fortgeschrittenen Alters noch verwirklichen können. Vor allem aber hoffe ich, dass wir in Kürze endlich wieder nach und in Frankreich reisen können.

    Herzliche Grüße, Christine

  3. Hallo Frau Fassbinder, Danke für Ihren Beitrag. Genauso haben wir es erlebt! Unser Haus, das wir 1986 gekauft haben, liegt in der Camargue. Die Grundmauern gehen bis ins 11 Jh zurück, und nach 35 Jahren mit Höhen und Tiefen(Handwerker im Midi)freuen wir uns jedesmal wenn wir wieder in den Süden können. Ungeduldig warten wir jetzt das Ende der Pandemie ab, und hoffen bald wieder unsere 2. Heimat, die besten Nachbarn der Welt und die Terrasse mit einem Pastis begrüßen zu können.

  4. Liebe Frau Faßbender, Ihr Beitrag war das Highlight an meinem heutigen Sonntag. Ein spannendes Stück Ihrer Lebensgeschichte und auch ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Ich hoffe wir hören noch mehr von Ihnen. Viele Grüße an Sie.

  5. Hallo und guten Tag! Wir besitzen seit nunmehr 27 Jahren ein Haus von 1832, allerdings tief im Südwesten des Landes, und können Ihre Schilderungen 1 : 1 nachvollziehen. Ohne alle Probleme und Fährnisse, die man in dieser Zeit schon überwunden hat, wäre die Liebe zum domicile secondaire doch nur halb so stark! Hoffentlich dürfen wir bald wieder hinfahren, um dann – nach vielen, vielen Monaten – das Grundstück mit der Sense wieder freizuschlagen.

  6. Sehr berührender Beitrag. Vielen Dank für`s Einsenden.
    Beim Lesen fühlt es sich an, als wäre man dabei gewesen !
    Danke für die Veröffentlichung an Hilke.
    Schöne Grüße vom Doubs sendet Andreas

  7. Hallo Frau Fassbender, vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Sie haben sehr viel Mut und Geduld mit Ihrem Pfarrhaus bewiesen, aber wenn man etwas will, dann klappt es auch. Was die Handwerker betrifft, so kann ich von der Côte d’Azur genau das Gegenteil erzählen. Wir kauften 1994 ein Haus aus den 50ern. Strandnah, Meerblick, genau, was wir wollten. Es war alles renovierungsbedürftig, sonst hätten wir uns das nicht leisten können.. Vielleicht sollte ich diese positiven Erfahrungen auch mal aufschreiben. Herzliche Grüße Brita Link

  8. Liebe Frau Fassender, welch ein schöner Beitrag und so wundervoll geschrieben, vielen Dank für’s Teilhaben.
    An dieser Stelle auch vielen Dank an Hilke für diese wundervolle Seite und die vielen tollen Beiträge.

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