Blühender Flachs. Foto: Hilke Maunder
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La Véloroute du Lin: radeln im Flachs-Land

La Véloroute du Lin ist eine perfekte Radtour für alle, die im Urlaub nicht nur, aber auch radeln möchten. Als rund 75 Kilometer große Runde ohne große Steigungen führt sie mitten durch das Flachsland des Pays du Caux im Département Seine-Maritime.

Die Normandie ist der weltweit größte Produzent von Flachs. 65 Prozent des französischen Flachsanbaus stammen von dort. Flachs, das bedeutet dort: einen Umsatz von drei Millionen Euro. Erst im 20. Jahrhundert brachten Bauern aus Flandern den Anbau in die Normandie. Hauptanbaugebiete sind neben dem Pays de Caux im Département Seine-Maritime die Départements Calvados und Eure.

Die Véloroute du Lin ist gut ausgeschildert - wie hier beispielsweise bei Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder
Die Véloroute du Lin ist gut ausgeschildert – wie hier beispielsweise bei Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder

Vom Flachs zum Leinen

Der Anbau der einjährigen Faserpflanze ist nur wenig arbeitsintensiv. In der Normandie werden die Flachssamen im Frühjahr zwischen Mitte März und Anfang März ausgesät, Winterflachs mit Aussaat im Herbst ist eher selten.

Flachs wächst schnell und kann bis zu einem Meter hohe Halme bilden. Während der etwa zweiwöchigen Blütezeit blüht jede Blüte jedoch nur wenige Stunden. Etwa vier Wochen nach der Blüte ist der Flachs reif für die Ernte durch Roden. Mähen würde die langen Fasern zerstören.

Blühender Flachs. Foto: Hilke Maunder

Nach der Rodung bleibt der Flachs auf dem Feld liegen, wo nun das Rösten in der Sommersonne beginnt. Dabei machen sich die Bauern die Natur zunutze: Ohne ihr Zutun trennen Mikroorganismen die Fasern von der Rinde. Tau, Regen, Sonne und Wind arbeiten zusammen – drei bis sieben Wochen lang. Wer im Sommer auf der Véloroute du Lin unterwegs ist, kann der Natur dabei zusehen.

Nach dem Rösten wird der Flachs geerntet, zu Rundballen gewickelt und vom Feld zur Weiterverarbeitung auf den Bauernhof, zu Genossenschaften oder anderen Flachsverarbeitern gebracht, die die Textilfasern von den holzigen Pflanzenteilen trennen. Anschließend werden sie gekämmt, gesponnen und gefärbt. Gewebt oder gestrickt entstehen hochwertige Leinenprodukte – für die Mode wie für den Haushalt.

Sommerlicher Strampel-Spaß

Isabelle Roulland-Raimbourg. Foto: Hilke Maunder
Isabelle Roulland-Raimbourg. Foto: Hilke Maunder

Die schönste Radelzeit ist der Frühsommer. Ende Juni bis Mitte Juli lässt die Flachsblüte das Land leuchten. Millionen kleiner blauer Blüten sprießen dann unter dem hohen Himmel auf Feldern, die erst am Horizont enden.

Dann feiern auch die Dörfer der Vallée du Dun beim Festival du Lin ihre Leinenkultur. Viele Familien dort sind seit Jahrhunderten mit der feinen Faser verbunden. Auch Isabelle Roulland-Raimbourg stammt aus einer Familie von Bauern, die auf den Flachsanbau spezialisiert sind.

Schon ihre Großeltern pflanzten die Naturfaser auf dem Kreideplateau an. Auch ihre Eltern und ihr Mann waren liniculteurs. Inzwischen hat die Tochter den Familienbetrieb übernommen. Für Isabelle ist Leinen ein Stoff, der so natürlich ist wie kein anderer. Während Baumwolle oft stark chemisch belastet ist, gilt Leinen als sauber und nahezu unbehandelt.

Und so dreht sich auch bei Isabelle alles um Leinen. Aber auf dem Feld oder in der Verarbeitung arbeiten, das wollte sie nicht. Sie eröffnete ihre Boutique Isa Lin Créations in Le Bourg-Dun. Darin verkauft Isabelle ausschließlich Produkte aus Leinen: Taschen und T-Shirts, Tischsets, Decken und Deko. Und angesagtes Superfood wie Sprossen aus Flachs.

Der Hafen und die Klippenküste von Fécamp. Foto: Hilke Maunder
Der Hafen und die Klippenküste von Fécamp. Foto: Hilke Maunder

Ihre Boutique gehört zu den schönsten Abstechern an der Véloroute du Lin, die in beide Richtungen gut beradelt werden kann. 50 der 75 Kilometer sind voies vertes, Radwege abseits vom Verkehr.

Von Fécamp aus folgt die Themenroute für Radler zunächst dem idyllischen Tal des Valmont mit seinen Fischteichen. Eine beschauliche, fast schon bukolische Ruhe begleitet das Strampeln durch das Hinterland.

Ein Angler an einem der vielen Angelseen im Valmont-Tal. Foto: Hilke Maunder
Ein Angler an einem der vielen Angelseen im Valmont-Tal. Foto: Hilke Maunder

Bis Cany-Barneville verläuft die Strecke im einstigen Gleisbett der Bahn, die Pourville-sur-Mer mit Fécamp verband. Doch Achtung: Entlang der flachen Strecke wurden die Bahnübergänge erhalten, um das Überqueren von kreuzenden Fahrzeugen zu ermöglichen.

Zwischen Cany-Barville und Saint-Pierre-le-Viger weicht das Gleisbett einer wenig befahrenen Landstraße, ab Saint-Pierre-le-Viger jedoch kehrt es wieder dorthin zurück.

Das Rathaus von Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Cany-Barville. Foto: Hilke Maunder

Es lohnt sich, unterwegs immer wieder Halt zu machen. Cany-Barville entpuppt sich als eine kleine charaktervolle Ortschaft, die um den Fluss Durdent herum gebaut wurde. Prachtvoll liegt sein Schloss im Tal: Privatbesitz. Eine Mauer umgibt es. Den besten Blick auf das herrschaftliche Anwesen erhascht ihr bei der D 131 direkt an der Véloroute du Lin.

Das Château de Cany. Foto: Hilke Maunder
Das Château de Cany. Foto: Hilke Maunder

In Saint-Pierre-le-Viger verrät die örtliche Leinen-Genossenschaft Terre de Lin mehr über den Anbau von Flachs und dessen Verarbeitung zu Leinen.

Im malerischen Städtchen Luneray ist immer sonntags Marktzeit. Durch das stille Tal der Sâane kommt ihr nach Offranville, das der Maler Jacques Émile Blanche (1861 –1942) liebte. Ein Museum stellt ihn vor. Ein Hingucker ist auch der verdrehte Turm der Pfarrkirche. Pause gefällig? Der ehemalige Bahnhof dient heute als Radwanderrastplatz!

Das Rathaus von Luneray. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Luneray. Foto: Hilke Maunder

Die Véloroute du Lin endet, wie sie begonnen hat: mit dem Blick aufs Meer. Der Strand von Pourville-sur-Mer mit seinen bunten Badekabinen schrieb 1942 während der Operation Green Beach Geschichte. Eingebettet in die größere Operation Jubilee sollte dieser Vorstoß der Alliierten, an dem vor allem kanadische Soldaten beteiligt waren, den Hafen von Dieppe von den Deutschen befreien.

Die Aktion scheiterte. Die Wehrmacht legte einen Friedhof für die gefallenen Soldaten an. Die Gräber des Dieppe Canadian War Cemetery wurden nach deutschem Muster in Reihen, mit Grabsteinen Rücken an Rücken angelegt. Eine Gedenkstätte – das Mémorial du 19 Août 1942 – erinnert an den Kampf um Dieppe.

Öl-Lein und Faser-Lein: nicht verwechseln!

Ein Erntefahrzeug der Leinen-Kooperative <em>Terre de Lin<em>. Foto: Hilke Maunder
Ein Erntefahrzeug der Leinen-Kooperative Terre de Lin. Foto: Hilke Maunder

Lein gehört zur Familie der Linaceae (Leingewächse). Durch Züchtungen entstanden die beiden Sorten Öllein und Faserlein. Die beiden Sorten unterscheiden sich in Wuchs, Samengröße und Faseranteil. Der Faserlein wird traditionell Flachs genannt wird und zur Herstellung von Leinen-Textilien verwendet. Dieser Lein-Anbau dominiert in der Normandie.

Schweden gehört zu den wichtigsten Erzeugerländern von Öllein. Dessen Öl wird vor allem industriell genutzt: für Farben, Seifen, Waschmittel, Spezialschmierstoffe oder Bodenbeläge. Die Rückstände aus der Vermahlung, der Presskuchen, werden als Tierfutter eingesetzt.

Fontaine-le-Lin. Foto: Hilke Maunder
Einen kleinen Schlenker wert von der Véloroute du Lin: Fontaine-le-Lin. Foto: Hilke Maunder

Radeln auf der Véloroute du Lin

Meist abseits vom Verkehr – 55,89 Kilometer Radweg, 18,78 Kilometer auf wenig befahrenen Landstraßen – führt die Themenroute zu Flachsfeldern, Teichen, Fischzuchtanlagen und Kressefeldern. Charmante Dörfer und Städte säumen die Strecke. Die Strecke ist familienfreundlich und gut geeignet für ein erlebnisreiches Wochenende.

Hinkommen

Bahn

Bahnhöfe in Dieppe und Fécamp; die Lokalzüge der SNCF nehmen auch Fahrräder mit.

Fahrradverleih

Coffee Bike Normandie

10A, boulevard Suzanne Clément, 76400 Fécamp, Tel. 07 67 70 40 65, https://coffeebike-normandie.com

Terre de Lin

605, Route de la Vallée, 76740 Saint-Pierre-le-Viger,  Tel. 02 35 97 41 33, www.terredelin.com

Accueil vélo

Unterkünfte mit dem Siegel Accueil vélo

Das französische Siegel accueil vélo zeichnet besonders radfahrerfreundliche Einrichtungen und Unterkünfte aus. Zu ihrem Serviceangebot gehören u.a. Werkzeug und technische Hilfe, Fahrradkeller oder andere geschützte Abstellmöglichkeiten sowie Lademöglichkeiten für E-Bikes.

Le Grand Pavois

15, quai de la vicomté, 76400 Fécamp, Tel. 02 35 10 01 01, www.hotel-grand-pavois.com

Le Manoir de Tessy

Route d’Ambrumesnil, 76860 Ouville-la-Riviere, Tel. 02 32 06 34 44, mobil 06 08 22 05 93,  www.lemanoirdetessy.com

Château de Miromesnil

76550 Tourville-sur-Arques, Tel. 02 35 85 02 80, www.chateaumiromesnil.com

Hôtel de l’Europe

63, boulevard de Verdun, 76200 Dieppe, Tel. 02 32 90 19 19, www.hotel-europe-dieppe.com

Webseite

www.francevelotourisme.com/itineraire/veloroute-du-lin

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge rund ums Radeln in Frankreich birgt diese Kategorie. Was noch im normannischen Département Seine-Maritime sehenswert ist, verrät diese Kategorie.

Im Buch

Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Hilke Maunder_Normandie_Abseits

Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen trefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolites, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.

Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.

Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* könnt ihr den handlichen Führer bestellen.

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2 Kommentare

  1. Chere Hilke, die Tour würde ich auch gerne unter die Räder nehmen! Danke wieder für Deinen so gelungenen Artikel zum Flachsanbau in La douce France mit all Deinen Infos und Tipps drumherum!
    Und dann die Qualität, die Leinen haben kann: Bei hochsommerlichen nächtlichen Temperaturen wie derzeit hier – und erstmals für mich anno 1960 im Sommer in Griechenland – genügt mir als Zudecke ein Leinenbetttuch aus der Aussteuer meiner Großmutter selig von 1913. Inzwischen 110 Jahre? Bei mir stets nur gewaschen, nie gebügelt…

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