
Überall plätschert und gurgelt es. Glasklar fließt die Sorgue über die Grasbetten im Fluss. Sie treibt alte Schaufelräder an, hüpft über ein kleines Wehr, rauscht unter Brücken hindurch und umarmt das alte Herz von L‘Isle-sur-la-Sorgue. Kleines Venedig der Provence nennt sich das Städtchen im Vaucluse. Und auch: La Venise Comtoise.
Es ist herrlich, durch die Straßen von L’Isle-sur-la-Sorgue zu schlendern, wo das Rauschen des Wassers nie weit ist. Zwischen Schaufelrädern und Street-Art, Terrassencafßes und Trödelshops ist L’Isle-sur-la-Sorgue wie geschaffen dazu, die Seele baumeln zu lassen, zu schauen und sich inspirieren zu lassen.

Frankreichs Trödel-Hochburg
Das provenzalische Städtchen gilt nach Paris als der wichtigste Trödel- und Antiquitätenmarkt Frankreichs. Mehr als 300 ständige Antiquitäten- und Trödelhändler haben hier das ganze Jahr über geöffnet. Händler wie Bruno Langlois verkaufen Schränke und Tische, Stoffe und Textilien, Gemälde und Grafiken in Geschäften, die mitunter bis unter die Decke mit Altem und Antiken vollgestopft sind.
Die Île aux brocantes vereint 40 Antiquitätenhändler. Fast doppelt so groß ist das Village des Antiquaires mit rund 70 Ausstellern. Es ist der größten und ältesten Trödelmarkt von L’Isle-sur-la-Sorgue.

Frankreichs Antiquitäten-Fest
Doch das ist noch lange nichts im Vergleich zum großen Antiquitätenfest, das L’Isle-sur-la-Sorgue seit 1966 zweimal im Jahr – zu Ostern und Mitte August – feiert: die Antiques Art and You. Von edlem Antiken bis zu teurem Nippes gibt es bei etwa Hunderten ausstellenden Händlern (fast) alles.

Für die Schätze von einst ist der Geburtsort des Dichters René Char (1907 – 1988), der in der Résistance gegen die deutsche Besatzung kämpfte, berühmt. Chrystèle Gavelle sorgt dafür, dass auch die aktuelle Kreation und das Schaffen der Kunsthandwerker und Künstler wahrgenommen wird.

Sie hat ungewöhnliche Hunde an die Hausecke der Rue de la République gestellt, große schwarze Kläffer aus Kautschuk-Stiefeln. Jeden Tag putzt sie die „Haustiere“.
Die Hunde sollen Neugierige in den Impasse Hôtel de Palerme locken. Dort versteckt sich, ganz am Ende der Sackgasse, La Manufacture. 23 Designer haben sich dort zusammengetan. Der concept store zeigt ihre Werke.

La Manufacture: Schaufenster der Kreativen
Fantasievolle Drahtskulpturen von Isabeau Chirat tummeln sich auf der weißen Wand. Simbolocci hat Blüten, Blätter und Brokkoli getrocknet, vergoldet und in Glashauben gestellt – poetische, zarte Kompositionen des Lebens.


Doch nicht nur ästhetische Deko- und Designobjekte verkauft La Manufacture. Sondern auch Dinge, die tagtäglich den Alltag verschönern. So wie die Unikate von MOOM-Design.
Seine Geldbörsen sowie seine kleinen und großen Taschen sind bewusst minimalistisch gestaltet und klar in der Form. So betonen seine Kreationen die Schönheit des Materials: die Maserung des Leders und die feinen Oberflächen von Stoff.

Upcyclling gang stylisch
Poub’Art hat Küchenreiben, Telefone und andere Objekte recycelt zu ungewöhnlichen Leuchten. Brillen aus Holz findet ihr bei Ludovic Donat-Magnin von Arka Creations. Seit seiner Kindheit ist der gelernte Tischler von Holz fasziniert. Heute fertigt er daraus Filigranes. Neben Brillen-Unikaten gehören dazu auch Fliegen und Manschettenknöpfe fürs Herrenhemd.
Chrystèle Gavelle fertigt aus Gold, Silber und Edelsteinen stilvollen Schmuck. Auch bei ihr, der Gründerin von LadyBird Créations, sind die meisten Schmuckstücke Unikate. Ihren Keramikschmuck brennt sie bei einer Temperatur von 1000 bis 1300 Grad. In den Ton mischen sich Materialien, die sie auf ihren Reisen hier und da gesammelt hat: Stoff, Glas, Holz und Samen.

Schmuck und Mode
Feminin und zeitlos nennt Christelle Laydevant ihre Mode, die sie seit 2010 für ihre Label SONGO in Marseille in kleinen Serien hergestellt und in L’Isle-sur-la-Sorgue bei La Manufacture ausstellt. Als Accessoires fertigt sie dazu zarten, farbenfrohen Schmuck aus Halbedelsteinen per Hand.
Für eine typisch provenzalische Note sorgen die Lavendel-Präsente von Elsa Lenthal bei La Manufacture. Was dort an jungem, frischem Design zu sehen ist, ist in Vielfalt und Qualität erstaunlich!

Was für Märkte!
La Manufacture ist ein Kleinod in L’Isle-sur-la-Sorgue, wo Gassen und Kanäle sich verflechten. Treppen führen hinunter zu den Waschhäusern. Cafés und Restaurants haben die Kais am Fluss erobert.
L’Isle-sur-la-Sorgue ist trotz allen Trubels ein wahrhaft bezaubernder Ort. Donnerstag- und Sonntagvormittag könnt ihr euch entlang der Kanäle mit Obst und Gemüse, regionalem Käse oder Wein eindecken.
Einmalig ist der Markt, der alljährlich am ersten Sonntag im August stattfinet. Dann könnt ihr auf dem schwimmenden Markt von L’Isle-sur-la-Sorgue die besten lokalen Produkte erstehen. Und dabei auch die Nego Chin, die typischen Boote des Dorfes, bewundern.

Zeitreise mit Lichtplatte
Immer wieder überrascht L’Isle-sur-la-Sorgue. Und so habe ich bei einem meiner Besuch auch gleich neben La Manufacture einen Fotografen entdeckt. Menschen wie zur Urgroßvaters Zeiten fotografiert.
Artur Loboda nimmt für seine Aufnahmen historische Plattenkameras, wie sie Ende des 19. Jahrhundert in Mode kamen. Jene nutzten Glasplatten, die hauchdünn mit einer Emulsion beschichtet waren.

Diese lichtempfindliche Platte kam in die Kamera. Die Fotos, die Artur damit heute fertig, scheinen völlig aus der Zeit gefallen – und wirken doch modern. Sie sind das wohl ungewöhnlichste Souvenir aus dem Sorgue-Städtchen!
L’Isle-sur-la-Sorgue: meine Reise-Infos
Artur Loboda
Sein Name verrät es: Artur Loboada wurde in Polen geboren. Dort wuchs er mit Familienfotoalben auf. Als Schüler erhielt er seine erste 6×6-Kamera: die „Start“. Mit ihr begann eine große Leidenschaft. Alfred studierte Fotografie an der Akademie der Schönen Künste in Poznan, schloss das Studium mit einem Master of Photography ab und ging nach Schottland, wo er Grafikdesign studierte.
Nach drei Jahren dort merkte Alfred: Mir fehlte das Licht. Alred zog es in den Süden, in die Provence, das Mekka der Fotografie! Dort gründete er bodart studio – Boda nannte ihn bereits seine Mutter. Auf Spanisch bedeutet ‚boda‘ heiraten – und seit 2011 hat Artur mehr als 200 Hochzeiten fotografiert.
• Bodart Studio, impasse de l’hôtel de Palerme, Tel. 06 73 23 31 90, www.bodartstudio.com
La Manufacture

• 21, impasse de l’hôtel de Palerme, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 04 32 62 11 13, www.lamanufacture84.com, April – August tgl. 10 – 19 Uhr, Sept. – Dez., März Di – So.
Schlemmen & genießen
Le Café de France
Das Café de France ist eine Institution – und sehr beliebt, seit Willy Ronis das älteste Café des Städtchens auf seinen Bildern verewigt hat. Der berühmte Pariser Fotograf hatte sich 1972 in L’Isle-sur-la-Sorgue niedergelassen.
• 14 place de la Liberté, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 04 90 38 01 45, https://cafedefrance-cafe.business.site
Le Jardin du Quai
In einem wunderschönen Garten verwöhnen euch Stéphanie und Daniel Hébet mit kreativer Provence-Küche. Im Sommer blüht der Oleander!
91, Avenue Julien Guigne, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 04 90 20 14 98, www.jardinduquai.com

Le Vivier
Le Vivier ist das Sternelokal der Stadt und erfreut sich einer Terrasse direkt an der Sorgue. Patrick Fischnaller hatte lange in Großbritannien für Lokale der Conran-Gruppe gearbeitet, ehe er 2005 mit seiner Frau Céline nach Frankreich zurückkehrte. Seine Küche ist so raffiniert wie kreativ. Jedes Gericht ist auch für die Augen purer Hochgenuss.
• 800, Cours Fernande Peyre, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 04 90 38 52 80, www.levivier-restaurant.com
Le Carré d’Herbes
Traditionelle provenzalische Küche mit Forelle, Rind, Schwein und Lamm.
• 13, Avenue des quatre otages, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 04 90 38 23 97, https://www.lecarredherbes.com/
Schlafen
La Maison sur la Sorgue*
Marie-Claude und Frédéric waren einst Marketingberater in Paris. 2002 kauften sie im Geburtsort von Marie-Claude ein Stadtpalais aus dem 17. Jahrhundert und verwandelten es in das schönste und edelste Boutiquehotel der Stadt. Es versteckt sich hinter hohen Mauern. Ein schweres Tor öffnet sich zu einem Innenhof mit einer eindrucksvollen Platane.
Hinauf zu den Gästezimmern führt eine alte Steintreppe mit schmiedeeisernem Geländer. Auf der Galerie weicht es einem modernen Eisengeflecht von Yannick Peyronnet. Pflanzen inspirierten das originelle Design des Kunstschmieds aus Pernes-les-Fontaines. So wie an der Treppe verschmelzen modernes Design und altes Erbe auch in den geräumigen Zimmern, in der Lobby und dem Speisesaal. Heraus kommt ein edles, einzigartiges Wohlfühlambiente.
• 6, Rue Rose Goudard, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, Tel. 06 87 32 58 68, www.lamaisonsurlasorgue.com

Noch mehr Betten*
Nicht verpassen
Villa Datris
Als Stiftung für zeitgenössische Kunst präsentiert die Villa Datris in ihrem typisch prozentalischen Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert jedes Jahr eine neue Ausstellung mit Werken zeitgenössischer Kunst.
Hinter der Stiftung stehen Danièle Marcovici, Geschäftsführerin einer Verpackungsfirma, und ihr Lebensgefährte, der Architekt Tristan Fourtine. Beide hegen eine große Leidenschaft für das aktuelle Kunstschaffen.
• 7, avenue des Quatre Otages, 84800 L’Isle-sur-la-Sorgue, 04 90 95 23 70, www.fondationvilladatris.com
In der Nähe
Fontaine-de-Vaucluse
Nur rund 15 Minuten von L’Isle-sur-la-Sorgue entfernt liegt das Dorf, das dem Département seinen Namen gab: Fontaine-de-Vaucluse. Dort entspringt auch die Sorgue in einem Quelltopf. Nach Regenfällen ist das Sprudeln der Sorgue im Gouffre de la Fontaine-de-Vaucluse besonders beeindruckend. Die Quelle ist stärkste Frankreichs und die fünftstärkste weltweit.
Weiterlesen
Im Buch
Zur Einstimmung: DuMont Bildatlas Provence*
In meinem DuMont-Bildatlas „Provence“* stelle ich in sechs Kapiteln zwischen Arles und Sisteron die vielen Facetten der Provence vor. Ihr erfahrt etwas vom jungen Flair zu Füßen der Montagne Saint-Victoire, vom Weltstadttrubel an der Malerküste, dem weißen Gold aus der Pfanne oder einer Bergwelt voller Falten.
Neben Aktivtipps, Hintergrund und Themenseiten gibt es in der Edition 2021 zwei neue Rubriken. “Ja, natürlich” präsentiert zahlreiche Tipps für nachhaltige Erlebnisse und Momente. In “Urlaub erinnern” stelle ich Andenken, Eindrücke und Erinnerungen vor. Mit ihnen bleibt der Urlaub daheim noch weiter lebendig. Hinzu kommen Serviceseiten mit allen Infos, persönlichen Tipps und großer Reisekarte. Wer mag, kann den Band hier* direkt bestellen.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Hinterlasse jetzt einen Kommentar