
Le Rhône ! In Frankreich ist sie männlich, im Deutschen weiblich – und nur die Nummer drei im Land. Denn die Ursprünge des Stroms liegen in der Schweiz. Nur 543 Kilometer von ihren insgesamt 807 Kilometern Länge prescht sie mit hohem Wasserdruck und starkem Gefälle von den Alpen Richtung Mittelmeer. Als stärkster Fluss Frankreichs mit einem Durchfluss von bis zu 1.800 Kubikmetern pro Sekunde ist die Rhône die Königin der Flüsse Frankreichs.

55 Millionen Jahre alt
Ihre Geburt geschah vor 55 Millionen Jahren. Damals gab es dort einen Grabenbruch wie beim Rhein, den die Ausbreitung der Erdkruste verursacht hatte.
Nach marinen, fluvialen und Lagunen-Episoden war es die Austrocknung des Mittelmeeres vor sechs Millionen Jahren, die es dem Fluss ermöglichte, sein Bett zu graben.

Handelsstrom seit der Antike
So wurde er bereits in der Antike zu einer der meistbefahrenen Achsen des Römischen Reiches nach dem Nil. Römische Handelsschiffe verbanden in gallo-römischer Zeit Arles und Lugdunum (Lyon) mit der Saône. Im Mittelalter transportierte die Rhône Salz, Metall, Holz und Getreide.

Die Brücken von Marc Seguin
Die erste Hängebrücke über die Rhône baute im Jahr 1824 ein Mann, an den bis heute entlang der Rhône zahlreiche Brücken mit ihrem Namen erinnern: Marc Seguin. 18 Monate lang arbeitete er mit seinem Bruder an der steinernen Verbindung von Tournon-sur-Rhone nach Tain-l’Hermitage. Es war damals die erste Drahtkabelbrücke der Welt, die auch für schwere Fuhrwerke geeignet war.
Als sie den wachsenden Autoverkehr nicht mehr aufnehmen konnte, wandelte sie sich zur Fußgängerbrücke. 1965 wurde die Brücke abgebrochen. Eine zweite Brücke der Brüder Seguin indes ist erhalten. Nahezu baugleich hatten die Frères Seguin sie höher und mit zwei Straßen zwischen 1847 und 1849 bei ebenfalls zwischen Tournon und Tain gebaut. Diese zweite Brücke seht ihr auf dem Foto.

Von den gut 180 Hängebrücken der Brüder Séguin gilt der Pont d’Andance aus dem Jahr 1827 heute als älteste, noch vom Verkehr genutzte Hängebrücke auf dem europäischen Festland.

Die Zähmung der Rhône
Während der „Kleinen Eiszeit“ vom Beginn des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt die Rhône stürmische Seiten. Starke Niederschläge und vorrückende Gletscher sorgen für verheerende Überschwemmungen.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Zähmung der wilden Rhône. 1840 und 1856 hatten Überschwemmungen für große Verwüstungen gesorgt.

Ab 1884 vervollkommneten auf französischer Seite die Chefingenieure der Rhône, Jacquet und Girardon, die Regulierungsvorrichtungen mit Deichen, Buhnen und anderen Wasserbauwerken. Jene drosselten die Geschwindigkeit des Stroms und schützten die Städte und Felder vor Überschwemmungen.

Schleusen und Kraftwerke
Ab den 1950er-Jahren wurden diese Arbeiten durch die Anlagen der Compagnie Nationale du Rhône (CNR) ergänzt. Sie baute Dämme und Wasserkraftwerke, Schleusen und Deiche. Seit 1934 erschließt die CNR das Rhônetal, erzeugt Strom, entwickelt die Flussschifffahrt und bewässert die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen.

Dazu hat die CNR 19 große Laufwasserkraftwerke gebaut. Je nach Tages- und Jahreszeitenströmung liefern sie jährlich 14.900 GWh Wasserstrom. Zwischen Lyon und dem Mittelmeer hat sie den Fluss zur 330 Kilometer langen Wasserstraße ausgebaut. Auf Schweizer Seite begann in den 1860er-Jahren für ein Eisenbahnprojekt, das das Wallis mit Italien verband, die Aufstauung des Gewässers.

Industrie und Natur
Trotz der wirtschaftlichen Nutzung und 18 Industrie- und Hafenstandorten im Rhônetal gibt es dort auch immer noch mehr als 100 geschützte Naturgebiete.

Die Zukunft der Rhône hängt an ihrer Quelle. Doch der Klimawandel lässt den Gletscher jedes Jahr zwischen fünf und sieben Meter an Dicke verlieren. Experten sagen voraus, dass der Rhône-Gletscher sich bis 2030 halbieren und bis 2100 verschwinden wird.

Immer weniger Wasser
Das Abschmelzen des Eises und die Zunahme extremer Wetterereignisse wird die Rhône schwächen. Bis 2050 wird sie bereits bis zu 40 Prozent weniger Wasser führen. Bereits im Jahr 2017, einem Jahr schwerer Dürre, war ihr durchschnittlicher Durchfluss 30 Prozent niedriger als in den letzten zwanzig Jahren.

Doch die Entnahmen für die Landwirtschaft und die Industrie steigen weiter. Seit 20 Jahren versuchen die Schweiz und Frankreich gemeinsam, das langsame Sterben der Rhône zu stoppen. Ein Hauptaugenmerk liegt daher auf der Renaturierung der natürlichen Biotope der Rhône.


Obst, Wein und Gemüse
Die Rhône ist zudem der wichtigste Partner der Obst- und Gemüsebauern in ihrem Teil. Dank 40 Wasserentnahmestellen bewässert der Fluss auf 120.000 Hektar landwirtschaftliche Kulturen.

Im Département Drôme, dem führenden Bio-Anbaugebiet der Region Auvergne-Rhône-Alpes, stammen sogar 80 Prozent der landwirtschaftlichen Bewässerungsmengen aus dem Lauf der Rhône und dem der Isère.

Neben der Landwirtschaft brauchen auch andere Wirtschaftszweige den Fluss. Kernkraftwerke kühlen mit den Fluten der Rhône ihrer Reaktoren. Auch die chemische und petrochemische Industrie sowie Zementwerke nutzen ihre Wasser.

Ausbau des Tourismus
Seit einigen Jahren ist auch der Tourismus dabei, die Rhône neu zu prägen. Ihre Ufer wurden umgestaltet, um Platz für Fußgänger, Inlineskater und Radfahrer zu schaffen.

Auf der ViaRhôna könnt ihr dem Lauf der Rhône vom Genfer See bis zum Mittelmeer folgen. Sehr beliebt sind auch Kreuzfahrten auf der Rhône, die in Lyon beginnen und oft in Verbindung mit der Saône angeboten werden. Mehr dazu erfahrt ihr hier.

Die Rhône in Bildern



























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Im Blog
Radwandern auf der ViaRhôna
Gemeinsam mit einer Freundin bin ich die ViaRhôna abgeradelt. Die einzelnen Beiträge dazu findet ihr in dieser Kategorie.
Flusskreuzfahrt auf der Rhône
Von Lyon bis Arles und retour: Diese Reise habe ich auf der MS Bijou du Rhône getestet. Bitte einmal hier weiterlesen.
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Liebe Hilke, das sind ja unglaublich schöne und kreative Fotos, die Du von der Rhône gemacht hast. da bekommt man sofort Lust auf eine Schiffsreise dort. Unvorstellbar der Gedanke, dass dieser Fluss einmal weniger Wasser führen könnte. Hoffentlich stimmt es nicht wirklich, dass das Abschmelzen des Gletschers in der Schweiz das Wasser der Rhône perspektivisch verringern wird. Es gibt ja noch Zuflüsse und Regenwasser. Sehr schön, wie Du mit Deinen Fotos dem Lauf des Flusses von der Quelle bis zur Mündung – oder fast – gefolgt bist.
Dein Foto – Die Rhône bei der Île de Platière nahe Limony. Foto: Hilke Maunder – ist übrigens so schön wie ein Gemälde. Im ersten Moment dachte ich, es sei ein Gemälde.
liebe Grüße
Anna C
Danke, liebe Anna! Leider stimmt es, dass die Wassermengen kontinuierlich sinken. Durch mein Studium (Anglistik und Geographie, nix Romanistik) reagiere ich auf solche Nachrichten sehr sensibel und verfolge das Thema Wasser intensiv. Es wird eines der größten Probleme werden. Und ist es schon jetzt (siehe Nestlé und pure water). Freut mich, dass Dir die Fotos gefallen! Bin erst mit dem Rad die ViaRhôna abgeradelt – und dann mit dem Schiff noch mal wasserseitig auf einer Pressereise. Ich liebe Flüsse!!! Bises, Hilke