Kreuzfahrt-Test: MS Bijou du Rhône
Wo steckt sie nur, die MS Bijou du Rhône? Etwas ratlos stehe ich in Lyon am Quai. Und merke: Die Rhône gehört zu den beliebtesten Revieren für Flusskreuzfahrten in Frankreich. Ein Dutzend Anbieter starten in Lyon zu Touren. Und so sehe ich zunächst auch nicht „mein“ Schiff. MS Bijou du Rhône versteckt sich hinter einem Schweizer Schiff. Doch gerade, als ich schon fragen will, kommt ein Crew-Mitglied und stellt den Wimpel von nicko cruises auf das Kopfsteinpflaster am Kai.
Hinter mir turnen junge Männer an einem halben Dutzend Fitnessgeräten und straffen Haltung und Muskeln, wenn sie sich beobachtet fühlen. Ghettoblaster sorgen für Unterhaltung: hier Maître Gims, dort französischer Rap. Und wieder: Klimmzüge am Reck. Ein, zwei, fünf, neun. Stolz blickt der junge Mann in die Runde. Und ein zweiter springt sogleich ans Reck. „Wollen Sie nicht einchecken?“ reißt mich der Cruise Manager aus meiner Tagträumerei.
Willkommen an Bord!

Der Check-in
An der Rezeption nehmen Crew-Mitarbeiter des Hotelbereiches die Koffer in Empfang und bringen sie auf die Kabine, während an der Rezeption der Papierkram erledigt wird: Ausweis abgeben für eine Nacht, WLAN buchen, Infos zum Getränkepaket erhalten.
Eine Plexiglasscheibe trennt Gast und Mitarbeiter. Als Zimmerschlüssel und Gastausweis erhalte ich eine Plastikkarte, die beim Verlassen des Schiffes gegen eine Landgangskarte zu tauschen ist. So weiß die Kreuzfahrtleitung stets, ob alle Gäste an Bord sind – und wer noch an Land.
Die Kabine von MS Bijou du Rhône
Meine Kabine hat die Nummer 232 und befindet sich im Mitteldeck. Im Eingangsbereich befindet sich ein eingebauter Kleiderschrank mit Safe und Wolldecken. 15 Quadratmeter groß ist die Deluxe-Kabine, und ausgestattet mit zwei Betten, die zusammen oder getrennt gestellt werden können. Neben den Betten stehen Nachtschränkchen mit Leuchten.
Gegenüber dient eine durchgezogene Holzplatte als Schreibtisch und Ablagefläche. Im Wandregal steht ein kleiner Flachbildfernseher. Einen Balkon hat die Kabine nicht, aber dafür Panoramafenster, die sich weit öffnen lassen.
Das Bad ist mit Dusche und WC, Handwaschbecken und Wandschrank praktisch wie kompakt. Als alles ausgeräumt und verstaut ist, verschwinden die Koffer unter den Betten. Dieser Stauraum in Schränken, Schubläden und unter den Betten ist ungewöhnlich – und fällt positiv auf.
Die Standardkabinen auf dem Hauptdeck sind rund zwölf Quadratmeter groß und mit einem Klappbett und einem Sofabett ausgestattet. In dieser Kategorie lassen sich die großen Aussichtsfenster nicht öffnen.
Das gebührenpflichtige WLAN funktioniert nicht in meiner Kabine. Zu viel Stahl umgibt sie. Etwas sehr sparsam ist auch die Anzahl der Steckdosen. Doch die Betten sind weich – und für französische Verhältnisse richtig lang. Ganze zwei Metermessen sie und nicht, wie sonst meist, 1.90 Meter.
Auch der Service ist top. Gehe ich morgens zum Frühstück, hänge ich ein blaues Türschild vor die Kabinentür. Bei der Rückkehr ist die Kabine bereits aufgeräumt und desinfiziert. Auf dem Bett sind die Handtücher kunstvoll drapiert. Heute eine Blume, morgen…? Die Überraschung ist jedes Mal perfekt!

Die Sicherheitseinweisung
Jede Kabine besitzt einen Lautsprecher. Morgens informiert der Cruise Manager beim Weckruf über das Wetter und den geplanten Tagesablauf. Jetzt ruft er alle Gäste zur Sicherheitsunterweisung in den Salon. Verbunden mit der Vorstellung der Bordleitung und des Reiseverlaufs, die mit einem Umtrunk endet, wird der Pflichttermin zum geselligen Einstand.
Die Mitreisenden sind ein bunt gemischtes Völkchen. Freundinnen auf Frauenurlaub, Pärchen jeden Alters, Großeltern mit Enkel und Frankreichliebhaber, die mal anders unterwegs sein wollten, haben die Reise gebucht.
Eine Gruppe von Expedienten, die als Reisebüromitarbeiter einmal diesen Törn kennenlernen wollten, ist ebenso an Bord. Und ein tanzbegeistertes Ehepaar, das während der Kreuzfahrt allabendlich zu Jive, Cha-Cha-Cha und Slowfox seine Runden im Salon dreht.
Küche & Keller an Bord
Beim Check-in erhält jeder Gast seine Tischnummer. Gegessen wird in einer Sitzung. Schnell lerne ich: pünktlich sein. Die Essenszeiten an Bord sind heilig. Nicht ab, sondern um. Frühstück um 8, Mittag um 12, Kuchen um 15 Uhr, Abendessen um 19 Uhr.
Das Frühstück ist, wie es die Gäste aus Deutschland gewohnt sind. Kaisersemmeln, Körnerbrötchen und Schrippen gehören ebenso zum Buffet wie Grau- und Schwarzbrot sowie Toast. Schnittkäse, Leberwurst, Blutwurst, Bierwurst und Fleischwurst liegen auf großen Aufschnittplatten, daneben Lachs, Tomaten und Paprika. Eier gibt es weich oder hart gekocht sowie als Rührei.
Zum süßen Sortiment gehören Marmelade, Honig und Nutella. Wer gesund leben will, findet Joghurt, Birchermüsli, Cerealien und tagtäglich die gleiche Obstauswahl: Melone, Apfel, Banane. Sekt und Selters, Tee und Kaffee runden das Frühstücksangebot ab. Für französisches Flair sorgen viennoiseries, winzige Croissants, pains au chocolat und Rosinenschnecken.
Auch bei den opulenten Mittagsmahlzeiten und viergängigen Abendmenüs dominiert gutbürgerliche Kost. Deutsche Küche mit französischem Einschlag prägt die Karte. Einzig am ersten Abend war das Abendessen ein dîner à la française.
Echte französische Küche schien zahlreichen Gästen eher suspekt. „Schnecken und Froschschenkel sind nichts für mich“, erzählte später eine Dame am Sonnendeck. „Aber bei Desserts sind die Franzosen wahre Meister!“ Der Küchenchef wusste es und verwöhnte mit mousse – mal mit Mandarine, mal au chocolat.
Unterhaltung, Sport & Wellness
Zum Schiff gehört in gewöhnlichen Zeiten eine Bibliothek mit lesenwerten Schmökern und Reiseliteratur sowie ein Bestand an Gesellschafts- und Kartenspielen.
Allabendlich sorgt ein Alleinunterhalter mit seinem Musikprogramm für Unterhaltung zum Wein oder Cocktail. Auf dem großen Sonnendeck könnt ihr euch auf Liegestühlen oder beim Schachspiel entspannen.
Besonders von weiblichen Gästen jeden Alters schmerzlich vermisst wurde ein Aktivangebot an Bord. Yoga am Morgen, Gymnastik auf dem Sonnendeck oder ein Pool auf dem Oberdeck, lauteten die Wünsche. Und Leihräder, um bei den Landgängen auch einmal auf eigene Faust die Umgebung entdecken zu können.
Das Schiff: Wertung und Zahlen
Mit Baujahr 2001 ist die MS Bijou du Rhône schon ein betagtes Schiff und lässt sich daher nicht mit neuen, modernen Flusskreuzfahrtschiffen vergleichen. Es ist ein eher kleineres Schiff, gemütlich und komfortabel, sauber und gepflegt.
Gutbürgerlich wie das Publikum – und ausgestattet mit einer unglaublich motiviertern, freundlichen wie hilfsbereiten und engagierten Mannschaft. Die Bijou du Rhône bietet Platz für 150 Gäste, die 38 Crew-Mitglieder unter der Leitung von Michael Le Payen betreuen.
- Baujahr: 2001
- Länge: 114,3 m
- Breite: 11,4 m
- Tiefgang: 1,5 m
- Sprache an Bord: Deutsch
- Bordwährung: Euro
- Internet: gebührenpflichtiges WLAN (eingeschränkt)
- Rauchen: In gekennzeichneten Bereichen auf dem Sonnendeck erlaubt
Der Törn
Die Route
Lyon

Start und Ziel der Kreuzfahrt war Lyon. Die drittgrößte Stadt Frankreichs besitzt mit ihrem Altstadtviertel Vieux-Lyon ein Welterbe, das die Renaissance und die traboules prägen.
Abgelegt wurde abends. In der Dämmerung glitt das Musées des Confluences vorbei, ein futuristischer Museumsbau von Coop Himmelb(l)au am Zusammenfluss von Rhône und Saône.
Der dortige Stadtteil La Confluence gehört zu den spannendsten Revitalisierungsvorhaben in Europa. Hier habe ich das sehenswerte Viertel vorgestellt.
Viviers
Im Dunkel der Nacht ging es nach Viviers. Vor dem Start des Busausfluges in die Ardèche-Schlucht blieb noch Zeit, die alte Hauptstadt des Vivarais auf eigene Faust zu entdecken. Seht einmal hier! Um 17 Uhr verließ MS Bijou du Rhône den Anleger und glitt vorbei am Défilé de Donzère.
Dort hat die Rhône einen tiefen und engen Korridor in ein mächtiges Kalksteinmassiv gegraben. Die Klippen sind von Höhlen durchzogen, die auf provenzalisch baumes heißen.
Bei der Passage unterfuhren wir den Pont de Robinet, die 1847 nach dem Vorbild von Seguin als eine der letzten Hängebrücken über den Fluss erbaut wurde.
Arles
Gegen drei Uhr nachts machen wir in Arles fest. Um acht Uhr früh startet die geführte Stadtbesichtigung, die gute drei Stunden lang die Stadt zu Fuß vorstellt. Mehr zu Arles, das mit dem Parc des Ateliers beweist, dass es nicht nur Welterbe, sondern auch zukunftsfähig ist, erfahrt ihr hier.
Zum Stadtgebiet von Arles gehört nahezu die gesamte Grande Camargue. Dorthin führt – vor dem Mittagessen – ein Busausflug. Erste Station ist ein Stierzuchtbetrieb, dessen jüngste Generation sogar Deutsch spricht. Monsieur Arnaud hat eine Kölnerin geheiratet.
Vater, Tochter und gardian zeigen den tri de taureaux und laden zum rustikalen Mittagstisch mit Stier-Paté, Stiergulasch (gardianne) und tarte zum Dessert.

Danach geht es nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer ans Mittelmeer: Blitzführung und eine Stunde Freizeit. Am frühen Abend legt das Schiff Richtung Avignon ab.
Avignon
Die Ankunft am Abend war wunderschön. MS Bijou du Rhône glitt an der beleuchteten Skyline der Papststadt vorbei, passierte die Welterbe-Brücke Pont Saint-Bénézet und machte am Anleger Quai de l’Oulle fest. Von dort sind es nur fünf Fußminuten zur Stadtmauer, die die Altstadt schützt. Mehr zu Avignon erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Lyon
Über Nacht ging es zurück Richtung Lyon. Nach dem Frühstück tauchte Condrieu, gefolgt von Vienne, am Kabinenfenster auf. Dieser Flussabschnitt war der einzige, den wir tagsüber erleben konnten.
Mittags war das Schiff zurück in Lyon. Und ein letzter Busausflug, diesmal ins Beaujolais, folgte. Dort besuchten wir auch Oingt, das zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört. Hier habe ich es vorgestellt.
Zentimeterarbeit: das Schleusen
Zwölf Schleusen passiert die MS Bijou du Rhône auf ihrer Fahrt von Lyon nach Arles und retour. Jede dieser Schleusen ist maximal zwölf Meter breit und 195 Meter lang. Auf 11,40 Meter Breite bringt es unser Schiff. Da bleiben zu jeder Seite nur 30 Zentimeter Platz. Oder auch nicht: Mitten in der Nacht rummst es plötzlich laut. Wir passieren wieder einmal eine Schleuse.
Das Gros der Schleusen verschläft man so. Nachts macht der Kapitän mit seinem Schiff Strecke. Abgelegt wird meist am frühen Abend, angelegt am Morgen. Tagsüber die Rhône vom Fluss aus zu erleben, war bei diesem Törn nur zwischen Vienne und Lyon bei der Rückfahrt möglich.
Doch abends – zum Apéro oder nach dem Essen – auf dem Sonnendeck noch zu sitzen, den Mond, die Sterne und die Reflektionen der Lichter von Wohnhäusern und Industriebauten auf den Fluten der Rhône zu sehen, hat etwas Magisches.
Die Rhône fließt mit recht hohem Gefälle von den Alpen zum Mittelmeer. Die Schleusen überwinden allesamt mehr als zehn Höhenmeter. Die Rekorde halten die Écluse de Châteauneuf mit 19 und die Schleuse von Bollène mit 23 Höhenmetern.
Die Ausflüge
In allen Orten, an denen die MS Bijou du Rhône bei ihrer Flussfahrt festmacht, bietet nicko cruises optional zubuchbare Landausflüge an. Sie sind an die jeweilige Liegezeit im Hafen angepasst. Fester Bestandteil bei allen Stadtführungen ist ein Audio-System von Sennheiser.
Es erlaubt, ganz entspannt den Ausführungen des Reiseleiters zu lauschen und dennoch Abstand zu halten. Ist das Ausflugspaket nicht vorab mit gebucht worden, lassen sich die Ausflüge an Bord hinzubuchen.
Neben Stadtführungen in Lyon und Arles gehörten dazu Busausflüge. Der erste Ausflug führte in die Camargue. Auf die Besichtigung der Manade Gilbert Arnaud folgte dort ein Mittagessen. Danach gibt es nach Les Saintes-Maries-de-la-Mer hin zur schwarzen Sara – und zum Mittelmeer. Ein zweiter Halbtagesausflug führt zum Welterbe Pont du Gard.
Beim Busausflug durch die Ardèche-Schlucht hießen die Ziele Belvédère de la Madeleine, Pont d’Arc und Maison de la Lavande. Das Beaujolais stellte ein Busausflug nach Oingt samt Weinprobe bei der Domaine Paire vor.
Reise-Infos: Rhône-Kreuzfahrt
Anreise
Mit Auto, Bus, Bahn oder Flieger nach Lyon. Die MS Bijou du Rhône macht – wie die meisten anderen Flusskreuzsschiffe – in Lyon am Quai Claude Bernard fest. Wer mit dem eigenen Wagen anreist, kann an der viel befahrenen Straße gegen Gebühr in Parkbuchten parken, das Gepäck entladen und an der Brücke auf der Rampe hinab zum Kai gelangen. Während der Kreuzfahrt ist das Gefährt im Parking Berthelot gut aufgehoben Achtung: Unbedingt vorher reservieren und bei der Buchung die Pauschale für Kreuzfahrer nutzen!
Reisezeit
Mitte April bis September.
Offenlegung
Ich entdeckte die Rhône vom Fluss aus im Rahmen einer Pressereise von nicko cruises, die in Lyon begann und endete. Dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.
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Im Blog
Allgemeine Infos zu Flusskreuzfahrten in Frankreich habe ich hier zusammengestellt.
Die Seine ist der Strom der Geschichte der Normandie. Auch dort könnt ihr auf dem Unterlauf eine Kreuzfahrt machen. Klickt mal hier!
CroisiEurope bietet mit dem Raddampfer Loire Princesse die einzige Kreuzfahrt auf Frankreichs längstem Fluss an. Klickt hier für Infos und Impressionen.
Sehr exklusiv sind die Kanalkreuzfahrten von European Waterways, wie sie u.a. durch Burgund führen. Neugierig? Dann klickt mal hier.
wir fahren mit der MS Bijou du Rhone zum ersten Mal auf der Rhone. Der Bericht hat mir sehr gut gefallen. Wir sind Vielfahrer auf den Meeren und Flüssen unterwegs. Mal sehen ob man die grosse Schwester mit den Flussschiffen vergleichen kann.
Nochmals ein Danke.
Hallo Werner, ich wünsche Dir eine wundervolle Zeit auf der Rhône – hoffentlich spielt das Wetter mit! Gute Fahrt! Hilke