Das Mittelalter-Juwel: Viviers
Dort, wo sich die Rhône durch den Engpass des Défilé de Donzère zwängt und vom Jouannade-Hügel seit 1862 eine riesige Marienstatue hinab auf Ziegeldächer und Türme blickt, liegt Viviers, die alte Hauptstadt des Vivarais.
Bereits im 5. Jahrhundert wurde dort der Bischofssitz der Diözese Viviers errichtet. Vom 12. Jahrhundert bis 1307 gehörte die Stadt zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und war damit Treuhandgebiet des deutschen Kaisers.
Rhône: Grenze zwischen König- und Kaiserreich
1308 musste der Bischof von Viviers die Lehnsherrschaft des Königs von Frankreichs anerkennen. Ein Großteil des Vivarais kam damit zum Königreich. Für soliden Wohlstand sorgten fortan Jahrhunderte lang das Salz aus der Camargue, das in Viviers verzollt wurde, und die Seidenraupenzucht.
Dass Viviers heute noch so intakt erhalten ist, verdankt es Bischof Charles de la Font de Savine. Er rettete die Stadt vor den willkürlichen Zerstörungen während der Französischen Revolution. Denn er war als Befürworter der Revolution und Unterstützer der Ziele bekannt.
Echtes Mittelalter
So könnt ihr heute hier einen Ort erleben, der noch eine komplette mittelalterliche Struktur bewahrt hat. Anders als in den touristisch entwickelten Mittelalter-Perlen am linken Rhôneufer, ist Viviers noch meistens im Dornröschenschlaf versunken.
Nur ab und an sorgen Kreuzfahrer mitunter für etwas Leben in den Gassen. Doch meist dient Viviers nur als Anleger und Startpunkt für deren Ausflugsfahrten in die nahe Ardèche.
Doch hier und da zuckt es: Junge Einheimische bringen wieder Leben in die Gassen, die verwaist wirken – und doch traumhaft schön, authentisch und ursprünglich sind.
Los geht die Zeitreise an der Avenue Mendès France. Dort residiert die Stadtverwaltung mit dem Hôtel de Ville seit 1986 im einstigen Bischofspalast. Der Bischof zog schräg gegenüber in den heutigen Bischofssitz Hôtel de Roqueplane.
Die zweigeteilte Stadt
Typisch für mittelalterliche Städte ist die Zweiteilung. Im bourg, der Unterstadt, lebten und arbeiteten Händler, Handwerker, Künstler und das einfache Volk. Die Oberstadt teilte sich der Klerus mit zu Wohlstand gekommenen Bewohnern.
In Viviers schmiegt sich die ville basse im Westen an den Fels. Zugang zur ville haute gewährten einst nur die Porte de la Gâche im Westen und die Porte de l’Abri im Süden.
Gedeckt waren die Häuser der Unterstadt traditionell mit Holzschindeln. Viele Häuser besaßen vorkragende Dachtraufen. Meist zweistöckig errichtet, befanden sich im Erdgeschoss Lager, Laden oder Werkstatt, im ersten Stock Büro und Wohnung.
Besonders schöne Stadthäuser sind in der Hauptstraße erhalten. Achtet in der Grande Rue einmal auf das Hôtel de Tourville und das Hôtel de Beaulieu.
Kopflos ins Unglück
Außerordentlich reich geschmückt ist dort auch die Maison des Chevaliers (1546). Das Renaissance-Palais, auch Maison des Têtes genannt, gehörte einst Noël Albert, der durch den Handel mit Salz und das Verleihen von Geld reich geworden war.
Bereits mit 22 Jahren wurde er zum Konsul von Viviers gewählt. Dies war der Beginn einer steilen Karriere, die abrupt endete. Sich selbst und seinen Einfluss überschätzend, plünderte Noël Albert während der Religionskriege die Kathedrale.
Als der Bischof nach Viviers zurückkehrte, folgte die Strafe für das Vergehen umgehend: Am 30. August 1568 wurde Noël Albert in Toulouse kurzerhand geköpft.
Staat und Volk gemeinsam
Auch sein Stadthaus war hinter der schmückenden Fassade längst dem Tode geweiht. Den Wiederaufbau der Ruine unterstützten der Staat (50%), das Département (30%) und die Stadt. Da deren Mittel nicht reichten, wurde auch die finanzielle Unterstützung vom Volk gebraucht.
Zur Rettung startete daher das Centre International Construction et Patrimoine die Opération Vivarum. Es ließ Gedenkmedaillen mit der Fassade des Stadtpalais prägen, die jeder erhält, der mindestens zehn Euro spendet.
Die Kirchenstadt (Oberstadt)
Rund um die Kathedrale siedelten sich die Geistlichen und Gutbetuchten in der ville haute an. Ihre Wohnsitze und Gärten verstecken sich bis heute hinter hohen Mauern mit Toren, deren Rundbögen Wappen tragen.
Die Cathédrale Saint-Vincent von Viviers ist die kleinste Kathedrale Frankreichs, in der noch Gottesdienste abgehalten werden. Von der romanischen Kapelle des 12. Jahrhunderts sind noch der Portalvorbau und der untere Teil der Langhausmauern erhalten. Immer wieder wurde das Gotteshaus umgebaut, aufgebaut und ergänzt.
Betrachtet einmal den Altar genauer. Geht dazu in die Knie. Dann seht ihr faszinierende Einlegearbeiten aus farbigem Marmor. Allein das Auge des Vogels besteht aus mehreren Mosaiksteinchen.
Unglaublich, wie fein der Künstler den harten Stein damals bearbeiten konnte! Betrachtet einmal auch das Chorgestühl ganz genau. Seht selbst, wie lustvoll bei der Messe für die Geistlichen die Zeit verging!
Der Glockenturm der Kathedrale war einst das Verbindungstor zur Unterstadt. Oben bekrönt ihn ein Wachtürmchen. Von dieser bramadière aus konnte der Türmer ( brameur ) bei Überfällen Alarm schlagen.

Beste Aussichten
Nördlich der Kathedrale erreicht ihr den Belvédère de Châteauvieux. Er wurde auf einem natürlichen Felsplateau angelegt, das durch ein Hochwasser der Rhône entstanden ist. 40 Meter hoch über der Place de la Roubine eröffnet er traumhafte Aussichten.
Von den alten Häusern der Stadt und den Steinbrüchen von Lafarge blickt ihr über die Kühltürme des AKW Cruas bis zur Rhône und zum Kraftwerk von Châteauneuf.
Bei schönem Wetter könnt ihr sogar das Vorgebirge des Vercors mit dem Col de la Chaudière und den Trois Becs sehen!
Viviers: meine Reisetipps
Schlafen
Le Temps des Pauses
„Zeit für Pausen“: Das chambre d’hôte in einem Stadtpalais trägt seinen Namen zu Recht. Es ist eine Wohlfühloase. Die Gästezimmer sind geschmackvoll modern eingerichtet, im Garten ist Platz für einen Whirlpool und ein Schwimmbecken.
Im kleinen Wellness-Center könnt ihr in einer Sitzsauna schwitzen oder Stress und Anspannung wegmassieren lassen. Im Garten verwöhnt euch der Gastgeber mit gesund-frischem Frühstück oder einem nachmittäglichen goûter mit selbst gebackenem Gebäck.
• 2, Allée du Rhône, 07220 Viviers, Tel. 04 75 49 11 25, www.letempsdespauses.fr
Clos Saint-Roch
Am höchsten Punkt von Viviers befand sich einst das Kloster von Saint-Roch neben der Kathedrale des Heiligen Vinzenz. Der Komplex, vom 13. bis zum 20. Jahrhundert immer wieder erweitert und umgebaut, birgt das Nonnenkloster der Sœurs de Saint-Roch neben Wohnungen auch Gästezimmer in den einstigen Klosterkammern der Nonnen. Die Kapelle dient heute als Ausstellungsraum.
• 07220 Viviers, Tel. 06 16 91 65 28, www.facebook.com/clossaintroch07
Schlemmen & genießen
VinScène
Der Sommelier Jean-Matthieu Pelletier hat mit der Altstadt-Weinbar gemeinsam mit seiner Freundin den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Mir haben sein kleiner, feiner und gut sortierter Weinkeller und seine liebevoll zusammengestellten Platten mit charcuterie aus dem Département Ardèche ausgesprochen gut gefallen.
• 11, rue de la Chèvrerie, 07220 Viviers, Tel. 04 27 58 07 71, mobil: 06 26 10 8 20
Les Chevaliers
Die Spezialität dieser Crêperie: hauchdünne Schoko-Mandel-Pfannkuchen. Unbedingt probieren!
• 7, place de la République, Tel. 04 75 54 83 70, www.facebook.com/leschevaliersvivarois
Schöne Dinge
L’Atelier de Djé
Ausschließlich aus Recycling-Rohstoffen gestaltet Djé seine Skulpturen und Kunstwerke.
• 18, rue de la République, 07220 Viviers, Tel. 07 81 23 05 97
La Poterie
Annie und Paul Hostein-Mortier sind zwar seit Jahrzehnten ein Paar, töpfern aber beide in einem ganz unterschiedlichen Stil. Annie hat sich seit einigen Jahren auf die Herstellung von Schmuck konzentriert.
Das Besondere: Sie fertigt ihn aus handgetöpftertem Porzellan! Dabei paart sie Fine Bone China mit grünem Recyclinglas und edlen Steinen. Ihr könnt vor Ort bei der Arbeit auf der Drehscheibe zuschauen!
• 26, place de la Roubine, 07220 Viviers, https://artistes-ardeche.com/artiste/potier-viviers
Atelier 3 Céramiques
Die zweite Töpferei in Viviers betreibt seit mehr als drei Jahrzehnten Jean-Luc Allonneau in einer ehemaligen Industriewerkstatt mit denkmalgeschützter Fassade., Allonneau lernte sein Handwerk von der Pike auf bei einem bekannten Töpfermeister in der Nähe von Dieulefit.
Er absolvierte seine Ausbildung zum Porzellandekorateur und arbeitete anschließend nacheinander in allen Positionen des Keramikherstellungsprozesses in Unternehmen in Dieulefit und im Pays Saint-Uze.
Er dreht, kalibriert, stempelt das Steingut und stellt seine eigenen Emails aus Oxiden und Flussmitteln bleifrei her, sodass seine Stücke außergewöhnliche Formen, Glanz und Reflexionen aufweisen.
• D86, 33 Faubourg la Cire (neben der Post), 07220 Viviers, Tel. 04 75 52 76 71 http://a3ceramiques.free.fr/accueil.html
Radverleih
Association Itinéraires Vivarais
• am Hafen von Viviers, 07220 Viviers, Mobil-Tel. 06 16 91 65 28
Relais du Vivarais
• 07220 Viviers, Tel. 04 75 52 60 41, www.relaisduvivarais.fr
Insider-Tipp
Johnny-Hallyday-Statue
Kurz vor dem Ortseingang von Viviers schuf Georges Daniel eine 2,70 Meter hohe Statue des Rock-Barden Johnny Hallyday. Sie ist seit dem 16. Juni 2018 das Wahrzeichen der Restaurant-Pizzeria Le Tennessee.
• www.facebook.com/LeTennessee
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Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Places Frankreich*
Eiffelturm, Lavendelfelder und die Schlösser der Loire sind weltbekannte Ziele in Frankreich. 60 wunderschöne Orte abseits des Trubels stellen Klaus Simon und ich in unserem dritten Gemeinschaftswerk vor.
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Danke für diesen tollen Einblick, Hilke! Jährlich fährt man auf der A7 gen Süden, die großen Nachbarstädte wie Montelimar kennt man bereits, aber die vielen kleinen Schmuckstücke zwischen Valence und Orange gehen einfach häufig unter…
Zum Glück kann ich das in zwei Wochen ändern 🙂
Hallo Thomas, ja, das stimmt! Gute Reise und viele schöne neue Entdeckungen! Und stöber mal auf der zoombaren Karte der Startseite, da findest Du weitere Tipps. Bises, Hilke
Die Berichte auf deiner Seite sind immer wieder traumhaft zu lesen.
HERZLICHEN DANK DAFÜR !
LG.
Bagu
Oh, das ist ja nett! MERCI!!! Des bises, Hilke