La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
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Die Verwandlung der Friche Belle de Mai

Es sind nur ein paar Schritte vom Bahnhof Saint-Charles nach Belle de Mai und hin zu einem Medien-, Kultur- und Kreativzentrum, das längst landesweit Strahlkraft entwickelt hat: La Friche Belle de Mai.

Einst eine Tabakfabrik, ist sie heute der Hotspot der alternativen Kultur- und Kunstszene von Marseille. Und fast schon ein eigener Stadtteil. Mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen und Ateliers, Buchhandlung und Büros, Kinderkrippe und Skaterparcours, Café und Restaurant.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
La Friche Belle de Mai residiert in einer ehemaligen Tabakfabrik. Foto: Hilke Maunder

Tabak & Theater

Fast 540 Arbeiter waren bei Seita mit der Verpackung und dem Versand von Tabakblättern beschäftigt. 1990 schloss die Zigarettenfabrik Manufacture des Tabacs de Marseille.

Weitere 40.000 Quadratmeter gesellten sich zu den industriellen Brachflächen der Hafenstadt, die damals einen starken Bevölkerungsrückgang erlebte. 700 ha Land nahmen die Altlasten damals ein. Was tun?

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Oase: das Café mit seiner Freiluftterrasse. Foto: Hilke Maunder

Die Antwort kam von den Kreativen: Sie besetzten die leeren Räume und begannen, sie als Werkstätten und Eventflächen zu nutzen. Christian Poitevin, Beigeordneter für Kultur von Bürgermeister Robert Vigouroux, erkannte das Potenzial und handelte.

Unterstützt von der Politik, gründete er zusammen mit den Theatermachern Philip Foulquié, damals Direktor des Massalia-Theaters, und Alain Fourneau den Verein Système Friche Théâtre (SFT). Sein Ziel: Künstler mit Flächen zu versorgen, um die freie Entfaltung und Präsentation von Kunst jenseits von Kommerz zu sichern.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Fundgrube: die Buchhandlung. Foto: Hilke Maunder

1992 zog der Verein in die einstige Fabrik, 1995 wurde Jean Nouvel Präsident des Projektes. Erste Künstler kamen zur Friche, darunter der Schweizer Maler Pierre Gattoni.

2001 wurden Matthieu Poitevin und Pascal Reynaud von ARM Architecture mit der Gesamtplanung betraut. Ihr Ansatz: Öffnung des Areals für alle und Umnutzung als Kulturzentrum bei wenig Änderungen an der Bausubstanz und geringen Kosten.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Entspannt: Besucherinnen der Friche. Foto: Hilke Maunder

Sie verwandelten die riesige, einst dunkle Produktionshalle mit Oberlichtern in eine Ausstellungshalle. Nach  Wanddurchbrüchen, teils mit Glas, teils mit transparenten Polycarbonatplatten verkleidet, entstand das Restaurant Les Grandes Tables

Seit der Eröffnung 2006 ist es ein angesagter Treffpunkt. 2009 folgte die Einweihung des Skaterparks. Bereits 2002 fertig gestellt war der Theatersaal des Cabaret Aléatoire.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Street-Art und Skating: das Open-Air-Gelände der Friche. Foto: Hilke Maunder

Aussichten & Einsichten: Tour-Panorama

Zum Kulturhauptstadtjahr 2013 erhielt La Friche schließlich sein Wahrzeichen: La Tour-Panorama. Die  4.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche für Gegenwartskunst bekrönt eine 8.000 Quadratmeter großen Dachterrasse.

Sie lockt mit Bar und Belvédère mit Weitblick über den Westen der Stadt, die Küste und ihr Hinterland. Im Oktober 2013 folgte die Einweihung der Plateaux, zwei Sälen für  370 und 150 Personen.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Street Art allerorten – das Freiluftgelände der Friche. Foto: Hilke Maunder

Triangle France: Inkubator für zeitgenössische Kunst

Aus einem Künstlerworkshop in Upstate New York mit drei Teilnehmerländern – Kanada, USA und Großbritannien – entstand ein Netzwerk, das heute als Triangle in mehr als 40 Ländern weltweit zeitgenössisches Kunstschaffen fördert.

In Frankreich sitzt die Non-Profit-Organisation  in La Friche Belle de Mai. Im März 2015 feierte sie ihr 20-jähriges Bestehen mit der Gruppenausstellung Moucharabieh in der Ausstellungshalle Panorama, Performances und einem Round-Table-Gespräch.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Industrielook goes arty. Foto: Hilke Maunder

Triangle France besitzt als Cluster der zeitgenössischen Kunst Frankreichs international einen exzellenten Ruf. Es fördert den Austausch mit Artist-in-Residence-Programmen und holt internationale Künstler und Ausstellungen nach Marseille. Es unterstützt Produktionen oder gibt sie in Auftrag – und hilft Künstlern und Galerien, sich erfolgreich zu vermarkten.

Für Durchblick sorgen die zahlreichen Publikationen von Triangle France. Stars wie Turner-Preisträger Simon Starling und Laure Prouvost sowie den Schotten Jim Lambie hat Triangle France bereits nach Marseille geholt – und damit auch Kuratoren aus aller Welt angelockt, die zum talent spotting die Mittelmeer-Metropole besuchen.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Film, Funk & Fernsehen

Bereits ein Jahr nach Schließung der Tabakfabrik zog der Stadtsender Radio Grenouille in La Friche. Heute sind dort auch noch die städtischen Archive, das Cabinet des Monnaies et Médailles, der Pôle Multimédia mit dem Bureau du Cinéma und Studios für Filmaufnahmen, das CICRP (Centre Interrégional de Conservation et de Restauration du Patrimoine) sowie das Archiv des Institut National de l’Audiovisuel untergebracht.

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Les Grandes Tables – das Restaurant der Friche. Foto: Hilke Maunder

La Friche: immer anders, immer spannend

Eine Fundgrube für alle, die Literatur zu Frankreichs Kreativszene suchen, ist die hervorragende Buchhandlung im Erdgeschoss. Ebenfalls im großen Saal untergebracht ist ein Café. Bei gutem Wetter stellt es seine Stühle draußen aufs Pflaster.

Was für ein herrlicher Ort, um den Besuch von La Friche zu beenden, noch ein wenig den Skatern und Sprayern zuzuschauen und im Programm zu blättern, das in der Friche immer abwechslungsreich und überraschend ist!

La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Die Dachterrasse. Foto: Hilke Maunder

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La Friche Belle de Mai. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. sehr cool, das gefällt mir! Das letzte Mal, als ich in Marseille war, habe ich einen ganzen Tag in der Villa Méditerranée verbracht. Nun weiß ich ja, wo ich beim nächsten Besuch hingehe.

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