Kunst im Wind: die Wetterfahnen von Monsieur Petit. Foto: Hilke Maunder
| |

Die Renaissance der Wetterfahnen

Früher waren sie ein Herrschaftssymbol. Heute gehorchen sie nur noch dem Wind: Wetterfahnen. In Coudray-Macouard, einem Landstädtchen südlich von Saumur im Département Maine-et-Loire, fertigte Jean-François Petit seine girouettes für Kunden in aller Welt. Besonders in Amerika und China waren sein Hausschmuck begehrt.

Monsieur hat sich zur Ruhe gesetzt. Doch sein Atelier besteht fort. 2017 haben Charlotte Duplessis und Philippe Jouvin die 30 Jahre alte Werkstatt übernommen und ihr mit neuen Ideen, Engagement und Herzblut neuen Schwung verliehen.

Mehr als 10.000 Motive

In der Werkstatt des Atelier de la Girouetterie. Foto: Hilke Maunder
In der Werkstatt des Atelier de la Girouetterie. Foto: Hilke Maunder

Ihr Atelier de la Girouetterie ähnelt ein wenig einem Tattoo-Studio. Dicht an dicht stapeln sich die Musterbücher mit mehr als 10.000 Motiven. Nadeln und Sägen bedecken die Tische und Bänke der kleinen Werkstatt, die dem Verkaufsraum angeschlossen sind. Wetterfahnen aus Zink, Kupfer und Blei fertigen sie dort. Als Vorbild dienen alte Vorlagen oder individuelle Entwürfe.

Modelle für jeden Geschmack

Im Atelier de la Giroutte von Coudray-Macouard . Foto: Hilke Maunmder
Welches Motiv soll es sein? Foto: Hilke Maunder

Vor dem Atelier erhebt sich ein „Baum“, geschmiedet aus mehr als 50 Figuren traditioneller Wetterfahnen. Doch mitunter schmiedet das Paar von den Augen der Zuschauer auch ganz moderne Figuren.

Mit dabei war auch ein Hahn, 1,60 Meter lang, den ein bekannter Künstler, der nicht genannt werden möchte, für sein eigenes Heim entworfen hat.

Ab rund 400 Euro gibt es bei ihnen Wetterfahnen mit beliebten Standardmotiven. Je nach Entwurf können die handgefertigten Unikate mehr als 1000 Euro kosten. Neben neuen Modellen gehört auch die Restaurierung und Reparatur bestehender Wetterfahnen zum Angebot der Werkstatt. Das bislang größte Werk des Atelier de la Girouetterie misst sogar stattliche drei Meter. Als Lamm schmückt es die Spitze der Kirche Saint-Jean-Baptiste de Dreux.

Auch Musterbücher aus England und Amerika liefern die Vorlagen für die Wetterfahnen des Atelier de la Girouetterie. Foto. Hilke Maunder
Auch Musterbücher aus England und Amerika liefern die Vorlagen für die Wetterfahnen des Atelier de la Girouetterie. Foto. Hilke Maunder

Beliebt seit dem Mittelalter

Deo Wetterfahne taucht im 9. Jahrhundert auf den Kirchen des Mittelalters auf. Damals war sie das Emblem der Macht und ein edles Attribut auf Burgen und schmückte sogar die Zugbrücke. Als Panonceau stieg sie zum Schmuckstück der Belfriede ab.

Für gewöhnliche Bürger war die Nutzung von Wetterfahnen damals verboten. Nur mit Genehmigung des Königs durften sie aufs Dach montiert werden.

Die Französische Revolution demokratisierte die Wetterfahne. Erst schmückte sie die reichen Häuser, dann übernahmen sie auch Handwerker, Bauern und das kleine Volk den Brauch. Die Wetterfahne wurde zum Statussymbol.  Jeder wollte nun sein Haus damit schmücken, seinen Beruf, seinen Rang in der Gesellschaft, seine Vorlieben und auch seine Ängste anzeigen.

Die beliebtesten Motive von Wetterfahnen

Die Wetterfahnen, die früher aus Blech oder Weißblech und heute aus Kupfer oder Zink gefertigt werden, sind oft einfach, manchmal sogar naiv. Sie können aber auch viel raffinierter sein und zart ausgeschnittene Umrisse einer Person, die Flügel einer Mühle oder die akribischen Details einer Lebensszene darstellen.

In Frankreich zeigen die Wetterfahnen auch den Stolz auf die Heimat. Im Anjou zieren der Pflüger und sein Gespann, der Jäger und sein Hund, der Weinleser und sein Korb die girouette. Sehr beliebt als Motiv sind auch Gabare des Schiffers, das eigene Pferd, die Kutsche und die schönen Autos.

Im Atelier de la Giroutte von Coudray-Macouard . Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom Wertkstatt-Tisch hinaus ins Grüne. Foto: Hilke Maunder

Gasthäuser ließen sich einst fröhliche Trinkgelage ins Blech schneiden. Schon von weitem verrieten solche Aushängeschilder, welchen Beruf ein Hausbewohner ausübte. Viehzüchter stellte eine Ochsen-Wetterfahne aufs Dach, der Müller eine Mühle.

Wetterfahnen wurden aber auch zum Schutz des eigenen Heimes aufgestellt. Auch Hexen und Teufel sollte sie vertreiben. Dabei wird mitunter ihre ganz praktische Rolle vergessen: Sie diente früher als Blitzschutz und zeigt und bis heute die Veränderung des Windes an.

Schon gewusst?

Girouettes: So nennen Franzosen nicht nur ihre Wetterfahnen, sondern auch (politische) Wendehälse. 1815 ist dazu sogar ein Dictionnaire des girouettes erschienen!

Der "Wetterbaum" des Atelier de la Girouetterie, 24 von Coudray-Macouard. Foto: Hilke Maunder
Der „Wetterbaum“ des Atelier de la Girouetterie von Coudray-Macouard. Foto: Hilke Maunder

Info: Die schönsten Wetterfahnen-Manufakturen in Frankreich

Atelier de la Girouetterie

Von Montag bis Freitag könnt ihr bei Charlotte und Philippe kostenlos zuschauen bei der Fertigung ihrer Wetterfahnen.

• 24, Rue du Puits Venier, Coudray-Macouard, www.girouette.com

Auf der Webseite der Radfernroute 43 La Vélo Francette gibt es einen hörenswerten Podcast zum Atelier de la Girouetterie.

Der Podcast zum Atelier de la Girouetterie. Copyright: La Vélo Francette

Mes Girouettes

• 15, route des Anglais, 27260 Épaignes, Tel. 02 32 56 85 01, www.mesgirouettes.com

Atelier Millan

• 7 bis, rue du Capitaine Jean-Pierre, 64400 Oloron-Sainte-Marie, Tel. 09 61 30 90 09, www.millan-decor-girouette.com

Atelier Jouvenaud

• 26, rue Saint-Vincent, 56200 La Gacilly, Tel. 02 99 08 55 13, www.jouvenaud.com

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Maine-et-Loire vereint diese Kategorie.

Im Buch

Roadtrips FrankreichRoadtrips Frankreich*

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes. 

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

4 Kommentare

  1. In Montanet, Département Pyrenés-Atlantique haben wir uns letztes Jahr eine Wetterfahne mit Schwalben für unser Haus in der Ardeche gekauft, das wir „Nid d‘hirondelles“ genannt haben. Freuen uns sehr daran,
    Viele Grüße
    Leonore

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert