Blick über die Dächer der Altstadt von Poitiers auf die Église Sainte-Radegonde. Foto: Hilke Maunder
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Poitiers: Das dürft ihr nicht verpassen!

Hoch oben auf einem Felsvorsprung thront Poitiers auf einem Felsvorsprung. Zwei Flüsse – der Clain und die Boivre – umgeben das Herz der einstigen Festungsstadt. Die Einheimischen nennen es Le Plateau – und freuen sich, dass es im Zentrum komplett verkehrsberuhigt ist.

Stadt der hundert Kirchtürme

Fast 80 Bauwerke stehen in dieser Ville d’Art de d’Histoire unter Denkmalschutz, allen voran die Kirche Notre-Dame- la-Grande als hervorragendes Beispiel der poitevinischen Romanik sowie der Palast der Grafen von Poitou als Meisterwerk mittelalterlicher Zivilarchitektur.

Poitiers gehört zu den ältesten christlichen Zentren Frankreichs. Potiers erster Bischof, der hl. Hilarius († 368), war der Lehrer des hl. Martin von Tours. Während seiner Amtszeit erhielt Poitiers das Baptisterium Saint-­Jean, Frankreichs ältesten christlicher Sakralbau.

In den engen Gassen mischen sich Herrenhäuser aus der Renaissance mit Fachwerkhäusern aus dem Mittelalter. Bei der Präfektur und dem Rathaus zitiert Poitiers den Hausmannschen Stil von Paris.

Das Rathaus von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Das Rathaus von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Drei große Schlachten

Gleich drei große Schlachten der französischen Geschichte wurden bei Poitiers entschieden. Die berühmteste geschah im Jahr 732. Damals stoppte Karl Martell bei Poitiers den Vormarsch der Araber.

Die Schlacht von Vouillé bei Poitiers fand im Spätsommer 507 zwischen den Franken unter Chlodwig I. und den Westgoten unter Alarich II. statt und endete mit dem Sieg der Franken. Nach der Heirat Eleonores von Aquitanien 1152 mit Heinrich Plantagenêt, dem späteren englischen König, war Poitiers ihre wichtigste Residenz. Und wurde Poitiers das erste Mal englisch.

1356  kam es zu Auseinandersetzung zwischen der anglo-gascognischen Armee des Schwarzen Prinzen, Erbe der englischen Krone, und der französischen Armee von König Johann II. dem Guten. Der Sieg des Prince Noir brachte Frankreich südlich der Loire unter englische Herrschaft. 1369 wurde die Stadt von Frankreich zurückerobert. Unter dem kunstsinnigen Jean de Berry (1369 – 1416) erlebte sie ihre Blütezeit.

Königsstadt mit Uni

1432 besetzten die Engländer Paris. Karl VII. verlegte daher seine Residenz von 1423 bis 1436 nach Poitiers. Auf Verfügung des Papstes gründete der Monarch 1431 die Universität Poitiers. Zu ihren berühmten Studenten gehören Rabelais und Descartes.

Die Religionskriege stürzten Poitiers in ein Chaos, von dem sich die Stadt erst im 19. Jahrhundert erholte. Am 17. September 1577 beendete das Edikt von Poitiers den sechsten Hugenottenkrieg. Vermehrt zogen nun Protestanten nach Poitiers. Doch die Einwohnerzahl zuckte kaum. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die Stadt rund 15.000 Einwohner. Im 19. Jahrhundert waren es gerade mal knapp 16.000.

Alte Steine, junges Blut

Die Industrialisierung ging an Poitiers nahezu spurlos vorbei. Wirtschaftliche Impulse sollten daher die Ernennung von Poitiers zum Hauptort des Départements Vienne und der Errichtung einer Garnison unter Napoléon Bonaparte geben. Für Dynamik und junges Flair in der Stadt der Staatsdiener sorgt die Universität mit Studenten aus aller Welt. Sie macht Poitiers zu einer sehr jungen, quicklebendigen Stadt. Oder, wie die Finanzzeitung Les Echos es einmal formulierte: alte Steine, junges Blut. Denn jeder zweite Einwohner ist unter 30 Jahre alt.

Poitiers erleben: Das sind die Hightlights!

Das Panorama des Dunes

Zu Füßen der golden leuchtenden Madonna hoch über dem Clain befindet sich der schönste Aussichtspunkt auf Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Zu Füßen der golden leuchtenden Madonna hoch über dem Clain befindet sich der schönste Aussichtspunkt auf Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Für den ersten Überblick heißt es: Treppensteigen! In der Nähe des Pont Joubert beginnt die Escalier des Dunes, die den Prallhang des Clain erklimmt und euch mit 217 Stufen hinaufbringt zum schönsten Aussichtspunkt auf Poitiers: dem Panorama des Dunes. Bequemer kommt ihr mit dem Stadtbus dorthin.

Zu Füßen der riesigen Statue der Jungfrau Maria, in den Jahren 1875-1876 auf Initiative von Kardinal Pie errichtet, liegt euch Poitiers zu Füßen. Der Blick über die verschiedenen Kirchen und die Dächer aus Schiefer und rostroten Ziegeln ist wunderschön!

❤ Parc Mozart

Herrlichge Ausblicke auf Poitiers eröffnen sich auch vom Parc Mozart. Kiefer und Judasbaum  verleihen dem vier Hektar großen Park ein mediterranes Flair.

Die Église Notre-Dame-la-Grande

Die Fassade der <em>Église Notre-Dame-la-Grande</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Fassade der Église Notre-Dame-la-Grande. Foto: Hilke Maunder

Die berühmte romanische Pilgerkirche ist die Königin der Kirchen von Poitiers. Doch ihr Zusatz la grande täuscht: Die Kirche ist eher klein und gedrungen. Ihr schönster Schmuck ist ihre farbige Fassade mit Dreiecksgiebel, zwei seitlichen, kegelförmigen Turmspitzen und drei Portalen aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Ihr ornamentales und figuratives Vokabular ist schier überbordend. Auf Höhe des Eingangsportals erzählt ein Fries Episoden des Alten Testaments –  von Adam und Eva bis zur Geburt Jesu.

Die Portale der <em>Église Notre-Dame-la-Grande</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Portale der Église Notre-Dame-la-Grande. Foto: Hilke Maunder

Darüber zeigt der Blendgiebel die Zwölf Apostel, Bischöfe und den Papst. Sie sind auf beiden Seiten des einzigen Fensters verteilt. Darüber dominiert Christus die gesamte Komposition in der Mitte eines Giebels, den rauten- oder kegelförmige Steinmetzarbeiten schmücken.

Bei den umfangreichen Renovierungen von 1992 und 2004 wurde die Fassade gereinigt und restauriert. Dabei wurde auch der ursprünglich farbige Anstrich stellenweise wieder sichtbar. Auch das Innere zeigt sich farbig. Größtenteils stammt die Wanddekoration jedoch aus den 1850er-Jahren. Aus jener Zeit sind auch das Chorgestühl und die kleine Chororgel. Einzig das Fresko im Chor ist authentisch romanisch. Es zeigt Jesus und die heilige Jungfrau Maria. Die Hauptorgel ist ein Werk von Yves Sévère (1996).

Das Geheimnis der Schlüssel

Wie viele Geheimnisse ranken sich um Notre-Dame-la-Grande, der sogar übernatürliche Kräfte nachgesagt werden. Im Jahr 1202 erlebte sie das Miracle des Clés. Damals wurde Poitiers von den Engländern belagert. Ein von den Feinden bestochener Mitarbeiter des Rathauses versprach zu jener Zeit, die Schlüssel der Stadt gegen ein nettes Sümmchen Geld den Engländern zu übergeben. Doch als er in der Osternacht in das Zimmer des Bürgermeisters eindringt, sind die Schlüssel verschwunden.

Am Morgen werden sie in der Hand der Statue der Heiligen Jungfrau aufgefunden. Noch in derselben Nacht erschienen die Jungfrau Maria, der heilige Hilarius und die heilige Radegunde den englischen Soldaten und forderten sie zur Flucht auf. Heute erinnert das Glasfenster im nördlichen Seitenschiff der Kirche an diese wundersame Episode und das göttliche Eingreifen, das die Stadt befreite.

Die Cathédrale Saint-Pierre

Die Portale der Kathedrale von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Die Portale der Kathedrale von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Die Kathedrale Saint-Pierre wurde um 1160 zur Zeit von Eleonore von Aquitanien und Heinrich II. Plantagenêt begonnen und am Ende des folgenden Jahrhunderts fertiggestellt. 100 Meter lang und 27 Meter hoch: ein mächtiger Bau! Unterhalb des großen Fensters mit einer Kreuzigungsszene sind die beiden Stifter der Kirche zu sehen.

Die heutige Kathedrale ist Nummer drei am Standort. Sie ist im Stil der angevinischen Gotik gehalten. Nur bei der Fassade war die Gotik der Île-de-France Vorbild: Mit ihrer Rosette und drei skulptierten Portalen zitiert sie Notre-Dame de Paris.

Das älteste Chorgestühl Europas stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Foto: Hilke Maunder
Das älteste Chorgestühl Europas stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Foto: Hilke Maunder

Im Innern birgt die Hallenkirche zahlreiche Werke, die (ursprünglich) zu verschiedenen Kirchen der Stadt Poitiers gehörten, aber unter der Revolution gelitten hatten.

Hingucker sind die drei romanischen Kirchenfenster, das ältestes gotische Chorgestühl Europas aus der Mitte 13. Jahrhundert und die große Clicquot-Orgel.  François-Henri Cliquot  erbaute sie in den Jahren 1787 – 1791. Sie gehört zu den schönsten Europas und erklingt heute bei Konzerten.

Die Hauptorgel der Kathedrale. Foto: Hilke Maunder
Die Hauptorgel der Kathedrale. Foto: Hilke Maunder

Erst kürzlich wurden die ursprünglichen Wandmalereien der Kathedrale Saint-Pierre im südlichen Querschiff entdeckt. Die gotischen Fresken sind in ihrer Qualität und Fläche in Frankreich einzigartig. Sie zeigen Szenen aus der Bibel, Heilige, Engel, die Krönung der Jungfrau Maria, aber auch Blumendekor und Tiere. Die Farben sind erstaunlich lebhaft. Möglich machten es oft kostbare Pigmente von Rot, Blau und Grün.

Das Baptistère Saint-Jean

Das St.-Johannes-Baptisterium von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Das St.-Johannes-Baptisterium von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Die frühchristliche Taufkapelle stammt aus dem 4. Jahrhundert und gehört damit zu den ältesten christlichen Bauten in Frankreich.  Im Inneren ist noch das achteckige Taufbecken erhalten, das bis zum 8. Jahrhundert für die Taufe durch Untertauchen (Immersionstaufe) verwendet wurde.

Über und über ist die Taufkapelle von Poitiers farbig ausgeschmückt. Foto: Hilke Maunder
Über und über ist die Taufkapelle von Poitiers farbig ausgeschmückt. Foto: Hilke Maunder
Die Christus-Freske der Taufkapelle von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Die Christus-Freske der Taufkapelle von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Auch hier sind wieder wunderschöne romanische und gotische Wandmalereien aus dem 11. bis 12. Jahrhundert erhalten. Sie zeigen u. a. Christus und den römischen Kaiser Konstantin. Das Baptisterium ist heute ein Museum (Eintritt). Zu seinen Schätzen gehören die Sarkophage aus der Merowingerzeit.

Die Église Sainte Radegonde

Der Vierecksturm der Radegunde-Kirche von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Der Vierecksturm der Radegunde-Kirche von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Schutzpatronin der Église Sainte-Radegonde ist Radegunde von Thüringen (um 525-587), Tochter des Königs von Thüringen und fünfte Ehefrau des Frankenkönigs Clotaire I.

Radegunde war 13 Jahre alt gewesen, als die Franken das  Reich ihres Vaters eroberten. Ihre Familie wurde dabei getötet, sie selbst nach Frankreich verschleppt und zwangsverheiratet. Doch statt sich als Königin zu kleiden und standesgemäß zu leben, entsagte sie dem Luxus, wählte die Askese und stellte ihr Leben in den Dienst der Nächstenliebe.

Das Kirchenschiff der <em>Église Sainte-Radegunde</em>. Foto: Hilke Maunder
Das Kirchenschiff der Église Sainte-Radegunde. Foto: Hilke Maunder

Nachdem ihr Gemahl aus dem Schädel des ermordeten Bruders ihr zugetrunken hatte, floh Radegunde und versteckte sich vor den Häschern des Königs. In Poitiers fand sie Schutz. Zwischen 552 und 557 gründete sie Frankreichs erstes Frauenkloster.

Der Weg zur Krypta. Foto: Hilke Maunder
Der Weg zur Krypta mit einer Statue der Heiligen. Foto: Hilke Maunder
Das Grab der Heiligen Radegunde. Foto: Hilke Maunder
Das Grab der Heiligen Radegunde. Foto: Hilke Maunder

Am 13. August 587 verstarb Radegunde. Die Krypta birgt ihre sterblichen Überreste. 3000 Ex-Voto-Tafeln zeugen in der Kirche von der Liebe und Dankbarkeit der Einheimischen zu Radegunde. Mit seiner Heiligenvita machte sie der Dichter Venantius Fortunatus unsterblich.

Der einstige Grafenpalast / Palais de Justice

Die Schmuckseite des großen Saals im einstigen Grafenpalast von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Die Schmuckseite des großen Saals im einstigen Grafenpalast von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Hinter seiner Renaissancefassade, zu der eine breite Treppe hinauf ührt, verbirgt sich der einstige Palast der Könige von Anjou, Henri II Plantagenêt und Richard Löwenherz. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Palast immer weniger zu Wohnzwecken genutzt.

Um 1380 ließ ihn Jean de Berry neu gestalten. Der Maubergeon-Turm wurde wieder aufgebaut. Im Osten wurden (heute nicht mehr vorhandene) Privatwohnungen errichtet, und eine neue Giebelmauer schloss den großen Saal mit großen Fensteröffnungen über monumentalen, geschnitzten Kaminen ab.  2019 wurde der einstige Grafenpalast zum Justizpalast umgebaut.

Das Gewölbe des Maubergeon-Turmes. Foto: Hilke Maunder
Das Gewölbe des Maubergeon-Turmes. Foto: Hilke Maunder

Sein großer Saal und sein  Maubergeon-Turm gehören zu den schönsten Zeugnissen mittelalterlicher Architektur in Poitiers. Der Name Maubergeon leitet sich vom „mall-berg“, dem alten merowingischen Gericht, ab. Er ist nur auf Anfrage zu besichtigen.

Der große Prunksaal wurde kurz vor 1200 von der Familie Plantagenêt neu errichtet. Aufgrund seiner großen Ausmaße heißt er auch Salle des Pas Perdus (Saal der verlorenen Schritte). Blendbögen und Kapitelle schmücken ihn. Und genau vor diesem Rahmen soll Jeanne d’Arc 1429 von einem geistlichen Gericht verhört worden sein.

Eine Bodenplatte erinnert im einstigen Grafenpalast von Poitiers an Jeanne d'Arc. Foto: Hilke Maunder
Eine Bodenplatte erinnert im einstigen Grafenpalast von Poitiers an Jeanne d’Arc. Foto: Hilke Maunder

Die Grand’Rue

Die „Große Straße“ ist eine der ältesten Straßen von Poitiers. Sie folgt bis heute der gallorömischen Ost-West-Achse, dem Decumanus. Mit ihren Fachwerkbauten und Herrenhäusern ist die Grand’Rue ein Sinnbild für den Reichtum der bürgerlichen Architektur des Mittelalters und der Renaissance in Poitiers. Zu den schönsten Bauten der Straße gehört das Hôtel du Grand Prioré d’Aquitaine des Malteserordens bei der Hausnummer 159.

Ein imposantes Portal aus dem 17. Jahrhundert schmückt das Anwesen der Hospitaliter. In Frankreich zählte dieser militärische Orden sechs Großpriorate. Dem  Großpriorat von Poitiers unterstanden 228 Komtureien und Hospitäler.

"Zum Geschwätz" nennt sich das Buch-Café der <em>Grand'Rue</em>. Foto: Hilke Maunder
„Zum Geschwätz“ nennt sich das Buch-Café der Grand’Rue. Foto: Hilke Maunder

Etwas weiter unten befinden sich die Herrenhäuser Briey und Rochefort. Letzteres beherbergt seit 1974 die Direction Régionale des Affaires Culturelles. Das heutige Gebäude wurde Anfang des 17. Jahrhunderts für Isaïe Brochard, damals Bürgermeister von Poitiers, errichtet.

Wie die meisten Bürger- und Adelshäuser, die zu dieser Zeit gebaut wurden, orientierte sich auch dieses am Vorbild der hôtels particuliers von Paris. Der Eingangspavillon öffnet sich durch eine Kutschentür zur Straße hin. Das Haupthaus befindet sich in der Mitte des Grundstücks zwischen Hof und Garten.

In der Grand’Rue gibt es bis heute neben Geschäften noch einige Handwerksbetriebe. Lasst euch vom Duft des gerösteten Kaffees leiten beim Bummeln! Unterwegs kommt ihr auch an einer Regenschirmfabrik vorbei, die seit mehr als 140 Jahren besteht.

Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

❤ Nicht verpassen!

Die Rue de la Chaîne erhielt ihren Namen von den Ketten, die einst bei Unruhen den Zugang zum Markt versperrten. Sie ist recht steil und verbreitet mit ihren schmalen Fassaden, Fachwerkhäusern und Innenhöfen und -gärten einen idyllischen Charme. Zu den schönsten Bauten gehört das spätgotische Hôtel Fumé mit Fachwerk­arkaden im Hof.

Auf der Place de la Liberté wurden früher Verbrecher an den Pranger gestellt oder auf die Guillotine gelegt Am 5. Oktober starb unter ihr auch Jean-Baptiste Breton (1769 – 1822). Der General war ein Anhänger des Kaiserreiches von Napoléon gewesen und hatte ein Komplott gegen Ludwig XVIII. geschmiedet.

General Berton starb mit dem Ruf Vive la Liberté (Es lebe die Freiheit). Im Gedenken an seine letzten Worte heißt die einstige Place du Pilori seit dem Jahr 1900 Place de la Liberté. Drei Jahre später ließ die Freimaurerloge eine Mini-Kopie von Bartholdis Miss Liberty-Statue von  New York aufstellen.

Die Freiheitsstatue der <em>Place de la Liberté</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Freiheitsstatue der Place de la Liberté. Foto: Hilke Maunder

Das Musée Sainte-Croix

Auf dem ehemaligen Gelände der Abtei Sainte-Croix entwarf der französische Architekt Jean Monge das größte Museum der Stadt. Als Centre culturel Sainte-Croix wurde es am 21. Dezember 1974 eröffnet. In Anlehnung an Le Corbusier entwarf er es als einen geradezu brutal kantigen Bau aus rohem Beton und gefärbtem Glas, der halb in der Erde steckt. Einzig zur Seite des Baptisteriums wurde die alte Fassade der Abtei bewahrt. 1976 erhielt Monge für das Museum  den europäischen Kulturpreis.

Drinnen birgt der Bau gallo-römisches Erbe, Artefakte aus dem Mittelalter und zehn Skulpturen von Camille Claudel, darunter auch La Valse. Poitiers besitzt damit die drittgrößte öffentliche Sammlung der Welt und die zweitgrößte Frankreichs mit Werken der berühmten Bildhauerin.

Nur zur Seite des Baptisteriums wurde die historische Bausubstanz der einstigen Abtei beim Museum erhalten. Foto: Hilke Maunder
Nur zur Seite des Baptisteriums wurde die historische Bausubstanz der einstigen Abtei beim Museum erhalten. Foto: Hilke Maunder

Der Espace Mendès France (EMF)

Ganz und gar der Wissenschaft widmet sich die Espace Mendès France (EMF). Das Spektrum seiner Ausstellungen reicht von nachhaltiger Entwicklung bis hin zu wissenschaftlichen Kripo-Techniken beim Aufklären von Straftaten. Auch Themen wie Gesundheit, IT und Astronomie sind sehr beliebt. Das Planetarium lockt mit Abenteuern in fernen Galaxien und Lasershows!

Das Théâtre Auditorium de Poitiers

Am Westhang des Altstadtplateaus leuchten zwei Glasquader in tausend Gelbtönen. Sie gehören zum Théâtre Auditorium de Poitiers (TAP), das der Portugiese João Luís Carrilho da Graça entwarf. 2008 wurde das Stadttheater eröffnet. Sein Programm ist spartenübergreifend. Pro Saison gibt es rund 60 Aufführungen und damit 120 Vorstellungen pro Jahr. Praktisch: Die unteren Stockwerke im Berg bergen eine der größten Tiefgaragen der Innenstadt.

❤ Le Confort Moderne

Auf dem ehemaligen Industriegelände einer Gießerei für landwirtschaftliche Geräte präsentiert seit 1988 Le Confort Moderne Konzerte und Ausstellungen, Festivals und Filmvorführungen, Workshops und Performances. Zum 6.500 Quadratmeter großen Komplex gehören ein Konzertsaal, eine Galerie, ein Siebdrucklabor, fünf Proberäume, ein Plattenladen und Europas größte Fanzinothek mit 50.000 Magazinen von Fans für Fans. Der Name der Kulturfabrik, die auch Unterkünfte und Arbeitsräume für Künstler:innen bietet, leitet sich von seinem Vorgänger ab: Confort 2000, einem Geschäft für Haushaltsgeräte.

Grünes Poitiers

Der große Stadtpark von Poitiers ist der Parc de Blossac. Auf neun Hektar erstreckt er sich über dem Tal des Clain de Poitiers mit mehreren Gärten, die um eine große „französische“ Perspektive herum angelegt sind. Der französische Garten wurde vom Stil der großen Gärten aus der Regierungszeit Ludwigs XIV. beeinflusst. Die strenge geometrische Komposition wurde später mit  Musikpavillon,  Wasserbecken und Skulpturen von Antoine Etex aufgebrochen. Wunderschön: die Aussichtspunkte von seinen Terrassen.

Im englischen Garten sorgt das unterschiedliche Laub für ein faszinierendes Spiel der Farben und Formen. Für viel Flair sorgt auch das Wasser, das Grotten, Springbrunnen und ein künstlicher Fluss inszeniren. In diesem Teil erinnern Statuen an den Grafen von Blossac und den poitevinischen Maler Léon Perrault.

Auf der großen Parkwiese finden im Sommer große Konzerte und das Feuerwerk am 14. Juli statt. Im kleinen Zoo des Parks lassen sich Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen, Wellensittiche und andere Tiere beobachten.

In den 1970er-Jahren waren in Frankreich Blumenparks sehr en vogue. Damals entstand der Parc Floral de la Roseraie. Bei der Modernisierung 2017 erhielt jede Pflanze im Park einen QR-Code. Einmal geflasht, verrät das Profil der Pflanze auch, ob sie auch für den eigenen Garten geeignet wäre.

Blaues Poitiers

30 Jahre lang war das ehemalige Sägewerk auf dem Îlot Thison verwaist, ehe es zum Herzstück eines neuen Inselparks wurde. Zwei Hektar groß erstreckt er sich am Ufer des Clain und lädt zum Picknick oder zum Paddelspaß – denn die Passerelle, die hinüber führt, dient zugleich als Anleger.

Auch Street-Art findet ihr hier und da im Zentrum von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Auch Street-Art findet ihr hier und da im Zentrum von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Poitiers: meine Reisetipps

Hinkommen

Bahn

In Poitiers halten der TGV Atlantique, der LGV sowie zahlreiche TER-Linien. Von Paris sind es rund 75 Minuten nach Poitiers, von Bordeaux 55 Minuten.

Rad

Poitiers ist Etappenort der Scandibérique, der großen Radfernroute von Trondheim (Norwegen) nach Santiago de Compostela.

zu Fuß

Der Jakobsweg Voie du Tours führt mitten durch die Stadt.

Mobil vor Ort

Das gesamte Stadtzentrum ist zwischen der Place Charles-de-Gaulle und der Place Leclerc, von den Einheimischen auch Place d’Armes genannt, vollständig verkehrsberuhigt und eine Fußgängerzone.

Die Busse von Vitalis verkehren nicht nur in Poitiers, sondern bedienen auch Ziele im Umland wie Chauvigny und das Futuroscope.

Stadträder verleiht CAP sur le Vélo. Im Angebot sind Standardfahrräder, Klappräder, Lastenräder und E-Bikes.

Events

Urban Trail

Zehn Kilometer geht es dabei Mitte September laufend oder wandernd auf und ab durch Poitiers.
www.courir-poitiers.fr

Schlemmen und genießen

Aux bavardages

2015 eröffneten Pauline Jallet (28) und Florian Baudouin (31) im Herzen der Altstadt eine gut sortierte Buchhandlung samt Café –  eine wundervolle Oase, um zu stöbern, zu lesen und eine kleine Pause zu genießen!
• 158, Grand’Rue, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 47 56 59, https://librairiecafe-auxbavardages.fr

Les Bons Enfants

Vom Brot bis zum Nachtisch ist die französische Küche 100  Prozent hausgemacht in diesem sympathischen kleinen Restaurant mit eigenem Küchengarten
• 11bis, Rue Cloche Perse, 86000 Poitiers, Tel.  05 49 41 49 82, www.facebook.com

Les Archives

Die ehemalige Jesuitenkapelle, 1852 erbaut und 1870 für den Gottesdienst geschlossen wurde, diente 50 Jahre lang als Stadtarchiv. 2012 wandelte sie sich zum Restaurant. Und begeistert mit einer Küche, die wie die Architektur, Tradition und Moderne miteinander verbindet.
• 4, Rue Édouard-Grimaux, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 30 53 00,  www.lesarchives.fr

L’essentiel selon Pierric Casadebaig

Pierric Casadebaig war 16. Lebensjahr jung, als er seine Ausbildung als Koch in der Spitzengastronomie begann. Er arbeitete an der Seite großer französischer Küchenchefs der Sternerestaurants Troisgros und Lameloise, ging nach New York – und serviert heute in Poitiers eine raffinierte Saisonküche, mit klassischer Strenge und doch voller Inspiration und Innovation.
• 188, Grand’Rue, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 46 79 71, www.lessentiel-poitiers.fr

Le Rooftop

Die Skybar der Stadt nutzt die Dachterrasse des Theaters – und ist der Treffpunkt zum Apéro!
• 6, Rue de la Marne, 86000 Poitiers,  Tel. 05 49 47 99 76, www.rooftop-poitiers.com

Vingélique

Küchenchef Nicolas und seine Frau Camita servieren klassische französische Küche im Rhythmus der Jahreszeiten, ausgefeilt, frisch und sehr schmackhaft. Wunderschön im Sommer: der kleine Innenhof.
• 37, rue Carnot, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 55 07 03, www.facebook.com/vingeliquepoitiers

Schon probiert?

Der Tourteau. Foto: Barbara Le Boutte / CRTNA. Bearbeitung: Hilke Maunder
Der Tourteau. Foto: Barbara Le Boutte / CRTNA. Bearbeitung: Hilke Maunder
  • Le Tourteau: Unter seiner schwarzen Kruste birgt dieser runde Kuchen aus der historischen Provinz Poitou ein köstlich zartes, käsefrisches Innenleben. Das Rezept zum Nachbacken gibt es hier. In Poitiers verkauft ihn u. a. Jérémie Chosson in seiner Fromagerie (5, rue du Marché Notre-Dame, Tel. 05 49 45 12 77, https://fromageriejeremiechosson.fr).
  • Le Farci Poitevin: Das einstige Arme-Leute-Essen wird heute als kalte Vorspeise als auch warm als Hauptgericht gegessen. Hinein kommt Gemüse: Wirsing, Lauch, Spinat oder anderes Grünzeug, das sich mitunter in einem Mantel aus Kohl versteckt.
  • Le Boudin Noir du Poitou: Die Blutwurst aus dem Poitou unterscheidet sich von anderen Blutwurstsorten durch die Verwendung von Grieß und/oder Brotkrumen und gehacktem Spinat. Die Blutwurst aus Poitou hat eine körnige Textur und wird als Hauptgericht gegrillt.
  • Le Broyé du Poitou: Der 23 cm große und 2 cm hohe Kuchen lässt sich leicht an seinem rund gezackten Rand erkennen. Er besteht aus einem buttrigen Mürbeteig, in den ein Gläschen Weinbrand (Cognac) und manchmal einigen Stücken kandierter Engelwurz (L’Angélique) gegeben werden.

Shopping

Halle du Marché Notre-Dame

Morgens um sechs öffnen die rund 30 Händler der Markthalle von Poitiers ihre Stände.
• Place Charles-de-Gaulle, Di. – Sa., 6 – 14 Uhr

Rannou Métivier

Rannou-Métivier ist die älteste Macaronfabrik in Montmorillon – und mit Ladengeschäft in Poitiers vertreten. Seit fünf Generationen bäckt sie die Macarons von Montmorillon nach einem Rezept aus dem Jahr 1811. Ihre Zutaten: Mandeln, Zucker und Eiweiß. Außen knusprig, innen weich… miam !
• 30, Rue des Cordeliers, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 30 30 10, www.rannou-metivier.com

Die macarons von Rannou Métivier werden traditionell in einzelnen Lage auf Backpapier verkauft. Foto: Hilke Maunder

Atelier-Boutique Fanny Laugier

Fanny Laugier ist eine leidenschaftliche Frau. Von Haus aus Biologin, beschloss sie, lieber mit ihren eigenen Händen die Erde zu bearbeiten, als sie zu erforschen. Sie macht eine Ausbildung in handwerklicher Keramik an der École Nationale Supérieure d’Arts Appliqués Duperré und richtete 2008 in Poitiers ihr Atelier ein. Dort stapelt sich Ton in Platten. Die Keramikerin  schneidet, faltet und setzt sie so wieder zusammen, dass die erstaunlichsten Materialeffekte entstehen.

Sie hinterlässt gerne Abdrücke von Wellpappe, Netzen und Textilien, spielt mit dem Trompe-l’œil und sorgt so für eine Diskrepanz zwischen der visuellen Wahrnehmung und der Realität des Objekts. Schließlich wird alles vor Ort im großen Ofen bei hohen Temperaturen gebrannt. Ihre Teller, Vasen und andere Kreationen aus Keramik sind heute Hingucker in Sternerestaurants – und wurden in die Referenzliste des MOMA (Museum of Modern Art in NYC) aufgenommen.
• 151, Grand’Rue, 86000 Poitiers, Tel. mobil 06 24 89 97 57, https://www.facebook.com/fanny.laugier.39

Die Regenschirm-Manufaktur von Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Die Regenschirm-Manufaktur von Poitiers. Foto: Hilke Maunder

Fabrique des Parapluies

Seit 1882 stellt die Firma François Frères Regenschirme her und reparieren sie. Ihr Familienbetrieb gehört heute zum Kreis der Entreprises du Patrimoine Vivant, der Unternehmen des lebendigen Kulturerbes.
• 137, Grand’Rue, 86000 Poitiers, Tel.  05 49 41 18 77, www.parapluie-artisanal.com

Schlafen

Mercure Poitiers-Centre*

In einer Kapelle von 1854 residiert das elegante Stadthotel der Marke Mercure der Accor-Gruppe. Das Restaurant Les Archives läut zum Schlemmermahl in der Gesù-Kapelle.
• 14, Rue Édouard-Grimaux, 86000 Poitiers, Tel. 05 49 50 50 60, https://all.accor.com

Noch mehr Betten*
Booking.com

In der Nähe

Futuroscope

Zehn Kilometer nördlich von Poitiers inszeniert der Themenpark Futuroscope mit 40 Attraktionen, viel Fantasie und modernsten Technologien Nervenkitzel und Spaß für die ganze Familie. Mit jährlich mehr als zwei Millionen Besuchern gehört er zu den meistbesuchten Freizeitattraktionen Frankreichs.
• 86133 Jaunay-Clan, Tel. 05 49 49 11 12, www.futuroscope.com

Abbaye de Ligugé

Kein Geringerer als der Heilige Martin von Tours gründete im Jahr 361 Frankreichs ältestes Kloster. Den Ursprungsbau zerstörten die Mauren. Bei Ausgrabungen wurden jedoch Bauteile aus dem 6. Jahrhundert freigelegt. Das heutige Kloster stammt aus dem 11. Jahrhundert und erlebte im 16. Jahrhundert zahlreiche Umbauten. In ihrer Boutique verkaufen die Benediktinermönche selbst hergestellte Emaille-Kreuze und Rosenkranz-Armbänder.
• 2, Place du Révérend Père Lambert, 86240 Ligugé, Tel. 05 49 55 21 12, www.abbaye-liguge.fr

Der Blick vom obersten Parkdeck der Rathausgarage auf Poitiers. Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom obersten Parkdeck der Rathausgarage auf Poitiers. Foto: Hilke Maunder

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