Abkühlung garantiert: Auch im heißesten Sommer sind die Wasserfälle von Mortain erfrischend kühl – wie hier die grande cascade. Merci an Stefan Gorter für den Genehmigung, seinen Sohn zu fotografieren und veröffentlichen zu dürfen. Foto: Hilke Maunder
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Wandertipp: die Kaskaden von Mortain

Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt zeigt die Normandie ihr bergiges Gesicht. Westlich von Domfront stürzen die höchsten Wasserfälle Westfrankreichs tosend zu Tal. Aus mehr als 20 Metern Höhe rauschen in Mortain die Wassermassen über die Felsen.

Überall gluckert und rauscht, spritzt und plätschert es. Bereits im Ort kann man, wenn man die Ohren spitzt, es tosen hören. Zwei quicklebendige Bäche durchfließen die Montagnes du Mont-Saint-Michel und haben im Laufe der Zeit die Wasserfälle von Cance und Cançon geformt.

Es dampft im Unterholz. Auf glatt polierten Granitfelsen tanzen die Sonnenstrahlen wie Sterne auf dem Wasser. Besonders nach Regenfällen ist das feuchte Schauspiel der Natur ungeheuer eindrucksvoll. Dieses Schauspiel solltet ihr euch nicht entgehen lassen – wandert dorthin!

Westfrankreichs größter Wasserfall

Die grande cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder
Die grande cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder

In Mortain endet die Normannische Schweiz. Ein letztes Mal türmen sich ihre Felsen und Hügel im Armorikanischen Massiv bis zu 400 Meter hoch auf und künden von der nahen Bretagne.

Jenseits der Berge der Suisse Normande erstreckt sich die weite Küstenebene der Baie du Mont-Saint-Michel. Von der Petite Chapelle Saint-Michel, der kleinen Sankt-Michaels-Kapelle von Mortain, ist bei günstiger Witterung der 40 Kilometer entfernte Mont-Saint-Michel zu sehen.

Die Wasserfälle von Mortain schützt der 257 214 Hektar große regionale Naturpark Normandie-Maine. 2018 hat sich das départementsübergreifende Naturschutzgebiet auf 235.000 Hektar zum Geopark erklärt – und hofft auf Anerkennung durch die UNESCO.

Die große Kaskade

Die grande cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder
Die Grande Cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder

Die Wanderung zu den höchsten Wasserfällen Westfrankreichs beginnt in Mortain-Bocage an der Zisterzienserabtei L’Abbaye Blanche. Der heilige Vitalis von Savigny hatte 1115 in Mortain am Ufer der Cance dieses Nonnenkloster gegründet. 1147 übernahmen die Zisterzienserinnen die weiße Abtei. Während der Französischen Revolution wurde das Kloster aufgelöst und der Kreuzgang abgebaut. Heute birgt die Anlage nur noch Reste des Kreuzganges, ferner den einstigen Kapitelsaal des Klosters sowie seine mittelalterliche Kirche mit bedeutendem Chorgestühl.

Vom Kloster, das im 1. Weltkrieg zeitweise als Lazarett diente, leitet ein Treppenweg mit Natursteinstufen rasch zur Grande Cascade. Umstanden von alten Bäumen bannen sich hier die Wassermassen der Cance den Weg über dunkle Felsen und fallen rund 25 Meter krachend in die Tiefe.  Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Cance dort tief in den Armorikanischen Sandstein gegraben. Am Wasserfall entlang könnt ihr einem Weg folgen und ihn dort auf ganzer Länge vom Scheitel bis zum Fuß verfolgen.

Die kleine Kaskade

Die kleinere der beiden Kaskaden von Mortain. Foto: Hilke Maunder
Die kleinere der beiden Kaskaden von Mortain. Foto: Hilke Maunder

Ein schmaler Pfad führt weiter zur Petite Cascade, wo der Cançon, ein Nebenfluss der Cance, eindrucksvolle Felsformationen aus dem Relief gemeißelt hat.

Der Cançon, der den Wasserfall durchfließt, wird auch der goldene Fluss genannt: Bei starken Regenfällen transportiert er tonhaltige Sedimente, die ihm diese besondere Farbe verleihen.

Er besteht aus einer Reihe von kleinen Wasserfällen und schlängelt sich durch einen engen Canyon, bevor er weiter unten den Rocher de l’Aiguille erreicht. In diesem Kletterfels am rechten Ufer soll man das Herz eines unglücklichen jungen Mannes schlagen hören. Ein wahrhaft bukolischer Picknickplatz!

Die petite cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder
Die Petite Cascade von Mortain. Foto: Hilke Maunder

Malerisch!

Die dramatische Landschaft hat auch die Maler begeistert. Mit Akribie bannte Cherubino Pata die Wassermassen im Grün auf die Leinwand. Sein Werk Cascade dite de Mortain bewahrt der Fundus des Musée d’art et d’histoire von Granville. Am schönsten könnt ihr die beiden Wasserfälle früh am Morgen oder spät am Nachmittag genießen. Dann seid ihr ungestört! Oder vielleicht nicht ganz.

Legendäre Goblins

Denn, so erzählt der Volksmund, direkt neben den Wasserfällen leben les goblins. Das sind kleine, oft sehr hässliche Wesen mit großen, spitzen Ohren, die sich vor langer Zeit in der Normandie niedergelassen haben. Sie waren schon immer da und sind oft zusammen mit dem Teufel oder den Feen Teil der Legenden, die das Mortainais beleben.

Der Kletterfels von Mortain: der Rocher de l’Aiguille. Foto: Hilke Maunder

Die Kaskaden von Mortain: meine Infos

Die Wasserfälle

Die Wasserfälle sind ganzjährig kostenlos geöffnet, im Sommer bietet das Office de Tourisme von Mortain geführte Wanderungen an. Da die Fälle nur über Naturtreppen zu erreichen sind, ist die Wanderung für Menschen mit Handicap oder Familien mit Kinderwagen nicht geeignet.

Hinkommen

La Petite Cascade

Vom Parkplatz der Place du Château auf der Rue du Moulin Foulier rund 50 Meter bergab, dann zweigt linkerhand ein markierter Weg zur kleinen Kaskade ab.

La Grande Cascade

im eigenen Fahrzeug auf der D 977 ist zur einstigen Abtei Abbaye Blanche. Alternativ der D 205 zum Ortsausgang folgen; kurz hinter dem Ortsausgang befindet sich in einer Biegung ein kleiner Straßenrand-Parkplatz nahe der großen Kaskade.

Rad

Mortain liegt an der Radwanderstrecke La Vélomaritime (Eurovélo 4), die Bray-Dunes mit Roscoff verbindet (www.lavelomaritime.de).

Bus

Linie 4 Vire – Saint-Hilaire-du-Harcouët. Bahnhof: Vire (21 km).

Schlemmen und genießen

L’Auberge de la Fosse Arthur

Das beliebte Ausflugslokal an der legendären Schlucht überrascht: Es serviert keine Mikrowelle-Touristenmenüs, sondern grundsolide traditionelle französische Küche, frisch zubereitet, saisonal verankert und stets ein Genuss.
• La Fosse Arthour, 50720 Saint-Georges-de-Rouelley, Tel. 09 71 72 26 95, www.aubergedelafossearthour.com

Nicht verpassen!

Die Fosse Arthour

Mit etwas Fantasie lassen sich in den Felsen der Fosse Arthour Gesichter und Gestalten erkennen. Foto: Hilke Maunder
Mit etwas Fantasie lassen sich in den Felsen der Fosse Arthour Gesichter und Gestalten erkennen. Foto: Hilke Maunder

Rund 20 Kilometer östlich hat die Sonce bei Saint-Georges-de-Rouelley auf dem Rücken des Armorikanischen Massivs die Fosse Arthour geformt. Dort sollen König Artus und seine Frau Guenièvre ihre letzte Ruhestätte gefunden haben in Kammern, die der Fluss in den Sandstein gegraben hat – und dabei ebenfalls einen Wasserfall gebildet hat. Zwei Rundwanderwege und die Grande Randonnée von Paris zum Mont-Saint-Michel erschließen die Fosse Arthour.

Im August blüht die Heide in der Fosse Arthour. Foto: Hilke Maunder
Im August blüht die Heide in der Fosse Arthour. Foto: Hilke Maunder

Immer wieder wundern sich Wanderer, warum der Weg durch das Naturwunder so lang ist. Folgt bitte stets der Markierung Rot oder Rot-Gelb dort beim Wandern, nie der Weiterwandermarkierung Rot-Weiß.

Am Fuße des Wasserfalls befindet sich ein natürliches Becken, von dem der Volksmund überzeugt ist, dass es keinen Boden besitzt. Dieser „Schlund“ ist legendär – denn er soll magische Kräfte besitzen, die ihm von Artus verliehen wurden. Das Mortainais – ein wahrhaft magisches Wasserland!

An den Felswänden zu sehen: die Abrutschkanten riesiger Felsbrocken durch die Erosion des Wassers. Foto: Hilke Maunder
An den Felswänden zu sehen: die Kanten, an denen riesige Felsbrocken durch die Erosion des Wassers abgebrochen sind. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Spitzenkunst im Hügelland

Mehr über die Normannische Schweiz, in der ein Welterbe der Kultur daheim ist, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

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Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

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Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen trefft ihr bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.

Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.

Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* könnt ihr den handlichen Führer bestellen.

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