Am frühen Morgen in Apremont am Allier. Foto: Hilke Maunder
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Schönste Dörfer: Apremont-sur-Allier

Dichter Morgendunst umhüllt die alten Steinhäuser am Allier. Fast ein wenig englisch wirken sie. Mit goldgelbem Stein und dunklem Holz, alten Dächern aus Ton und Rosen und Glyzinien in kleinen Gärten folgen sie dem Flusslauf. Apremont-sur-Allier im frühen Herbst: ein Idyll, wie aus der Zeit gefallen.

Am Ufer des Allier in Apremont-sur-Allier. Foto: Hilke Maunder
Am Ufer des Allier in Apremont-sur-Allier. Foto: Hilke Maunder

Mitten im Fluss verläuft die Grenze der Départements Cher und Nièvre. Reiher picken im Wurzelgewirr des Ufers nach Würmern.

Enten schnattern. Dann beginnen sie zu flattern, laufen über die Wasseroberfläche und heben ab. In großem Bogen fliegen sie über den Allier, um genau wieder dort zu landen. Picknicktische und Bänke am Ufer laden ein, dabei zuzuschauen.

Am Allier sind Bänke aufgestellt und laden ein, den Fluss zu betrachten. Foto: Hilke Maunder
Am Allier sind Bänke aufgestellt und laden ein, den Fluss zu betrachten. Foto: Hilke Maunder

Beschaulicher Charme

Dann kommen die ersten Spaziergänger. Andere führen den Hund aus. Katzen räkeln sich auf dem Ufergrün. Obgleich Apremont-sur-Allier zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört, herrscht wenig Trubel.

70 Einwohner zählt Apremont-sur-Allier offiziell. Nicht wenige sind Briten, die im Herzen des Berry eine zweite Heimat gefunden haben.

Nachmittags treffen sie sich in der Brasserie du Lavoir oder dem Café Les Petites Causeries. Hühner gackern dort im Garten.

Mitten durch das Dorf führt die Départementsstraße. Foto: Hilke Maunder
Mitten durch das Dorf führt die Départementsstraße. Foto: Hilke Maunder

Englisch inspirierter Gartentraum

Schnurgerade führt die Départementsstraße D 45 durch das kleine Dorf. In seinem Herzen birgt  es  seit 1977 einen Garten, der als jardin remarquable ausgezeichnet wurde. Auch der Blumenpark von Gilles de Brissac wirkt, als sei er aus der Zeit gefallen.

Doch er ist erst in den 1970er-Jahre entstanden. Damals hatte Gilles de Brissac, der Großonkel der heutigen Schlossherrin, die Lust gepackt, ein unerschlossenes Gelände in der Nähe des Schlosses in einen Blumenpark zu verwandeln. Als er begann, gab es kein Wasser, keine Teiche und kaum Pflanzen – einzig vier Lindenbäume erhoben sich auf dem Gelände.

Buchsbaum wird in Apremont gerne in Form geschnitten. Foto: Hilke Maunder
Buchsbaum wird in Apremont gerne in Form geschnitten. Foto: Hilke Maunder

Mit Sattelschleppern ließ Gilles de Brissac die Bäume anliefern – als ausgewachsene, stattliche Bäume mit riesigem Wurzelsystem. Um den Parc Floral d’Apremont zu bewässern, ließ er an der höchsten Stelle des Geländes einen Teich anlegen – das Gefälle sorgt seitdem für ausreichend Wasserdruck im Verteilsystem.

Heute ist der Park ein Gesamtkunstwerk, das wirkt, als sei er über Generationen hinweg gewachsen. Seine Beete quellen vor Blumen geradezu über. Im Laubengang verströmen Glyzinien in Rosa und Weiß ihren betörenden Duft.

Morgens kommen die Katzen hervor und sonnen sich auf dem Pflaster der Uferstraße. Foto: Hilke Maunder
Morgens kommen die Katzen hervor und sonnen sich auf dem Pflaster der Uferstraße. Foto: Hilke Maunder

Seltene Bäumen erheben sich als eindrucksvolle Solitäre aus dem akkurat gekürzten Rasen. Rot leuchtet eine Brücke wie in Fernost.

Als Vorbild für den außergewöhnlichen Garten diente der englische Landschaftspark Sissinghurst von Vita Sackville-West. Und so gibt es auch in Apremont einen weißen Garten. Und Häuser, die mit architektonischen Zitaten aus vergangenen Zeiten Nostalgie und Ambiente schaffen.

Foto: Hilke Maunder

Mittelalter? Nachgebaut!

Auch im Dorf Apremont ist nicht alles viele Jahrhunderte alt. Im Mittelalter war es ein wichtiger Hafenort gewesen. Einst wurden von dort die Steine für der Kathedrale von Orléans und der Abtei von Saint-Benoît-sur-Loire verschifft.

Doch im Laufe der Jahrhunderte wich die einheitliche Bebauung einem Stilmix. Dieses missfiel jedoch Eugène Schneider, dem damaligen Hüttenmeister von Le Creusot. 1894 heiratete er Antoine de Saint-Sauveur, die Erbin des Schlosses von Apremont.

Das Schloss von Aprement von der Uferstraße aus. Foto: Hilke Maunder
Das Schloss von Aprement von der Uferstraße aus. Foto: Hilke Maunder

Von jenem Jahr an war er bis zu seinem Tod im Jahr 1942 geradezu besessen, Apremont im Glanz von einst wieder auferstehen zu lassen – 48 Jahre lang! Mit Hilfe des Architekten Antoine de Galéa restaurierte er das Schloss sowie fast alle Häuser des Dorfes, die er aufkaufte und restaurieren ließ.

Was nicht mit dem alten Ortsbild harmonisierte, ließ er abreißen. Die Baulücken füllte er mit Häusern im mittelalterlichen Stil des Berry auf. Apremont entstand, wie ihr es heute kennt – ein einzigartiger Komplex mit einem Schloss, einem Dorf und einem Garten, die in einer fast perfekten Einheit aufeinander abgestimmt sind.

Das Schloss von Apremont. Hilke Maunder
Das Schloss von Apremont. Hilke Maunder

Das Schloss ist seit drei Jahrhunderten im Besitz der Familie von Louise Hurstel. Kaum das Abitur in der Tasche, erbte sie das Anwesen von ihrer Großtante Elvire de la Tour de la Vieuville. Seit 2015 managt sie das Schloss, das seit 1722 im Besitz ein und derselben Familie ist, gemeinsam mit ihrem Mann.

Damals lebten sie in Montréal. Für die beiden Pariser, damals beide Mitte dreißig, war es ein enormer Lebenswandel, die kanadische Metropole gegen das beschauliche Dorf am Allier einzutauschen.

Das Schloss von Apremont ist bis heute in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Das Außengelände jedoch dürft ihr betreten. Foto: Hilke Maunder
Das Schloss von Apremont ist bis heute in Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Das Außengelände jedoch dürft ihr betreten. Foto: Hilke Maunder

Charmanter Stilmix

Einst besaß das Schloss von Apremont-sur-Allier 15 Türme. Heute stehen nur noch fünf davon. Einige sind noch im Originalzustand mit kleinen Schießscharten erhalten. In einem Turm ist sogar noch eine Kanonenkugel zu sehen, die in seinem Inneren eingemauert ist.

Im Laufe der Jahrhunderte hat das Schloss viele bauliche Veränderungen erfahren. Flügel und Erweiterungen vergrößerten es ab dem 18. Jahrhundert. Eugène Schneider veränderte komplett die Fassade des Hofes. Gotisch sollte sie sein! Dazu fügte er Wasserspeier und Fensterumrandungen hinzu und holte Steinmetze für die Ausschmückung des Steins.

Apremont am Allier. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Der Pierre d’Apremont

Den Stein holten sie aus den Steinbrüchen von Apremont, die Eugène Schneider dazu extra wieder öffnen ließ. Seit dem Mittelalter wurden in den Steinbrüchen von Apremont der weiße Kalkstein aus dem unteren Jura abgebaut.  Als Pierre d’Apremont war der harte Kalkstein besonders in der Renaissance sehr gefragt für den Bau von Schlössern und Residenzen.

Neben dem  Schloss von Apremont-sur-Allier wurde der noble Stein auch für die Kanalbrücke Guétin, die Kathedrale von Orléans, die Abtei von Saint-Benoit-sur-Loire oder den Adelssitz in Châteauneuf-sur-Loire verwendet.

Der Niedergang der Steinbrüche begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Heute haben die einst noblen Steine nicht mehr die Ausstrahlung, die sie in der Vergangenheit hatten. Sie sind sehr kalkhaltig und zerbröckeln mit der Zeit.

Apremont-sur-Allier. Foto: Hilke Maunder
Apremont-sur-Allier. Foto: Hilke Maunder

Die Legende von Jean de la Balue

Nur noch Fundamente sind von jenem äußerst wehrhaften Turm erhalten, in dem einst ein Adliger namens Jean de la Balue von König Ludwig XI. von Frankreich gefangen gehalten wurde.

Der Legende nach war Jean de la Balue ein gerissener Berater des Königs, der zu mächtig geworden war und ein Komplott gegen ihn schmiedete.  König Ludwig XI. ließ ihn im Turm von Apremont-sur-Allier einkerkern, der als uneinnehmbar galt.

Das Château de la Bussière im Département Loiret. Foto: Hilke Maunder
Zuflucht des Liebenspaars: das Château de la Bussière. Foto: Hilke Maunder

Trotz seines Rufs gelang es einer jungen Frau namens Charlotte de Bouthéon, die in Jean de la Balue verliebt war, sich als Junge verkleidet in den Turm zu schleichen und ihm zur Flucht zu verhelfen. Die beiden Liebenden flohen gemeinsam und ließen sich schließlich im nahe gelegenen Château de la Bussière nieder.

Die Pfarrkirche von Apremont-sur-Allier: Notre-Dame de l'Assomption. Foto: Hilke Maunder
Die Pfarrkirche von Apremont-sur-Allier: Notre-Dame de l’Assomption. Foto: Hilke Maunder

Jeder Stein erzählt Geschichten in Apremont-sur-Allier, in dessen Zentrum sich die Église Notre Dame de l’Assomption erhebt, zentral neben der Einmündung der beiden Départementsstraßen und dem Besucherparkplatz. Sie entstand ab 1850 auf den Fundamenten einer alten romanischen Kirche, die um 1735 zerstört wurde.

Die ungewöhnliche Schleuse

Etwa einen Kilometer außerhalb von Apremont findet ihr eine bauliches Unikum der Schifffahrt. Die écluse ronde des Lorrains ist die letzte Rundschleuse Frankreichs, die im ursprünglichen Zustand erhalten ist.

Ähnliches gab es einst auch in Agde. Die dortige Rundschleuse am Canal du Midi hat jedoch in den 1970er-Jahren durch den Ausbau auf das Freycinet-Maß ihre ursprüngliche Form verloren.

Die 1838 erbaute Rundschleuse von Apremont indes ist noch originalgetreu erhalten. Sie ermöglichte es den Schiffen auf dem Allier, das Kanalnetz in Zentralfrankreich zu erreichen. Heute versorgt sie als Wassereinlass zum Allier den Canal Latéral à la Loire von Guétin bis Briare.

Aussicht mit Gottes Schutz: ein Rastplatz am Allier bei Apremeont. Foto: Hilke Maunder
Aussicht mit Gottes Schutz: ein Rastplatz am Allier bei Apremont. Foto: Hilke Maunder

Apremont-sur-Allier: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

La Carpe Frite – les petites causeries

Kleine Gerichte, Salate, Kuchen, Eis und Bier stehen auf der Karte. 11 bis 21.30 Uhr; 1. April – 2. Oktober, Ruhetag Montag.
• Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier, Tel.  02 48 77 64 72

La Brasserie du Lavoir

Französische Küchenklassiker à la carte oder im Menü, gelegentlich Live-Konzerte.
• Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier, Tel. 02 48 80 25 76, www.facebook.com; 1. April – 2. Oktober, Ruhetag Dienstag

Biomarkt

Am ersten Sonntag im Monat kommen von Juli – September von 9 bis 12 Uhr lokale Erzeuger nach Apremont und verkaufen ihre Produkte.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Aktiv

Canoë en terre d’Allier

Eine gemütliche Familientour für einen Nachmittag ist eine Paddelfahrt von Le Veurdre nach Apremont.
• Rue de la Batellerie, 03320 Le Veurdre, Tel. mobil: 06 86 08 50 04, https://g.co/kgs/QDBjrK

Schlafen
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Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Nicht verpassen

Le musée des calèches

Auf dem Schlossgelände errichte der Marquis de Saint-Sauveur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwölf Ställe, über denen der Name jedes Pferdes steht, und einen großen Schuppen.

Die Ställe bergen heute eine beeindruckende Sammlung von neun Kutschen aus dem 19. Jahrhundert, darunter die große Limousine, die für den Transport der Arbeiter von Le Creusot (Saône-et-Loire) verwendet wurde.
• 13, Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier

In der Nähe

Le pont-canal du Guétin

Vier Kilometer von Apremont-sur-Allier entfernt, leitet die Kanalbrücke von Guétin den Canal Latéral à la Loire über den Allier. Sie wurde von 1830 bis 1838 von dem Ingenieur Jullien erbaut und gehört mit einer Länge von 343 Metern und 16 Bögen zu den größten Wasserbauwerken dieser Art in  Frankreich.

Le Bec d’Allier

Beim „Schnabel“ des Allier vereinen sich die beiden größten Wildwasserflüsse Frankreichs, die Loire und der Allier. Um die einzigartige Flora und Fauna dort zu schützen, ist der Bec d’Allier seit 2004 als Natura 2000-Gebiet geschützt. 2005 folgte die Anerkennung als erster Panda Fluvial-Standort in Frankreichs.
www.burgund-tourismus.com/naturgebiete/le-bec-dallier-site-wwf

Halle de Grossouvre

Die neun Kilometer entfernte Kohlehalle von Grossouvre gehört mit den Arbeiterwohnungen der Galeries zum Industrieerbe des Val d’Aubois, das seine Blütezeit im 19. Jahrhundert erlebte. In der  1844 bis 1847 Halle wurden einst die Kohlesäcke gelagert mit Brennstoff für den Hochofen und die Raffinerie. Seit 2009 lädt der Espace Métal – Halle de Groussouvre zur Zeitreise auf Spuren der Metallurgie.
• 2, Route de Vereaux, 18600 Grossouvre, Tel. 02 48 77 06 38, www.espacemetal.com

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Im Blog

Château de la Bussière: die nachhaltige Rettung

https://meinfrankreich.com/berry/

Im Buch

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

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