
Dichter Morgendunst umhüllt die alten Steinhäuser am Allier. Fast ein wenig englisch wirken sie. Mit goldgelbem Stein und dunklem Holz, alten Dächern aus Ton und Rosen und Glyzinien in kleinen Gärten folgen sie dem Flusslauf. Apremont-sur-Allier im frühen Herbst: ein Idyll, wie aus der Zeit gefallen.

Mitten im Fluss verläuft die Grenze der Départements Cher und Nièvre. Reiher picken im Wurzelgewirr des Ufers nach Würmern.
Enten schnattern. Dann beginnen sie zu flattern, laufen über die Wasseroberfläche und heben ab. In großem Bogen fliegen sie über den Allier, um genau wieder dort zu landen. Picknicktische und Bänke am Ufer laden ein, dabei zuzuschauen.

Beschaulicher Charme
Dann kommen die ersten Spaziergänger. Andere führen den Hund aus. Katzen räkeln sich auf dem Ufergrün. Obgleich Apremont-sur-Allier zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört, herrscht wenig Trubel.
70 Einwohner zählt Apremont-sur-Allier offiziell. Nicht wenige sind Briten, die im Herzen des Berry eine zweite Heimat gefunden haben.
Nachmittags treffen sie sich in der Brasserie du Lavoir oder dem Café Les Petites Causeries. Hühner gackern dort im Garten.

Englisch inspirierter Gartentraum
Schnurgerade führt die Départementsstraße D 45 durch das kleine Dorf. In seinem Herzen birgt seit es 1977 einen Garten, der als jardin remarquable ausgezeichnet wurde. Auch der Blumenpark von Gilles de Brissac wirkt, als sei er aus der Zeit gefallen.

Seine Beete quellen vor Blumen geradezu über. Im Laubengang verströmen Glyzinien in Rosa und Weiß ihren betörenden Duft.

Seltene Bäumen erheben sich als eindrucksvolle Solitäre aus dem akkurat gekürzten Rasen. Rot leuchtet eine Brücke wie in Fernost.

Als Vorbild für den außergewöhnlichen Garten diente der englische Landschaftspark Sissinghurst von Vita Sackville-West. Und so gibt es auch in Apremont einen weißen Garten. Und Häuser, die mit architektonischen Zitaten an vergangene Zeiten Nostalgie und Ambiente schaffen.

Mittelalter – nachgebaut
Auch in Apremont ist nicht alles viele Jahrhunderte alt. Im Mittelalter war es ein wichtiger Hafenort gewesen. Einst wurden von dort die Steine für der Kathedrale von Orléans und der Abtei von Saint-Benoît-sur-Loire verschifft.

Doch im Laufe der Jahrhunderte wich die einheitliche Bebauung einem Stilmix. Dieses missfiel jedoch Eugène Schneider, dem damaligen Hüttenmeister von Le Creusot. 1894 heiratete er Antoine de Saint-Sauveur, die Erbin des Schlosses von Apremont.

Von jenem Jahr an war er bis zu seinem Tod im Jahr 1942 geradezu besessen, Apremont im Glanz von einst wieder auferstehen zu lassen. Dazu ließ er alles abreißen, was nicht mit dem alten Ortsbild harmonisierte. Die Baulücken füllte er mit Häusern im mittelalterlichen Stil des Berry. Apremont entstand, wie ihr es heute kennt.

Die ungewöhnliche Schleuse
Etwa einen Kilometer außerhalb von Apremont findet ihr eine bauliches Unikum der Schifffahrt. Die écluse ronde des Lorrains ist die letzte Rundschleuse Frankreichs, die im ursprünglichen Zustand erhalten ist.

Ähnliches gab es einst auch in Agde. Die dortige Rundschleuse am Canal du Midi hat jedoch in den 1970er-Jahren durch den Ausbau auf das Freycinet-Maß ihre ursprüngliche Form verloren.

Die 1838 erbaute Rundschleuse von Apremont indes ist noch originalgetreu erhalten. Sie ermöglichte es den Schiffen auf dem Allier, das Kanalnetz in Zentralfrankreich zu erreichen. Heute versorgt sie als Wassereinlass zum Allier den Canal Latéral à la Loire von Guétin bis Briare.

Apremont-sur-Allier: meine Reisetipps
Schlemmen und genießen
La Carpe Frite – les petites causeries
Kleine Gerichte, Salate, Kuchen, Eis und Bier stehen auf der Karte. 11 bis 21.30 Uhr; 1. April – 2. Oktober, Ruhetag Montag.
• Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier, Tel. 02 48 77 64 72
La Brasserie du Lavoir
Französische Küchenklassiker à la carte oder im Menü, gelegentlich Live-Konzerte.
• Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier, Tel. 02 48 80 25 76, www.facebook.com; 1. April – 2. Oktober, Ruhetag Dienstag
Biomarkt
Am ersten Sonntag im Monat kommen von Juli – September von 9 bis 12 Uhr lokale Erzeuger nach Apremont und verkaufen ihre Produkte.

Aktiv
Canoë en terre d’Allier
Schlafen
Booking.com

Nicht verpassen
Le musée des calèches
Auf dem Schlossgelände errichte der Marquis de Saint-Sauveur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwölf Ställe, über denen der Name jedes Pferdes steht, und einen großen Schuppen.
Die Ställe bergen heute eine beeindruckende Sammlung von neun Kutschen aus dem 19. Jahrhundert, darunter die große Limousine, die für den Transport der Arbeiter von Le Creusot (Saône-et-Loire) verwendet wurde.
• 13, Le Bourg, 18150 Apremont-sur-Allier
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Im Blog
Im Buch
Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
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