Ein schönes Vergnügen: das Bummeln durch die Gassen von Sommières mit zahlreichen inhabergeführten Boutiquen. Foto: Hilke Maunder
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Sommières: Savoir-vivre voller Charme

Zwischen Camargue und Cévennen schmiegt sich Sommières an die Ufer des Vidourle. Von der Abfahrt der Autobahn A 9 sind es nur zehn Fahrminuten hin zum charmanten Städtchen.

2000-jährige Geschichte

Seine Ursprünge reichen bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. zurück. Als Colonia Julia Augusta war die Stadt in der Römerzeit ein wichtiger Knotenpunkt zwischen Nîmes und Toulouse.

Bereits während der Regierungszeit des römischen Kaisers Tiberius (reg. 14–37 n. Chr.) ließ man dort direkt an der Via Domitia eine rund 200 Meter lange Brücke mit ursprünglich 20 Pfeilern über den Vidourle bauen.

Beliebt bei Anglern: der Vidourle. Foto: Hilke Maunder
Beliebt bei Anglern: der Vidourle. Foto: Hilke Maunder

Immer wieder jedoch schädigten Kriege und Hochwasser den Pont Vieux, der sich heute daher nicht mehr als rein gallorömischer Bau präsentiert – und nur noch sieben Pfeiler besitzt.

Der launische Vidourle

Der Vidourle, im Sommer ein schmales Rinnsal, schwillt nach der winterlichen Schneeschmelze oder den sogenannten épisodes cévenols so stark an, dass er bis heute immer wieder über die Ufer tritt. Am 8. und 9. September 2002 setzte der Vidourle nahezu die gesamte Stadt unter Wasser. In den Gebäuden am Marktplatz reichte das Wasser damals bis zur zweiten Etage.

Solche Hochwassermarker findet ihr an vielen Häusern von Sommières. Foto: Hilke Maunder
Solche Hochwassermarker findet ihr an vielen Häusern von Sommières. Foto: Hilke Maunder

Der 95 Kilometer lange Fluss, der im Gemeindegebiet von Saint-Roman-de-Codières auf einer Höhe von 840 Metern entspringt und bei Le Grau-du-Roi ins Mittelmeer mündet, bildet die Sprachgrenze zwischen dem Provenzalischen im Osten und der Langue d’Oc im Westen.

Der Blick über den Vidourle flussabwärts. Foto: Hilke Maunder
Der Blick über den Vidourle flussabwärts. Foto: Hilke Maunder

Einstige Hugenotten-Hochburg

Im Mittelalter entwickelte sich Sommières zu einem geschäftigen Handelszentrum. Zu dieser Zeit konzentrierte sich die Wirtschaft von Sommmières vor allem auf die Verarbeitung von Häuten und Leder. Im Umland gab es viele Rinderherden. Die heimischen Eichen lieferten das Tannin, der Vidourle das nötige Wasser.

Handel und Wirtschaft sicherte das imposante Château de Sommières, das die Skyline der Stadt dominiert. Von der mittelalterlichen Burg sind noch die 22 Meter hohe Tour Bermonde, der monumentale Innenhof, einige Teilstücke des Mauerrings sowie die Kapelle erhalten.

Im 16. Jahrhundert war die Mehrheit der Bevölkerung in Sommières – wie auch in den anderen Orten des Départements Gard – protestantisch. Zweimal – 1573 und 1575 – wurde Sommières belagert, einmal von den Katholiken und einmal von den Protestanten und dabei nahezu vollständig zerstört. Nur 38 der ärmsten Häuser blieben stehen.

Pastelllfarbene Fensterläden, rote Leuchten: das Flair des Südens. Foto: Hilke Maunder
Pastelllfarbene Fensterläden, rote Leuchten: das Flair des Südens. Foto: Hilke Maunder

1622 marschierte Ludwig XIII. mit seiner Armee in Sommières ein. 1703 klirrten die Waffen erneut in Sommières. Damals drang Jean Cavalier, einer der Kamisardenführer, mit 800 Mann in die Vororte von Sommières, schaffte es aber nicht, die Stadt für die Hugenotten zurückzugewinnen.

Die Burg von Sommières wandelte sich zu einem Gefängnis, in dem nacheinander Protestanten, Kriegsgefangene, englische und niederländische Seeleute, politische Gefangene, Sträflinge und sogar Prostituierte eingesperrt waren. Daran erinnert heute ein Ausstellungsraum mit Touch-Tisch, Filmen und Fotos. Vom Château de Sommières bieten sich herrliche Ausblicke auf die umliegende Landschaft!

Tipp

Bei der Fête Médiévale des Schlosses von Sommières wird jedes Frühjahr das Mittelalter mit Ritterturnieren, Fechtunterricht für Erwachsene und Kinder, Troubadouren und anderen Musikern, Kunsthandwerkern und Straßenkünstlern wieder lebendig.

Das mittelalterliche Stadttor von Sommières. Foto: Hilke Maunder
Das mittelalterliche Stadttor von Sommières. Foto: Hilke Maunder

Im Labyrinth der Gassen

Hinein in die alte Stadt geht es durch ein spätmittelalterliches Stadttor, das im Jahr 1603 einen kleinen Turmaufbau mit einem schmiedeeisernen Glockenkäfig erhielt. Erst viel später folgten beidseitig eine große Uhr sowie ein steinernes Stadtwappen. Zur Linken flankiert es das Rathaus, zur Rechten das Office de Tourisme.

Scharf ragen die Spitzen des Fallgitters aus dem Tor heraus.  Bis heute hallen die Echos des mittelalterlichen Lebens durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen und laden ein, in die vergangene Zeit einzutauchen. Dicht an dicht säumen inhabergeführte Boutiquen die Gassen. Auf der arkadengesäumten Place Jean Jaurès haben Cafés und Bars Tische und Stühle aufs Pflaster gestellt.

Der Markt von Sommières lohnt zu jeder Jahreszeit den Besuch. Foto: Hilke Maunder
Der Markt von Sommières lohnt zu jeder Jahreszeit den Besuch. Foto: Hilke Maunder

Die Märkte von Sommières

Seit 1183 erobert jeden Samstag der lebhafte Marché de Sommières den Platz, die Gassen und die Ufer des Vidourle. Seit dem 14. Jahrhundert ist er ein wahrer Genuss für alle Sinne und bietet farbenfrohe Stände mit frischen Produkten, lokalem Kunsthandwerk und aromatischen Gewürzen. Im Sommer trifft man sich im Juli und August zum marché de nuit, zum Nachtmarkt.

Der Markt von Sommières erobert die Plätze und Gassen der alten Stadt - und mitunter auch die Uferkais. Foto: Hilke Maunder
Der Markt von Sommières erobert die Plätze und Gassen der alten Stadt – und mitunter auch die Uferkais. Foto: Hilke Maunder

Samstags verwandelt sich um sechs Uhr früh die Esplanade von Sommières in einen riesigen Freiluft-Flohmarkt. Im Schatten der Platanen haben Antiquitätenhändler Kommoden und Tische, Stühle und Spiegel aufs Pflaster gestellt. Monsieur zeigt seine Münzen und Medaillen; Madame bietet gebrauchte Kinderkleidung feil.

Playmobil und Platten, Kinderbücher und Gazetten, Vintage von einst und Mode von heute, echte Schnäppchen und teurer Trödel: Die Grande Brocante von Sommières ist Kult. Zu ihm gesellen sich mehrmals im Jahr ein riesiger Sonntagsflohmarkt, den ebenfalls E.G.O organisiert, sowie ein Büchermarkt am Feiertag 15. August.

Auch der gallische Hahn gehört immer wieder mal zum Angebot der Trödler. Foto: Hilke Maunder
Auch der gallische Hahn gehört immer wieder mal zum Angebot der Trödler. Foto: Hilke Maunder

Lawrence Durrells zweite Heimat

Sommières hat Dichter, Schriftsteller und Künstler im Laufe der Jahrhunderte inspiriert. 1961 besuchte der  niederländische Fotograf und Filmemacher Johan van der Keuken mit seiner jungen Frau Yvonne, die Malerin war, Sommières und verewigte die Stadt in Schwarzweißfotos, die 2023 in der Sommerausstellung des dortigen Musée du Jeu de Paume zu sehen waren.

1966 kam Lawrence Durrell nach Sommières. Der Brite, im indischen Jalandhar 1912 geboren, war für die britische Regierung in diversen Positionen zum Weltbummler zwischen Korfu und Kairo, Argentinien und Zypern geworden.

Noch während der Zeit auf Zypern begann Durrell mit der Arbeit am Alexandria-Quartett. Dessen vier Romane  – „Justine“ (1957), „Balthazar“ (1958), „Mountolive“ (1958) und „Clea“ (1960) – machten ihn zu einem weltbekannten Literaten.

An den Uferkais des Vidourle von Sommières.
An den Uferkais des Vidourle von Sommières zur Flohmarktzeit. Foto: Hilke Maunder

Als er 1956 wegen des gewalttätigen Aufstandes der Zyprioten gegen die englische Besatzungsmacht Zypern verlassen musste, siedelte er sich in Südfrankreich an. Zunächst reiste Durrell nach Nizza und Cannes. Doch diese „kleinen englischen Dörfer“ waren nicht nach seinem Geschmack. Erst 1966 fand er in Sommières die von ihm gesuchte „südfranzösische Authentizität“.

Sommières! Magisches Wort! Ich habe die glücklichsten Tage meines Lebens in dieser geheiligten Stadt verbracht.

Lawrence Durrell, 1977

Sein erstes Quartier wurde die Villa Loubies am Stadtrand, ehe er die hochherrschaftliche Villa Tartès an der Route de Saussines erwarb, die ein großer Park umgab. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 7. November 1990, trank Unmengen billigsten Rotweins, diskutierte, philosophierte – und verfasste Werke, die allesamt Weltbestseller wurden: Gedichte, Theaterstücke, Reiseberichte und Romane wie das Avignon-Quintett.

Zu seinen Freunden gehörten Marcel Monteil und Ludo Chardenon, Wildpflanzensammler und Kräuterkenner. Wer Durrell mit seiner gewebten Einkaufstausche auf alten Schwarzweißfotos sieht, erkennt, wie der der Breite sich in Sommières zuhause fühlte. Nichts verrät auf dem ersten Blick seine andere Herkunft.

In den Gassen von Sommières. Foto: Hilke Maunder
In den Gassen von Sommières. Foto: Hilke Maunder

Das junge Radio

Wie jung die alte Stadt ist, zeigt ein einzigartiges Jugendprojekt: Sommières 102.9 FM ist eines der größten Jugendradios des Landes.

Jede Woche produzieren mehr als 70 Jugendliche, zwischen 7 und 18 Jahren alt, mehr als 40 Livesendungen – und das seit 2001!  Unterstützung finden die jungen Programmmacher bei der Stadtverwaltung, vielen Geschäften und Privatleuten.

Das freie und nicht-kommerzielle Radio findet im Rahmen außerschulischer Aktivitäten in Schulen statt. Das nötige Know-how lernen sie bei den Radiokursen der Francas, einer populären Bildungsbewegung , die 1944 die Pfadfinderinnen Frankreichs gemeinsam mit Vertretern der Ceméas Centres d’Entraînement aux Méthodes d’Éducation Active und des französischen Jugendherbergsverbandes gegründet hatten.

Sommières: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Brasserie des Garrigues

Nicht nur Wein, sondern auch Bier wurde in Sommières von Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er-Jahre hergestellt. Zu den größten Brasserien gehörten Galibert an der Route de Montpellier, Darie an der Route d’Aubais und Lambert an der Route d’Alès. Diese Tradition haben in den letzten Jahren mehrere Craft-Bier-Brauereien neu belebt.

Zu den bekanntesten brasseries artisanales gehört eine Mikrobrasserie, die die Bierliebhaber Emmanuel und Gwenael 1997 gründeten. Anfangs experimentierten sie nur und kreierten ihre Biere nur für sich und ihre Familien. Erst zehn Jahre später, 2007, wagten sie die Gründung einer richtigen Brauerei. Seitdem gehört ihr Gerstensaft fest zum Angebot der Bars vor Ort. Bière Blonde, Ambré, Brune oder eine Stout Cola: Was soll es sein?
​• 40, rue des Cardes, 30250 Sommières, https://brasseriedesgarrigues.fr/bieres-artisanales-de-la-brasserie-des-garrigues

Eine Schutzheilige wacht vom Erker über eine Straßenecke in Sommières. Foto: Hilke Maunder
Eine Schutzheilige wacht vom Erker über eine Straßenecke in Sommières. Foto: Hilke Maunder

Le Patio by Lou Caléou

Mit dem Bib Gourmand und damit für ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis ausgezeichnet ist das Restaurant von Küchenchef Guillaume Dercourt und Konditorin Amandine Sabot mit einer bezaubernden Sommerterrasse. Aus der Küche kommen, modern verjüngt, traditionelle französische Klassiker: konfitierte Kalbsschulter, blanquette vom Kalb – und ein köstlicher Paris-Brest-Kuchen zum Dessert.
• 23, place de la Libération, 30250 Sommières, Tel.  04 66 77 50 98, www.le-patio-by-lou-caleou.com

Hier könnt ihr schlafen*

 

Auch in der kalten Jahreszeit sind die Balkone geschmückt. Foto: Hilke Maunder
Auch in der kalten Jahreszeit sind die Balkone geschmückt. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Gard vereint diese Kategorie.

Im Buch

Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*

Cover Secret Citys Frankreich

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Auch Nantes habe ich darin vorgestellt. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!


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2 Kommentare

  1. Vor vielen, vielen Jahren wollten wir – inspieriert durch den Film „Stille Tage in Sommières“ über den Dichter Lawrence Durrell – uns eine residence secondaire in diesem Städtchen suchen. Ich erinnere mich, dass wir ein Haus nur deshalb nicht kauften, weil es sich direkt gegenüber der Kirche mit einem unfassbar lauten Geläut befand. Nun, gelandet sind wir schließlich viel weiter westlich in Haute-Garonne und blicken bereits auf 30 Jahre in und mit unserem Haus zurück.

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