Eine Reise in die Unterwelt der Boves
„Wie so viele nordfranzösische Städte ist Arras bei deutschen Reisenden praktisch unbekannt“, hat mir Barbara Kettl-Römer geschrieben, und flugs diesen Gastbeitrag verfasst. Merci, Barbara!
Arras ist eine außergewöhnliche schöne Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und einer reichen Geschichte.
„Reich“ ist wörtlich zu verstehen, denn Arras lag zum einen an der Handelsstraße zwischen Calais und Paris, verfügte zum anderen über landesweit bekannte Kalksteinbrüche und beherbergte zudem lange einen der größten Getreidemärkte Frankreichs.
Sichtbares Zeichen des früheren Reichtums sind das üppige Rathaus, der hohe Uhrenturm (Le Beffroi) und die beiden großen, barocken Plätze, auf denen die Märkte stattfanden. Und damit sind wir schon bei den Boves. Genauer gesagt: Über den Boves.
Les Boves: die Kalksteinbrüche im Herzen der Stadt
Unter der Place des Héros mit ihren Barockfassaden und Restaurants, an deren Westseite sich das Rathaus und der Beffroi befinden, liegt nämlich der älteste Steinbruch der Stadt.
Bereits im 10. Jahrhundert baute man hier den wertvollen Kalkstein ab. Zunächst in Gruben von der Oberfläche aus, dann mit Querverbindungen und weiteren Schächten nach unten.
Als der Steinbruch im 15. Jahrhundert geschlossen wurde, reichte er über drei Etagen zwölf Meter in die Tiefe, und zwar über die Fläche des großen Platzes hinaus. Die Gänge sind insgesamt 19 Kilometer lang!
In späteren Jahrhunderten wurden die Gänge und Gewölbe als Keller genutzt, im Ersten Weltkrieg als Versteck für Soldaten und im Zweiten Weltkrieg als Schutzbunker für die Bevölkerung.
Heute kann man die unterste Etage der Boves im Rahmen einer Führung besichtigen – das ist eine sehr faszinierende Unternehmung. Der Eingang zur Unterwelt liegt direkt im Office de Tourisme, das sich im Rathaus befindet. Die Führung dauert eine knappe Stunde und findet auf Französisch und Englisch statt.
Die Treppen sind teilweise glitschig und die Gewölbe niedrig – das macht es etwas schwierig für sehr große Menschen und für welche, die schlecht zu Fuß sind, aber wunderbar für Entdeckernaturen. Hier kann man in die mittelalterliche Welt buchstäblich eintauchen.
Am Ende des Rundgangs befindet sich eine kleine Galerie mit Fotos aus dem ersten Weltkrieg, als hier Soldaten untergebracht waren. Wie gut, dass diese Zeiten vorbei sind!