Apero: Calvados vom Manoir d'Apreval. Foto: Hilke Maunder
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Auf den Spuren des Calvados im Pays d’Auge

Aus den mehr als 2.000 Apfelsorten wird das berühmte Lebenswasser der Normandie gebrannt: der Calvados. Bernsteinfarben bis cognacbraun, räumt ein vier Jahre im Fass gereifter, samtiger Cidrebrand zwischen den Gängen eines Menüs den Magen auf und schafft Platz für die Desserts. Faire un trou normand nennen dies die Einheimischen. Nach dem Essen schließt ein acht, zwölf, 15 oder gar 20 Jahre alter Calvados als Digestif das Schlemmen ab.

Bereits 1606 entstand die erste Brennerei-Gilde in der Normandie. Seit 1942 besitzt der Calvados Pays d’Auge eine geschützte Herkunftsbezeichnung.

Als einziger Apfelbrand der drei AOP aus der Normandie wird er zweimal gebrannt – und nicht nur einmal, wie beispielsweise der Calvados von Domfront. Wie das edle Destillat aus Cidre gewonnen wird, zeigen im Pays d’Auge die Schaubrennereien führender Hersteller wie Busnel in Cormeilles und Château du Breuil in Breuil-en-Auge.

Das Calvados-Dorf: Cormeilles

Die Hauptstraße von Cormeilles. Foto: Hilke Maunder
Die Hauptstraße von Cormeilles. Foto: Hilke Maunder

Cormeilles ist ein typisch normannisches Dorf im Pays d’Auge. Fachwerkhäuser, Schieferdächer und Blumen prägen das Straßenbild. Auch eine alte Flachstrocknerei und das Waschhaus am Ufern der Calonne sind erhalten.

17 Antiquitätenhändler verwandeln die Rue de l’Abbaye und die Rue de Pont-Audemer in eine reiche Fundgrube für Möbel, Gemälde, Glaskunst, Kitsch und Krimskrams vergangener Zeiten. Wenn euch beim Bummeln ein leichter Apfelduft in die Nase dringt, produziert die Distillerie Busnel als Branchenprimus der Normandie wieder Cidre und Calvados.

Der Ursprung des Namens

Wie, verrät eine Führung bei Busnel. Dort erfahrt ihr auch, dass der Name des Apfelbrandes Calvados seinen Ursprung in den lateinischen Worten calva für „kahlköpfig“ und dorsa, Küste, seinen Ursprung hat. Da sie so bar und leer war, wurde einst die Felsküste zwischen Arromanches und Asnelles als calva dorsa bezeichnet. 1790 wurde der Name für das Département übernommen.

Eine andere Legende erklärt den Namen mit einem Schiffsunglück. Als 1588 die Armada von Spanien gegen England segelte, zerschellte eines der Schiffe, die El Calvador, an der normannischen Küste und gab dem Landstrich seinen heutigen Namen.

Nach der Französischen Revolution wurde der Apfelbrand der Normandie über die Landesgrenzen hinaus bekannt und Calvados zum gängigen Ausdruck für Branntwein aus Äpfeln. Seit 1942 besitzt der Calvados Pays d’Auge eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Der Calvados domfrontais, der neben Äpfeln auch Birnen enthält, ist seit 1997 als AOC und heute als AOP geschützt.

Branchenprimus: Busnel

Die Brennerei Busnel in Cormeilles. Foto: Hilke Maunder
Die Brennerei Busnel in Cormeilles. Foto: Hilke Maunder

Die 1820 von Ernest Busnel gegründete Maison Busnel-Brennerei ist das älteste der großen Häuser des Calvados. Längst gehören neben den unterschiedlich lang gereiften Apfelbränden auch Calvados-Cocktails und Liköre sowie Gin, Whisky und Rum zum Sortiment.

Fast alle großen Calvados-Häuser haben sich heute diversifiziert. Denn Calvados teilt das Schicksal von Cognac: Er wurde immer weniger getrunken. Die Renaissance begann, als Calvados nicht mehr als Digestif beworben wurde, sondern als Bestandteil trendiger Cocktails.

Die Alambics von Busnel. Foto: Hilke Maunder
Die Alambics von Busnel. Foto: Hilke Maunder

Seitdem wachsen die Absatzzahlen wieder – besonders im angelsächsischen Raum. Und so sind es auch Reisegruppen von US-amerikanischen und britischen Kreuzfahrern, die auf der Seine flussabwärts reisen und bei Landausflügen in großen Reisebussen zu Busnel gebracht werden.

Ein schneller Blick auf den Alambic, hinein in den Fasskeller, zurück zur Boutique – und endlich: die Verkostung. Als kleine Grundlage für das ausgiebige Trinken werden Häppchen gereicht. Die gute Stimmung der Gruppe lässt Flasche um Flasche in Kartons und Kisten wandern. Der Fahrer des Reisebusses öffnet die Gepäckklappen.

Die Nummer zwei: das Château du Breuil

Das Château du Breuil. Foto: Hilkel Maunder
Das Château du Breuil. Foto: Hilke Maunder

Der zweitgrößte Calvados-Prozent des Pays d’Auge ist La Spiriterie Française, die jährlich etwa 420.000 Flaschen Calvados abfüllt. Ihr Firmensitz ist das Château du Breuil, ein herrschaftliches Anwesen aus dem 16. Jahrhundert, dessen Herrenhaus an einen elf Hektar großen Privatsee grenzt. In einem Seitentrakt birgt es die historischen Reifekeller.

Die Brennerei ist eingebettet in einen Landschaftspark mit exotischen Bäumen und Blüten, durch den die Touques führt. Direkt am Gelände vorbei führt die D 579. Dort hat die Brennerei neben dem Verkehrskreisel der Départementsstraße einen Alambic ins Gras gestellt und einige Calvados-Fässer am Straßenrand gestapelt.

Auch das Château du Breuil kann längst nicht mehr nur vom Calvados leben – und lockt an der Bar mit kreativen Cocktails, frisch komponiert mit Calvados, Whisky, Gin und Rum aus eigenem Hause.

Père Magloire: die Calvados Experience

Die <em>Calvados Experience</em> von <em>Père Magloire</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Calvados Experience von Père Magloire. Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Calvados für alle Sinne vermittelt eine Erlebniswelt, die 2018 am Ortsrand von Pont-l’Évêque eröffnete: die 3000 Quadratmeter große Calvados Experience. Hinter dem Projekt steht mit der Gruppe Spirit France (Calvados Père-Magloire, Boulard und Lecompte) ebenfalls ein Schwergewicht der Branche.

Der alte Stammsitz von Père Magloire, an dem schon vorher Führungen und Verkostungen angeboten wurden, verwandelte sich in ein „typisch normannisches Dorf“, das seitdem Kultur und Kulinarik, Leben und Legenden widerspiegelt. Ein XXL-Apfel in Alu, gehalten von einer Hand in Weiß, weist den Weg. Gegenüber verfällt das einstige Père Maglore-Gebäude. Die Natur hat das Haus fast umhüllt. Im einstigen Eingang liegt ein Kissen, eine Hose, umgeben von Müll.

Niedrigstamm-Apfelbaum – oft werden sie zum Spalier geformt. Foto: Hilke Maunder
Ein Apfelbaum bei Père Magloire – oft werden sie zum Spalier geformt. Foto: Hilke Maunder

Gegenüber, auf der anderen Seite der Landstraße, inszeniert sich Père Magloire als naturverbundenes Unternehmen. Die Fassade ist begrünt; alte Apfelsorten reifen an niedrigen Bäumen.

In der Salle Pomme taucht ihr mit einem Baum und einem 180-Grad-Bildschirm in einen normannischen Apfelhain ein und erlebt drei Minuten lang den Jahresrhythmus von der ersten Blüte bis zur Ernte. Dann wackelt der Boden unter der Last der Erntefahrzeuge!

Danach folgt der Parcours den Verarbeitungsschritten von der Pressung und Fermentation des Cidre weiter zur Fassreife und Flaschenabfüllung. Anschließend erlebt ihr die Calvados-Herstellung als multimediale Show mit Licht- und Toneffekten.

Das Videomapping im Reifekeller des Château du Breuil. Foto: Hilke Maunder
Das Videomapping im Reifekeller des Château du Breuil. Foto: Hilke Maunder

Beim Château du Breuil kommt Videomapping zum Einsatz, inszeniert auf alten Fässern. Stets gleich ist der Abschluss einer Führung: die Verkostung. Für Kinder steht Bio-Apfelsaft bereit. Der erste Probierschluck: ein junger Calvados, zwei Jahre alt.

Je älter er wird, desto mehr weichen die fruchtigen Aromen den Noten der Fässer, in denen der Apfelbrand gelagert hat. Und jene sind längst nicht mehr nur ehemalige Cognac-Fässer, sondern Fässer in einer Vielfalt, die schwindelig macht. Nur eines ist ihnen gemeinsam: Sie müssen aus französischer Eiche sein. Sie richtig auszuwählen, die Reifezeit im Holz und Art des Holzes zu bestimmen, ist die große Kunst der Kellermeister beim Calvados.

Im Calvados-Keller der Distillerie Huet. Foto: Hilke Maunder
Im Calvados-Keller der Distillerie Huet. Foto: Hilke Maunder

Der Geist des Calvados

Die Branchengrößen

Distillerie Busnel

• route de Lisieux, Cormeilles, Tel. 02 32 57 38 80, www.distillerie-busnel.fr

Château du Breuil

• Breuil-en-Auge, Tel. 02 31 65 60 00, https://spiriterie.com

Père Magloire/Calvados Experience

• Route de Trouville, 14130 Pont-l’Évêque, Tel. 02 31 64 30 31, www.calvados-experience.com

Das Château du Breuil wirbt für sich als La Spiriterie française. Foto: Hilke Maunder
Das Château du Breuil wirbt für sich als La Spiriterie française. Foto: Hilke Maunder

Klein und handwerklich

Adrien Camut

• 800, Route du Pays d’Auge, 27210 La Lande-Saint-Léger, Tel. 02 32 57 82 01

Christian Drouin

• Route de Trouville, 14130 Pont-l’Évêque, Tel. 02 31 64 30 05, www.calvados-drouin.com

Manoir de Grandouet (Familie Grandval)

• 14340 Cambremer, Tel. 02 31 63 08 73, www.manoir-de-grandouet.fr

Calvados Roger Grouet

• Clos de la Hurvanière, Route des Calvados, 14290 Valorbiquet, Tel. 02 31 63 71 53, www.calvados-groult.com

Calvados Michel Huart

• La Groudière, 61100 Montilly-sur-Noireau, Tel. 02 33 96 41 87, https://calvadoshuard.com

Domaine Familial Louis Dupont

• Lieu-dit, La Vigannerie, 14430 Victot-Pontfol, Tel. 02 31 63 24 24, www.calvados-dupont.com

GAEC Gautard-Merlier

Ferme du Bas vaucanu, 14140 Saint-Germain-de-Montgommery, Tel.  02 33 39 25 13, www.facebook.com

Marie-Laure Leplat

• La Touche, 61160 Montabard, Tel. mobil 06 67 01 99 87

Le Père Jules

• 1079, Route de Dives 1019, 14100 Saint-Désir, Tel. 02 31 61 14 57, www.calvados-leperejules.com

Der Cidrehof von Grandouet. Foto: Hilke Maunder
Der Manoir Grandouet  der Familie Grandval– neben Calvados wird dort auch Cidre hergestellt. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Viele der Calvados-Häuser des Pays d’Auge stellen auch Cidre und Pommeau her. Zu ihnen führt die Route du Cidre. Informiert euch hier.

La Route du Cidre: Landpartie zum Apfelwein

Im Buch

Glücksorte in der Normandie*

Steile Klippen und weite Sandstrände, bizarre Felslandschaften und verwunschene Wälder, romantische Fachwerkstädtchen und moderne Architektur – die Normandie hat unzählige Glücksorte zu bieten.

Gemeinsam mit meiner Freundin Barbara Kettl-Römer stelle ich sie euch in diesem Taschenbuch vor. Wir verraten, wo die schönste Strandbar an der Seine liegt, für welche Brioches es sich lohnt, ins Tal der Saire zu fahren, und wo noch echter Camembert aus Rohmilch hergestellt wird.

Unser Gemeinschaftswerk stellt euch insgesamt 80 einzigartige Orte vor, die oftmals abseits der eingetretenen Pfade liegen. Wer mag, kann es hier* bestellen.

Hilke Maunder_Normandie_Abseits

Normandie: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Die Netflix-Serie „Lupin“ hat die Normandie zu einem touristischen Hotspot gemacht. Garantiert keine Massen triffst Du bei meinen 50 Tipps. Sie sind allesamt insolite, wie die Franzosen sagen – ursprünglich, authentisch und wunderschön.

Die Landpartie durch die andere Normandie beginnt im steten Auf und Ab der Vélomaritime, führt zu den Leinenfeldern der Vallée du Dun, zu zottigen Bisons und tief hinein ins Bauernland des Pays de Bray, Heimat des ältesten Käses der Normandie.

Im Tal der Seine schmücken Irisblüten auf hellem Reet die Giebel alter chaumières, und Störche brüten im Marais Vernier. Von den Höhen vom Perche geht es hin zur Normannischen Schweiz und bis zur Mündung des Couesnan an der Grenze zur Bretagne. Hier* kannst Du den handlichen Führer bestellen.

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