Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
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Collonges-la-Rouge: Pilgerperle in Rot

Collonges erlebte Ende der 1970er-Jahre ein Schicksal, das viele kleine Orte teilten: Es besaß ein beachtliches historisches Erbe, leere Kassen – und litt unter dem Fortzug der Jungen und der Überalterung der Daheimgebliebenen.

Frankreichs schönste Dörfer

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Anfang der 1980er-Jahre war Charles Ceyrac, der von 1977 bis 1998 in Collonges amtierte, nach Paris gereist. In einer Buchhandlung entdeckte er ein Buch von Reader’s Digest mit dem Titel Les Plus Beaux Villages de France.

Ceyrac schrieb sämtliche vorgestellte Bürgermeister an. Sein Aufruf: Gründen wir einen solchen Verein – und retten wir so unsere Dörfer.  66 Bürgermeister folgten seinem Aufruf. Am 6. März 1982 gründeten sie in Salers (Cantal) offiziell das Netzwerk Les Plus Beaux Villages de France.

Ihr Ziel ist auch mehr als 40 Jahre später unverändert: mit Tourismus all jene kleinen Landgemeinden zu retten, die solch ein einzigartiges Bau- und Kulturerbe besaßen. Inzwischen tragen 168 Dörfer in 70 Départements das prestigeträchtige Siegel des Verbandes.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Zur Qualitätssicherung hat sich die Vereinigung bei der Auswahl der Dörfer harte Kriterien auferlegt. Ein Ort, der in die Liste der schönsten Dörfer Frankreichs aufgenommen werden will, darf nicht mehr als 2000 Einwohner haben und muss über eine geschützte Zone oder denkmalgeschützte Bauwerke verfügen. So wie Collonges-la-Rouge.

Rote Schönheit

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Tiefrot leuchtet das alte Dorf Collonges-la-Rouge rund zwanzig Kilometer von Brive-la-Gaillarde an der Grenze von Limousin und Quercy im dichten Grün von Kastanien und Eichen in einem weiten Tal.

Große Schiefer- oder Lehmdächer bedecken seine imposanten Bauten. Türmchen und Wachtürme ragen beim Bummeln durch die alten Kopfsteingassen auf. Wein rankt vor den Fassaden aus rotem Sandstein. Blau leuchten die Glyzinien.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Jeder Stein ist hier Zeuge der Geschichte. Von seiner Vergangenheit als Zwischenstation für Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela hat das Dorf eine romanische Kirche bewahrt, deren Wurzeln bis in das Jahr 1060 zurückreichen

Die église Saint-Pierre

Mehr als 1000 Jahre alt ist der Sakralbau im Herzen der Stadt, der erst im 12. Jahrhundert seinen Glockenturm erhielt: achteckig und mehr als 20 Meter hoch. Aufgrund seiner besonderen Bauweise wird er auch als Limousin-Turm genannt. Als die Kirche befestigt und mit einem zweiten Schiff erweitert wurde, erhielt sie ihren zweiten Glockenturm. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde eifrig weitergebaut.

Vier Kapellen unterschiedlicher Größe kamen hinzu – was ihr seitdem eine ungewohnte Form verleiht. Und – angesichts der Religionskriege – gab es wieder einen Turm: einen quadratischen Wachturm mit Schießscharten für Bogenschützen

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Das Turmtrio der Pfarrkirche. Foto: Hilke Maunder
Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Für das Tympanon wurde weißer Kalksein gewählt. Er lässt sich besser bearbeiten und erlaubt eine feinere Gestaltung als der rote Sandstein.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Dorfmuseum

In der Dorfmitte steht das älteste Haus des Ortes: die Maison de la Sirène aus dem 16. Jahrhundert.  Seinen Namen verdankt es der Meerjungfrau, die oben rechts an der Eingangstür geschnitzt ist. Drinnen birgt es Museum für Volkskunst und Traditionen,. Neben der besonderen lokalen Geologie und Funden aus der Vorzeit findet ihr dort auch eine nachgestellte Wäscherei mit typischem Werkzeuge sowie immer wieder interessante Sonderausstellungen.

Die Markthalle

In der alten Markthalle fand unter dem schönen alten Kastaniengebälk bis 1897 als Markt für Wein und Nussöl. Sie befindet sich an der Stelle des ersten Friedhofs. Seht euch einmal genauer die Säulen an. In Richtung der Porte Plate sind sie zylindrisch, gegenüner der Kirche würfelförmig. Am Ende der Halle ist noch ein four banal erhalten.  Wer diesen Brotbackofen im Mittelalter nutzen wollte, musste damals eine Steuer zahlen, den sogenannten ban.

Die Chapelle des Pénitents

Gleich neben der Pfarrkirche steht die Büßerkapelle. Die dem Heiligen Maximin gewidmete Kapelle soll aus dem 14. Jahrhundert stammen und zum Priorat von Collonges gehört haben. Anfang wurden dort einflussreiche Familien des Dorfes bestattet. Von 1765 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war sie Sitz der Bruderschaft der Pénitents noirs. Zu den Aufgaben der Schwarzen Büßer, die mit schwarzen Gewändern und Kapuzen durch diue Straßen zogen, gehörte es, die Toten zu bestatten – kostenlos!

Nach der Auflösung der Bruderschaft verfiel die Kapelle und das Dach stürzte ein. Mit einer Spendenaktion rettete der Verein Les Amis de Collonges sie vor dem Verfall. Heute werden dort Ausstellungen gezeigt. Dann könnt ihr auch die modernen Kirchenfenster bewundern, bei denen das Spiel des Sonnenlichts immer neue farbenfrohe Projektionen auf den Wänden erzeug.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Castel de Vassinhac

Wie ein Märchenschloss aus dem Mittelalter wirkt das Castel de Vassinac, auch Château de Vassinhac genannt. Wie in Rubin erhebt sich der Stammsitz der adligen Familie Vassinac seit dem 15. Jahrhundert am Rand des Dorfes. Sein Seigneur herrscht über dem Dorf und diente als Hauptmann der Vicomté de Turenne war. Mit seinen Türmchen, Maschikulis, Musketenlöchern und Schießscharten erinnert das Schloss an kriegerische Zeiten.

1932 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Als einziger Zivilbau des Dorfes könnt ihr ihn – samt Park – heute besichtigen. Im Erdgeschoss findet ihr mehrere Salons im  Stil von Ludwig XIII. sowie den Speisesaal mit seinem Pflaster aus gewachstem roten Sandstein, seiner Decke im Stil Ludwigs XIII. und imposantem Kamin. Im Obergeschoss befinden sich eine Bibliothek im Stil von Ludwig XV, ein Salon und zwei Schlafzimmer  – eines birgt Möbel, die Colette gehörten.

Auf einer Wendeltreppe geht es hinab in die Gewölbekeller. Sie zeigen altes Werkzeugen und Schmiedeeisen. Fotografien des Schlosses verraten, wie es ursprünglich aussah und wie es restauriert wurde. In einem anderen Keller könnt ihr euch einen Film über Collonges-la-Rouge und die Geschichte des Schlosses ansehen. Der Rundgang endet im Park.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Rechts seht ihr das Castel de Vassinhac. Foto: Hilke Maunder

Die Farbe der Falte

Das ungewöhnliche Baumaterial von Collonges-la-Rouge entstand durch einen geologischen Crash. Er schuf die Meyssac-Verwerfung, der heute die Départementstraße 38 folgt.

Die Verwerfung entstand aus dem Zusammenprall von zwei Bodenarten, die völlig unterschiedlich in Alter und Beschaffenheit sind. Im Norden liegt das Becken von Brive mit sauren Böden und Sandstein aus dem Perm. Im Süden erstrecken sich die Kalksteinböden des Lias.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Sandsteine, die an der Verwerfung von Meyssac zutage treten, sind 245 bis 295 Millionen Jahre alt. Bei der Zersetzung der kristallinen Gesteine entstanden neben den Quarzkörnern auch eisenhaltige Tone. Je nach Eisengehalt – um die zwei Prozent –  und Oxidationsgrad changieren sie von Blassrosa bis Weinrot.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Rote Dörfer

Bis heute werden diese Sandsteine in den Steinbrüchen zwischen Meyssac und Noailhac auf einer Länge von etwa sechs Kilometern abgebaut. Neben Collonges sind auch Meyssac, Lagleygeolle und Noailhac Schönheiten aus diesem Sandstein.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
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Collonges: meine Reisetipps

Ansehen

Château de Vassinhac

• Le bourg, 19500 Collonges-la-Rouge, Tel. mobil 06 32 90 95 17, www.facebook.com/chateaudecollongeslarouge

Der schönste Aussichtspunkt

Hautefort

An der Ecke des Parkplatzes Chaulet Richtung Brive an der Straße nach Hautefort: Von hier habt ihr einen Blick auf die Dächer von Collonges!

Erleben

Les Théâtrales

Der einstige Bürgermeister Charles Ceyrac hat nicht nur die Verband der schönsten Dörfer Frankreichs initiert, sondern in seinem Heimatdorf auch ein Sommertheater ins Leben gerufen. Mit ins Boot holte er dazu die Schauspieler Françoise Biraud und Jean Renaud Garcia. Aufgeführt wurde einst nur ein einziges Stück: Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Damals fand es als Wandertheater in den Gassen von Collonge-la-Rouge statt. Heute  stehen mehrere Stücke auf dem Spielplan. Jeden Dienstag von Mitte Juli bis Mitte August um 21.30 Uhr lockt im Théâtre de Verdure sechs Wochen lang Freilichttheater, das überrascht und unterhält.
www.theatrales-collonges.org

Schlemmen

 À l’ombre du Figuier

Lokale Küche, modern verjüngt.
• 80, place de l’église, 19500 Collonges-la-Rouge, Tel. 05 44 31 77 02, www.instagram.com/alombredufiguier.collonges

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Le Cantou

Der cantou ist im Dialekt der Corrèze die Feuerstelle. Mehr oder weniger monumental, bildet sie seit dem Mittelalter das zentrale Element des Bauernhauses und dank der Bänke auch den Mittelpunkt des Familienlebens. Der cantou wurde für viele Zwecke verwendet: zum Heizen des Hauses, zum Kochen in aufgehängten Kesseln und zum Trocknen von Schinken und Würsten, die hoch in einer Ecke des Kamins aufgehängt wurden.

Rund um den cantou dieses Hauses werden seit 1961 die Gäste mit grundsolider Hausmannskost der Region bewirtet – und das heute in der dritten Generation.
• Rue de la Barrière, 19500 Collonges-la-Rouge, Tel. 05 55 84 25 15, www.lecantou.fr

Schlafen

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Le Relais Saint-Jacques de Compostelle

Zehn grundsolide Zimmer von 14 bis 35 Quadratmetern Größe und eine gute Küche drinnen oder draußen auf der Terrasse: Der Relais ist eine charmante wie ruhige Unterkunft im Herzen des Dorfes.
• Le Bourg, 19500 Collonges-la-Rouge, Tel. 05 55 25 41 02, www.hotel-stjacques.com

Noch mehr Betten*
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Wandern

Jakobsweg

Collonges-la-Rouge liegt an der Voie de Rocamadour, einer ruhigeren Route des Jakobswegen nach Santiago de Compostela.

Weitwandern zu den schönsten Dörfern der Corrèze

Collonges-la-Rouge ist Etappenort der Grande Randonnée du Pays (GRP) 480. Sie führte von Turenne vorbei an Collonges-la-Rouge weiter nach Curemonte und Beaulieu-sur-Dordogne, die ebenfalls zu den plus beaux villages den France gehören. Ihr Ziel ist die Schluchte der Cère.

Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
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Weiterlesen

Im Blog

Alle Berichte, die ich bislang über das Département Corrèze verfasst habe, findet ihr hier.

Im Buch

Das ganze Land

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Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

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Collonges-la-Rouge. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. Liebe Hilke, genau dort soll es uns in diesem September führen. Die Bilder sind ja ein Traum. Was meinen Sie zur Coronalage vor Ort? Wir sind sehr hin und her gerissen ob wir fahren oder lieber nicht. Muss man in keinen Orten eine Maske tragen? Ich denke wenn man große Städte meidet, sollte ein Frankreichurlaub möglich sein. Geimpft und voller Hoffnung sind wir auf jeden Fall… Ich verfolge Ihre Seite schon sehr lange, SUPER TOLL GEMACHT… Ganz liebe Grüße Sandra

    1. Hallo Sandra, Frankreich führt täglich 1,1 Mio. Tests durch – da sind die absoluten Zahlen naturgemäß höher als in D, das laut RKI täglich rund 340.000 Tests nur macht. Zur Maskenpflicht: Landesweit ist sie aufgehoben, aber in einem Drittel aller Departements inzwischen wieder eingeführt. In Collonges-la-Rouge besteht die Maskenpflicht nur im eigentlichen Ortskern und an sonstigen belegten Orten. Meine ganz persönliche Meinung: Fahren Sie. Die Hauptreisezeit ist seit dem 15. August vorbei; der R-Faktor beträgt dort laut Santé France 0,9, die Inzidenz von Collonges mit 153 deutlich unter dem Landesdurchschnitt; und auch in der gesamten Region Nouvelle-Aquitaine sinkt sie.
      Die regionale Aufschlüssung für Nouvelle-Aquitaine findest Du hier: https://www.santepubliquefrance.fr/regions/nouvelle-aquitaine/documents/bulletin-regional/2021/covid-19-point-epidemiologique-en-nouvelle-aquitaine-du-12-aout-2021; morgen kommt der nächste Wochenbericht dort online.
      Viele Grüße, Hilke

      1. Hallo Hilke,
        wir hatten es übrigens getan… und nicht bereut. Wir waren von Mitte September bis Angang Oktober in dieser wunderschönen Region. Ein schönstes Dorf am nächsten schönsten Dorf Frankreichs. Danke für Ihren Rat: Fahren Sie!
        Ich verfolge weiter Ihre tollen Beiträge und wir werden nicht müde in dieses tolle Land zu reisen.
        Ganz liebe Grüße Sandra

      2. Liebe Frau Heß, das freut mich – dann wünsche ich Ihnen noch viele weitere schöne Entdeckungen in Frankreich! Viele Grüße, Hilke Maunder

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