Fresnay-sur Sarthe, die "Hauptstadt" der Alpes Mancelles. Foto: Hilke Maunder
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Alpes Mancelles: Perle an der Sarthe

Die Alpes Mancelles sind ein verstecktes Juwel. 200 Kilometer südwestlich von Paris verstecken sie am Oberlauf der Sarthe als malerisches Kleinod inmitten des regionalen Naturparks Normandie-Maine.

Ihr Namen täuscht: Die Alpes Mancelles sind kein Hochgebirge, keine Alpen – sondern entpuppen sich beim Ankommen als ein äußerst charmantes, hügeliges Gebiet, das die Sarthe als tief eingeschnittenes Tal mit hohen Klippen durchzieht. Wälder, Weiden und Weizenfelder rahmen sie ein als Mosaik aus Gold und Grün.

Doch wie erhielten sie dann ihren Namen? Der Legende nach soll es kein Geringerer als der Heilige Ceneri gewesen sein, der diese Landschaften als erster Alpes Mancelles nannte, weil diese felsigen Abhänge ihn an die Berge der italienischen Alpen erinnerten, aus denen er stammte.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Einheimischen stolz auf ihre „kleinen Alpen“ waren. Da die Stadt Le Mans nur rund 50 Kilometer entfernt liegt, wurden sie rasch zu den Alpes Mancelles.

Die Sarthe in den Alpes Mancelles Foto: Hilke Maunder
Die Sarthe in den Alpes Mancelles. Foto: Hilke Maunder

Noch beliebter wurde dieser Name zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Georges Durand den Tourismus in den Alpes Mancelles entwickelte und 1904 als eines der ersten in Frankreich das Syndicat d’Initiatives des Alpes Mancelles gründete. Dennoch sind sie bis heute ein Ausflugsziel, das fast nur die Einheimischen der näheren Umgebung kennen und lieben.

Die Alpes Mancelles entstanden vor etwa 1,5 Millionen Jahren, als sich das Plateau hob und sich die Sarthe eingrub. 1.025 Hektar groß ist dieses Naturjuwel, das zwei Regionen (Pays de la Loire, Normandie), drei Départements (Sarthe, Orne, Mayenne) und fünf Gemeinden (Saint-Léonard-des-Bois, Moulins-le-Carbonnel, Saint-Céneri-le-Gérei, Saint-Pierre-des-Nids und Gesvres) umfasst.

Malerdorf der Alpes Mancelles: Saint-Céneri-le-Gérei

Blick auf Saint-Céneri-le-Gérei mit seiner Brücke über die Sarthe
Blick auf Saint-Céneri-le-Gérei mit seiner Brücke über die Sarthe

Saint-Céneri-le-Gérei ist wahrscheinlich der bezauberndste Ort dieser „Alpen“. Der Ort, der zu den schönsten Dörfern Frankreichs gehört und in der Hauptsaison entsprechend gut besucht ist, versteckt sich tief im Tal in einer Schleife der Sarthe.

Eine Steinbrücke führt hinein in das Dorf mit seinen aus eisenhaltigem Roussard-Sandstein erbauten Häusern, deren Dächer mit Ziegeln gedeckt sind. Glyzinien und Rosensträuchern blühen vor den wettergegerbten Fassaden.

St-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder
Wunderschön – die alten Fassaden in St-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder

Von der Burg von Saint-Céneri-le-Gérei, im Hundertjährigen Krieg zerstört, sind nur noch einige Ruinen erhalten. Die romanische Dorfkirche aus dem 11. Jahrhundert mit ihrem zentralen Glockenturm und zwei Jochen birgt in ihrem Chor noch Fresken aus dem 14. Jahrhundert im Chor und einen Kreuzweg des zeitgenössischen Künstlers Christian Malézieux

Im Innern der Dorfkirche von Saint-Céneri-le-Gerei.
Die alten Fresken der Dorfkirche von Saint-Céneri-le-Gerei. Foto: Hilke Maunder

Weiter entlang der Rue de l’Église taucht eine weite Wiese am Ufer der Sarthe auf, auf der eine Kapelle steht. Das idyllisch gelegene Gotteshaus wurde im 15. Jahrhundert vermutlich genau an jener Stelle errichtet, an der im 7. Jahrhundert der italienische Mönch Ceneri eine Einsiedelei. Dieser war aus Italien gekommen, um Gallien zu evangelisieren.

Die kleine Waldkapelle von Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder
Die kleine Kapelle von Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder

Saint-Céneri-le-Gérei ist ein malerischer Ort – und ist es im besten Wortsinn damit wert, gemalt zu werden. Das dachten sich auch Künstler wie Corot, Boudin, Courbet, Saïn, Osterlind, Buffet. Sie stellten ihre Staffeleien an den Ufern der Sarthe auf und machten Saint-Céneri-le-Gérei zur Künstlerkolonie, dem Barbizon des Départements Orne.

Ab 1855 lud Auguste Poulet-Malassis, Verleger aus Alençon mit allerbesten Kontakten in die Kunstszene, Maler aus Fontainebleau und Bougival ein, nach Saint-Céneri-le-Gérei zu kommen.

Der berühmte Malertreff von Saint-Cénerie-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder
Der berühmte Malertreff von Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder

Die Ankunft der Maler stellte das Dorf der Bauern, Fischer und Weber auf den Kopf Je nach Jahreszeit kamen damals täglich bis zu fünfzig Künstler  dort an – Maler, aber auch Musiker oder Dichter.  Sie ließen sich vom Dorf und seiner Umgebung verzaubern – und hielten die örtlichen Gasthäuser am Leben.

Das Erbe dieser Maler bewahren nicht nur die Museen, sondern auch die salle des décapités, im ersten Stock des ehemaligen Gasthauses der Moisy-Schwestern an, das 1908 geschlossen wurde. Dieses Zimmer der Enthaupteten verdankt seinen Namen den Silhouetten, die einst in Holzkohle an die Wände gezeichnet wurden.

Im Zentrum von Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder
Die Auberge des Peintres im Zentrum von Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder

Die Auberge des Peintres ist noch immer in Betrieb. Während des Mittagessens könnt ihr dort die von Mary Renard an den Wänden gemalten Tafeln bewundern, die Städte oder Küsten der Normandie darstellen.

Zu Pfingsten öffnen zahlreiche Künstler alljährlich ihre Türen und zeigen bei einem Malertreffen, das der Verein der Freunde von Saint-Céneri initiiert, ihre Werke.

Alpes Mancelles: Freiluftkunst am Ufer der Sarthe in Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder
Freiluftkunst am Ufer der Sarthe in Saint-Céneri-le-Gérei. Foto: Hilke Maunder

Saint-Léonard-des-Bois

Saint-Céneri war nicht der einzige Einsiedler, der sich in den Alpes Mancelles niederließ, betete und missionierte. Auch ein gewisser Leonardo kam im 6. Jahrhundert aus Italien ins Tal der Sarthe und gründete ein Kloster, das zur Keimzelle der Petite Cité de Caractère Saint-Léonard-des-Bois wurde. Seine Geschichte erzählt ein Buntglasfenster in der Kirche.

Viele Jahrhunderte später machte ein französischer Namensvetter sein Heimatdorf zu seiner Muse: René Saint-Léonard. Unzählige Werke bezeugen, wie sehr er das Dorf liebt – und wie es ihn inspiriert zu Bildern, die in ihren Farben und Formen naiv  wie berührend sind.

Beaumont-sur-Sarthe

Beaumont-sur-Sarth hieß bis zur Französischen Revolution Beaumont-le-Vicomte. Seine Geschichte ist eng mit den Geschicken der Grafen von Maine verbunden, die die Stadt zu einer Festung machten, um Einfälle der Normannen zu verhindern.

Wie Fresnay liegt auch Beaumont auf einem Hügel mit Blick auf die Sarthe, gesichert von einem Bergfried, überbrückt seit der Romanik von einer Steinbrücke. Eng und verwinkelt sind die alten Gassen, überraschend so manche Umbauten.  Bei der Stadtkirche wanderte im 17. Jahrhundert  der Chor die Seiten – er ist seitdem nach Westen ausgerichtet.

Der berühmteste Bürger von Beaumont ist  Albert Maignan ( 1845-1908), der nach Paris ging, dort  Jura studierte – und sich, infiziert vom Kunstleben der Kapitale, sich für die Malerei begeisterte und zum Beruf machte. Er stellte regelmäßig im Salon des Artistes Français aus, gewann zahlreiche Auszeichnungen und schuf die Zeichnungen für die Wandteppiche, die in Beaumont-sur-Sarthe im großen Senatssaal hängen.

Fresnay-sur-Sarthe

Ein Kunstparcour stellt Berühmtheiten aus dem Département Sarthe vor. Foto: Hilke Maunder
Ein Kunstparcours im Burgpark von Fresnay stellt Berühmtheiten aus dem Département Sarthe vor. Hier: das in Faserzement modellierte Porträt von Georges Durand vom Bildhauer Paul Baubeta. Foto: Hilke Maunder

Auch Fresnay-sur-Sarthe, das auf einem Felsvorsprung hoch über der Sarthe thront, birgt solch ein reiches Bauerbe seit dem Mittelalter, dass Fresnay als Petite Cité de Caractère ausgezeichnet wurde. Doch das ist nicht die einzige Auszeichnung. Fresnay ist auch eine station verte de vacances, ein village des justes de France und eine ville et métiers d’Art. 2021 schaffe es Fresnay sogar auf den zweiten Platz als  village préféré des Français, sprich, als Lieblingsdorf der Franzosen.

Die Lage hoch über der Sarthe und deren Furt ermöglichte es, das Kommen und Gehen zu kontrollieren. Diese wahrhaft strategische Position sicherten die Vicomtes de Beaumont als Vassallen der Comtes du Maine mit einer Burg und schützten sich so vor normannischen Einfällen. Fresnay erhielt Stadtmauern und befestigte Tore, deren Spuren noch heute sichtbar sind. Die Burg ist heute eingebettet in einen Stadtpark mit herrlichen Aussichten auf das Tal der Sarthe und die Alpes Mancelles.

Die Burg von Fresnay-sur-Sarthe. Foto: Hilke Maunder
Die Burg von Fresnay-sur-Sarthe. Foto: Hilke Maunder

Rund zehn Kunsthandwerker, darunter ein Juwelier, Kunstschmied, Illustrator, Polsterer, Lederhandwerker, Glasmaler, Dachdecker von Baudenkmälern und Waffenschneider – halten das tradionelle Handwerk der Stadt lebendig und machen sie zum Mitglied der Villes d’Arts et Metiers.

Das musée des coiffes präsentiert die Kopfbedeckungen, die früher von den sarthoises getragen wurden. Seit 1800 sind drei Kopfbedeckungen gekommen und gegangen:  die bonnette (Haube), die bise-moi vite (küss mich schnell… ) und die galette.

Ehrenamtliche des Museums restaurieren diese Kopfbedeckungen und halten so alte angewandte Techniken wie Mulchen, Paspeln und Stärken lebendig.

Vor dem geschnitzten Portal der Église Notre-Dame, deren Wurzeln bis in 12. Jahrhundert zurückreichen, gastiert zweimal pro Woche – mittwochs und samstags – auf der Place de la République jeden Samstag ein bunter Wochenmarkt mit vielen lokalen Produzenten.

Die Stadkirche Église Notre-Dame von Fresnay. Foto: Hilke Maunder
Die Stadkirche Notre-Dame von Fresnay. Foto: Hilke Maunder

Den vielleicht schönsten Blick auf das Sarthe-Tal und die Stadt Fresnay-sur-Sarthe habt ihr vom Coteau des Vignes, einer grünen Oase mit seltenen und ungewöhnlichen Pflanzenarten, die speziell auf Kalksteinrasen und -wiesen vorkommen. Das Gelände gehört zu den wenigen espaces naturels sensibles, und damit sensiblen Naturgebieten, im Département Sarthe. Ihr könnt es auf einem Naturlehrpfad entdecken. Schilder stellen euch die verschiedenen Pflanzenarten vor.

2013 wurden am Coteau des Vignes 850 Rebstöcke neu gepflanzt. In den 1920-er Jahren hatte die Reblaus die heimische Weinbautradition radikal beendet. Um den kleinen städtischen Weinberg kümmert sich die  2014 gegründete Vereinigung Coteau des Vignes.

Die Freiwilligen dieses Vereins kümmern sich um alles: Sie übernehmen die Arbeit im Weinberg, schneiden die Stöcke, ernten und keltern. Die abgefüllten Flaschen kommen nicht in den Handel, sondern werden bei Großveranstaltungen in  Fresnay-sur-Sarthe ausgeschenkt.

Zum Gelände gehört schließlich auch noch ein kleiner Tierpark. Seine Bewohner sorgen für eine ökologische Bewirtschaftung des Terrains, halten das Gras kurz und lassen Kinderaugen leuchten: Sie können hier Esel kennenlernen oder die Ziegen und Schafe von Ouessant streicheln.

Alpes Mancelles: meine Reise-Infos

Hinkommen

Bahn

Große SNCF-Bahnhöfe in Le Mans und Alençon, Lokalbahn entlang der TER-Linie le Mans – Alençon in
Vivoin / Beaumont und La Hutte / Coulombiers.

Bus

In den Alpes Mancelles verkehren zwei Regionalbuslinien von Aléop:

  • Linie 210 Fresnay / Le Mans
  • Linie 204 Fresnay / Alençon

Rad

Die Alpes Mancelles liegen an der Radwanderroute Vélobuissonnière.

Schlemmen und genießen

Fresnay’s Café

Chili con carne, Kabeljau oder Schlachterstück, hausgemachte Desserts und ab und an Konzerte: Hier trifft sich Fresnay.
• 11, rue Bailleul, 72130  Fresnay-sur-Sarthe, Tel. 02 53 96 71 03,  www.facebook.com/fresnayscafe

Ô Passage

Picknickkörbe und Freiluftschlemmen auf der Terrasse auch für Vegetarier und Veganer.
• Am Eingang des Camingplatzes, 27,  Rue Alpes Mancelles,  72130 Saint-Léonard-des-Bois, Tel. 06 46 51 52 07,   https://sites.google.com, Mai -bis September

Domaine du Gasseau

Im Frühjahr 2021 eröffneten Dorine und Victoire, zwei junge Frauen mit Leidenschaft für die Hotel- und Gastronomiebranche, ihre Doamine du Gasseau als gepflegtes Hotel, Gite und Restaurant mit Bioküche samt kleiner Terrasse.
• Lieu-dit Domaine du Gasseau, 72130 Saint-Léonard-des-Bois, Tel. 02 53 96 72, https://lamaisondugasseau.com

Hier könnt ihr schlafen*



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Weiterlesen

Im Blog

Im Buch

Klaus Simon, Hilke Maunder. Roadtrips Frankreich*

Roadtrips FrankreichDas zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

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