Knusprig, zart und fruchtig: die Croustade aus dem Gers. Foto: Hilke Maunder
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La Croustade: Traditionskuchen des Gers

Miiiaaammmm…. wie die croustade köstlich duftet! Und doch: Mehl, Ei, etwas Wasser und ein Betttuch – mehr braucht Isabelle Ducourneau, Jahrgang 1964, für den Anfang nicht. „Mische die Zutaten zusammen und lass sie über Nacht ruhen – fertig ist der Teig!“ Etwas ungläubig schaue ich die Bäuerin aus Courties im Süden des Départements Gers an.

Es ist nahezu identisch mit der einstigen Provinz Gascogne, die Heimat der berühmten Musketiere und ein Landstrich, der im Vorland der Pyrenäen noch sehr ursprünglich geblieben ist, in weiten Teilen noch sehr ländlich geprägt – und von Menschen, die bodenständig sind – und unglaublich herzlich.

Es gibt wohl kaum einen Landstrich in Frankreich, wo ich mich so willkommen gefühlt habe. Und auch Isabelle Ducourneau öffnet die Tür mit einem strahlenden Lächeln, wischt sich die bemehlten Hände an der Schürze ab und sagt: Bienvenue !

Das Musketier-Mehl für die Croustade. Foto: Hilke Maunder
Das Musketier-Mehl für die croustade. Foto: Hilke Maunder

Durch die Fenster ihrer kleinen Backstube auf dem Hofgelände sehe ich die schneefunkelnden Spitzen der Pyrenäen. Auf den großen Mehlsäcken reitet als schwarzer Schablonenschnitt ein Musketier: d’Artagnan, der große Held ihrer Heimat. Isabelle unterbricht mein stilles Schauen.

Aus dem Nebenraum hat sie eine blaue Plastikschüssel geholt. Drinnen ruht ein Teigkloß. Mit beiden Händen zieht sie ihn auseinander. „Nimm nur die Kuppen!“, sagt sie. „Bei den Fingerspitzen zerreißt der Teig sofort. Und lass Dir Zeit! Ruhe ist das Wichtigste bei der Tourtière.“

Erst nur ein wenig, dann immer weiter wird die Croustade auseinander gezogen. Foto: Hilke Maunder
Erst nur ein wenig, dann immer weiter wird die croustade auseinander gezogen. Foto: Hilke Maunder

Die Technik dieses Teigausziehens brachten vermutlich maurische Flüchtlinge mit nach Frankreich, die gegen Ende des 15. Jahrhunders einen filo-artigen Teig in das Département Gers brachten, wo la croustade auch hier und da le pastis gascon genannt wird.

Isabelle Ducourneau zieht den Teig vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder
Isabelle Ducourneau zieht den Teig vorsichtig hauchdünn auf dem Küchentisch aus. Foto: Hilke Maunder

Fein wie Seide

Jetzt reißt er gleich, denke ich. Doch Isabelle zieht ihn weiter aus, bis er komplett den großen Küchentisch bespannt, über das die Bäuerin aus dem Süden des Gers zuvor ein Betttuch gelegt hatte.

„Fein wie Seide ist jetzt der Teig!“, sagt sie stolz und sprenkelt goldbraunen, hochprozentigen Armagnac auf die Fläche. Das Lebenswasser ist selbst gebrannt. Es lagert nicht im Barrique-Fass, sondern in einem Plastikcontainer aus Lourdes.

Croustade: Das richtige Falten ist entscheidend für die Qualität der Croustade, sagt Isabelle Ducourneau. Foto: Hilke Maunder
Das richtige Falten ist entscheidend für die Qualität der croustade, sagt Isabelle Ducourneau. Foto: Hilke Maunder

Gefaltet und gefüllt

„Jetzt falte den Teig an beiden Längsseiten nach innen. Das Betttuch hilft Dir“. Es trägt den Teig und sorgt dafür, dass nichts reißt, sondern die dünnen Teigschichten gefaltet werden können. Dann nimmt sie eine runde Kuchenform in die Hand und schneidet das Rechteck in XXL passend zu.

Sie gibt ein wenig Öl in die Form und legt die erste Lage des Teigs hinein. Dann verteilt sie darauf etwas Öl und Zucker. Dann folgt die nächste Teiglage. Und wieder gibt sie Öl und Zucker hinzu. Wie viel genau sollte es sein? „Ich mache alles nach Gefühl und Augenmaß!“

Was kommt hinein?

Erst bei der vierten Lage muss sich Isabelle entscheiden. Bleibt ihre croustade natur? Oder wird sie gefüllt? Fruchtig und süß mit Apfelschnitzeln, Birnen oder Pflaumen?

Oder wird es eine salzige croustade? Da könnten dann Camembert, Honig und Zucchini hineinwandern. Oder Blutwurst mit Äpfeln. Oder Schweinebrust mit Bleu d’Auvergne. Oder auch Enten-Rillettes. „Die Vielfalt der Füllung ist groß wie Deine Fantasie“, sagt Isabelle und lacht.

Die Form für die Croustade muss sehr sorgfältig eingefettet werden. Foto: Hilke Maunder
Die Form für die croustade muss sehr sorgfältig eingefettet werden. Foto: Hilke Maunder

Und selbst vor Foie gras macht Isabelle nicht Halt. Pur, mit Feige oder Pflaumen versteckt sie die Stopfleber unter der knusprigen Kruste der croustade. Ein paar Spritzer Armagnac fürs Aroma, zum Abschluss eine obere Lage Teig, und dann ab in den vorgeheizten Ofen.

Am besten schmeckt sie frisch gebacken und lauwarm! „Und so noch besser“, sagt die Gewinnerin des Talent en héritage -Wettbewerbes 2015 und besprenkelt die Kruste vor dem Servieren mit Armagnac.

Croustade mit Äpfeln à la Isabelle Ducourneau. Foto: Hilke Maunder
Croustade mit Äpfeln à la Isabelle Ducourneau. Foto: Hilke Maunder

La Croustade aux Pommes: das Traditionsrezept

Zutaten für den Teig

• 500 g Mehl T 55 (alternativ: Typ 550)
• 200 ml Wasser
• 15 ml Sonnenblumenöl
• 1 Ei
• 1 Prise Salz

Zutaten für die Füllung

• 3 goldgelbe Äpfel
• 7 cl Armagnac
• 120 g Zucker
• 100 g geschmolzene Butter oder Öl

Zubereitung

• Am Vortag den Teig ansetzen, gut durchkneten und schlagen, über Nacht ruhen lassen, am besten abgedeckt in einer Schüssel oder im Plastikbeutel.

• Ebenfalls am Vortag die Äpfel in schmale Scheiben schneiden, in einer Schüssel in Armagnac wenden und durchziehen lassen.

• Ein sauberes Laken oder ähnlich großes Tuch auf einen mindestens 1,30 Meter langen Tisch legen, mit Mehl bestäuben.

• Den Teig erst ausrollen (Isabelle macht alles mit den Händen, aber mit Nudelholz geht der Anfang leichter), dann mit den Fingerkuppen vorsichtig bis an die Tischkanten ausziehen, ohne dass er Löcher reißt.

• Von den Längsseiten je einmal nach innen falten. Mit der Backform als Maß Quadrate schneiden.

• Die Backform fetten und erste Teiglage hineinlegen, mit etwas Zucker aus der Hand heraus bestreuen und mit Butter (geschmolzen) oder Öl besprenkeln, nächste Teiglage, Butter + Öl, dritte Teiglage ebenso.

• Erst bei der vierten Lage gebt ihr die gewünschte Füllung hinzu. Für die Äpfel-croustade die Apfelspalten am besten nebeneinander legen und die gesamte Form ausfüllen.

• Danach könnt ihr – je nach Belieben – noch eine bis drei Lagen über die Äpfel legen, jeweils gezuckert und gebuttert/geölt. Wer mag, bestreicht die oberste Lage mit Eigelb. Dann wird die croustade schön goldgelb.

• Bei 200 Grad Celsius auf der mittleren Schiene rund 30 Minuten backen, bis die Kruste knusprig und goldgelb ist.

Croustade? Geht auch herzhaft! Foto: Hilke Maunder
Croustade? Geht auch herzhaft! Foto: Hilke Maunder

La Croustade autrement: köstliche Füllungen

Die Apfel-Armagnac-Füllung ist der Klassiker. Doch längst birgt der zarte, knusprig-luftige Kuchen auch andere köstliche Füllungen. Fertigt dazu den Teig nach dem oben beschriebenen Grundrezept und befüllt ihn mit enem neuen Innenleben. Ein paar Ideen!

La Croustade aux Pommes et Prunes

Zutaten

  • 2 Äpfel
  • 6 entkernte Pflaumen oder Zwetschgen
  • 3-4 EL Armagnac
  • 1 EL Zucker

Zubereitung

Die Äpfel schälen, entkernen und dann in sehr dünne Scheiben schneiden. In einer Salatschüssel Apfelscheiben, Pflaumen und Armagnac vermischen und gut durchziehen lassen, dann den Teig damit befüllen.

La Croustade aux pommes et fois gras

Zutaten

  • 3 goldgelbe Äpfel
  • 7 cl Armagnac
  • 120 g Zucker
  • 100 g geschmolzene Butter
  • 1 rohe Foie gras am Stück
  • Fleur de Sel, Pfeffer

Zubereitung

  • Die Äpfel schälen, in feine Scheiben schneiden und im Armagnac mazerieren lassen
  • Aus dem rohen Foie gras in der Pfanne mehrere Scheibe schneiden und kurz bei hoher Hitze von beiden Seiten anbraten. Mit dem ausgelösten Fett die einzelnen Teiglagen der Croustade bestreichen.
  • Erst bei der vierten Lage die Foie-gras-Scnitzel auf dem Teig verteilen, danach die Äpfel. Mit Fleur de Sel und einer Prise Zucker bestreuen, nach Geschmack auch pfeffern.
  • Die Croustade mit der letzten Teiglage verschließen und bei 200 °Celsius auf mittlerer Schiene backen.

La Croustade au bleu et poire

Zutaten

  • 2 Birnen
  • 7 cl Armagnac
  • 1 EL ZUcker
  • 2 Eier
  • 200 g Bleu des Pyrénées
  • nach Belieben: Salz. Pfeffer

Zubereitung

  • Die Birnen schälen und in feine Scheiben schneiden und in einer Schüssel in der Armagnac-Zucker-Mischung gut durchziehen lassen.
  • In einer Schüssel die Eier gut verrühren, dann den Blauschimmelkäse hineinkrümeln.
  • Auf die gebutterte 4. Teiglage der Croustade erst die Birnen verteilen, dann die Käse-Ei-Mischung darauf verstreichen.
  • Die Croustade verschließen und bei 200 °Celsius goldbraun backen

La Croustade aux légumes et canard

Zutaten

  • 120 ml Weißwein (trocken)
  • 250 ml  Sahne
  • 20 g gesalzene Butter
  • 1 Zwiebel
  • 1 Karotte
  • 200 g Kartoffeln
  • 50 g Champignons
  • 120 g Erbsen (tiefgefroren; frisch zuvor blanchieren)
  • 250 g Entenfleisch (alternativ: auch anderes Geflügel wie Huhn oder Gans)
  • Salz und Pfeffer

Zubereitung

  • Die Kartoffeln schälen und in kochendem Salzwasser stichfest kochen, dann würfeln.
  • Die Karotte in dünne Scheiben schneiden, die Zwiebel hacken und mit 20 g gesalzener Butter anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen und kurz einkochen lassen.
  • Das Hähnchenfleisch würfeln, hinzugeben, ebenso die Erbsen.
  • Rund 10 Minuten köcheln lassen, dann die Sahne (1 EL beiseite stellen) hinzugeben, salzen und pfeffern, und einkochen lassen. 
  • Die Kartoffeln hinzugeben und mit der Mischung die Croustade füllen, verschließen und den Teig mit der restlichen Sahne bestreichen.
  • Bei 200 °C im vorgeheizten Backofen auf mittlerer Schiene rund 20 bis 25 Minuten backen.
So könnt ihr die Croustade von Isabelle mit nach Hause nehmen. Foto: Hilke Maunder
So könnt ihr die Croustade von Isabelle mit nach Hause nehmen. Foto: Hilke Maunder

La Croustade: die Infos

La Croustade d’Isabelle

Für das Backen der Croustade habe ich diese Hofbäckerei im Gers besucht:
• Isabelle Ducourneau, Lieu-dit Le Cun, 32230 Courties, Tel. 05 62 70 81 65, mobil 06 38 53 43 50, https://lescroustadesdisabelle.wordpress.com

La Tourtière

Im Département Landes gibt es einen ähnlichen Kuchen. Dort heißt er Tourtière. Wie er dort gefertigt wird – und was zu beachten ist – habe ich bei Nathalie Saint-Genez von der Ferme de Pourrion erfahren. Hier findet ihr das Rezept der Tourtière landaise.

Nathalie Saint-Genix mit ihrer Tourtière landaise. Foto: Hilke Maunder
Nathalie Saint-Genix mit ihrer Tourtière landaise. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Alle Beiträge aus dem Département Gers, der alten Provinz Gascogne, vereint diese Kategorie. Noch mehr Rezepte aus Frankreich gibt es in dieser Kategorie.

Diagonale du Vide: Im Gers grüßen die Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder
Im Gers grüßen die Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Hilke Maunder, Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

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