Im Winter 2019 stand auch mein Dorf Saint-Paul-de-Fenouillet unter Wasser-. Foto: Hilke Maunder

Klimawandel in Frankreich: Probleme & Projekte

Hitzerekorde, golfballgroßer Hagel und Winde, die mit 200 Kilometern pro Stunde über das Land rasen: Den Klimawandel in Frankreich spüren die Franzosen inzwischen hautnah.

Gleich zweimal und kurz hintereinander hieß es im Département Pas-de-Calais im Winter 2023/34 Land unter. Auf Feldern, Straßen und Häusern stand das Wasser wochenlang mitunter meterhoch, und riesige Pumpen saugten die Fluten hinein in Kanäle, die es zum Meer transportierten. Im Winter 2019 waren es die Ostpyrenäen gewesen, in den zahlreiche Orte unter Wasser gestanden hatten. Vier Jahre später  folgte eine Dürrekatastrophe, die im Frühjahr 2023 begann – und noch andauert.

Klimawandel in Frankreich: 2019 kam es zu massiven Überflutungen in den Pyrénées-Orientales, die seit 2023 massiv unter Dürre leiden. Foto: Hilke Maunder
2019 kam es zu massiven Überflutungen in den Pyrénées-Orientales, die seit 2023 massiv unter Dürre leiden. Foto: Hilke Maunder

Immer extremere Wetterlagen sorgen für Schlagzeilen in Europas größtem Flächenstaat, dessen vielfältige Geografie ohnehin schon für mehr Mikroklimata und Wetterphänomene sorgt als in anderen europäischen Ländern.

Weihnachten bei 20 °Celsius, eisige Ostern, erfrorene Ernten und große Dürre: Im Hexagon haben quer durch alle Parteien die Politiker längst erkannt, dass der Klimawandel in Frankreich angekommen ist.

Seit Beginn der Industrialisierung ist in Frankreich die Jahresdurchschnittstemperatur um 1,7 Grad gestiegen – weltweit um 1,1 Grad. 2022 war für das Hexagon das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Und auch das Jahr 2023 war mit einer Durchschnittstemperatur von 14,4 °C das zweitwärmste in Frankreich gemessene Jahr und nur 0,1 °Celsius kühler als das Rekordjahr 2022.

Alle Wetter: la canicule in Paris. Foto: Hilke Maunder
La Canicule in Paris: Während der Sommerhitze sorgen Bodenfontainen im Parc André Citroën für Abkühlung. Foto: Hilke Maunder

Klimawandel in Frankreich: Strategien & Leitlinien

Als Antwort auf die Klimakrise treibt Frankreich den ökologischen Wandel voran. Zentrale Eckpunkte sind dabei diese Punkte.

Umstellung auf Erneuerbare Energien

Ein zentraler Schwerpunkt liegt auf der Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien. Frankreich investiert verstärkt in Wind- und Solarenergie, um den Anteil an sauberem Strom im Energiemix zu erhöhen. Erfahrt hier mehr.

Frankreichs Energiewende: die Erneuerbaren

Grüne Infrastruktur und Nachhaltige Mobilität

Die Förderung nachhaltiger Mobilität ist ein weiterer Eckpfeiler der französischen Klimastrategie. Städte wie Paris setzen verstärkt auf den Ausbau von Fahrradwegen, Elektrofahrzeugen und den öffentlichen Nahverkehr. Zudem werden grüne Dächer und Fassaden in urbanen Gebieten gefördert, um die Umweltauswirkungen der städtischen Infrastruktur zu minimieren. Hier gibt es ausführliche Infos zur Verkehrswende in Frankreich.

Die Verkehrswende in Frankreich

Agroforstwirtschaft und Naturschutz

In der Landwirtschaft setzt Frankreich  vermehrt auf agroforstwirtschaftliche Ansätze, bei denen Bäume und Sträucher in landwirtschaftliche Flächen integriert werden. Noch weiter geht der agroforêt. Da wird der Baum zum Partner von Nutzpflanzen. Auf Frankreichs Tropenisel Réunion rankt sich die Vanille an Palmen empor. Im agroindustriellen Weinanbaugebiet Bordeaux  wächst hier und da schon Wein auf Bäumen.

Dies fördert nicht nur die Biodiversität, sondern verbessert auch die Bodenqualität und reduziert den Bedarf an chemischen Düngemitteln. In sensiblen Ökosystemen, wie den Küstenregionen und Berggebieten, verstärkt Frankreich seine Anstrengungen im Naturschutz besonders intensiv.

Pilotprojekte für Klimaresilienz

Um den Herausforderungen extremer Wetterereignisse zu begegnen, setzt Frankreich diverse Pilotprojekte zur Verbesserung der Klimaresilienz um. Dazu gehören Maßnahmen wie der Ausbau von Hochwasserschutzsystemen, die Renaturierung von Flussufern und die Einführung von Frühwarnsystemen für Naturkatastrophen.

Bereits seit den 1980er-Jahren gibt es in Frankreich  Risikopräventionspläne. Ende 2023 verfügten 14.132 der insgesamt 34.945 Kommunen in Frankreich über einen solchen PPR Plan de prévention des risques naturels (PPRN).

Derartige Präventionspläne gibt es nicht nur für vorhersehbare Naturgefahren, sondern auch für die Verhütung von

  • Waldbränden (Plan de prévention risque incendie de forêt, PPRIF),
  • Hochwasser (Plan de prévention des risques d’inondation, PPRI),
  • Lawinen (Plan de prévention des risques d’avalanches, PPRA),
  • gegen Dürre (Plan de prévention contre la sécheresse, PPRS),
  • für Bergbaurisiken (Plan de prévention des risques miniers, PPRM)
  • vorhersehbare Küstenrisiken (Plan de prévention des risques des littoraux et submersion marine, PPRL)
  • Naturgefahren im Zusammenhang mit dem Boden (Plan de prévention des risques naturels liée au sol)
  • technologische Risiken (Plan de prévention des risques technologiques, PPRT)

Klimawandel in Frankreich: Beim Doppelklicken aufs Bild öffnet sich die Webseite. Copyright: <em>Observatoire des territoires</em>.

Forschung und Bildung

Frankreich investiert ebenfalls erheblich in Forschung und Bildung, um innovative Lösungen für den Klimawandel zu entwickeln. Forschungsinstitute und Universitäten arbeiten an neuen Technologien, nachhaltigen Praktiken und klimaangepassten landwirtschaftlichen Methoden.

Klimakrise in Frankreich:  der Umbau der Städte

Deutlich früher als in Deutschland hat Frankreich mit dem nachhaltigen Umbau der Städte begonnen. Die Ziele: weniger Treibhausgase – weniger Hitze-Inseln und niedrigere sommerliche Temperaturen in den Städten.

Ende September 2023 hat die französische Regierung einen umfangreichen Plan für mehr Klimaschutz vorgestellt. Sie verpflichtet sich dazu, bis 2030 den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken.

Als Antwort auf den Klimawandel in Frankreich werden Innenstädte verkehrsberuhigt, wandeln sich zu Tempo-30-Zonen oder verdrängen Fahrzeuge vollständig. Neue Mobilitätskonzepte erhalten Einzug. Die einst totgeglaubte Tram feiert leise, schnell und niederflurig ihre Renaissance.

Alle Wetter. Insektenhotel in Paris. Foto: Hilke Maunder
Insektenhotel in Paris. Foto: Hilke Maunder

Vorreiter Paris

Grün, smart, sauberer und lebenswert: So soll vor allem auch Paris wieder werden. Dort hat Bürgermeisterin Anne Hidalgo in den Fußstapfen von Bertrand Delanoë den wohl umfassendsten Stadtumbau gestartet, den die Kapitale seit Baron Haussmann erlebt hat.

Verkehrsreiche Plätze wie Nation, République oder Bastille wurden zurückgebaut und begrünt, die Uferschnellstraße autofrei und der autofreie Sonntag ein neues Pariserlebnis.

Paris will Kopenhagen den Rang als Fahrradhauptstadt abnehmen und baut millionenschwer Radwege aus. Neue Metrolinien wie der Grand Paris Express, die Verlängerung der RER, schadstofffreie Busse, Seilbahn, Solartank- und E-Tankstellen und die Förderung von emissionsfreien Mobilitätskonzepten und bessere Vernetzung bestehender Angebote: Paris zeigt, dass Verkehr auch anders funktionieren kann.

Reaktion aufs Wetter und den Klimawandel: Auch die einst verkehrsumtoste Place de la Nation wurde rückgebaut und begrünt. Foto: Hilke Maunder
Auch die einst verkehrsumtoste Place de la Nation wurde rückgebaut und begrünt. Foto: Hilke Maunder

Nachhaltig grün

Der Klimawandel in Frankreich macht Paris auch optisch immer grüner. Das Messegelände an der Porte de Versailles hat auf dem Dach die weltgrößte urbane Farm erhalten. Boulevards wurden rückgebaut, Wohnstraßen verkehrsberuhigt. Steinmauern und Häuserwände wandeln sich zu murs végétaux, grünen Fassaden.

Und wer mag, darf auf städtischem Gelände seinen eigenen Garten anlegen. Einfach das Projekt online einreichen, auf Pestizide verzichten und möglichst nur einheimische Pflanzen verwenden – mehr Auflagen gibt es nicht für urban gardening in Paris.

Schon jetzt zeigen sich erste Erfolge. Die Artenvielfalt steigt, die Luft wird besser, die Temperaturen sinken. Und bei der alljährlichen Sommerhitze, in Frankreich la canicule genannt, können Bürger und Besucher jetzt in den einst dreckigen Kanälen herrlich baden.

La Villette: Badespaß im Kanal. Foto: Hilke Maunder
La Villette: Badespaß im Kanal. Foto: Hilke Maunder

Die Frische von Paris

Auf die sengende Pariser Hitze im Sommer hat die Kapitale eine ungewöhnliche Antwort gefunden: Paris kühlt sich von unten. Dazu wird das Wasser der Seine durch ein 93 Kilometer langes Rohrnetz gepumpt und abgekühlt. 800 Gebäude, darunter Büros, Einkaufszentren und sogar der Louvre, profitieren von der Kühlung. Bis 2042 soll das Netz um 158 Kilometer wachsen und alle Pariser Bezirke abdecken, kündigte Fraîcheur de Paris im April 2022 an.

Hinter dem Unternehmen stehen der Energieversorger ENGIE (85 %) und der Pariser Nahverkehrsbetreiber RATP (15 %). Die Konzession mit einer Laufzeit von 20 Jahren umfasst die Produktion, Speicherung, den Transport und die Verteilung von Kälteenergie in der Stadt. Paris besitzt das größte Fernkühlnetz Europas und das elftgrößte derartige Netz der Welt.

Grüne Wände für besseres Klima

Grün gefärbte Haare sind sein Markenzeichen. Und grün sind auch alle seine Projekte. Patrick Blanc ist Frankreichs Weltstar der grünen Wände.

Seit mehr als 20 Jahren begrünt er Fassaden weltweit. Nach der Fassade des Musée du Quai Branly in Paris hat der Meister der lebendigen Wände auch in Aix-en-Provence gewirkt.

Dort schuf er 2008 für die Brücke Pont Max Juvenal an der Nordfassade auf 650 Quadratmetern einen grünen Mikrokosmos, der die Luft filtert, Sauerstoff produziert, den Kohlendioxidgehalt der Luft senkt – und so das Mikroklima verbessert.

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Die Wand fertigte Patrick Blanc aus einem Leichtmetallgerüst mit aufgeschraubten Hartschaumplatten aus Polyvinylchlorid, auf die Filz aus recycelter Altkleidung als Wasserspeicher und Wurzelbasis kam.

30 bis 35 Pflanzen pro Quadratmeter setzte er hinein und bewässert sie seitdem in einem geschlossenem Kreislauf. Nur ab und an müssen Pflanzen ausgetauscht und ersetzt werden.

Überraschend viele Pflanzen eignen sich für grüne Wände, sagt Patrick Blanc, allen voran Moose, Farne und Soleirolia (Bubikopf). Monsieur verwendet zudem gerne Zwergkoniferen, Zistrose, Sonnenröschen, Nelke, Salbei, Purpurglöckchen, Storchschnabel, japanische Iris und Felsenmispel.

Pro Jahr filtert eine grüne Wand rund 8,8 Kilogramm Feinstaub und 300 Kilogramm Kohlendioxid auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern. Der optische Hingucker hat damit einen veritablen Einfluss aufs Stadtklima und hilft, die Folgen des Klimawandels zu mindern.

Begrünte Fassaden können bei Regen Wasser viel besser aufnehmen als Stadtbäume am Boden. Drahtgeflecht und Filz halten die rund 20.000 Pflanzen der „grünen Lunge“ des neuen Stadtviertels Sextius-Mirabeau, in dem sonst der Stein dominiert.

Die begrünte Fassade der Markthalle von Avignon. Foto: Hilke Maunder
Die begrünte Fassade der Markthalle von Avignon. Foto: Hilke Maunder

Kühlende Wasserwände

Das Stadtklima zu verbessern, ist auch die Aufgabe der Südfassade der Eisenbahnbrücke über die Avenue Max Juvénal von Aix-en-Provence. Für sie entwarf der französische Designer Christian Ghion le mur d’eau.

Die 525 Quadratmeter große Wand an der Südseite der Brücke ist fast 50 Meter breit. Sie besteht aus 185 Paneelen, die bis zu 325 kg pro Stück wiegen. Sie wurden nicht völlig gerade, sondern mit einer Neigung von 3 Prozent auf die Brücke angebracht: Sie sorgt für den Wasserfalleffekt.

Die 15 Meter hohe Wasserwand gehört zu den größten derartigen Wänden in Europa. 50 Kubikmeter Wasser fließen rund um die Uhr, tagein, tagaus, die Fassade hinab, werden aufgefangen und wiederverwendet.

Nachts setzen leistungsstarke LED-Scheinwerfer die Wasserwand in Szene. Was sie bewirkt, zeigt sich besonders im Sommer. Die Wasserwand gleicht Klimaschwankungen aus und verhindert Wärmeinseln. Und sorgt so für weniger Hitze und Staub in der alten Stadt.

700 Quadratmeter groß: die größte Wasserwand Europas. Foto: Hilke Maunder
700 Quadratmeter groß: die größte Wasserwand Europas. Foto: Hilke Maunder

Die Canopée Urbaine von Toulouse

Nicht nur grüne Wände, sondern auch künstliche „Bäume“ können das Stadtklima verändern. Das testete Toulouse in einem Pilotprojekt. Im August 2019 stellte dafür das Pariser Start-up Canopée Urbaine  auf der Place Jean Diébold im Herzen von Saint-Cyprien riesige Blumentöpfe auf, aus denen noch größere Stahlgerüste und Stangen ragten.

Neun schnell wachsende Kletterpflanzen – Akebie, Klematis, Hortensie, Jasmin, Bignone, Hopfen, Rose, Passionsblume und wilder Wein – haben in den drei Töpfen mittlerweile die hellen Gerüste erobert. Gefertigt wurden sie aus Verbundwerkstoffen, die sich in der Luftfahrt bewährt haben: leicht und doch äußerst stabil.

Klimawandel in Frankreich: Die <em>Canopée Urbaine</em> schafft ganz natürlich Schatten. Foto: Hilke Maunder
Klimawandel in Frankreich: Die Canopée Urbaine schafft ganz natürlich Schatten. Foto: Hilke Maunder

Bei der Wahl der Kletterpflanzen verließ sich das Pariser Start-up auf die örtliche Expertise. Agronomie-Studierende der Ingenieurschule aus dem Toulouser Vorort Purpan wählten sie aus. Sie kontrollieren seitdem Wuchs und Wasserverbrauch mit einem Forschungsprojekt zur Canopée Urbaine.

Inzwischen bilden die Pflanzen ein 150 Quadratmeter großes Blätterdach mit vielen Vorteilen für das Stadtklima. Die Canopée Urbaine liefert Schatten, der bislang im Sommer fehlte. Durch Photosynthese und Evotranspiration tragen die Pflanzen zu besserer Luft bei. Sie locken Insekten an und verbessern auch in der Wahrnehmung der Menschen das Ambiente.

Wie sehr schon ein bisschen Schatten das Klima beeinflusst, zeigt sich auf der Place Jean Diébold besonders gut. Der zubetonierte Platz, auf dem kein einziger Grashalm wächst und der Verkehr braust und saust, ist eine der größten Wärmeinseln der Stadt.

Das Pilotprojekt aus Toulouse ist heute in auch in anderen französischen Städten präsent. Auch Perpignan setzt auf die Canopée Urbaine  um sein Stadtklima zu verbessern.

Aspet. Foto: Hilke Maunder
Grüne Wände dieser Art gibt es seit Jahrhunderten in Frankreich. Monsieur wohnt in Aspet einem Haus, das wilder Wein völlig erobert hat. „Das senkt die Heizkosten“, sagt er. Foto: Hilke Maunder

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