
Das französische Renten-System soll reformiert wird. Wie funktioniert es heute? Und welche Renten-Pläne verfolgt die Regierung Macron?
Frankreichs Renten-System heute: die drei Säulen
Das französische Renten-System basiert auf drei Säulen: Grundrente, berufliche Vorsorge und private Vorsorge. Grundrenten und Zusatzrenten basieren wie in Deutschland auf dem Solidaritätsprinzip und werden durch das Umlageverfahren finanziert.
Sprich: Was die arbeitende Bevölkerung erarbeitet, wird an die Rentner ausgezahlt. Viele Berufsgruppen haben ihre eigenen Rentenkassen. Das durchschnittliche Rentenniveau betrug im Jahr 2022 insgesamt 1.509 Euro brutto für 16,9 Millionen Franzosen.
Die Grundrente ( régime de base )
Der französische Staat garantiert jedem Neurentner derzeit eine Mindestrente von 1.100 Euro brutto. Maximal werden 1.800 Euro ausgezahlt. Die Berechnung der Rente erfolgt nach einem sehr komplizierten Schlüssel.
Voraussetzungen für die maximale Grundrente:
• derzeitiges Rentenalter von 62 Jahren ist erreicht.
• Es wurden mindestens 41,5 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt.
• Wer bis 67 Jahre arbeitet, erhält die Maximalrente unabhängig von den Jahren der Beitragszahlungen.
42 Kassen zahlen in Frankreich diese Grundrente aus. Die wichtigste Rentenkasse ist die nationale Rentenkasse (CNAV Caisse Nationale d’Assurance Vieillesse). Sie leistet 85 Prozent der Rentenzahlungen und ist zuständig für Handwerker, Gewerbetreibende und Beschäftigte der Privatwirtschaft.
In Spezialkassen sind rund fünf Prozent der Arbeitnehmenden versichert. Besonders bekannt sind die Rentenkasse der staatlichen Bahngesellschaft SNCF und des Pariser Nahverkehrs RATP. Dort können sich Mitarbeiter bestimmter Berufe bereits mit Anfang/Mitte 50 pensionieren lassen.
Auch bei der Berechnung der Rente gelten Spezialkassen als großzügiger. Diese Privilegien will die von Emmanuel Macron propagierte Rentenreform streichen. Daher erfolgen die Streiks besonders intensiv im Transportwesen.
Zusatzrente ( retraite complémentaire )
Die Grundrente deckt rund 50 Prozent des einstigen beruflichen Einkommens ab. Die Lücke zum tatsächlichen Lebensstandard deckt eine zusätzliche berufliche Vorsorge ab, die erst in den 1970er-Jahren Pflicht wurde.
Allerdings haben seitdem die Frauen im Durchschnitt nur die Hälfte der Zusatzrenten erhalten als Männer. Schuld daran ist die Tatsache, dass Frauen erst langsam in Führungspositionen oder in Angestelltenpositionen mit hohem Einkommen vertreten sind. Das Ungleichgewicht spiegelt das ungleiche Einkommen zwischen Männern und Frauen.
Private Vorsorge ( retraite supplémentaire )
Freiwillig ist die dritte Vorsorge-Säule in Frankreich. Das Vorsorgesparen, bei dem Französinnen und Franzosen auf eigene Initiative hin Geld auf die Seite legen, ist noch nicht sehr verbreitet. Die Rente aus der privaten Vorsorge machen in Frankreich erst drei Prozent der Rentenzahlungen aus.
Wie hoch sind die Renten?
Die DREES Direction de la recherche, des études, de l’évaluation et des statistiques erfasst alljährlich die Höhe und Schwankungen bei den Renten.
2022 erhielten Männer eine durchschnittliche Nettorente von 1.667 Euro. Die durchschnittliche Altersrente von Frauen betrug 1.050 Euro.
6,6 Prozent der Rentner leben unter der Armutsgrenze, die für 2022 auf 1.102 Euro pro Monat festgelegt wurde.
Die Rentenreform von Macron: die Eckpfeiler
Über allen Details steht dieses Ziel: Die derzeit 42 verschiedenen Rentensysteme für verschiedene Berufsgruppen sollen einem einheitlichen Rentensystem weichen.
Einheitliches System ohne berufsspezifischen Privilegien
Dies trifft besonders den öffentlichen Dienst – und dort besonders das Transportwesen. Lokführer, die bislang mit 52 Jahren in Rente gehen können, sollen dies künftig erst mit 60 Jahren tun können. Und damit immer noch zwei Jahre vor dem derzeit gesetzlichen Rentenalter.
Wer in besonders schweren Berufen arbeitet, soll künftig nur noch zwei Jahre vor dem offiziellen Renteneintrittsalter in Rente gehen.
Renteneintrittsalter; 64 Jahre für alle ab Jahrgang 1975
Das neue Renten-System soll für alle Berufstätigen gelten, die 1975 oder später geboren sind. Das Rentenalter soll sukzessive auf 64 Jahre angehoben werden.
Boni und Abschläge
Wer früher in Rente gehen möchte, muss für jedes Jahr einen Abschlag von fünf Prozent hinnehmen. Wer länger arbeitet, erhält einen Bonus von fünf Prozent pro Jahr. Für jedes Kind gibt es ebenfalls einen Bonus: plus fünf Prozent.
Höhere Grundrente
Die Grundrente soll auf 85 Prozent des Mindestlohns angehoben werden und für alle Berufsgruppen gelten. Das soll vor allem den Beschäftigten in der Landwirtschaft helfen, die bislang eine niedrigere Grundrente erhielten.
Beitragsdeckel
Bei den Beitragszahlungen zur Rentenversicherung soll künftig ein Deckel von 120.000 Euro beim Einkommen gelten.
Warum die Reform?
Frankreichs Renten-System drohen wachsende Defizite. Das drohende Finanzloch werde anfangs zehn Milliarden Euro pro Jahr betragen, dann sukzessiv auf 15, dann 20 Milliarden Euro und mehr pro Jahr steigen, so Regierungssprecher Oliver Véran.
Mit der Reform, so Arbeitsministerin Élisabeth Borne, könnten die Rentenkassen im Jahr 2030 ohne Defizit arbeiten und ausgeglichen sein.
Frankreichs Rentenzahlungen betrugen 2020 fast 320 Milliarden Euro für Alters-Renten, Hinterbliebenen-Renten und Mindestaltersrenten. Die Renten betragen 13,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 41 Prozent aller Sozialausgaben.
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Hallo Hilke,
das sind sicher die Kerndaten des Systems, leider lindern sie nicht Diskrepanz, die sich im Vergleich auftut.
Leider gibt der Beitrag kein Beispiel über die konkreten Beitragszahlungen zur Rente. Wie viel % zahlt man in der Pflicht- und Zusatzrente (ist ja auch Pflicht) und wie hoch ist die Rentenauszahlung im Vergleich zum Lohn. Wie hoch ist der Mindestlohn, von dem 85% angepeilt werden sollen? Bestehen die 85% aus Beiträgen der Pflicht- und Zusatzrente?
Ok, für diese Fragen ist dieses Forum hier sicher nicht geeignet. Das System zeigt nur, dass es bis zur kompletten Verschmelzung der EU-Staaten noch ein sehr, sehr weiter Weg ist, wenn es überhaupt dazu kommt.
LG der Micha
Liebe Michael, danke für Deine Anmerkungen! Und ja,es ist noch ein langer Weg, und es stockt ein wenig zu sehr auf diesem Weg. Viele Grüße, Hilke
Hallo liebe Hilke,
vielen herzlichen Dank für diesen sehr informativen und übersichtlichen Artikel!
Endlich alles gut verständlich zusammengefasst – sowas sucht man hier in den französischen Medien ja meist vergebens ;-).
Bonne journée und liebe Grüße aus dem Périgord
Karin
Liebe Karin, merci! Journalismus ist für mich Berichterstattung, keine Meinungsmache – jene hat nur etwas im Kommentar oder im Leitartikel zu suchen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass der Journalismus diese Aufgabe als vierte Macht im Staat immer mehr vernachlässigt. Bises, Hilke