Der unterirdische See der Grotte de Lombrives. Foto: Hilke Maunder
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Grotte de Lombrives: Europas größte Höhle

Deep Time! Diese Expedition hatte die Grotte de Lombrives in aller Welt bekannt gemacht. 40 Tage lang hatten sich 15 Freiwillige in der riesigen Schauhöhle im Département Ariège eingeschlossen. Vom 14. März bis 24. April 2021 leben dort sieben Frauen und acht Männer. Sie waren dort nicht nur von der Welt und der Sonne abgeschnitten, sondern auch von jeglicher Zeit. Die Tage wichen unter Tage Zyklen, gegliedert nach Ruhezeit und Perioden der Aktivität. Jeder fand in der Höhle seinen ganz eigenen Rhythmus.

Leben ohne Zeitgefühl

Die Erforschung des menschlichen Zeitempfindens ist eines der großen Forschungsvorhaben der heutigen Chronobiologie. Wie es beim Fehlen von Orientierungspunkten verloren geht, war eine der Fragen, die der Forscher Christian Clot mit der Deep-Time-Expedition lösen wollte. Ähnliche Untersuchungen hatte schon vor rund 60 Jahren der Franzose Michel Siffre betrieben. 1962 hatte er sich in Italien zwei Monate lang in der Gletscherhöhe Scarasson  isoliert, 1972 erneut in der texanischen Midnight Cave.

205 Tage lang lebte er 30 Meter unter der Erde. Seine Forschung zeigte: In Dunkelheit und vollkommener Isolation nimmt der Mensch einen 48-Stunden-Rhythmus an. 36 Stunden ist er aktiv, 12 Stunden schläft er fest.  Siffre präsentierte der NASA noch ein weiteres Ergebnis: Dunkelheit macht vergesslich. Bis heute beklagt Siffre, der in seiner Heimat Nizza lebt, Gedächtnislücken.

Die Höhle in der Übersicht. Foto: Hilke Maunder
Die Grotte de Lombrives in der Übersicht. Foto: Hilke Maunder

Eine der größten Höhlen Europas

Die Höhle bei Ussat-les-Bains am östlichen Rand des Regionalen Naturparks Pyrénées Ariégeoises ist eine der größten und faszinierendsten Höhlen Europas. Sie befindet sich nicht im Talboden der Ariège, sondern hoch am Hang des Cap de la Lesse-Massivs zwischen den Tälern der Ariège und des Vicdessos.

Die Grotte de Lombrives erstreckt sich auf drei Ebenen. Die unterste Ebene befindet sich in 550 Meter Höhe. Die kleine Zwischenebene auf 600 Meter Höhe dient als Eingangsbereich der Schauhöhle. Die oberste Ebene erstreckt sich auf 650 Metern Höhe. Zahlreiche Schächte verbinden die Ebenen.  Vom Kassenhäuschen rattert ein Minizug 1,4 Kilometer lang den Hang hinauf zum Eingang der Höhle.

Das Kassenhäuschen ist zugleich ein kleiner Laden mit lokalen Erzeugnissen. Foto: Hilke Maunder
Das Kassenhäuschen ist zugleich ein kleiner Laden mit lokalen Erzeugnissen. Foto: Hilke Maunder

Vom Gletscher geformt

„Es war kein Fluss, sondern ein Gletscher, der die 14 Kilometer lange Höhle geformt hat“, sagt Michel Birebent. Der hoch aufgeschossene Franzose führt seit vielen Jahren Besucher durch die Höhle. Und ist dabei immer wieder von ihr so begeistert, dass er – wie die Teilnehmer von Deep Time – dabei völlig das Zeitgefühl verliert.

Wunderwelt im Berg: die Grotte von Lombrives. Foto: Hilke Maunder
Wunderwelt im Berg: die Grotte de Lombrives. Foto: Hilke Maunder

Statt der geplanten zwei Stunden liefen wir fast doppelt so lange durch die riesige Schauhöhle. Sie birgt eine Wunderwelt aus Stein in XXL: mit riesigen Galerien, Stalaktiten, Stalagmiten, Sinterbecken und Sinternestern mit Höhlenperlen, von Kristallkräften gezeugten Excentriques und Calcit-Kristallen. Und einen großen See mit geheimnisvollen Wellen und unvergleichlichen Farben.

Ungewöhnlich ist auch La Carène. 600 Meter lang ist diese grandiose Galerie. Ihre Form ähnelt einem umgedrehten Bootsrumpf.

<em>La Carène</em>. Foto: Hilke Maunder
La Carène nennt sich dieser lange Gang der Grotte de Lombrives. Foto: Hilke Maunder

Konzertsaal unter Tage

Der größte Saal der rund 20 Säle, die bei einer Führung in der Grotte de Lombrives zu sehen sind, ist La Cathédrale– 50 Meter breit, 80 Meter lang und fast 100 Meter hoch ist dieses Kirchenschiff aus Stein. Seine Akustik ist perfekt – und macht La Cathédrale zum beliebten Konzertsaal. „Dieser Saal ist so groß, dass die Pariser Kathedrale Notre-Dame hier hineinpasst“, sagt stolz der Führer.

Der Zugang zu <em>La Cathédrale</em>Foto: Hilke Maunder
Der Zugang zu La Cathédrale, einem gigantischen großen Saal der Grotte de Lombrives. Foto: Hilke Maunder

1929 spielte Pierre Ducis mit dem Orchestre du Capitole aus Toulouse „Fausts Verdamnis“ von Berlioz auf. Spaniens König Alfons XIII. wohnte damals der Aufführung bei. Die imposante Stahltreppe des Kathedralsaals schuf ein Mann, der auch beim Eiffelturm als Ingenieur tätig gewesen war: Raoul Perpère. Ihm begegnete ich erneut im Saal des Teufels.

La CathédraleFoto: Hilke Maunder
La CathédraleFoto: Hilke Maunder

Banditen und Geldfälscher

La Cathédrale war auch ein beliebtes Versteck von Banditen. Im 19. Jahrhundert wollte der Colonel de Beaumont diesem Treiben ein Ende setzen. Er schickte daher Soldaten in die Höhle. Um in den Kathedralsaal zu gelangen, mussten seine Männer jedoch einen sehr engen Durchgang bewältigen und sich zwischen Felsbrocken hindurchzwängen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Dies nutzten die Räuber. Sie warteten mit einer Axt hinter den Steinen und schlugen jedem einzelnen den Kopf ab. Seitdem heißt dieses Wegstück Passage du Crime. Ihre bizarren Felsformationen haben die Fantasie der Menschen seit Jahrtausenden inspiriert. Das sanfte Tröpfeln auf steten Stein hat ein riesiges Mammut geschaffen, eine Hexe entstehen lassen – und Pyrene ein Grab geformt.

Die Legende von Pyrène

Das Grab von Pyrène. Foto: Hilke Maunder
Das Grab von Pyrene. Foto: Hilke Maunder

Pyrene war die Tochter des Königs der Bekryden und wurde von vielen Fürsten umworben. Doch keiner fand Gnade vor ihren Augen, bis eines Sommers Herkules, der Sohn des Zeus, in ihr Reich kam. Herkules wurde als Held empfangen und zu einem üppigen Festmahl eingeladen, bei dem er von seinen Abenteuern berichtete. Pyrene war sofort von diesem außergewöhnlichen Mann begeistert.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Und auch Herkules war dem Charme dieses schönen blonden Mädchens erlegen. Sie beschlossen, ihre Liebe geheim zu halten und genossen zärtlich den Sommer. Als die ersten Gewitter den Herbst ankündigten, wartete Herkules auf einem Felsen auf Pyrene.

Da erregte ein Schwarm Wildgänse, der in Richtung Heimat flog, plötzlich seine Aufmerksamkeit. „Das ist ein Omen, ich muss gehen“, sagte er zu sich selbst. Als Pyrene an ihrem Treffpunkt ankam, merkte sie, dass Herkules fortgegangen war – und begann nach ihm zu suchen.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Unglückliche Liebe

Sie kletterte über Hügel, durchquerte Sümpfe und hielt nur an, um zu trinken und zu weinen. Als ihr klar wurde, dass sie ihn nie einholen würde, legte sie sich schließlich ins Gras. Erschöpft von der Kälte und dem Hunger ließ sie schließlich den Stock fallen, mit dem sie die Wölfe auf Distanz gehalten hatte, und schrie ein letztes Mal aus Trauer.

Als Herkules ihren Schrei hörte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass Pyrene in Gefahr war. Er kehrte um. Nachdem er jeden Winkel des Waldes abgesucht hatte, entdeckte er schließlich den leblosen Körper seiner Geliebten.

Vor Wut und Schmerz legte er den Körper seiner Geliebten auf ein Bett aus Blumen und Blättern und beschloss, ihr ein Grab zu bauen, das ihrer Liebe gerecht werden sollte. Zum Abschied soll er diese Worte gesprochen haben: „Damit dein Name, meine liebe Pyrene, den Menschen für immer erhalten bleibt, sollen diese Berge, in denen du für die Ewigkeit schläfst, die Pyrenäen heißen.“

Foto: Hilke Maunder
Immer wieder überrascht die Höhle mit neuen, bizarren Formen in Stein. Foto: Hilke Maunder

Der Saal des Teufels

Rund drei- bis viermal so groß wie der Kathedralsaal ist die Salle de l’Empire de Satan, die Kammer im Reiches Satans. Jene wird nur bei der großen Höhlentour gezeigt. Vier Kilometer sind es vom Höhleneingang bis dorthin. Ein gähnend großer Schacht öffnet sich dort:  150 Meter tief ist der gouffre de Garrigou.

1927 baute der Ingenieur und Geologe Raoul Perpère (1864–1950) einen Metallsteg über die Grube und baute die grotte de Lombrives als Schauhöhle aus. Er war es auch, der nach dem Bau eines Elektrizitätswerks für elektrisches Licht im Wunderreich aus Stein sorgte.

Zuflucht seit Jahrtausenden

Die Höhle von Lombrives wurde nie offiziell entdeckt, sondern war seit Urzeiten den Menschen bekannt. Bereits die Magdaléniens haben dort um 16.000 v. Chr. ihre Spuren hinterlassen. In der Bronzezeit diente sie als Begräbnisstätte, im Mittelalter den Katharern als sicherer wie heiliger Ort. So soll sie auch dem katharischen Bischof Amiel Aicard nach dem Fall der Burg Montségur im Jahr 1244  Schutz geboten haben. Auch während Religionskriegen und Revolutionen, Weltkriegen und vielen anderen Wirren war Lombrives ein Zufluchtsort.

Das Mammut. Foto: Hilke Maunder
Das Mammut. Foto: Hilke Maunder

Auch davon erzählen die Wände, die mit zahlreichen Unterschriften und rätselhaften Zeichen verziert sind, von denen einige aus dem 12. Jahrhundert stammen. Sie verraten auch, dass König Heinrich IV. 1578 die Höhle besucht haben soll. Auch Hinweise auf Hugenotten, die sich in Lombrives versteckt hatten, geben die Graffiti. 3600 Schriftzüge werden derzeit noch studiert.

Seit Jahrtausenden haben Menschen in der Grotte von Lombrives ihre Zeichen hinterlassen. Foto: Hilke Maunder
Seit Jahrtausenden haben Menschen in der Grotte von Lombrives ihre Zeichen hinterlassen. Foto: Hilke Maunder

Ab 1822 begannen die Ausgrabungen. Sie holten intakte menschliche Schädel, Tierknochen und Töpferwaren aus vergangenen Zeiten aus dem Höhlenboden.

Bei den Erkundungen des Gangsystems fanden die Forscher auch eine Verbindung zur Welterbe-Höhle von Niaux. Diese Verbindung ist heute zum Schutz der prähistorischen Kunst gesperrt.

Foto: Hilke Maunder
Die Wunderwelt der Tropfsteine in der Grotte de Lombrives. Foto: Hilke Maunder

Grotte de Lombrives: meine Reisetipps

Die Höhle

• 09400 Ussat-les-Bains, Tel. 06 49 44 45 00, www.grottedelombrives.com

Kostenloser, unbewachter Parkplatz an der N20. Markierter Weg vorbei an den ehemaligen Thermen und einfachem Toilettenhäuschen hinauf zum Kassenhäuschen mit kleinem Shop. Im Angebot: Lokale Spezialitäten wie Honig, Bier, Seife sowie Kuscheltiere. Verschiedene Höhlentouren; klassischer Rundgang ca. 2 km, 174 Stufen.

Schlemmen und schlafen

Maison Beaucoup

Franck Oberdorff beim Marmelade kochen. Foto: Hilke Maunder
Franck Oberdorff beim Marmelade kochen. Foto: Hilke Maunder

Franck Oberdorff (Jg. 1968) und sein Mann Luc, Modeprof aus Toulouse, haben gemeinsam das einstige Presbyterium (1870) neben der Pfarrkirche Saint-Martial in eine Genuss-Oase verwandelt –mit drei stylish-nostalgischen Gästezimmern und bester Marktküche in zwei kleinen Speisesälen.

Seeteufel-Bäckchen mit Süßkartoffelpürée. Foto: Hilke Maunder
Seeteufel-Bäckchen mit Süßkartoffelpüree und Risotto. Foto: Hilke Maunder
Eines der beiden Speisezimmer. Foto: Hilke Maunder
Eines der beiden Speisezimmer. Foto: Hilke Maunder

In der Küche stellt Franck in Kupferkesseln ganz handwerklich köstliche Konfitüren her!
• 73, Rue Principale, 09310 Les Cabannes, Tel. mobil 06 88 67 16 31, http://beaucoup.fr

Ein Zimmer der Maison Beaucoup Foto: Hilke Maunder
Ein Zimmer der Maison Beaucoup Foto: Hilke Maunder

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Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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