Mas-d’Azil: Bienvenue bei unseren Vorfahren
Von der Montagne du Plantaurel senkt sich die D 119 hinab in das Tal der Arize und taucht 420 Meter lang ein in einen ungewöhnlichen Tunnel: Er führt mitten durch die Höhle Mas-d’Azil. Mit dem eigenen Fahrzeug durch eine prähistorische Höhle sausen – das ist einmalig in Europa!
Nicht minder Erstaunliches förderten ab 1857 die Bauarbeiten der Straße zutage. Um sie anzulegen, mussten Aufschüttungen erfolgen. Dabei entdeckten die Männer von Ponts et Chaussés mehrere archäologische Fundstücke. Ihre Funde lockten die Gelehrten jener Zeit an.
Schädel im Schutt
Unter der Leitung des Abbé Pouech und den Prähistorikern Garrigou und Regnault begannen sie mit ersten Ausgrabungen. Als 1875 die Straße nach einer großen Überschwemmung weggeschwemmt wurde, brachten die Bauarbeiten neue Funde ans Licht: Steinkeile, Schädel, Knochen und eine kunstvoll verzierte Speerschleuder.
In den Jahren 1901 und 1902 entdeckte Abbé Breuil bei zwei Ausgrabungskampagnen die ersten Malereien und Gravuren in der Höhle. Ihm folgte Joseph Mandement, der von 1936 bis 1958 den Zugang zu mehreren Galerien freilegte und weitere prähistorische Darstellungen fand.
Die vielen Funde beflügelten die Forscher. Sie fanden nicht nur Spuren der Azil-Zeit, sondern auch ältere Zeugnisse – vom Aurignacien, vom Solutréen und vom Magdalénien.
Sie sind heute im Musée de Préhistoire du Mas-d’Azil ausgestellt. Es befindet sich im Herzen des Dorfes Mas-d’Azil. Im Höhlen-Tunnel eröffnete 2013 das Centre d’Interprétation de la Grotte du Mas-d’Azil.
Trocken-Höhle in Blau und Lila
Der zu Besichtigung freigegebene Teil der Höhle befindet sich auf der rechten Seite des Arize-Flusses. Dort ist im Karst ein Labyrinth von Gängen und Galerien entstanden. Effektvoll ist es in Lila, Rot und Blau illuminiert.
Diese moderne, immersive Beleuchtung entwarf René Stinville, der auch die Beleuchtung des Triumphbogens von Paris gestaltet hatte. Entlang des gesamten Weges sind Leuchtdioden installiert, die keine Wärme abstrahlen.
Die Höhle von Mas-d’Azil ist eine trockene Höhle. Daher gibt es keine Stalaktiten oder Stalagmiten. Vor der Ankunft der ersten Menschen war die Höhle ein riesiger natürlicher Schutzraum, den zunächst nur die Tiere nutzten. Das verraten die Tierknochen von Wollmammut, Nashorn und Höhlenbär, die in der Grotte du Mas-d’Azil gefunden wurden.
Vier Vorzeit-Kulturen
An der Nahtstelle zwischen den Jägern und Sammlern der Altsteinzeit und den sesshaften Menschen der Jungsteinzeit folgten dann verschiedene Kulturen aufeinander.
Die älteste Kultur ist der Aurignacien (40.000 Jahre v. Chr.). Wie der Solutréen (22.000 – 18.000) nutzte auch er die Höhle nur als kurzzeitigen Lagerplatz. Deutlich länger blieben der Magdalénien (16.000 Jahre v. Chr.) und der Azilien (13.000 bis 9.000 Jahre v. Chr.).
Der Magdalénien hinterließ vor allem Waffen: Harpunen und Steinschleudern, die der Azilien noch verfeinerte und zur bevorzugten Distanzwaffe machte. Mit Liebe zum Detail und großer Kunstfertigkeit wurden zudem Knochen mit Gravuren und Ritzungen verziert.
Typisch für Mas-d’Azil sind auch bunt bemalte Kieselsteine. Ihre Dekoration besteht hier aus roten, meist kreisrunden Farbpunkten – ähnlich, wie sie die Wände der Grotte du Bédeilhac zieren. Ihre Bedeutung ist bis heute ein Geheimnis.
Frankokatabrische Höhlenkunst
Die Menschen lebten und lagerten vor allem auf dem flachen linken Flussufer und nutzten von der Höhle nur die vorderen Bereiche mit Tageslicht. Nur zum Malen zogen sie mit Fettlampen oder Fackeln in hintere Höhlenteile. Bereiche mit prähistorischen Malereien sind für Besuche gesperrt.
Dazu gehören die Galerie Breuil mit Zeichnungen von Bisons, Pferden, Hirschen, Fischen und verschiedenen geometrischen Zeichen, die Galerie du Renne mit Gravuren von Tieren und die Galerie du Four mit der Darstellung eines Pferdehinterteils und eines Gesichts, das auf einer natürlichen Felskontur gezeichnet wurde.
Schutzraum für Verfolgte
Die Galerien verteilen sich auf drei Bereiche. 35 Meter über dem Fluss befindet sich der größte Raum in der Höhle: der Tempelsaal. Im 3. Jahrhundert, wählten die frühen Christen die Salle du temple als Ort des Gebets, an dem sie sich vor der Verfolgung, der sie ausgesetzt waren, sammeln konnten.
Während des Albigenserkreuzzugs fanden die Katharer, während der Religionskriege die Protestanten in der Höhle Zuflucht. 1625 ließ Richelieu die Decke des Tempelsaals sprengen, nachdem die königlichen Truppen bei der Belagerung von Mas-d’Azil zurückgeschlagen worden waren.
Kunstvoll geschmückte Werkzeuge
In der Galerie du Silex, der Feuersteingalerie, wurden eine Speerschleuder mit Vogel-Kitz-Schmuck und ein durchbohrter Stock, der die Vorderseite eines Pferdes darstellt, entdeckt.
Der Mandement-Saal erinnert mit seinem Namen an Joseph Mandement. Der Journalist und Fotograf, der sich für die Vorgeschichte begeisterte, initiierte ab 1937 umfangreiche Ausgrabungen. Er stieß auf ein Labyrinth von Gängen und fand dort den Schädel eines jungen Mädchens aus dem Magdalénien.
Die Galerie aux Ours birgt Dutzende Knochen dieser wilden Tiere, die in den Höhlen der Vorgeschichte lebten. Der Piette-Saal ist nach Edouard Piette benannt. Bei seinen Ausgrabungen entdeckte er zwischen 1887 und 1894 eine neue Kultur aus der Vorgeschichte: die der Azilianer.
Salpeter für Schwarzpulver
Die Höhle hat viele Kulturen und Nutzungen erfahren. Katharer und Hugenotten suchten hier Schutz vor Verfolgungen. Bis zur Französischen Revolution wurde Salpeter abgebaut.
Er wurde zur Herstellung von Schwarzpulver (Schießpulver) verwendet. Lange Zeit zeugten in der Höhle Aschehaufen und gewaschene Erde von der Bedeutung der Salpetersuche. Sie war jahrhundertelang die wichtigste Industrie von Mas-d’Azil, wie es eine königliche Urkunde vom 8. Februar 1585 belegt.
Wertvoller Guano
Im 20. Jahrhunderts wurde in der Höhle ein neuer Reichtum abgebaut: Fledermausguano. Die Höhle war schon immer ein beliebter Zufluchtsort für Fledermäuse, vor allem in den tiefen Gängen am rechten Ufer. Dort bedecken bis heute dicke Schichten von Guano den Boden der Höhlen.
Da Guano ein hervorragender Dünger für Gärten ist, kamen rasch die Einheimischen und sammelten ihn im großen Stil ein. Die Gemeinde musste regulieren. Per Erlass ließ sie nur noch wenige Kilogramm pro Einwohner zu. Noch heute leben Fledermäuse in den tiefen Gängen und Sälen der Höhle.
Während des Krieges 1940 wurde der Schlamm der Arize zur Herstellung von Ersatzseife verwendet. 1942 schließlich wurde die Höhle von Mas-d’Azil unter Denkmalschutz gestellt. Doch noch immer wird sie erforscht. Welche Geheimnisse wird sie noch preisgeben?
Mas-d’Azil: meine Reise-Infos
Grotte de Mas-d’Azil
D119, Avenue de la Grotte, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 61 05 10 10, www.sites-touristiques-ariege.fr/grotte-du-mas-dazil
Der Eintritt für die Höhle schließt den Besuch des prähistorischen Museums von Le Mas-d’Azil mit ein.
Musée de la Préhistoire
• 5, Place de l’Église, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 61 05 10 10, www.sites-touristiques-ariege.fr/grotte-du-mas-dazil
Kunsthandwerkerdorf
Atelier de Poterie Céramique Laurence Thomas
8, Avenue de la Grotte, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 61 68 24 72, www.ceramiquelaurencethomas.fr
Les souffleurs de l’Arize
Kylian Pradier ist 21 Jahre alt, arbeitet seit sechs Jahren als Glasbläser bei Mas-d‘Azil. Gekonnt taucht er der Materie Leben voller Sinnlichkeit und Farbe ein. Faszinierend!
• 578-579, D119, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 61 69 71 27
Schlemmen & genießen
La Terrasse du Mas
Köstlich-frische Hausmannskost in rustikal-gemütlichem Ambiente; gelegentlich Konzerte!
• 4, place du Champ de Mars, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 34 01 79 17, www.facebook.com/laterrassedumas
Pizzeria du Mas-d’Azil
Beliebter Dorftreff mit ordentlichen Pizze und bunt gemischten Salaten, alles auch zum Mitnehmen.
• 10, Grande Route, 09290 Le Mas-d’Azil, Tel. 05 61 69 72 72, www.facebook.com
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