Das Schloss von Nyer. Foto: Hilke Maunder
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Postkarte aus … Nyer

Prochain arrêt: Nyer !  Klein ist sie, die vierte Station, in der der train jaune nach Verlassen der Welterbe-Festungsstadt Villefranche hält. 663 Meter hoch liegt sie, versteckt am Ende eines engen Waldtals, zu dem nur eine Stichstraße führt.

Würzig ist die Luft, geprägt vom Duft der Tannen ringsum. Eng drängen sich die Häuser um die romanische Kirche des Dorfes. 150 Einwohner leben in Nyer dauerhaft, 25 davon im Altenheim der Association Joseph Sauvy im einstigen Schloss.

Residenz der Renaissance

Das Château de Nyer gehört zu den wenigen Schlössern im Renaissancestil im Département Pyrénées-Orientales und wurde Ende des 15. Jahrhunderts erbaut. Damals war das gesamte Nyer-Tal ein vom Conflent unabhängiges Gebiet.

Nach häufigen Machtkämpfen fiel das Gebiet von Nyer Ende des 16. Jahrhunderts an Thomas de Banyuls. Als Herrscher der Nyerros, der oberen Kantons, führte dieser damals Feldzüge gegen die Cadells, die Herrscher der unteren Kantone.

Frühlings-Stillleben an der Ribera de Mentet. Foto: Hilke Maunder
Frühlings-Stillleben an der Ribera de Mentet. Foto: Hilke Maunder

In der Nähe von Prades, genauer gesagt in Catllar, kam es sogar zu Kämpfen mit den königlichen Truppen. Er verlor, wurde verbannt und schloss sich Italien an.

Hart umkämpfter Landstrich

Doch die Kämpfe um Nyer gingen weiter, lag es doch dicht an der Grenze zu Spanien, dem Roussillon und zu Frankreich. Erst mit dem Pyrenäenvertrag vom 7. November 1659 kehrte Frieden ein.

Der Kirchplatz von Nyer. Foto: Hilke Maunder
Der Kirchplatz von Nyer. Foto: Hilke Maunder

Nach der Französischen Revolution ging der Großteil des Besitzes der Banyuls an Roger de Prades und später an die Brüder Escanyé über, die auch die Eisenminen von Escaro ausbeuteten.

Diese verkauften im Jahr 1854 ihren Besitz von 2500 Hektar an Hippolyte Dussard, der sogar einen Bewässerungskanal in den Bergen anlegen ließ, der 1855 eröffnet wurde.

Die Kirche von Nyer. Foto: Hilke Maunder
Die Kirche von Nyer. Foto: Hilke Maunder

Die beiden châteaux von Nyer

Heute wiegen sich hohe Palmen vor der sandfarbenen Fassade des Château de Nyer, das die Küche des EHPAD auch für ein öffentliches Restaurant nutzt. Es serviert im Speisesaal oder auf der Terrasse mittags ein jahreszeitlich angepasstes Menü zum Festpreis.

Das mittelalterliche château von Nyer thronte früher einige Kilometer entfernt auf dem Gipfel einer Felskuppe: die Burg von La Roca d’Anyer. Auf den Fundamenten der einstigen Festung aus dem 10. Jahrhundert wurde die Chapelle de la Roca errichtet. Wanderwege führen dorthin.

Das alte Zentrum von Nyer. Foto: Hilke Maunder
Das alte Zentrum von Nyer. Foto: Hilke Maunder

Das Herz des alten Nyer ist noch sehr ursprünglich. Seine Häuser sind nicht herausgeputzt, sondern zeigen Patina. Einige sind renoviert, andere verfallen. Doch alle öffentlichen Bauten wie auch der Brunnen sind gut gepflegt.

Wanderrunde mit Bergbau-Erbe

Häuserschmuck in Nyer. Foto: Hilke Maunder
Häuserschmuck in Nyer. Foto: Hilke Maunder

In Nyer wurde jahrhundertelang Eisenerz abgebaut. Im Ort beginnt ein Wanderweg auf den Spuren des Bergbaus. Die GRP Tour des Réserves Catalanes verläuft zunächst entlang des Correc de la Truilla. Steil geht es bergauf. Auf den ersten zwei Kilometern legt ihr den gesamten Höhenunterschied der Wanderung zurück.

Weiter geht es in Richtung Pas del Grau. Am Col de la Llosa auf 1131 Metern Höhe leben hin und wieder Squatter in einem verlassenen Bergarbeiterhaus. Von der Passhöhe eröffnen sich weite Blicke auf das Tal der Têt mit dem Dorf Canaveilles auf der gegenüberliegenden Seite.

Dann ist auch schon die einstige Escoums-Mine erreicht. Die Kommune Nyer hat dort Infotafeln aufgestellt, die erklären, wie einst dort gearbeitet wurde. Der Hingucker ist ein runder metallener Rundturm: der Ofen von Escoums.

In Nyer erinnert dieses Wandbild an die Mine von Escoums. Foto: Hilke Maunder
In Nyer erinnert dieses Wandbild an die Mine von Escoums. Foto: Hilke Maunder

Der Ofen von Escoums

Darin wurde ab 1910 das von Gangarten befreite Erz von der Société d’exploitation minière des Pyrénées geschmolzen. Mit Loren wurde es über ein 3,3 Kilometer langes Hochkabel zum Bahnhof von Joncet befördert.

Mehr über den einzigartigen Ofen könnt ihr im Musée de la Mine von Escaro erfahren. Der Verein Mémoire de la mine, der das Museum betreibt, organisiert auch Wanderungen auf den Spuren des Bergbaus.

Von der Mine führt der markierte lokale Rundwanderweg als kleiner Pfad durch den Wald an mehreren Stolleneingängen vorbei und mündet in den Weg nach Escaro – der Blick auf den Canigou und den Pic de Tres Estelles ist traumhaft!

Silberdisteln sind Barometer der Natur. Ihre Hüllblätter sind hygroskopisch und schließen sich bei feuchter Luft. Foto: Hilke Maunder
Silberdisteln sind Barometer der Natur. Ihre Hüllblätter sind hygroskopisch und schließen sich bei feuchter Luft. Foto: Hilke Maunder

Eisen und Flussspat

In Escaro wurde Jahrhunderte lang Eisenerz abgebaut. Die Industrialisierung jedoch machte die Minen unrentabel.

Auf dem Pla de Gante wurde um 1955  Flussspat abgebaut. Das Vorkommen galt als das größte Frankreich. An jene Zeit erinnern noch Kabel-Pylone, große Räder und Loren. 1991 schloss der Tagebau.

Der Blick auf Nyer. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Nyer. Foto: Hilke Maunder

Alte Dörfer und grandiose Ausblicke

Nach diesen Einblicken in die lokale Bergbaugeschichte ist Souanyas mit seiner Église Sainte-Eugénie und alten Steinhäusern das nächste Ziel.

Im Weiler Marians eröffnen sich hinter der Chapelle Saint-Fructueux schöne Blicke auf das Tal von Évol und das Naturschutzgebiet von Nohèdes.

Von Marians geht es zurück nach Nyer, das schon bald am Eingang seiner tiefen Schlucht auftaucht. An seinem Schloss endet die Wanderung nach 12,6 Kilometern und 600 Höhenmetern.

Das Dorf umfließt die Ribera de Mentet. Foto: Hilke Maunder
Das Dorf umfließt die Ribera de Mentet. Foto: Hilke Maunder

Das Naturschutzgebiet von Nyer

Nyer hat zahlreiche wundervolle Wanderungen zu bieten – besonders in seiner Réserve Naturelle Régionale. 220 Hektar groß erstreckt sich das Naturschutzgebiet zwischen 730 Metern Höhe und dem 2.663 Meter hohen Gipfel des Pic de Serra Gallinera.

Wälder und Wiesen, Heide und Almen prägen seinen Lebensraum, dessen Flora allein 750 verschiedene Arten birgt. Die Fauna ist nicht weniger vielfältig mit Wildkatzen, Rehen, Gämsen, Bartgeiern und Uhus.

Und dem Pyrenäen-Desman, einer gut 20 Zentimeter langen Maulwurfrasse, die wegen ihrer besonderen Schnauze auch Trompetenratte genannt wird.

Nyer, auf den ersten Blick ein kleines, unscheinbares Dorf am Ende eines engen Tales, ist nach mehreren Besuchen für mich ein authentisches Kleinod der Pyrénées-Orientales.

Im frühen Sommer sind sie reif: die Aprilkosen von Nyer. Foto: Hilke Maunder
Im frühen Sommer sind sie reif: die Aprilkosen von Nyer. Foto: Hilke Maunder

Nyer: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Château de Nyer

Wechselndes Tagesmenü mit klassisch französischer Hausmannskost – im Sommer auf der Terrasse.
• Rue de la Mairie, 66360 Nyer, Tel. 04 68 96 50 35

Hier könnt ihr schlafen*

 

Weiterlesen

Im Blog

Alle meine Beiträge aus den Pyrénées-Orientales findest Du in dieser Kategorie.

Die schönsten Dörfer der Ostpyrenäen habe ich in diesem Beitrag vorgestellt.

Im Buch

Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt an den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen.

50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Hilke Maunder, Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

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