
Sie ist die größte Stadt des Départements Ariège, Geburtsort von Gabriel Fauré, trägt den Beinamen „Stadt der drei Glocken“: Pamiers.
Dennoch ist Pamiers vielen nur als Auf- und Abfahrt der N20 von Toulouse nach Foix bekannt. Schade eigentlich, denn die 17.000-Einwohner-Stadt lohnt einen Besuch.

Besonders am Sonnabend, wenn unter den bunt aufgespannten Regenschirmen der Place de la Republique die Markthändler Tomaten und Gurken in allen Formen und Farben, Knoblauch, Melonen und andere Genüsse der Region verkaufen.
Käsehändler reichen Schaf-, Ziegen- und Kuhkäse der nahe Pyrenäen zum Probieren. Schlachter verführen mit Kostproben hausgemachter Hartwürste mit Hirsch, Pilzen oder Nüsse die Sinne.
Der Duft der Grillhähnchen flirtet mit den Aromen der riesigen Paella-Pfanne. Von den umliegenden Terrassencafés aus wird das bunte Treiben unter den Platanen genussvoll betrachtet und kommentiert.
1111: Was für ein Jahr der Stadtgründung!
Vor mehr als 900 Jahren gründete Roger II. Pamiers am Ufer der Ariège. Viele Jahrhundert lang war Pamiers die dauernde Rivalin von Foix, das kleiner, aber mächtiger war.
Bis heute ist Pamiers das wirtschaftliche Zentrum des Départements.Gerbereien, Färbereien und Mühlen nutzten einst das Wasser der Ariège. Davon zeugen bis heute die Kanäle.
Seit 1817, mehr als 200 Jahren stellt Aubert & Duval in Pamiers Stahl her. Sein Hüttenwerk ist der größte Arbeitgeber vor Ort. Es fertigt Schmiedeteile aus Spezialstahl, Titanlegierungen und Superlegierungen für die Luftfahrt und den Energiemarkt.
Doch wie eine Industriestadt wirkt Pamiers nicht. Im Gegenteil. Viele Straßen und Plätze schmücken Bäume. Gemütliche Behäbigkeit und gediegene Nostalgie dominieren. Pflichtsehenswürdigkeiten gibt es nicht. Umso schöner kann man sich treiben lassen, und kommt dabei vorbei an gleich drei Kirchen.

Stadt der drei Kirchen
Eine ist seit der Revolution säkularisiert als Schule, die zweite ein Musterbeispiel Toulouser Backsteingotik. Wehrhaft, wie eine Schutzmauer des Glaubens, ragt das Westwerk der Église Notre-Dame du Camp zwischen Fachwerk und Putz in einer engen Gasse auf. Hoch und karg ist die Fassade, die zwei Türme flankieren.

Richtig rausgeputzt hat sich nur die Cathédrale Saint-Antonin. Wehrhaft wirkt das Gotteshaus, das in August beim Stadtfest Rollercoaster, Geisterbahnen und Wurfbuden umgeben. Ihr achteckiger Turm erinnert ein wenig an Pisa, so schief ragt er in den Himmel.

Trio der Türme
Zu den Türmen im Stadtbild gesellt sich – einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt – die Tour de Nerviaux. Etwas weiter vervollständigen die Tour de la Monnaie und die Tour des Cordeliers das Stadtbild. Ein echter ziviler Prunkbau ist das Lycée du Castéla.

Das Erbe von Gabriel Fauré
Wenig weiter findet ihr gegenüber der Mairie den Aufgang zu einem kleinen Park mit uraltem Baumbestand. Am Standort des einstigen Kastells eröffnet er schöne Ausblicke auf Pamiers und sein Umland. Im Freilichttheater (théâtre de verdure) könnt ihr im Sommer Open-Air-Konzerte erleben.

Eine eine kleine Büste erinnert an den großen Sohn der Stadt: Gabriel Fauré (12. Mai 1845 – 4. November 1925). Er studierte bei Camille Saint-Saëns an der École Niedermeyer, unterrichte am Pariser Conservatoire Maurice Ravel und Nadia Boulanger, und prägte als Lehrer und Komponist entscheidend die französische Musik.

Seit 1995 feiert das Festival Musiques au Pays de Gabriel Fauré den berühmtesten Musiker. Bei den Klassik-Konzerten im Mai-Juni und September-Oktober könnt ihr an den Orten, an denen der berühmte Komponist lebte, große Künstler und junge Talente entdecken. Das Festival endet im Oktober mit einem internationalen Klavierwettbewerb unter der Leitung von Jean-Philippe Collard.
Der Friedhof der Vogelscheuchen
Wandert oder radelt bis zur ehemaligen Abbaye de Cailloup mit dem Mas-Vieux Saint-Antonin. Die kleine Kirche aus dem Jahr der Stadtgründung wurde während der Religionskriege zerstört und anschließen 200 Jahre lang als Bauernhof genutzt. Während der Nazizeit verstecken hier die Einheimischen Juden.
Heute findet ihr an und vor der Klosterkirche ein wahres Unikum: den weltweit einzigen Friedhof von épouvantails, Vogelscheuchen! Fast zwei Dutzend von ihnen schmücken die Kirche und die Felder.

Wildbaden in der Ariège
Die Kirche und ihr Friedhof sind heute ein beliebtes Ausflugsziel im Naherholungsgebiet. Gleich hinter der Kapelle biegt linkerhand ein Trampelpfad ab zum Ufer der Ariège.
Nach wenigen Minuten erreicht ihr die schönste Wildbade-Stelle von Pamiers: mit Kieselstrand, mehr als zwei Meter tiefen Fluten zum richtigen Schwimmen und erfrischendem Wildwasser, das über Steine sprudelt.

Pamiers: meine Reisetipps
Schlemmen
Les Bains Douches
Christophe Cazalis und seine Partnerin Béatrice haben 2008 an einem kleinen Kanal ein Restaurant mit großer, überdachter Terrasse übernommen und es in eine Genussadresse verwandelt, die mit klarer, moderner Regionalküche überzeugt.
• Rue Rempart du Touronc, 09100 Pamiers, Tel. 05 61 69 78 27, http://restaurant-lesbainsdouches.fr


Le Saint-Clair
In dem einfachen Ecklokal mit Terrasse und grundsolider Küche steht immer wieder mal Live-Musik auf dem Programm. Treten lokale Amateurgruppen auf, ist die Stimmung besonders gut.
• 56, Rue Victor Hugo, 09100 Pamiers, Tel. 05 81 30 50 63, www.facebook.com
Schlafen*
Booking.com

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