Sant’Antonino: schönstes Adlernest der Balagne
Sant’Antonino sei Korsikas ältestes Dorf, behaupten die Einheimischen. Doch zu den schönsten der Insel gehört das Adlernest in rund 500 Metern Höhe sicherlich. Es wurde daher auch in den erlauchten Kreis der schönsten Dörfer Frankreichs aufgenommen.
„Wir dürfen daher auch nicht Souvenirshops, zu viele Lokale oder andere touristische Einrichtungen im Dorf haben“, erzählte mir mein Guide beim Mittagessen im Restaurant La Voûte. Sant’Antonino wurde wahrscheinlich im 9. Jahrhundert durch den legendären römischen Grafen Ugo Colonna gegründet. Diese Sage verknüpft das Dorf mit Korsikas frühesten christlichen und feudalen Strukturen.
Von der Terrasse des Lokals eröffnen sich weite Ausblicke über die Balagne vom Meer bis zu den höchsten Bergspitzen im Landesinnern von Korsika. „Alles, was den typischen Charakter von Sant’Antonino verändert, ist verboten.“

Zeitreise ins Mittelalter
Sant’Antonino hat daher sein historisches Erbe so bewahrt, dass die Zeitreise ins Mittelalter mühelos gelingt. Wir laufen über Kopfsteingassen vorbei an Natursteinhäusern, vor denen es – selbst jetzt noch im Herbst – grünt und blüht. Kompakte, wie ein kleines Labyrinth, sind die rund 75 aneinander gelehnten Steinhäusern des Dorfes direkt an den Felsen gebaut – perfekt für die Verteidigung und schwierig bei Angriffen. Fast alle Gebäude bestehen aus lokalem Granit, viele mit gewölbten Durchgängen und engen, steilen Treppengassen. Das komplette Dorf ist autofrei; alle Wege erfolgen hier zu Fuß.
Kein totes Museum
Jedes Haus scheint bewohnt, ist nicht verriegelt, verlassen oder ein Zweitwohnsitz. Auch darauf achtete Étienne Marcelli, der seit 1995 der engagierte Bürgermeister des wehrhaften Dorfes mit seinen 93 Einwohnern gewesen war. Im August 2016 ist er im Alter von 72 Jahren verschieden. Sein Nachfolger führt sein Erbe fort.

Durch überdachte Gänge und schmale Gassen schlendern wir hinauf zum Belvedere beim einstigen Verteidigungsturm, das einen 360-Grad-Rundblick eröffnet über die Plaine d’Aregno bis zum Massiv von Monte Grosso. Der Turm ist der letzte Überrest einer Burganlage, die heute nur noch als Ruine erhalten ist. Der Weitblick über die Balagnbe begeistert seit Jahrzehnten Künstler, Schriftsteller und Fotografen. 2005 malte Paul-Louis Recco S, das Dorf, 2011 verewigte Francis Jalibert Sant Antonino – Corse“ (2011) das Dorf in Öl. Adelheid Smitt griff zur Kamera, fotografierte Sant Antonino und veröffentlichte ihre stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen als Wandbilder und Poster.
Kirchen & Kapellen
Auf dem kleinen Platz vor der Chapelle Sainte-Anne et des Bergers im Herzen des Dorfes warten einige Männer darauf, ihr Boulespiel zu beginnen. Den Zugang zur kleinen Lavasina-Kapelle, nur wenige Schritte höher gelegen, schmückt ein sorgfältig gelegtes Muster aus Flusskieseln. Beim Schlendern durch das Dorf kommen wir an einer weiteren Kapelle vorbei, der Chapelle Sainte-Anne.
Mit dem Maulesel durch die Gassen
Plötzlich hören wir ein lautes Schnauben, dann einen lauten Eselsruf. Auf dem Rücken des Grautiers reitet ein Kind. Die Promenade à dos de l’âne ist für den Nachwuchs offensichtlich ein Heidenspaß.
Geritten werden kann allerdings nur nachmittags ab 15 Uhr. Tagsüber ist der Aufstieg zum höchsten Punkt des Dorfes auch für die Esel, die behände über das steinige Pflaster laufen, zu anstrengend.
Zitronensaft oder Wein?
Direkt am Ortseingang, direkt am zentralen Besucher-Parkplatz neben der Église de l’Annonciation mit Wurzeln im 11. Jahrhundert und Bauteilen aus dem 17. Jahrhundert., hat Weinbauer Olivier Antonini eine Handvoll Tische und Stühle vor den Keller und Verkaufsraum seines Clos Antonini gestellt.
Ausgeschenkt werden nicht nur hauseigene Tropfen in Rot und Rosé, sondern auch frischer Trauben- und Zitronensaft, pur oder gemixt. Wer mag, bestellt noch Eis, Wasser oder Zucker dazu.
Die frischen Zitronen – alle bio –verarbeiten Olivier, seine Mutter Monique und sein Vater Pierre-Louis auch zu Konfitüren: ein köstliches Mitbringsel, das daheim Erinnerungen an den Urlaub weckt.
Meine Reisetipps: Sant’Antonino
Schlemmen
La Voûte
Korsische Traditionsküche mit Pep – und besten Ausblicken von der Terrasse. Top-Service!
• Tel. 04 95 61 74 71, im Dorf, 20220 Sant’Antonino, www.la-voute-sant-antonino.fr
Clos Antonini
Frischer Zitronen- und Traubensaft, pur, mit Wasser verdünnt oder beides gemixt, ferner Wein, Mandeln, Olivenöl und Konfitüren aus eigener Herstellung; im Sommer Terrasse, im Winter und bei schlechtem Wetter lange Holztische für die Pause und Jause.
• Tel. 06 09 58 94 01, www.gustidicorsica.com
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Ihre persönlichen Erfahrungen machen den Reiz dieses Bandes der insgesamt sehr zu empfehlenden Taschenbuchreihe im Piper-Verlag aus. Jenny Hoch hat sie hintergründig wie humorvoll zu Papier gebracht. Dazu noch ein paar Daten und Fakten: ein perfekter Einstieg, um sich mit der Insel zu beschäftigen. Besser kann keine Reiseplanung beginnen! Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.
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Marcus X. Schmid: Korsika*
Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und doch mitunter sehr unterhaltsam und humorvoll.
Ich kann seinen Führer aus ganzem Herzen empfehlen – er hat mich auf allen Erkundigungen nie im Stich gelassen und mir oft schöne, neue, unbekannte und überraschende Ecken gezeigt.
Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, hat in Basel, Erlangen und im damaligen Westberlin Germanistik, Komparatistik und Politologie studiert und lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Ebenfalls im Michael-Müller-Verlag sind von Schmid die Reiseführer „Bretagne“ und „Südfrankreich“ erschienen sowie Führer zu italienischen Destinationen. Wer mag, kann den Reiseführer hier* online bestellen.
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Der Nachbar-Händler sieht das erstaunte Gesicht und hält ein Holzbrett hin: “ Goûtez !“ Lasst euch mit meinem Baedeker Korsika* an Orte wie diesen (ver)führen. Genussmomente und einzigartige Erlebnisse: Sie machen den Band besonders. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
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