Der Eingang zum Suquet des Artistes von Cannes
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Suquet des Artistes: Kunst im Leichenlager

Das älteste Viertel von Cannes hat sich ganz unbemerkt zum Mini-Montmartre gewandelt. Im einstigen Leichenlager Hôtel Saint-Dizier wohnen und arbeiten seit dem Jahr 2015 vier ganz unterschiedliche südfranzösische Künstler. Am Wochenende öffnen sie ihre Ateliers: bienvenue im Suquet des Artistes.

Cannes, Suquet des Artistes: Stencils von Olivia Paroldi am Zugang. Foto: Hilke Maunder
Olivia Paroldi hat den Zugang zu den Ateliers mit stencils geschmückt. Foto: Hilke Maunder

Seit den 1950er-Jahren waren die Gänge und Säle im Keller des städtischen Krankenhauses verwaist gewesen. Schließlich nahm Cannes 500.000 Euro in die Hand und verwandelte das Areal in drei Künstlerateliers mit einer Gesamtfläche von 334 Quadratmetern. Weitere 800.000 Euro investierte Cannes in Ausstellungsräume mit zusätzlichen 523 Quadratmetern Fläche.

Cannes, Suquet des Artistes: Frau im Aufzug nach Einkauf: ein Stencil von Olivia Paroldi. Foto: Hilke Maunder
Der Aufzug in den Leichenkeller. Ein stencil von Olivia Paroldi macht auch ihn zum Objekt ihrer Kunst. Foto: Hilke Maunder

Bei meinem Besuch waren dort Arbeiten von Olivia Paroldi ausgestellt, die ebenfalls dort arbeitet, aber anders als das Männertrio Olivier Domin (genannt Oll), Gregory Berben und Richard Ferri-Pisani nicht dort auch wohnt.

Die Ateliers des Suquet des Artistes

Olivia Paroldi

Cannes, Suquet des Artistes. Olivia Paroldi erklärt ihre Stencils. Foto: Hilke Maunder
Olivia Paroldi erklärt ihre Stencils. Foto: Hilke Maunder

Kinder im Exil und multinationale Wurzeln von Familien sind die Themen, die Olivia Paroldi zu ihren Linolschnitten und Holzdrucken inspirieren. Kinder wie ihre Tochter, mit serbischem Vater und französischer Mutter. Die wiederum Wurzeln aus Italien und anderen Staaten in sich trägt.

Ihre hauchdünnen Drucke in klaren Farben klebt sie auf farbig bemalte Holzplatten oder neutrale Leinwand auf, verziert damit den einstigen Leichenfahrstuhl oder Fassaden, wo sie als vergängliche Kunstwerke den öffentlichen Raum schmücken – wie auch einen kleinen Platz im Cannoiser Altstadtviertel Le Suquet.

Grégory Berben

Cannes, Suquet des Artistes: Gregory Berben in seinem Atelier. Foto: Hilke Maunder
Gregory Berben in seinem Atelier. Foto: Hilke Maunder

Vom Sportler zum Künstler: Die Karriere von Gregory Berben ist so ungewöhnlich wie seine Street-Art und Pop Art. Bis 2009 dreht sich in seinem Leben alles um Tennis, heute um Collagen.

Gefertigt werden sie mit Acrylfarbe, Kleber und alten Plakaten, die er in den Straßen von Cannes einsammelt und auf breiten Regalen, auf denen einst die Leichen lagert, in seinem Fundus lagert.

Cannes, Suquet des Artistes. Gregory Berben. So Nice. Foto: Hilke Maunder
So Nice – eine Arbeit von Gregory Berben. Foto: Hilke Maunder

Das, was eigentlich vergänglich ist, wird so von Gregory bewahrt. Ein Konzept, das auch der einstigen Inhaberin des Hôtel Négresco von Cannes gefiel. Jeanne Augier wurde Patin des jungen Künstlers, der als einziger Kreativer des Suquet des Artistes keine solide künstlerische Ausbildung erhalten, sondern alles durch Üben und Probieren gelernt hat.

Cannes, Suquet des Artistes. Iggy Pop von Gregory Berben. Foto: Hilke Maunder
Iggy Pop von Gregory Berben. Foto: Hilke Maunder

Inspiriert wird Gregory nicht nur vom US-amerikanischen Lifestyle mit Stars wie Iggy Pop und den grellen tags der Street Art, sondern auch von seiner unmittelbaren Umgebung. So hat der gebürtige Cannois inzwischen auch eine monochrome Serie dem Thema „Ozean“ gewidmet.

Olivier Domin (Oll)

„Olivier ist ein echter Künstler. Termine sind nicht so seine Sache …“, sagt mir die Führerin etwas ratlos, als wir im Suquet des Artistes vor der verschlossenen Ateliertür ihres Lieblingskünstlers stehen. Facebook verrät, dass er vermutlich in Monaco war, um seine neue Ausstellung aufzubauen.

So vermitteln nur die drei Arbeiten im Flur einen Eindruck vom Schaffen des Künstlers, der aus Narbonne nach Cannes kam, von Egon Schiele, Andy Warhol und Hervé Di Rosa aus Sète gleichermaßen beeinflusst wurde.

Heute spürt er den dunklen Seiten der Seele und religiösen Fragen nach. Damit trifft er den Zeitnerv. Das zeigt die Resonanz auf Ausstellungen in den Vereinigten Staaten, Japan, Russland, Luxemburg und Frankreich, wo ihr seine Werke in Galerien findet.

Richard Ferri-Pisani

Cannes, Suquet des Artistes. Richard Ferri-Pisani öffnet die Tür zu seinem Atelier. Foto: Hilke Maunder
Auch Richard Ferri-Pisani öffnet die Tür zu seinem Atelier. Foto: Hilke Maunder

Heiße Öfen, Sex und Stars: Plakativ, knallbunt und oft mit viel Humor schmückt die Pop-Art von Richard Ferri-Pisani die Wände seines Ateliers. Auf Tischen und Kommoden türmen sich Objekte und Skulpturen, die er früher einmal geschaffen hat.

Was für ein kreatives Kaleidoskop: mobile Träume in Bronze, Masken aus Holz und Stroh, und Recyclingkunst stapeln sich in Regalen, hängen an Wänden und baumeln umher.

Cannes, Suquet des Artistes. Richard Ferri-Pisani zwischen seinen Werken. Foto: Hilke Maunder
Richard Ferri-Pisani inmitten seiner Kunst. Foto: Hilke Maunder

Hinzu kommen Kreationen, die es lieben, Genre- und Technikgrenzen zu transzendieren. Derzeit erstellt er vor allem Collagen, in die er historische Fotos, Reproduktionen bekannter Kunstwerke und anderes nostalgisches Flair integriert.

Cannes, Suquet des Artistes. Richard Ferri-Pisani, Werk. Foto: Hilke Maunder
Rasantes Werk von Richard Ferri-Pisani. Foto: Hilke Maunder

Richard, Jahrgang 1959, begann seine kreative Laufbahn in Nizza, wo er Ende der 1970er-Jahre das Handwerk der Kunsttischlerei lernte und ausübte. Mehr als zehn Jahre lang – doch dann war der Drang, eigene Kunstwerke zu schaffen, größer.

Richard, der mit Leidenschaft auf alten Motorrädern über die Rennstrecken saust, entwickelte einen rasanten Schaffensdrang. Erste Ausstellungen zeigen ab 1988 sein Werk, das nicht unter einen Hut, ein Konzept, einen künstlerischen Ausdruck zu packen ist.

Cannes, Suquet des Artistes. Foto: Hilke Maunder
Die Katze von Richard. Foto: Hilke Maunder

Suquet des Artistes: die Info

7, rue Saint-Dizier, 06400 Cannes, Tel. 04 97 06 44 90, www.facebook.com/Le-Suquet-des-Artistes-Cannes, www.cannes.com; geöffnet: Sa./So. 10-13, 14-18 Uhr

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2 Kommentare

  1. Ein wirklich guter Bericht aus meiner alten Heimat. Vielen Dank.

    1. Merci! Am 10.4. kommt noch einmal etwas aus Cannes – Vorschläge für ein Wochenende dort. Wenn Du noch Tipps hast, nur her damit 😉

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