Postkarte aus … Autun in Burgund
Lange haben mich die dunklen Wälder des Morvan, die das Granitmassiv des Burgunds bedecken, begleitet. Doch dann erreicht die kleine, kurvige Landstraße die Wiesen und Weiden im weiten Tal des Arroux, und am Horizont ragen Kirchtürme und Hausfassaden auf.
Der Verkehr wird dichter. Kreisel weichen Ampeln. Entlang eines baumbestandenen Boulevards erreiche ich einen Platz, der viel zu groß scheint für die kleine Stadt: das Champs de Mars von Autun.
Prachtbauten wie das Rathaus und das Lycée Bonaparte flankieren die weitere Pflasterfläche. Etwas versteckt an der Südseite öffnet sich die Passage Couvert.
Für drei Millionen Euro ließen die Stadtväter den weiten Platz bis 2020 sanieren. Seitdem hat Autun als „Tor zum Morvan“ ein noch schöneres Entrée.
Was es dort zu entdecken gibt? Gallo-römische Ursprünge, mächtige romanische Bauwerke und typisch burgundische Lebensart. Los geht’s!
Römische Antike
An der Rhône das mächtige Lyon, am Ärmelkanal der Seehafen Boulogne-sur-Mer. Was fehlte, war ein Drehkreuz für die Handelsströme im Burgund. Im Jahr 10 v. Chr. gründete Kaiser Augustus daher sein Augustodunum an der Fernhandelsstraße Via Agrippa und dem Fluss Arroux und ließ es prachtvoll ausbauen. Das antike Theater gehört mit einem Durchmesser von 148 Metern und Platz für 20.000 Zuschauern zu den größten der Welt.
Jeden Sommer wird dort die gallo-römische Geschichte der Stadt inszeniert – mit Druidenzauber, Wagenrennen und römischen Legionären; spätabends auch mehrmals mit einer imposanten Ton-Licht-Schau. Seit 2013 wird ein zweites römisches Theater ausgegraben.
An die Blütezeit unter den Römern erinnern auch zwei Stadttore, die Pyramide de Couhard, ein Grabmal aus dem 1. Jahrhundert, und die Reste eines stark lädierten Janus-Tempels aus dem 2. Jahrhundert. Und auch die mittelalterliche Stadtmauer fußt auf antiken Fundamenten.
Einst sechs Kilometer lang und mit 54 Türmen gesichert, sind heute noch 23 Türme erhalten. Von den einst vier Haupttoren stehen noch das Doppelportal Porte d’Arroux im Nordwesten und die Porte Saint-André im Nordosten, die Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert restaurierte.
Wer jenseits der Stadtmauer hinausschaut, merkt: Über die antiken Ausmaße (200 ha) ist das einstige Rom Galliens bis heute nur wenig herausgewachsen.
Zurück am Champs de Mars, schaut mal auf den Frontgiebel des Rathauses. Roma celtica, soror et aemula Romae, steht dort der Leitspruch von Autun, das sich als „Schwester und Rivalin Roms“ verstand.
Romanische Steinmetzkunst
Über die belebte Rue aux Cordiers mit ihren Cafés, Bars und Boutiquen zum Champs de Mars kommt ihr zur Kathedrale Saint-Lazare. Dort hat der genialste Bildhauer des 12. Jahrhunderts, Gislebertus, sein Jüngstes Gericht hinterlassen.
Die Qual der Verdammten und das Glück derer, die ins Paradies dürfen: Mit welcher Akribie und fast besessener Detailtreue der Meister im Mittelalter am Tympanon in Stein gemeißelt hat, ist bis heute unglaublich beeindruckend.
Für das Nordportal der Kathedrale schuf Gislebertus den ersten weiblichen Akt des Mittelalters. Eva – mit nackter Brust schmückt sie das Flachrelief des Sündenfalls.
Heute gehört seine Skulptur zu den Schätzen des nahen Musée Rolin. Im ehemaligen Stadtpalais der Familie Rolin zeigt es heute Fundstücke der gallo-römischen Zeit und frühchristlichen Epoche.
Richtig humorvoll ist die Darstellung der drei Weisen im Kapitelsaal der Kathedrale. Gemütlich kuscheln die Heiligen drei Könige unter der Decke. Vom Erzengel Gabriel, der einen von ihnen anstupst und ihnen etwas verkünden will, lassen sie sich im Schlaf nicht stören.
Auch die Geburt Jesu wird auf einem anderen romanischen Kapitell im Kirchenschiff der Kathedrale anders als gewohnt erzählt. Nach Stall sieht die Herberge nicht aus. Maria liegt gemütlich im Bett, und zwei Hebammen kümmern sich um das neu geborene Kind.
Auf der länglichen Place du Terreau zwischen Kathedrale und Museum gastiert sonntags des Öfteren ein Flohmarkt. Da er sich vor allem an Touristen wendet, sind Schnäppchen dort eher sehr selten.
Die findet ihr eher im Fabrikverkauf von TOLIX, wo es auch den Designklassiker Chaise A von Xavier Pauchard gibt (s. Reisetipps).
Autun: meine Reisetipps
Schlemmen
Brasserie L’Augusto
Direkt am Champs de Mars findet ihr dieses opulent dekorierte Café. Ein Hingucker mit einem sehr sympathischen Wirt!
• 30, rue du Champs de Mars, 71400 Autun, Tel. 09 85 15 09 21, mobil 06 60 62 94 85
Le Monde de Don Cabillaud
Keine Lust mehr auf burgundische Küche? In diesem kleinen Restaurant nahe der Kathedrale kommt vor allem Fisch auf den Tisch, wild gefangen oder aus Bio-Zucht, aber immer frisch aus der Bretagne. Lachs-Carpaccio, Risotto mit noix de pétoncle (Jakobsmuscheln), Königsdorade oder Kabeljau mit Algenbutter … lecker!
• 4, rue des Bancs, 71400 Autun, Tel. 03 85 82 48 30
Shopping
Wochenmarkt
Freitag auf dem Champs de Mars, Montag und Freitag beim Rathaus.
La Manufacture
Etwas außerhalb der Innenstadt hat der französische Möbelhersteller TOLIX im Dezember 2016 seinen ersten Fabrikverkauf geöffnet. Kennt ihr nicht? Sein A genannter Stuhl ist eine Designikone und sogar in Sammlungen des MoMa (Museum of Modern Art New York) und des Pariser Centre Pompidou vertreten.
Auch auf der Brücke des legendären Schiffes Le Normandie waren einst seine Stühle zu finden! TOLIX beschäftigt in Autun rund 80 Mitarbeiter. Rund die Hälfte des Umsatzes von jährlich acht Millionen Euro werden im Export erzielt.
• Parc d’activités Saint Andoche, 18, bd Bernard Giberstein, Tel. 03 73 71 00 05, https://tolix.com
Aktiv
Große Morvan-Durchquerung
Ein dichtes Wegenetz für Wanderer und Radfahrer durchzieht die dunklen Wälder des Morvan. Die markierte MTB-Route Grande Traversée Massif Central (GTM) führt von Avallon (Yonne) über Saulieu (Côte-d’Or) nach Autun (Saône-et-Loire).
137 Kilometer Fahrspaß, Steigungen und Abfahrten locken. Unterwegs könnt ihr an sieben Waschstationen euer Gefährt säubern. Wer noch nicht genug hat, kann der insgesamt 1400 Kilometer langen MTB-Route weiter bis ans Mittelmeer folgen.
Schlafen
Hôtel de la Tête Noire
Familiäres, bodenständiges Hotel der Hotel-Kooperation Logis de France mit grundsoliden Zimmern und leckerer burgundischer Traditionsküche.
• 3, Rue de l’Arquebuse, 71400 Autun, Tel. 03 85 86 59 99, www.hoteltetenoire.com
La Maison Saint-Barbe
Gleich neben der Kathedrale findet ihr bei Marie-Luce Lequime im alten Sitz der Kanoniker vier geräumige Gästezimmer, die das Ambiente von einst geschickt mit dem Komfort von heute vereinen.
• 7, Place Sainte-Barbe, 71400 Autun, Tel. 03 85 86 24 77, https://maisonsaintebarbe.fr
Noch mehr Betten*
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Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
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Dieser Bericht lockt mich nach Frankreich. Kann ab ich auch mit einem Wohnmobil dort verweilen?
Ja, schau mal hier: https://www.autun-tourisme.com/de/unterkunft/wohnmobilstellplatze. Viele Grüße, Hilke
Oh, wie schön, in Autun war ich das letzte Mal 1984 auf Klassenfahrt – ich glaub, ich muss da mal wieder hin 🙂
Ja!!!!
danke für die Tipps, Ulli!