Wetter-Phänomene: Regenbogen über Caudiès. Foto: Hilke Maunder
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Frankreichs Wetter-Phänomene

Frankreich ist geografisch ungeheuer vielfältig, was dem Land beeindruckende Wetter-Phänomene beschert. Einige sind erst mit dem Klimawandel entstanden. Andere prägen seit Jahrtausenden Leben und Alltag im Land. Voilà ein Blick aufs Wetterjahr in Frankreich.

Frankreichs Wetter-Phänomene im Jahreslauf

Paris-Moskau

Für Morgenfrost und besonders niedrige Temperaturen sorgt ein Phänomen, das erst seit einigen Jahren in Frankreich auftritt. Paris-Moscou wird es genannt, das Paris-Moskau-Phänomen. Dabei handelt es sich um ein Hochdruckgebiet, das sich im Winter über den Britischen Inseln positioniert und die feuchtigkeitsbringende Westströmung vertreibt. Statt der sonst üblichen starken Regenfälle im Winter gibt es Bibberwinde aus dem Osten: eine trockene, kontinentale Strömung  aus Sibirien und Skandinavien. Dieser Paris-Moskau-Wind ist extrem eisig – und kehrt alle drei bis vier Jahre zurück.

La Drache

In den Vogesen könnt ihr auf das Wetter-Phänomen La Drache stoßen, eine bunte Lichterscheinung am Himmel. Diese Erscheinung wird durch Reflexionen des Sonnenlichts an Eiskristallen in der Luft verursacht und kann zu beeindruckenden Farbverläufen führen, die den Himmel in ein faszinierendes Spektakel verwandeln.

Les Giboulées de Mars

Da denkt man: Der Winter ist geschafft. Und dann kommen sie: die Giboulées de Mars. Kurze wie heftige Schauer, die von ebenso kurzen wie heftigen Winden begleitet werden. Nicht nur im März, sondern bis Ende April treten diese Niederschläge auf. Und meist im Mix.

Regen mischt sich mit Hagel, paart sich mit Schneeflocken, eisigem Graupel oder feuchtem Schnee, begleitet von Sonnenschein. Es ist eine Art Wetterkapriole, die den Übergang vom Winter zum Frühling markiert und die Natur zum Erblühen bringt.

Grands Chevaliers (Cavaliers du froid) & Saints de Glace

Ende April bis Mitte Mai regieren in Frankreich Ritter und Heilige das Wetter. Mit ihnen kann der Winter noch einmal zurückkehren, weiß der Volksmund dank alter Bauernregeln.

Gelées de Saint-Georges, Saint-Marc, Saint-Robert,
Récoltes à l’envers.

Entre Saint-Georges et Saint-Marc,
Est un jour d’hiver en retard.

Den Auftakt der Kälteperiode Ende April machen fünf Heilige.  Als Cavaliers du froid stehen die Heiligen Georges, Marc, Robert, Philippe (oder Colinet) mit den Tagen  23., 25., 29. April bzw. 1. Mai in vielen französischen Kalendern. Mitunter werden da auch noch Vital, Eutrope und Jean-Porte-Latine aufgeführt. Ihre Namenstage liegen auf dem  28., 30. April und 6. Mai.

Berühmter als die Cavaliers du froid, die Kavaliere der Kälte, sind die Eisheiligen, die Saints de Glace. In Frankreich heißen sie Saint-Mamert, Saint-Pancrace und Saint-Servais und lassen das Land am 11., 12. und 13. Mai frösteln. Früher gehörten auch noch Saint-Boniface (14. Mai) und Saint-Urbain (25. Mai) zu den Eisheiligen. Sie spielen heute keine Rolle mehr.

Les Saints-Servais, Pancrace, Mamert,
Font à eux trois un petit hiver.

La Canicule

Alle Wetter: la canicule in Paris. Foto: Hilke Maunder
La Canicule in Paris: Im Parc André Citroën sorgen im Sommer Bodenfontainen für Abkühlung. Foto: Hilke Maunder

Pünktlich zu den Sommerferien kommt sie: la canicule – die Hundehitze. Nach mitunter oft noch kalten, sehr verregneten Frühlingstagen schießen alljährlich Ende Juni / Anfang Juli die Temperaturen plötzlich in die Höhe, und das Land flirrt in der Hitze. 2003 war la canicule erstmals besonder sintensiv und heiß.

Auf 44,1 Grad war damals  im August 2003 in den beiden Orten Saint-Christol-lès-Alès (Gard) und Conqueyrac (Gard) das Thermometer geklettert. Doch das war nichts gegen 2019. Am 28. Juni brach Gallargue-le-Montueux (Gard) den Allzeit-Hitzerekord: 45,8 Grad – das hatte Frankreich noch nie erlebt.

Zehn Jahre später der Sommer 2023 nicht nur im Juli, sondern auch im August la canicule. Zwei Monate lang schwitzte Frankreich. Vom 17. bis 24. August erlebt Frankreich seine 47. Hitzewelle seit 1947. Mit einer Dauer von acht Tagen war es landesweit die längste späte Hitzewelle und die intensivste, insbesondere in den Regionen Provence-Alpes-Côte d’Azur und Okzitanien.

Nun war la canicule vorbei, dachte das Land. Und erlebte im September 2023 die nächste heiße Welle. Der 4. September 2023  war der heißeste Tag im September seit 1949. An diesem ersten Tag der Woche wurden in ganz Frankreich fast 200 Hitzerekorde gebrochen. Die höchste Temperatur erlebte La Trimouille (Vienne) mit 39,3°C im Schatten.

La Villette: Badespaß im Kanal. Foto: Hilke Maunder
La Villette: Badespaß im Kanal. Foto: Hilke Maunder

Auch in Paris kletterten die Temperaturen auf weit über 40 °Celsius. Savoyen meldete in 1.500 Metern Höhe noch 32 °Celsius. Météo France zeigte für 20 Départements die Wetterwarnstufe „rot“ an. Der Zugverkehr wurde reduziert, schadstoffreiche Fahrzeuge erhielten Fahrverbot.

Das Bewässern von landwirtschaftlichen Flächen wurde auf die frühen Morgenstunden eingeschränkt und schließlich ganz untersagt. Autowäsche und Wasserwechsel im Pool waren ebenfalls verboten. Bis in den Winter hinein galten die Einschränkungen und Auflagen beim Wasserkonsum. Selbst im Dezember  2023 waren die Stauseen noch lange nicht wieder gut gefüllt. 13 Meter tiefer als normal lag der Wasserspiel am Lac de Serre-Ponçon in den französischen Alpen, einem der größten Trinkwasserspeicher Frankreichs.

Les orages

Auch Gewitter (orages) sind in Frankreich keine Seltenheit. Insbesondere während der Sommermonate können heftige Gewitter auftreten, begleitet von Blitz und Donner, starken Regenfällen und manchmal sogar Hagel. Diese Gewitter können lokal begrenzt sein, aber auch weite Gebiete erfassen und zu Überflutungen führen.

Dann erlebt Benjamin Porée Glücksgefühle. Der junge Mann aus Nantes im Département Loire-Atlantique ist ein chausseur d’orages: Er jagt mit seiner Kamera Gewitter. 50.000 Kilometer legt er jedes Jahr in  Frankreich und jenseits dessen Grenzen zurück, um seiner Leidenschaft zu frönen und die Schönheit von Blitzen und Stürmen aufs Bild zu bannen.  Auf Facebook und Instagram zeigt er seine schönsten Aufnahmen.

L’épisode méditerranéen

Frühling: Der Agly bei Cases-de-Pène während einer "épisode méditerraneen".
Frühling: Der Agly bei Cases-de-Pène während eines épisode méditerraneen. Foto: Hilke Maunder

Die herbstlich-winterliche Regenzeit nach der Sommerhitze ist in Südfrankreich Wetteralltag. L’épisode méditerranéen nennen die Einheimischen die Herbststürme und Unwetter, die gegen Mitte Oktober einsetzen könne , ihren Höhepunkt meist Mitte Januar haben und bis Ende Februar andauern können.

Zwischen Nizza und Cerbère an der Grenze zu Spanien öffnet der Himmel dann alle Schleusen. Mehr als 200 Liter pro Quadratmeter fallen auf die ausgedörrte Erde in nur 24 Stunden. Was nicht ins Erdreich einsickern oder nicht von Flüssen und Bächen, Seen, Teichen und dem Meer aufgefangen wird, sucht sich seinen eigenen Weg.

Gorges de Galamus: Nach einer "épisode méditerraneen" rauschen in der Schlucht die Wasserfälle, und der Agly gebiert sich als Wildwasser. Foto: Hilke Maunder
Nach einem épisode méditerranéen rauschen in den Gorges de Galamus die Wasserfälle, und der Agly gebiert sich als Wildwasser. Foto: Hilke Maunder

Überflutungen, Schlammlawinen, Erdrutsche – ausgelöst vom warmen Meer, dessen warme, feuchte Luft aufsteigt und auf die kalten Hänge der Alpen, Cevennen und Pyrenäen stößt.

Das Wasser kondensiert und entlädt sich. Früher, als natürliche Abflüsse noch nicht bebaut oder kanalisiert waren, der Klimawandel noch nicht spürbar, fielen diese mediterranen Episoden weniger stark aus. Doch seit der Jahrtausendwende werden sie jedes Jahr intensiver, stärker und zerstörerischer – das zeigt auch das Département Var.

Klimawandel in Frankreich: 2019 kam es zu massiven Überflutungen in den Pyrénées-Orientales, die seit 2023 massiv unter Dürre leiden. Foto: Hilke Maunder
2019 kam es zu massiven Überflutungen in den Pyrénées-Orientales, die seit 2023 massiv unter Dürre leiden. Foto: Hilke Maunder

Und auch bei uns in Saint-Paul-de-Fenouillet zeigte das Wetter 2019, was es drauf hatte. Meteo France warnte vigilance orange und einmal sogar rouge: Bleiben Sie am besten zu Hause. Der Strom fiel kurzfristig aus, SFR hatte Leitungsprobleme. Eis und Frost kamen zu uns ins Tal. Wilde Winde mit bis zu 139 km/h stürmten ums Haus. Das Gebälk krachte, der Hahn schwieg. Und Bäche, sonst trockene Rinnsale, gebärdeten sich wie reißende Ströme.

Sie drängten gegen befestigte Ufer und bannten sich, wo sie noch unverbaut waren, zwischen Büschen und Sträuchern den Weg. Ich erlebte meine erste épisode méditterranée. DieGorges de Galamus, sonst ein windig-heißes Schluchtenland mit Felschaos für Kletterer, verwandelten sich in ein grünes Wasserreich mit tosenden Kaskaden, die zu Tal stürzten, und wild tanzendem Wildwasser. Was im Sommer an Regen fehlt: In diesem Frühling kamn er reichlich. Und zum letzten Mal. Seit 2020 sorgt die Dürre im Département 66 für Schlagzeilen.

Der Trinkwasserstausee Lac de Caramany im April 2023. Foto: Hilke Maunder
Der Trinkwasserstausee Lac de Caramany im April 2023. Foto: Hilke Maunder

Lépisode cévenol

In den Bergen der Cevennen kann es ebenfalls, lokal begrenzt, zu intensiven und lang anhaltenden Regenfällen kommen. Auch diese épisodes cévenols sorgen für Überschwemmungen – und sind beispielsweise schuld daran, dass Nîmes seit der Antike einen Kampf gegen das Wasser führt.

Nach den schrecklichen Überschwemmungen vom 3. Oktober 1988 startete Nîmes ein ehrgeiziges Hochwasserprogramm. Es schützt nicht nur die Stadt, sondern auch die im Süden liegenden Gemeinden vor den Folgen starker Regenfällen

Nîmes: Universitaire Hoche. Foto Hilke Maunder
Blick über den Wasserablaufgraben auf das Ökoquartier Hôche von Nîmes. Foto: Hilke Maunder

Windige Gesellen

La Brise Marine

Entlang der französischen Küstenregionen ist die Brise Marine (Meeresbrise) ein häufiges Phänomen. Tagsüber erwärmt sich das Land schneller als das Meer, was zu einem Temperaturunterschied führt. Die kühlere Meeresluft strömt dann landeinwärts, wodurch eine angenehme Brise entsteht, die vor allem in den Sommermonaten für Erfrischung sorgt.

Deutlich mehr Wind bläst rund 200 Tage im Jahr an einem Abschnitt der Languedoc-Küste. In vier Sprachen warnen zwischen Montpellier und Perpignan an der Autobahn A 9 große Schilder Lastwagen- und Wohnmobilfahrer: „Achtung, starker Seitenwind, langsam fahren!“

Pinien und Zedern biegen sich unter den Böen, die Ginsterbüsche knospen nur in Lee, karg und steinig präsentiert sich die Languedoc-Küste bis an die étangs. Die starken Winde machen Leucate zum Mekka der Wind- und Speedsurfer.

La Tramontane & Le Mistral: Kalt und trocken

165 Tage im Jahr bahnt sich kalt und trocken La Tramontane den Weg durch das hügelige Hinterland der Corbières und Cevennen. Als böiger, heftiger Fallwind aus dem Nordwesten vertreibt er die Badegäste und begeistert die Surfer.

Die restlichen 200 Tage sind Strand und Meer indes ein mediterranes Kuschelrevier. Der Wind war 1999 auch Titel und Thema einer Mini-Serie von Henri Helman, die in Tuchan gedreht wurde.

Ebenfalls ein eiskalter Fallwind, der den Himmel blank fegt, ist der Mistral. Mit bis zu 130 km/h bläst er durch das Rhônetal und über die Provence. Wolken, die wie Linsen oder Mandeln am blauen Himmel hängen, verraten die Ankunft des Bibberwindes.

Alle Wetter: der Tramontane bei Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder
Die Tramontane bei Saint-Paul-de-Fenouillet. Foto: Hilke Maunder

Le Foehn: warm und klar

Der Föhn ist für Bayern, Österreich und der Schweiz bestens bekannt – und auch ein Frankreich ein lokales Wetter-Phänomen. Es lässt sich dort in den Vogesen, im Zentralmassiv mit der Chaîne des Puys und der Limagne-Ebene, in den Cevennen und sogar mit den korsischen Bergen zu beobachten.

Doch am eindrucksvollsten könnt ihr le foehn in den Pyrenäen erleben. Am 29. Februar ließ der warme Südwind in Saint-Girons (Ariège) an einem Wintermorgen die Temperaturen von 15 °Celsius um 9 Uhr früh  31,2 ° Celsius mittags um 12 Uhr ansteigen. Diese spektakulären Temperaturanstiege sind im Winter und Frühling in den Grenzbergen zu Spanien oftmals für große Lawinenabgänge verantwortlich.

Le Vent d’Autan & Le Marin: Warm und feucht

In genau entgegengesetzter Richtung bläst der Vent d’Autan, ein warm-feuchter Ostwind vom Mittelmeer. Auch Le Marin genannt, treibt er die Windräder des Pyrenäenvorlandes an. Eine alte Bauernregel besagt, dass es nach diesem Wind immer zu regnen beginnt. Auch sind die Einheimischen überzeugt: C’est le vent qui peut rendre fou – dieser Wind kann einen verrückt machen.

Doch ob Ost- oder Westwind: eines ist ihnen gemein. Ihre Windgeschwindigkeiten erreichen Spitzenwerte von weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde. Im Februar 2017 erreichten die Böen, die durch Saint-Paul-de-Fenouillet fegten, sogar 139 km/h! Da warnte Météo France: Vigilance Orange. Bleibt daheim! Die Surfer an der Küste indes freuten sich. Die Lagunenseen von Leucate gehören zu den besten Speedsurfing-Revieren der Welt.

Voilà meine Übersicht der Wetter-Phänomene in Frankreich. Welche kennt ihr noch – oder habt ihr schon selbst erlebt? Ich freue mich über eure Infos, Tipps oder Erlebnisse in den Kommentaren. Merci!

Spielplatz der Surfer und Kite-Surfer: der Étang de Leucate. Foto: Hilke Maunder
Spielplatz der Surfer und Kite-Surfer: der Étang de Leucate. Foto: Hilke Maunder

Wetter-Phänomene & Klimawandel: Recherche-Tools

Google Scholar– Eine digitale Bibliothek speziell für Studien und akademische Dokumente (und Gerichtsberichte in den Vereinigten Staaten).
Google Public Data Explorer – Eine digitale Bibliothek mit Zugriff auf ausschließlich öffentliche Zahlen und Daten, die es ermöglicht, visualisierte Daten anzuzeigen und zu integrieren.
Google DataSet Search findet Datensätze überall auf der Welt.

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Dürre in Frankreich (vorher/nachher; erstellt mit Flourish)
​● Hypernews-Ressourcen mit redaktionellen Formaten für die Klimaberichterstattung

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