Der Marktplatz von Revel mit seiner alten Markthalle. Foto: Hilke Maunder
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Revel: Bastide an der „Quelle“ des Canal du Midi

Dort, wo die Ebene des Lauragais in die Montagne Noire übergeht, ließ Philippe VI. von Valois am 8. Juni 1342 auf königlichen Erlass im Herzen der Forêt de Vauré ein gefestigtes Städtchen erbauen, das zu den schönsten Bastiden im Süden Frankreichs gehört: Revel.

Dicke Mauern umgaben die neue Siedlung. 1355 wurde sogar ein breiter Wassergraben um das befestigte Dorf gezogen, um es vor Plünderungen zu schützen. Heute verläuft hier der Ringboulevard, der die Altstadt umschließt. Straßen mit Fachwerkbauten und schmucken Stadthäusern aus Stein führen hin zum Herzen der Bastide, der Place Philippe VI de Valois.

Schmuck: der Eingang eines Stadtpalais in Revel. Foto: Hilke Maunder
Schmuck: der Eingang eines Stadtpalais in Revel. Foto: Hilke Maunder

Georges Artemoff

Auf dem Weg zum Herz der Bastide kommt auch ihr sicherlich an einer Plakette vorbei, die verrät, dass Georges Artemoff in Revel gelebt hat. Georges Artemoff wurde 1892 in Urjupinsk im Herzen des Kosakengebiets geboren. Von 1906 bis 1912 studierte er zunächst Malerei in Rostow, dann Malerei, Bildhauerei und Architektur in Moskau. 1913 erhielt er ein Stipendium.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Nun konnte er sich endlich den Wunsch erfüllen, in Paris die berühmtesten Maler seiner Zeit zu treffen: Picasso, Juan Gris, Modigliani und Soutine. Sein Landsmann Zadkine nahm ihn bei sich auf. Der Zweite Weltkrieg zwang ihn zum Exil.

Er flüchtete in den Südwesten Frankreichs, versteckte sich am Fuße der Montagne Noire in Sorèze und schließlich in Revel, wo er 1965 im Alter von 73 Jahren verstarb. Sein Werk ist in den Museen von Lavaur und Castres zu sehen. In Sète präsentiert das Paul-Valéry-Museum sein Gemälde Petite pêcheur de Bouzigues ou tête de jeune pêcheur (1958).

Die gute Stube von Revel

300 Meter lang säumen Arkaden, bekrönt von Fachwerk und Putz in Gelb, Ocker und Pink, den quadratischen Platz. In der Maison Maury im Westen des Platzes lebte von 1648 bis 1660 der Erbauer des Canal du Midi, Pierre-Paul Riquet. Über den Tondächern der Stadthäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert ragt der Turm der Pfarrkirche Notre-Dame-des-Grâce auf.

Das Innere der Pfarrkirche von Revel. Foto: Hilke Maunder
Das Innere der Pfarrkirche von Revel. Foto: Hilke Maunder

Der Arkadenplatz ist die gute Stube der Stadt. Das ganze Jahr hindurch ist er jeden Sonnabend Bühne für einen großen Wochenmarkt. Er ist als einer der 100 schönsten Märkte Frankreichs klassifiziert und bringt viele lokale Erzeuger zusammen. Dicht drängen sich ihre Stände in der mit 1500 Quadratmetern größten Markthalle Frankreichs und unter freiem Himmel auf dem Kopfsteinpflaster.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Frankreich größte offene Markthalle

Kürbisse, Rüben und Tomaten stapeln sich bei den Gemüsebauern in vielen Farben und Formen, Blattsalate von glatt bis kraus, von grün bis rot, und viele alte Sorten, die heute wieder sehr gefragt sind. Nicht nur aus dem Lauragais, sondern auch aus näher oder weiter entfernten Nachbarregionen kommen die Produzenten am Samstag nach Revel. Mit dabei sind Schlachter mit Schinken und Hartwürsten aus dem Aveyron, Käsemacher aus der Auvergne und Foie-Gras-Manufakturen aus dem Gers.

Jeden Sonnabend ist Marktzeit in der Bastide Revel. Foto: Hilke Maunder
Jeden Sonnabend ist Marktzeit in der Bastide Revel. Foto: Hilke Maunder

Das Dach der Markthalle ruht auf 79 Eichenpfählen. In ihrer Mitte entstand im 14. Jahrhundert das Haus des Konsuls samt Wachstube und Gefängnis. Heute birgt es das Fremdenverkehrsamt. Sein Wachtturm wurde im 19. Jahrhundert zum Glockenturm umgebaut. Ortsvorsteher und Ausrufer wohnten dort bis 1965. Heute ist dieser beffroi der schönste Ausguck der Bastide.

Aus rund 15 Metern Höhe eröffnet er einen 360°-Blick auf die Stadt, in der 1858 die Brüder Jean und Pierre Get einen Aperitif erfanden, den sogar Paul Cézanne auf seinen Bildern verewigt hat: Get 27 – grün, minzig und 21 Umdrehungen stark.

1991 wurde die Produktion von Get 27 Pippermint in Revel eingestellt. Doch Get 27 ist nicht vom Markt verschwunden, sondern wird heute als Marke von Bacardi in Beaucaire im Gard produziert.

Hochburg der Kunsttischlerei

Eine Fassade an der <em>Place Philippe VI de Valois</em>. Foto: Hilke Maunder
Eine Fassade an der Place Philippe VI de Valois. Foto: Hilke Maunder

1888 verließ der Kunsttischler Alexandre Monoury Versailles und ließ sich in Revel nieder. Auch dieser Mann sollte die Wirtschaftsgeschichte der Stadt prägen. Manoury war ein hochgeachteter Möbelbauer, gab sein Wissen an viele Gesellen weiter und machte Revel zur Hochburg der Kunsttischlerei. In den 1930er-Jahren beschäftigten die 140 Werkstätten der Stadt 700 Handwerker.

Heute stellt der Ausstellungsraum des Verbandes Ebénistes et Créateurs am Chemin de Beauséjour die Arbeit lokaler Handwerker vor. Nur einen Steinwurf von der Halle lädt Frankreichs einziges Holz- und Intarsienmuseum MUB – Musée du Bois et de la Marqueterie de Revel zu spannenden Entdeckungen vom Baum bis zum Kunstmöbel.

„Quelle“ des Canal du Midi: das Bassin de Saint-Ferréol

Auf der Staumauer des Lac Saint-Ferréol verläuft heute eine Promenade. Foto: Hilke Maunder
Auf der Staumauer des Lac Saint-Ferréol verläuft heute eine Promenade. Foto: Hilke Maunder

Ein vier Kilometer langer Spaziergang führt von Revel gen Osten zu einem See, der bei seiner Fertigstellung als achtes Weltwunder galt: das 67 Hektar große Bassin de Saint-Ferréol. 200 Jahre lang war es der größte Stausee der Welt.

Den Grundstein für die Talsperre legte 1667 der Baron Riquet, der Erbauer des Canal du Midi. Angelegt an der dem Atlantik zugewandten Seite der Montagne Noire, sammelt das Bassin de Saint-Ferréol bis heute das Wasser für die berühmteste Wasserstraße des Südens. Neben den Niederschlägen, die sich am südlichsten Ausläufer des Zentralmassivs abregnen, speist vor allem der Laudet-Fluss den See.

Der Stausee Lac Férreol. Das Baden direkt an der Staumauer ist verboten, aber von den Uferstränden aus gestattet. Foto: Hilke Maunder
Der Stausee Bassin de Férreol. Das Baden direkt an der Staumauer ist verboten, aber von den Uferstränden aus gestattet. Foto: Hilke Maunder

Bis zu 6,3 Millionen Kubikmeter Wasser kann er hinter seiner 786 Meter langen Staumauer fassen. Um dem Druck standzuhalten, ließ Riquet das Sperrwerk aus drei unterschiedlich großen und dicken Dämmen bilden.

Sie sind insgesamt 149 Meter breit – genug für die heutige Départementstraße, einen Parkplatz und die Promenade am Stau. Der englische Landschaftsgarten mit seinen Zedern, Tannen, Douglasien, Schirmpinien und Mammutbäumen wurde erst später zu Ehren Napoleons III. angelegt. Tiefer in die Geschichte des Stausees entführt das Museum Le Reservoir.

Revel: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Le Bistronome

• 5, Bd de la République, 31250 Revel, Tel. 05 62 80 75 53, www.facebook.com

Le 20

• 20, Av. Paul Riquet, 31250 Revel, Tel. 05 62 18 93 37, www.facebook.com/le20revel

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