Cerdagne: Blick auf die Hochebene der Cerdagne. Foto: Hilke Maunder

Ein Wochenende in … der Cerdagne

Meitat de França, meitat d’Espanya: halb französisch, halb spanisch, so beschreibt sich die Cerdagne – und ergänzt im gleichen Atemzug: però 100 per cent català de cor – aber 100 Prozent Katalanisch im Herzen. Daran erinnert auch der Name der ehemaligen Grafschaft, die sich als westlichste Ecke der Ostpyrenäen mit 19 Dörfern über Frankreich und Spanien erstreckt und sich selbst Cerdanya nennt.

Die Cerdagne ist die einzige Region der Pyrenäen, die sich südlich des Pyrenäen-Hauptkamms und damit auf der Iberischen Halbinsel befindet, aber dennoch administrativ zu Frankreich gehört. Sie ist damit das „Gegenstück“ zum Val d’Aran weiter westlich, welches geographisch und kulturell zu Frankreich gehört, da nördlich des Pyrenäen-Hauptkamms gelegen, politisch aber ein Teil Spanien ist.

Die Cerdagne ist ein altes Bauernland mit Getreidefeldern und Wiesen, durch das sich von Erlen und Weiden gesäumte Bäche schlängeln. Die Hochebene erstreckt sich am Oberlauf des Sègre. Majestätische Gipfel rahmen das Becken auf rund 1000 Metern Höhe ein, das einst ein See bedeckte.

Im Süden erhebt sich die Puigmal-Kette mit ihren Kiefernwäldern, im Norden das Carlit-Massiv (2.921 m), ein wildes, weites Hochgebirge mit 27 Seen und Teichen und der höchsten Spitze des Départements 66.

Es gibt keine angenehmere Art, zur Cerdagne hinaufzufahren und ihre Hochebene zu erkunden, als in den train jaune einzusteigen und sich auf eine unterhaltsame und farbenfrohe Reise zu begeben. Der gelbe Zug der Cerdagne, der umgangssprachlich auch le canari (der Kanarienvogel) genannt wird, nimmt euch von Villefranche-de-Conflent (427 m) auf seiner 63 Kilometer langen Reise mit 1.200 Höhenmetern hinauf bis zum Bahnhof Bolquère-Eyne, dem höchsten Bahnhof Frankreichs in 1.593 Metern Höhe, und weiter bis nach Latour-de-Carol (1.232 m).

Die Wiege Kataloniens

Die Cerdagne gilt als Wiege Kataloniens: Sie war eines der Kerngebiete, aus denen sich die katalanische Kultur und Identität entwickelte. Wilfried der Haarige (Guifré el Pilós) spielte dabei eine entscheidende Rolle:

Wilfried der Haarige (840-897) stammte aus einer traditionsreichen Adelsfamilie eines Landstrichs, den die Franzosen im 8. Jahrhundert erobert hatten und der als Marca Hispanica im 9. Jahrhundert einen Puffer zwischen dem Frankenreich und dem muslimischen Al-Andalus auf der Iberischen Halbinsel bildete.

878 ernannten die Karolinger Wilfried den Haarigen zum Grafen dieser Spanischen Mark, zu der die Grafschaften Barcelona, Girona, Besalú sowie die Cerdagne und andere Gebiete gehörten. Wilfried I. vereinigte die Grafschaften Barcelona, Girona und Urgell unter seiner Herrschaft und schuf mit diesem weitgehend autonomen Reich den Kern des späteren katalanischen Staates mit Barcelona als Hauptstadt.

Um eine gemeinsame Identität zu schaffen, förderte Wilfried I. massiv die katalanische Sprache und Kultur. Als Geburtsort der katalanischen Nation gilt die Stadt Puigcerdà. Hier soll bereits im Jahr 827 die erste Urkunde in katalanischer Sprache ausgestellt worden sein.

Nach dem Aussterben der Dynastie der Grafen von Cerdagne im Jahr 1117 wurde die Cerdagne zunächst zwischen dem Königreich Aragon und der Grafschaft Toulouse aufgeteilt. Im 13. Jahrhundert wurde die gesamte Cerdagne Teil des Königreichs Aragon.

Doch Frieden kehrte nur kurz ein. Immer wieder war das fruchtbare Hochtal hart umkämpft. Erst im Pyrenäenfrieden wurde der Landstrich im Jahr 1659 schließlich endgültig zwischen Frankreich und Spanien aufgeteilt. Heute ist die Cerdagne eine beliebte Urlaubsregion – und besonders im Winter, wenn Font-Romeu mit Sonnenski in den Pyrenäen lockt.

Ein Wochenende in der Cerdagne: die Rundtour

Die Cerdagne ist klein und kompakt – das macht das Hochtal perfekt für ein erlebnisreiches Wochenende oder einen entspannten Urlaub. Wer gerne wandert, sollte mehr Zeit einplanen – und diese Rundtour als Einführung zu einem faszinierenden Gebiet im tiefsten Süden Frankreichs sehen.

Mont-Louis

Die Cerdagne im Westen, den Capcir im Norden und den Conflent im Osten: Diese strategische Lage auf 1600 Metern Höhe erkannte auch Vauban und ließ sie 1679 mit einer imposanten Festung sichern, die heute zum Welterbe der Wehrbauten Vaubans in Frankreich gehört.

20 Jahre vor dem Baubeginn war gerade der Pyrenäenfriede auf der Fasaneninsel in der Bidaoa bei Hendaye unterzeichnet worden, und mit dem Fort Mont-Louis wollte der Militärarchitekt des Sonnenkönigs die neue Südgrenze der Krone sichern. Zu Ehren seines Herrschers Ludwig XIV. nannte er sie Mont-Louis.

In der Zitadelle ist bis heute das Militär präsent, doch Teile der Außenanlagen könnt ihr besichtigen – und danach herrlich durch durch die weiter unterhalb liegende Stadt schlendern, die ein massiver Mauerring schützt.

Die Festung von Mont-Louis ist im Kern quadratisch. Bastionen verlängern ihre abgestumpften Ecken. Drei Außenwerke schützen die Kurtinen. Im Falle einer Belagerung konnten sich die Soldaten mt Wasser aus dem Puits de Forçat versorgen, einem mit holzernem Schöpfrad versehenen Brunnen.

Da Stadt und Festung nie belagert oder umkämpft wurden, sind sie nahezu unversehrt erhalten. Hinein geht es durch die Porte de France. Spaziert nach dem Stadtrundgang auch noch ein wenig über die Schanzwälle, von denen sich schöne Ausblicke auf den Seuil de la Perche und den Cambre d’Aze (2.750 m) eröffnen.

Das Solarkraftwerk von Mont-Louis wurde schon 1953 errichtet und ist damit der älteste Sonnenofen der Cerdagne. 860 Hohlspiegel und 546 Planspiegel bedecken seinen 1980 umgebauten Strahlungsempfänger.

Die Spiegel sind so eingestellt, dass sich das Sonnenlicht wie in einem Brennglas bündelt und so enorme hohe Temperaturen bis zu 3500 °Celsius erzeugen kann.

Von Mont-Louis aus führt die Route Nationale N 116 zum Col de la Perche. Der 1.579 Meter hohe Pass bildet die Grenze zwischen dem Conflent und der Cerdagne und damit zwischen den Becken der Têt und des Sègre.

Eyne

Mit seinen engen Gassen, Steinhäusern und der romanischen Église Saint-André (Sant Miquel d’Eina) aus dem 12. Jahrhundert ist Eyne ein typisches Beispiel für ein mittelalterliches Dorf der Cerdagne. Die Dorfkirche war im Mittelalter die Abteikirche eines Benediktinerklosters und birgt unter seiner Glockenmauer ein schönes Portal. Im Inneren sind einige schöne Marmorskulpturen und Wandmalereien aus dem 13. und 14. Jahrhundert erhalten. Wenige Schritte weiter stellt das Musée Cerdà die Geschichte der Cerdagne von der Vorzeite bis zur Gegenwart vor.

In Eyne beginnt die Reserva natural de la vall d’Eina. „Tal der 1000 Blumen“ wird das malerische Gebirgstal der Eyne genannt: besonders im Frühsommer ein Blütentraum! Von den 700 im Reservat vorkommenden Pflanzenarten sind 22 endemisch, d.h. sie kommen nirgendwo anders auf der Welt vor.

Dazu gehören die Eyne-Primel, die Pyrenäen-Bergglockenblume und die Pyrenäen-Anemone. Wer hier wandert, kann mit etwas Glück auch Gämse, Steinböcke, Murmeltiere und Adler sehen, die hier daheim sind, und atemberaubende Blicke auf die Pyrenäen genießen!

Das Sonnenwerk

Photovoltaikanlagen erzeugen nur Strom, Solarthermiezentralen nur Wärme. Doch diese gigantische Anlage, die an der Landstraße zwischen Eyne und Llo liegt, kann beides: Sie ist das einzige thermodynamische Kraftwerk Frankreichs.

Im September 2019 nahm die Centrale solaire thermodynamique de Llo ihren Betrieb auf. 60 Millionen Euro investierte Frankreich in ihren Bau, 36 Hektar groß ist das Areal, auf dem dicht an dicht Spiegel installiert sind: 153.000 Quadratmeter groß ist die Fläche, auf der sie gemeinsam das Sonnenlicht einfangen.

Die Sonnenspiegel erhitzen das Wasser, das durch die insgesamt zwölf Kilometer langen Rohre fließt, auf 286 °Celsius, wodurch Dampf entsteht. Ein Teil des erzeugten Dampfes wird unter hohem Druck in Tanks mit je 120 Kubikmeter Fassungsvermögen gespeichert. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Stromerzeugung, auch nachts oder bei bewölktem Himmel.

Llo

Für Entspannung nach euren Unternehmungen sorgen die Bains de Llo, die schon seit der Römerzeit für ihre heilenden Eigenschaften bekannt sind. Ihr Thermalwasser ist reich an Mineralien und soll bei Arthritis, Rheuma und Hautkrankheiten helfen.

Das alte Dorf liegt malerisch an schroffen Hängen am Ausgang der Gorges du Sègre. Über seinen Häusern wacht seit dem Mittelalter ein Turm, den ihr besichtigen könnt. Vom Parkplatz führt in rund 15 Minuten ein einfacher Wanderweg hinauf.

Von der Spitze des Turms habt ihr einen herrlichen Blick auf das Dorf Llo, die umliegenden Berge und das Tal des Sègre. An einem klaren Tag sind sogar die schneebedeckten Gipfel des Pyrenäen-Hauptkamms zu sehen.

Wer gerne wandert, kann auf einer ehemaligen Forststraße dem Lauf des Sègre folgen, der im Puigmal-Massiv entspringt. Der junge Wildbach hat bei Llo sich in eine sehr harte Schieferschicht, die auf einem Kalksteinsockel liegt, gefräst und so eine kühle Schlucht geschaffen: die Gorges du Sègre.

Folgt dem Wildbach, der hier und da über kleine Kaskaden hüpft, in Richtung Col de Finestrelles. Euer Ziel ist die ehemalige Kapelle Saint Féliu, die auf einem 1.649 Meter hohen Felsdorn thront.

Von hier oben eröffnet sich ein schwindelerregendes Panorama mit Llo tief unten im Tal und einem 360°-Blick auf die Cerdanya mit Saillagouse Estavar, Llivia und den Grenzkamm der Pyrenäen.

Saillagouse

Jeden Sonntagmorgen ist Marktzeit in Saillagouse. Dann könnt ihr beim Marché des producteurs de Pays vor dem Rathaus all jene Wurstwaren kosten und kaufen, die den kleinen Ort berühmt gemacht haben.

An der Place del Roser begegnen euch seit Sommer 2002 die Pritchards, runde wie bunte Figuren aus Bronze und Stahl, die der Fantasie von Sabine und Eric entsprungen sind und die lokale Kultur und Lebensfreude widerspiegeln.

In Saillagouse müsst ihr euch entscheiden: Wird’s ein Schlenker zur spanischen Enklave Llivia oder oder geht es hinauf zum zum Aussichtspunkt von Sainte-Léocadie, wo auf 1.681 Metern Höhe eine Orientierungstafel die wunderschönen Ausblicke über die Cerdagne erläutert.

Err

Err war früher eines der reichsten Bauerndörfer der Cerdagne. Davon zeugen bis heute stattliche Bauernhöfe, die sich am Fuße des Puigmal (2.913 m) im kleinen, alten Ortskern drängen, umgeben von Ferienwohnungen und Wohngebieten von heute.

Auf alten Natursteinfassaden erzählten Fotografien von früher, wie das Landleben in Err einst verlief. In seinen großen Gärten blüht und grünt es, und immer wieder fällt der Blick auf den Glockenturm der Chapelle Santa Maria d’Err.

Ihr clocher birgt eine Besonderheit: Neben dem eigentlichen Geläut der Kirche im Glockenturm gibt es eine weitere Glocke, die außen am Dach befestigt ist – und bei Alarm geschlagen wurde.

Das romanische Gotteshaus wurde im Jahr 930 geweiht – und erfolgte durch Radulf, dem Bischof von Seu d’Urgell, zu dessen Diozöse Err damals gehörte. Seit 1726 beginnt an der Kapelle alljährlich am 2. Juli eine Prozession.

Im Jahr 1591 bezahlten die Einwohner von Err ein Gitter aus 39 dicken Stäben, das seitdem den Chor vom Kirchenschiff trennt. Gefertigt wurde es von der Schmiede in La Cassagne bei Sauto im Tal der Têt.

Osséja

Oberhalb des Luftkurortes Osseja erstreckt sich einer der größten Bergkiefernwälder der Pyrenäen. Mitten hindurch führen die D 30 nach Valcebollère und eine Forststraße, an der ein kurzer Wanderweg zu einem Aussichtspunkt mit Panoramablick beginnt. Weit schweift der Blick von der Cerdagne über die Grenzberge Andorras bis zu den Sierre Kataloniens.

Vorschlag: Fahrt die D 30 hinauf bie Valcebollère und auf der Forststraße wieder hinab nach Osséja!

Hix

Die einstige Residenz der Grafen von Cerdagne sank zur Bedeutungslosigkeit herab, als König Alfons von Aragón im Jahr 1177 seinen Sitz auf den leichter zu verteidigenden Mont Cerdan verlegte und damit Puigcerdà zum Zentrum machte. Das frühere Stadtviertel Guinguettes wurde als Bourg-Madame Sitz der Verwaltung.

Dennoch lohnt es sich, hier zu halten: Die romanische Kirche von Hix ist das berühmteste Gotteshaus der Cerdagne. Und verpasst auch nicht ihren alten Friedhof mit zahlreichen nostalgischen Grabkreuzen.

Bourg-Madame

 Bourg-Madame erhielt seinen Namen zu Ehren der Gemahlin des Herzogs von Angoulême, Marie Thérèse Charlotte de France. Der Herzog, Louis Antoine de Bourbon, war der älteste Sohn von König Karl X. von Frankreich. Im Jahr 1815, nach der Schlacht bei Waterloo, wurde er von seinem Vater zum Generalgouverneur der Pyrenäen ernannt.

Nach der Niederlage Napoleons und dem Ende des Ersten Kaiserreiches war der Herzog in dieser Funktion bei seiner Rückreise von Spanien nach Frankreich nach Bourg-Madame gekommen – und gab dem Ort flugs zu Ehren seiner Frau diesen neuen Namen.

Die Grenze zu Spanien bildet der kleine Fluss Rahur – hier wurde einst lebhaft Schmuggel getrieben. Rund um Bourg-Madame zeigen 25 durchnummerierte Grenzsteine auf einer Länge von fünf Kilometern bis heute den Verlauf der Landesgrenze an.

Enveitg – Latour-de-Carol

Von Bourg-Madame strebt die Passstraße dem Col de Porté-Puymorens zu und durchquert dabei zwei Orte im äußersten Nordwesten der Cerdagne, die dank der Bahn nahezu miteinander verschmolzen sind: Enveitg und Latour-de-Carol.

Latour-de-Carol ist vor allem für seinen Bahnhof bekannt, der Endpunkt ist der Ligne de Cerdagne, auch bekannt als Train Jaune (Gelber Zug) oder „Pyrenäenmetro“. Immer wieder erwägt die SNCF die Einstellung dieser nicht lukrativen Strecke, doch der Widerstand ist groß: Er ist eines der bekanntesten Wahrzeichen des Départements, eine beliebte Touristenattraktion und für viele Einheimische eine lebenswichtige Verkehrsverbindung.

Der Art-Deco-Bahnhof von Enveitg – Latour-de-Carol ist zudem für eine bahntechnische Besonderheit berühmt. Hier treffen gleich drei unterschiedliche Spurweiten aufeinander: die 1.000 mm breite Meterspur des Train Jaune, die 1.435 mm breite Normalspur der französischen Bahn und die 1.668 mm breite iberische Breitspur.

Es lohnt sich, ein wenig durch das alte Herz von Latour-de-Carol zu spazieren, das von der Nationalstraße aus nicht zu erahnen ist. Am Ufer des Carol, einem Nebenfluss des Sègre, könnt ihr picknicken, die Beine ins Wasser halten oder am Flusslauf hin zur Forêt Magique der École maternelle du RPI de la Vallée du Carol spazieren.

Der Zauberwald ist ein Land-Art-Projekt, das Julie Geslin, Lehrerin und Leiterin der Schule in Latour-de-Carol, im Jahr 2020 ins Leben gerufen hatte für für ihre Kindergartenkinder. Hinein in ihre Fantasiewelt mit bemalten Kieselsteinen, Windspielen und Totems führt das Tor der Kobolde.

Ur

Als wärmster Ort der Cerdagne gilt Ur, wo sich die Flüsse Brangoly und Angoustrine zum Rahur vereingen, der die Grenze zwischen Frankreich und Spanien markiert. Hoch über dem Dorf thront auf einem Hügel in 1.688 Metern Höhe die Kapelle von Belloch und bietet einen beeindruckenden Ausblick über die Cerdagne.

Das zweite Gotteshaus des Dorfes, die frühromanische Église Saint Martin d’Ur birgt das zweitälteste Taufbecken der Cerdagne aus dem 8. Jahrhundert. In Ur beginnt eine Bergstraße, die euch hinauf zu den Bains Romains de Dorres bringt.

Dorres

Dorres ist ein kleines Bergdorf am Nordrand der Cerdagne auf rund 1.450 Metern Höhe. Vom Dorf kommt ihr auf dem Carrer del Banys, vom Parkplatz an der Départementsstraße D 10 zu Fuß vorbei an einem Picknickplatz zu den Bains Romains de Dorres, in denen schon die Römer im Wasser einer schwefelhaltigen Thermalquelle im Freien plantschten.

Heute birgt das Freibad am Hang vier verschiedene Becken mit Wassertemperaturen zwischen 38 °Celsius und 41° Celsius.. Eines der Becken ist ein ehemaliger Wollwaschplatz des Dorfes, der 1841 angelegt wurde. Höhenluft, Sonnenschein und Thermalwasser: ein herrlicher Mix!

Die Angoustrine: ein uralter Streitfall

Die Vallée d’Angoustrine (Tal von Angoustrine) verbindet die Cerdagne-Ebene mit dem Carlit-Massiv. Der Fluss, der es durchfließt, ist bis heute ein Streitfall zwischen Spanien und Frankreich. Die Angoustrine ist eine der Zuflüsse des Sègre, der im französischen Teil der Cerdagne entspringt und einer der Zuflüsse des Ebro ist.

Der Konflikt um die Wasserressourcen hat eine lange Geschichte. Die Angoustrine wird seit Jahrhunderten intensiv für die landwirtschaftliche Bewässerung genutzt, umgeleitet, legal – und auch illegal – angezapft.

Von der Angoustrine gehen der Canal de Plandail und der Canal International, der die Ländereien der spanischen Enklave Llívia bewässert, ab. Beim internationalen Kanal ist das Wasserrecht zwischen der spanischen Enklave und dem französischen Dorf Angoustrine aufgeteilt.

Die Pfarrkirche von Angoustrine dominiert das Dorf und die Départementsstraße D 618, die es durchquert. Foto: Hilke Maunder

Doch die Angoustrine ist sehr anfällig für Dürre. Und besitzt, wie für mediterrane Flüssen üblich, nur nach den Herbsthochwassern und der Schneeschmelze einen hohen Wasserstand. Im Sommer hingegen herrscht Niedrigwasser vor, und mitunter ist ihr Lauf sogar ausgetrocknet, weil sämtliches Wasser für die Landwirtschaft abgezweigt wird. In regelmäßigen Abständen wirft Spanien – ungeachtet unzähliger Verträge, die die Entnahme regeln – Frankreich vor, zu viel Wasser entnommen oder zurückbehalten zu haben.

Im 2008 unterzeichneten, grenzüberschreitenden Flussvertrag für den Sègre wurde daher das Angoustrine-Becken als Pilotsektor für eine Studie über die Wasserressourcen ausgewählt. Ihr Ziel war ein globales Management der Wasserressourcen, die die Interessen der französischen und spanischen Nutzern gleichmaßen berücksichtigt.

Seitdem gab es zwar Fortschritte im qualitativen Bereich, aber kaum im quantitativen Bereich. Internationale Kommissionen wurden reaktiviert, aber die Neuverhandlung alter Wasserrechte zwischen Frankreich und Spanien fand nicht statt. Und so blieb letztendlich alles beim Alten. Und jede Dürre lässt den Streit neu aufflammen.

Le Chaos de Targassonne

Das Chaos de Targassonne. Foto: Hilke Maunder
Das Chaos de Targassonne. Foto: Hilke Maunder

Zwischen Dorres und Font-Romeu könnt ihr beim Dorf Targassonne ein geologisches Phänomen bewundern: das Chaos des Targassonne. Unzählige große Granitblöcke sind dort auf einem Hang in etwa 1.500 Metern Höhe verstreut.

Für Geologen ist das berühmteste Felsenmeer der Cerdagne ein Ergebnis einer Wollsack-Verwitterung mit anschließendem Einwirkungen der Gletscher.

Die Wollsack-Verwitterung sorgt mit Temperaturunterschieden und der Einwirkung von Wasser, dass der Granit beim Verwittern große, abgerundete Felsblöcke bildet, die an Wollsäcke erinnern. Während der Eiszeit wurden die Wollsackblöcke durch Gletscher transportiert und abgelagert. Dabei wurden sie weiter abgerundet und verwittern bis heute durch Wind und Wasser immer weiter. Malerisch!

Odeillo und die Sonnenöfen der Cerdagne

Der Hang der Soulane spiegelt sich in einem riesigen Solarkraftwerk. Seit 1970 fängt in diesem 1963-1969 erbauten Sonnenofen ein riesiger Parabolspiegel aus 9.130 konkaven Spiegelelementen die Sonnenstrahlen auf, die 63 Heliostaten auf die 3.000 Quadrameter große Fläche werfen.

Die Anlage wird ausschließlich zu Forschungszwecken verwendet. Untersucht wurden hier beispielsweise schon feuerfeste Stoffe, die in der Raumfahrt später zum Einsatz kamen. Heute wirkt die Anlage etwas verwaist, wird aber im Sommer auf Führungen vorgestellt – und wird bei neuen Forschungsaufträgen auch wieder in Betrieb gesetzt.

Bereits 1949 wurde auf Initiative von Professor Félix Trombe der erste Solarofen der Welt in Mont-Louis gebaut. Die SARL Four Solaire Développement betreibt die Anlage seit 1993 in Partnerschaft mit dem CNRS. Beide Öfen erreichen durch die Konzentration der Sonnenstrahlen Temperaturen von 3400 °Celsius.

In Targassone baute das CNRS auch das Solarkraftwerk Thémis, das von 1983 bis 1986 betrieben wurde. Es wurde 2006 durch zwei innovative und sich ergänzende Projekte reaktiviert. Das vom CNRS geleitete Projekt Pégase wandelt die Sonnenwärme in Elektrizität um. Das zweite, von dem Unternehmen Tecsol geleitete Projekt wandelt das Sonnenlicht in Elektrizität um.

Font-Romeu

An den Südhängen jener Berge, die gen Norden die Cerdagne begrenzen, erstreckt sich als moderne Feriensiedlung Font-Romeu und lockt im Sommer mit Touren zu Fuß oder per Rad durch die Bergwelt. Im Winter trifft man sich hier zum Skifahren, Snowboarden oder Schneeschuhwandern.

Der gesamte Ort lebt im Rhythmus des Tourismus das ganze Jahr – und der Apéro wird auf dem Sonnenbalkon der Cerdagne besonders gerne zelebriert.

Musée sans murs, Muserum ohne Mauern, nennt sich der sentier culturel von Font-Roumeu, der zeitgenössische Kunstwerke beim Spaziergang inmitten in der Natur im Wald von Font-Romeu präsentiert. Und mit etwas Glück begegnet euch unterwegs auch ein Reh!

Bolquère

Auch Bolquère, das eng mit Font-Romeu verbunden ist, lebt vom Tourismus – und punktet sogar mit einem Superlativ. Seine Haltestelle des Train Jaune ist mit 1593 Metern über dem Meeresspiegel die höchstgelegene in Frankreich.

Die Haltestelle von Bolquère befindet sich auf dem Col de la Perche, der Grenze zwischen dem Conflent und der Cerdagne. Allerdings ist sie nicht die höchste in Europa. Dieser Titel geht an die Haltestelle Jungfraujoch der Jungfraubahn in der Schweiz, die sich auf 3.454 Metern über dem Meeresspiegel befindet.

Cerdagne: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Brasserie Pyrénéiste 

Braumeisterin Aude Artigas und ihr Lebenspartner Matthieu Roux haben im Dezember 2020 die erste Craftbier-Brauerei der Cerdagne gegründet – samt Brewpub/Café-Bar. Am Herzen liegt dem Paar eine nachhaltige, lokale Produktion mit kurzen Wegen.
Der Gerstenmalz aus Cerdagne, der Hopfen ebenfalls von Produzenten im Umfeld. Auch Mehrweg hat hier Eingang gefunden: Den Liter Bier gibt es in der Pfandflasche, die 0,33 Liter-Editionen (noch) nicht.
• 15, rue du Marquis de Tilière, 66340 Palau-de-Cerdagne, Tel. mobil: 06 40 28 85 18, https://pyreneiste.com

La Chaumière

Das Ambiente ist rustikal-gemütlich in Holz, die Speisekarte listet eine köstliche Auswahl an katalanischen Gerichten und regionalen Weinen – und der Schinken aus dem hauseigenen Schinkenkeller ist ein Traum! Michelin belohnte die Küche von François Will mit einem Bib Gourmand.
• 96, Avenue Emmanuel Brousse, 66120 Font-Romeu-Odeillo-Via, Tel. 04 68 30 04 40, www.restaurantlachaumiere.fr

Chez Planes

Holz, Stein und ein ausgestopfter Hirsch über einem großen Kamin: Auch bei der Familie Planes könnt ihr seit inzwischen vier Generationen hausgemachte traditionelle Spezialitäten der Cerdagne genießen – und auch übernachten.
• 6, place de Cerdagne, 66800 Saillagouse, Tel. 04 68 04 72 08, www.chezplanes.com

Wintersport

Die meisten Skigebiete der Cerdagne liegen zwischen 1500 und 2500 m Höhe und sind bekannt für ihre gute Schneequalitäti trotz ihres sonnigen Klimas.

Cambre d’Aze

Ein sehr familienfreundlicher, kleiner Skiort ist Cambre d’Aze (1500-2400 m).

Err-Puigmal 2600

Das Skigebiet Err-Puigmal, das einst als das höchstgelegene Skigebiet der östlichen Pyrenäen bekannt war, wurde aufgrund finanzieller Schwierigkeiten und unzureichender Schneebedingungen inzwischen geschlossen. Die Auswirkungen des Klimawandels hatten den Betrieb wirtschaftlich untragbar gemacht. Das heißt jedoch nicht, dass es dort keinen Wintersport gibt … heute hat dort Schneeschuhwandern Hochkonjunktur.

Porté-Puymorens

Am Col de Puymorens, der 1.915 Meter hohen Passhöhe hinüber nach Andorra und zum Tal der Ariège, erstreckt sich das sehr vielseitige Skigebiet Porté-Puymorens bis auf 2.500 Metern Höhe.

Font-Romeu / Bolquère / Pyrénées 2000

Zu den größten Skigebieten in den Ostpyrenäen gehört dieses Trio. Seine Pisten und Liften erstrecken sich zwischen 1.650-2.213 Metern Höhe im Regionalen Naturpark Pyrénées Catalanes: Welch ein Naturgenuss beim Schwingen oder Wandern im Schnee!

Hier könnt ihr schlafen

Auberge des Écureuils

• Rue Carrer de la Coma, 66340 Valcebollère, Tel. 04 68 04 52 03, www.chambresdhotepyrenees.com

Noch mehr Betten

 

Weiterlesen

Im Blog

Noch mehr Beiträge zu den Pyrenäen gibt es in dieser Kategorie. Alle Beiträge aus den Pyrénées-Orientales vereint diese Kategorie.

Im Buch

Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*

Roadtrips Frankreich

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes. 

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagneund dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per  Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

 * Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert