Der Eingang zur Chartreuse Saint-Sauveur. Foto: Hilke Maunder.

La Chartreuse: Kloster in XXL

La Chartreuse Saint-Sauveur versteckt sich in den Schluchten und Bastiden des Aveyron. Kurz vor Villefranche-de-Rouergue weht am Straßenrand eine Flagge im Wind. „Das größte Kloster Frankreichs“ verkündet sie stolz. Voilà ein Ortsbesuch.


1084 gründete der heilige Bruno im Département Isère die Einsiedelei La Grande Chartreuse, die erste klösterliche Anlage des Kartäuserordens. Seine Regeln verfasste der Prior Guigno I.

Für die Errichtung übernahm er das Prinzip der ersten Klosterbauten, die im Nahen Osten entstanden waren, nach dem Theodosius I. im Jahr 392 das Christentum offiziell anerkannt hatte.

Das Symbol des Klosters schmückt auch das große Zugangstor. Foto: Hilke Maunder
Das Symbol des Klosters schmückt auch das große Zugangstor. Foto: Hilke Maunder

Ein Leben in Schweigen

Der Orden verband die zurückgezogene Lebensweise der Einsiedler mit dem Gemeinschaftsleben der Zönobiten, der Mönche in Gesellschaft.

Die Gebäude sind daher so angeordnet, dass Schweigen und Einsamkeit Vorrang haben. Die Lebensgewohnheiten der Kartäuser sind besonders streng. Ihren Alltag prägen zahlreiche Gebetszeiten bei Tag und bei Nacht.

Nur das Spatiamentum, der wöchentliche Spaziergang über einige Stunden, bietet Gelegenheit zum Austausch. Die restliche Zeit verbringt der Mönch entweder in der Klosterkapelle oder in seiner Einsiedelei, wo er betet, seine Mahlzeiten einnimmt, die Jungfrau Maria verehrt, oder sich seinen Arbeiten widmet.

Die Klosterkirche der Chartreuse Saint-Sauveur. Foto: Hilke Maunder.
Die Klosterkirche der Chartreuse Saint-Sauveur. Foto: Hilke Maunder.

Ein Tuchhändler als Stifter

Ein äußerst vermögender Tuchhändler der Stadt, Vézian Valette, veranlasste die Errichtung der Kartause Saint-Sauveur. Wie viele seiner Zeitgenossen hatte sich Monsieur Valette im Jahr 1450 nach Rom begeben, um an einem von Papst Nikolaus V. ausgeschriebenen Jubeljahr teilzunehmen und Ablässe zu kaufen.

Vor seiner Abreise übergab er seiner Ehefrau Catharine Garnier letztwillige Verfügungen für den Fall, dass er nicht zurückkehre. So kam es auch. Der Händler starb bei der Pestepidemie, welche die Ewige Stadt damals heimsuchte.

Die Rosette der Klosterkiche. Foto: Hilke Maunder
Die Rosette der Klosterkirche. Foto: Hilke Maunder

Tägliche Messe fürs Seelenheil

Er hinterließ sein Vermögen und einen Großteil seiner materiellen Güter für den Bau eines Kartäuserklosters. Seine einzige Bedingung: Es sollte, solange die Gebäude Bestand haben, täglich eine Messe für sein Seelenheil gelesen werden. Seine Witwe führte seine Wünsche aus. Auch die Stadtväter und der Prior der Kartause von Saïx nahe der Stadt Castres waren einverstanden.

In der Klosterkirche. Foto: Hilke Maunder
In der Klosterkirche. Foto: Hilke Maunder

Die Arbeiten dauerten von 1452 bis 1511. Im Jahr 1528 folgte die Errichtung der Fremden-Kapelle. Jedoch konnte bereits im Jahr 1458 eine kleine Kartäusergemeinschaft die Klostergebäude beziehen.

Das Kloster wurde für 22 Ordensbrüder erbaut: 14 Priestermönche und acht Konversen. Jene waren Klosterbrüder, die körperliche und häusliche Arbeiten verrichteten.

Juwel der Flammengotik

Die Klosterkirche vom kleinen Kreuzgang aus. Foto: Hilke Maunder
Die Klosterkapelle vom kleinen Kreuzgang aus. Foto: Hilke Maunder

Während der Französischen Revolution wurden die Mönche vertrieben und das Kloster als Nationalgut verkauft. 1791 ging es in den Besitz von Villefranche-de-Rouergue über.

Die Stadt gründete dort ein Hospital, aus dem das heute noch bestehende Stadtkrankenhaus hervorging. Zwar wurden dazu bauliche Veränderung vorgenommen, aber im Großen und Ganzen blieben die wesentlichen Gebäude des Klosters erhalten.

Bei der Besichtigung erfahrt ihr viel über die Organisation eines Kartäuserklosters und seine Architektur im Stil der Flamboyant-Gotik, wie sie für die Mitte des 15. Jahrhunderts typisch war.

Der Lettner trennt den Bereich der Mönche von dem Bereich der anderen Gläubigen. Foto: Hilke Maunder
Der Lettner trennt den Bereich der Mönche von dem Bereich der anderen Gläubigen. Foto: Hilke Maunder

Die Klosterkapelle

Sie ist das wichtigste Element des Klosters. Hier kamen die Mönche schweigend zusammen zu den drei Gottesdiensten am Tag: dem Matutin, der Konventmesse und der Vesper. Den Eingang bildet ein polygonaler Vorbau, auf dessen Schlusssteinen das Wappen der Stifter zu sehen ist.

Der Innenraum ist ein Schiff mit drei Jochen. Eine hölzerne Chorschranke vom Ende des 17. Jahrhundert grenzt den Bereich der Konversen von jenem der Priesermönche ab. Letztere nahmen während des Gottesdienstes auf dem hölzernen Chorgestühl Platz.

Die Misteriekordien der Klosterkapelle. Foto: Hilke Maunder
Die Miserikordien der Klosterkapelle. Foto: Hilke Maunder

Ihre Sitzreihen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts zeichnen sich durch Miserikordien aus. Diese Vorsprünge, auf die sich die Mönche bei langen Stehzeiten während der Messe stützen konnten, sind mit realistischen oder fantastischen Schnitzereien von Tieren und  Blattwerk geschmückt.

Die Buntglasfenster sind unvollständig, einige restauriert und andere neu zusammengefügt. Das Lesepult aus geschnitztem Holz stammt aus dem 17. Jahrhundert. Über dem Altar, heute überragt von einem Möbel mit Netzdekor aus dem 18. Jahrhundert, erhob sich früher ein Rentabel im Flamboyant-Stil. Er ist heute im Musée National de la Renaissance auf Schloss Écouen (Val d’Oise) ausgestellt.

Das Lesepult der Klosterkapelle. Foto: Hilke Maunder
Das Lesepult der Klosterkapelle. Foto: Hilke Maunder

Im Vestibül, einem kurzen Durchgang mit großen Glasfenstern, findet ihr das ungewöhnlichste Exponat des Klosters. Es handelt sich um die Tabula.

Auf dem großen Holzbrett aus dem 17. Jahrhundert hielt der Sakristan den täglichen Arbeitsplan für die Mönche fest. Durch dieses System wusste jeder einzelne von ihnen, welchen Gottesdienst er abhalten musste, an welchem Altar und zu welcher Tageszeit.

Der Kapitelsaal. Foto: Hilke Maunder
Der Kapitelsaal. Foto: Hilke Maunder

Im Kapitelsaal kamen die Mönche einmal wöchentlich schweigend zusammen, um vom Prior über Neuigkeiten aus der Außenwelt informiert zu werden und für die Bevölkerung zu beten.

Der kleine Kreuzgang

Der kleine Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Durch das Vestibül gelangt ihr zum kleinen Kreuzgang. Er war den Mönchen vorbehalten und diente der täglichen Fortbewegung.

Der Flamboyantstil entfaltet hier all seine Kraft und Ästhetik mit geschwungenen und verschlungenen Motiven im Maßwerk der Spitzbogenöffnungen.

Himmlisch bricht sich das Licht durch die Spitzen des kleinen Kreuzgangs. Foto Hilke Maunder
Himmlisch bricht sich das Licht durch die Spitzen des kleinen Kreuzgangs. Foto Hilke Maunder

Sie sind allesamt  ganz unterschiedlich gestaltet und begrenzen den kleinen Innenhof. Mit immer neuen Aussichten lenken sie den Blick zum Himmel.

An der Klosterkapelle, vom kleinen Kreuzgang durch schlanke gotische Säulen mit Blattwerk getrennt, findet ihr den Toten-Altar. Dort wurde einem verstorbenen Mönch die letzten Segnung erteilt. Danach wurde er im großen Kreuzgang erdbestattet.

Der Totenaltar. Foto: Hilke Maunder
Der Totenaltar. Foto: Hilke Maunder

Das Refektorium

In diesem geräumigen Saal nahmen die Mönche an Sonn- und Feiertagen eine gemeinsame Mahlzeit ein – schweigend. Die Mahlzeiten waren stets äußerst karg. Fleisch gab es bei den Kartäuser nie.

Der Zwei-Säulen-Saal

Der Zwei-Säulen-Saal dient heute als kleines Museum zur Geschichte der Kartäuser. Foto: Hilke Maunder
Der Zwei-Säulen-Saal dient heute als kleines Museum zur Geschichte der Kartäuser. Foto: Hilke Maunder

In diesem Raum befand sich möglicherweise ehemals die Küche der Kartause. Er liegt über einer großen Vorratskammer. Heute veranschaulicht hier eine Dauerausstellung den Bau des Klosters sowie die Geschichte der Kartäuser. 2020 zählte der Orden weltweit 23 Klöster, fünf davon in Frankreich, und 400 Nonnen und Brüder.

Der große Kreuzgang

Der Verbindungsgang zwischen Klosterkapelle und großem Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Der Verbindungsgang zwischen Klosterkapelle und großem Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Über einen Verbindungsgang kommt ihr zum großen Kreuzgang. Er ist 66 Meter lang und 42 Meter breit. Seine Galerien sind nur geringfügig restauriert worden. Sie weisen ein Kreuzrippengewölbe auf, dessen Schlusssteine mit Pflanzenmotiven verziert sind.

Säulenschmuck im großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Säulenschmuck im großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Die Mönche nutzten diesen Kreuzgang, um zur Klosterkapelle, zum Kapitelsaal oder zum Refektorium zu gelangen. Von hier aus erfolgt auch der Zugang zu den Einsiedeleien der Priestermönche.

Im großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Im großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Die Einsiedeleien

Die meisten der Einsiedeleien wurden abgerissen. Drei davon nutzte das Krankenhaus weiter. Erhalten sind noch die Eingangstüren und die kleinen Öffnungen, durch welche die Mahlzeiten gereicht wurden. Derzeit wird die Einsiedelei der Sakristei restauriert. Künftig soll auch sie zu besichtigen sein.

Jede Einsiedelei war etwa 50 Quadratmeter groß. Sie erstreckte sich über zwei Stockwerke. Der große Raum im Erdgeschoss diente als Holzlager oder Werkstatt. Ebenfalls hier befanden sich ein Wandelgang und ein privater Garten. Im Obergeschoss gab es einen Raum für die Verehrung der Jungfrau Maria und einen zweiten Raum zum Wohnen, in dem das Mobiliar auf das Notwendigste beschränkt war.

Der große Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Der große Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Die Fremdenkapelle

Im letzten Bauwerk des Klosters aus dem Jahr 1528 wurden enge Familienangehörige empfangen, kirchliche Besucher, sowie Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Seine Architektur steht noch in der Tradition des gotischen Flamboyant-Stils, doch erste Elemente der Renaissance sind zu erkennen. Diese Kapelle kann nicht besichtigt werden.

Der kleine Apfelhain der <em>Chartreuse Saint-Sauveur</em>. Foto: Hilke Maunder
Der kleine Apfelhain der Chartreuse Saint-Sauveur. Foto: Hilke Maunder

Picknick unter Apfelbäumen

Zurück zum Eingang des Klosters. Dort sind im Obstgarten mit alten Apfelbäumen einige Picknickbänke und Tische aufgestellt. Welch ein idyllischer Ort für eine Pause, bei der der Besuch des Klosters noch nachklingen kann!

Detail des großen Kreuzganges. Foto: Hilke Maunder
Detail des großen Kreuzganges. Foto: Hilke Maunder

La Chartreuse Saint-Sauveur: meine Reisetipps

Villefranche-de-Rouergue und seine Chartreuse Saint-Sauveur gehören zu den grands sites d’Occitanie. Stadt und Kloster sind daher im Sommer besonders nachmittags gut besucht.

Das besondere Flair der Anlage – und besonders des kleinen Kreuzgangs – lässt sich am besten außerhalb der Hauptsaison erleben. Im Juli und August empfiehlt es sich, vormittags und stets zu Beginn der Öffnungszeiten dort zu sein.

Die Anlage ist zum Großteil barrierefrei. Es gibt auf dem gesamten Gelände insgesamt vier Stufen.

Hinkommen

Die Klosteranlage ist sehr einfach zu finden. Sie befindet sich am südlichen Eingang der Stadt direkt an der Départementsstraße D 922.

Der Blick auf den großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf den großen Kreuzgang. Foto: Hilke Maunder

Nicht verpassen

Villefranche-de-Rouerge

Villefranche wurde 1252 von Alphonse de Poitiers als königliche Bastide gegründet und hat in der nahezu quadratischen Anlage ihr altes Herz bewahrt. 29 Bauten sind in der ville d’art et d’histoire als Denkmal geschützt.

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Weiterlesen

Im Blog

Auf den Spuren der kleinen Kartäuserin

Die Landschaft des Kartäuser-Mutterklosters im Bergmassiv der Chartreuse hat den französischen Schriftsteller Pierre Péju zu einem berührenden Roman inspiriert. Erfahrt hier mehr.

Im Buch

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