Châteldon. Foto: Hilke Maunder

Petite Cité de Caractère: Châteldon

Penélope Cruz liebt es. Auch Sofia Coppola mag nicht darauf verzichten. Selbst Catherine Deneuve lässt es sich stets an den Set schicken. Chateldon. Eine Flasche mit einem geteilten Etikett in zitronigem Gelb und sonnigem Gold.

Drinnen perlt klein und fein ein Wasser, das einiges in sich hat: 355 mg/l Kalzium, 49 mg/l Magnesium, 41 mg/l Kalium, 2,2 mg/l Fluor, ferner Sulfate (20 mg/l) und Natrium (240 mg/l).

Das berühmte Mineralwasser. Foto: Hilke Maunder
Das berühmte Mineralwasser – immer ohne Akzent auf dem A. Foto: Hilke Maunder

Am Hofe des Sonnenkönigs?

„1650“ prangt groß in goldenen Ziffern mit schicken Serifen auf dem zweifarbig geteilten Fond. Kutsche und Sonne vervollständigen das Design. So verweist es auf eine lange Tradition, die mit dem Sonnenkönig im Grand Siècle begann. Dr. Guy-Crescent Fagon soll es als erster Leibarzt Ludwigs XIV. im Gnadenjahr 1650 dem Monarchen empfohlen haben:

Les eaux de Châteldon guériront Votre Majesté quelquefois, La soulageront souvent et La consoleront toujours.
Das Wasser von Chateldon wird Eure Majestät manchmal heilen, oft lindern und immer trösten.

Als ich dies las, stutzte ich.  Im Jahr 1650 war Ludwig XIV. erst zwölf Jahre alt – und sein Leibarzt ebenfalls. Doch Ludwig war bereits mit junge fünf Jahren König geworden. Mag also stimmen. Historisch belegt ist einzig, dass das Wasser einst mit Maultieren aus der Auvergne an den Hof von Versailles transportiert worden ist.

Châteldon. Foto: Hilke Maunder
Der beffroi von Châteldon. Weiter hinten: die Burg. Foto: Hilke Maunder

Vorbild Vichy

1778 plante Jean-Baptiste Desbrest, Oberaufseher der Quellen von Vichy, das Örtchen Châteldon in ein Thermalbad zu verwandeln. Die Pläne blieben Visionen. Man kurte in Vichy. Und vergaß die Quelle von Chateldon.

Erst 1933 macht sie wieder von sich reden. Damals kaufte Pierre Laval, prominent als Politiker und gebürtig aus dem Dorf, erst die Quellen, dann das Schloss samt Nebengebäuden.

Laval investierte, erteilte Louis Armand, Ingenieur der Bergwerke von Clermont-Ferrand, die Genehmigung zur Ausbeute und gründete 1935 die Société des eaux de Châteldon.

Châteldon. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Sergentale

Geschickt platzierte er das Wasser wieder in der High Society. Als Sergentale kam es nur in den besten Restaurants des Landes auf den Tisch. Exklusive Verträge sicherten den Ausschank beim Automobile Club de France, auf französischen Transatlantikschiffen wie der „Normandie und in den Zügen der Compagnie Internationale des Wagons-Lits.

1971 ließ der persische Schah das edle französische Wasser bei der 2500-Jahr-Feier des persischen Reiches servieren. Damals trugen die Flaschen noch ein Etikett, das einen besonderen Hinweis trug: „verbessert den Geschmack von Whisky“.

Zur Jahrtausendwende erhielt das Chateldon-Wasser sein heutiges Etikett. Stolz zitiert es die Verbindung zu Ludwig XIV. mit Gold- und Silberfarben, dem Symbol des Sonnenkönigs und der Jahreszahl 1650.

Châteldon. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Edles Wasser

Chateldon gilt als der grand cru unter den Mineralwassern des Landes. Drei Millionen Flaschen werden jährlich vom Wasser der Source Sergentale abgefüllt – und damit so viel, wie Volvic an einem einzigen Tag produziert.

Die sechs alten Quellen sind versiegt. Heute sprudelt das berühmte Wasser aus zwei neuen Quellen aus der Tiefe.

Klein und fein wie die Perlen des eau de prestige ist auch das Örtchen, das den gleichen Namen trägt – und zwecks Unterscheidung sich aufs „a“ den accent cironflexe gesetzt hat.

Rund 20 Kilometer südlich von Vichy bewahrt er als petite cité de caractère im Herzen des regionalen Naturparks Livradois-Forez zwischen dem Tal der Dore und den Ausläufern des Bois Noir das Flair des Mittelalters.

Châteldon. Foto: Hilke Maunder
Auch am beffroi ist das Wasser allgegenwärtig. Foto: Hilke Maunder

Das charmante Dorf

Bis heute dominiert die Burg das Dorf. Besichtigen lässt sie sich nicht – sie ist im Besitz der Fondation Josée-et-René-de-Chambrun, die die einzige Tochter des früheren Besitzers Pierre Laval gegründet hat. Ebenfalls der Stiftung gehören zwei weitere mittelalterliche Häuser im Dorf: das Wachtmeisterhaus und die alte Apotheke.

Bis heute ist Châteldon ein kleiner Ort – und im historischen Herzen ein überraschend sehr kleiner Ort. Ein paar Kopfsteingassen, eine Kirche aus dem 13. Jahrhundert, einige Reste der mittelalterlichen Befestigungsanlagen und schöne alte Häuser. Hier Fachwerk, dort Stein, ganz Natur oder verputzt.

Im Schatten des Torturms servieren Lucie und Simon im Bistr’eau D’Odon auf der Place Jean Jaurès herzhafte traditionelle Hausmannskost mit Lothringer Speckkuchen, Fleischpastete, Entenkeule oder geschmortem Schweinefleisch.  Zum Apéro perlt Lokales im Glas: Rosé Chateldon.

Châteldon. Foto: Hilke Maunder
Wunderschön: das Fachwerk der Place Jean Jaurès. Rechts: die Maison sergentale. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund

Frankreich ist der weltweit führende Exporteur von natürlichen Mineralwässern. Mehr als ein Drittel der Produktion wird exportiert. Allein dieser Sektor bringt der französischen Wirtschaft jährlich fast eine Milliarde Euro ein.

Im Land trinkt jeder Franzose jedes Jahr 135 Liter abgefülltes Wasser. Das macht neun Milliarden Liter für die gesamte französische Bevölkerung pro Jahr. Und fast genauso viele PET-Flaschen.

Mineralwasser in die Flasche zu packen, ist ein höchst profitables Geschäft. Doch die Grundwasserreserven schwinden. Besonders im Sommer ist die Lage prekär.

In Vittel kam es daher  2018 zum Watergate für den Schweizer Multi Nestlé, der in Frankreich neben Vittel auch Contrex und Perrier in Flaschen füllt.

Gefällt Dir der Beitrag? Dann sag merci mit einem virtuellen Trinkgeld.
Denn nervige Banner oder sonstige Werbung sind für mich tabu.
Ich setze auf Follower Power. So, wie Wikipedia das freie Wissen finanziert.

Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Klimawandel, sinkendes Grundwasser, weniger Regen, mehr Dürre: In Frankreich wird das Wasser knapp. So reagiert das Land darauf.

Frankreichs Kampf ums Wasser

Livradois-Forez: mit Natur gegen Landflucht

Unterwegs auf der D 906 von Le Puy-en-Vélay via Ambert nach Thiers mitten durchs Herz eines Naturparks, der gemeinsam mit der Bevölkerung neue, zukunftsfähige Lebens- und Arbeitsweisen schaffen möchte – mithilfe seiner Natur.

https://meinfrankreich.com/livradois-forez_d-906/

Im Buch

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert