Der Pfarrer von Cucugnan – und sein Müller
Nous étions en voiture, et le curé de Cucugnan était assis à côté de moi. C’était un brave homme que ce curé, mais il avait une idée fixe : faire admettre à ses paroissiens qu’il y avait un âne au ciel.
Wir fuhren in einem „Auto“ und der Pfarrer von Cucugnan saß neben mir. Er war ein guter Mann, dieser Pfarrer, aber er hatte eine fixe Idee: Er wollte seine Gemeindemitglieder dazu bringen, zu glauben, dass es einen Esel im Himmel gibt.
Generationen von Franzosen kennen diesen Text, den Alphonse Daudet erstmals 1867 in seinem Werk Lettres de mon moulin veröffentlichte. Die Geschichte beginnt damit, dass der Erzähler auf einer Reise durch die Corbières-Berge des Départements Aude den Pfarrer von Cucugnan trifft, der ein besonderes Anliegen hat.
Ein Esel im Himmel?
Der Pfarrer schafft es einfach nicht, seine Gemeinde davon zu überzeugen, dass es im Himmel einen Esel gibt, der die Lasten der Gläubigen trägt. Als er in seiner Predigt von diesem Esel erzählte, lachten die Leute aus Cucugnan ihren Pfarrer aus und nahmen ihn nicht ernst. Vergeblich versuchte er, seine Gemeinde zu überzeugen.
Daudets Erzählung ist eine Parabel. Sie zeigt die Unfähigkeit des Pfarrers, die Menschen von seiner Idee zu überzeugen – und den Widerstand der Gemeinde gegenüber Veränderungen und neuen Ideen.
Im Théatre Achille Mir lebt die berühmte Predigt des Pfarrers in neuem Gewand wieder auf. Als zwanzigminütige Reise voller Poesie und Humor erzählt sie die 1000 Jahre Geschichte des Dorfes und jener Burg, die über ihm wacht: das Château de Queribus, Etappe am Sentier Cathare. Vom Hügel, auf dem Cucugan thront, scheint die Katharerburg mit dem Fels verschmolzen.
Die schwangere Maria
Der eine Pfarrer glaubte an einen Esel im Himmel. Ein zweiter Pfarrer war entsetzt über Maria. Völlig umhüllt mit Blattgold, zeigt sie im rechten Flügel des Querschiffs der Kirche Saint-Julien-Sainte-Basilisse stolz ihren Babybauch.
Diese vergoldete, polychrome Holzstatue aus dem 17. Jahrhundert stellt die Jungfrau Maria mit prallem Bauch dar. 1930 schickte der Pfarrer von Cucugnan die Holzstatuette nach Carcassonne an die Conservation départementale des Antiquités et Objets.
Er bat, sie dort sicher zu verwahren. Der Grund: „Sie dürfte in Anbetracht ihrer Haltung und ihrer besonderen Umstände nicht ausgestellt werden.“ Erst, als 1945 ein heftiger Hagelsturm über das Dorf hinweggefegt war, durfte sie 1945 auf Druck der Gemeindemitglieder zurückkehren.
1981 war die schwangere Heilige wieder verschwunden. Diebe hatten das Kunstwerk entwendet. Per Zufall wurde sie in einem Schließfach des Bahnhofs von Lille wiedergefunden. Seitdem wacht die schwangere Jungfrau von Cucugnan mit anderen Heiligenfiguren über das Dorf.
Die Mühle von Cucugnan
Auf dem höchsten Punkt des Hügels von Cucugnan erhob sich einst eine Burg. Von ihr sind nur noch einige Mauerreste und Fundamente erhalten. Sie befinden sich gleich neben dem Moulin d’Omer.
Die Rundmühle ist das Wahrzeichen von Cucugnan. 1692 aus Feldsteinen und Holz erbaut, wurde sie 2003 vollständig saniert und 2006 wieder in Betrieb genommen. Von der Mühle eröffnen sich weite Blicke auf die Weinberge und Olivenhaine ringsum. Die Aussicht ist fantastisch!
Alphonse Daudet 1869 nannte seine Sammlung von Erzählungen Lettres de mon moulin. Jene Mühle steht jedoch in der Provence – und ist nicht jene, die sich auf dem Hügel von Cucugnan dreht.
Tipp: Die Mühlen von Geneviève Doumenc
Die Mühlen von Cucugnan hat auch Geneviève Doumenc inspiriert. Rund 20 von ihnen schmücken Fenster und Fassaden, Briefkästen und Nischen im Dorf. Gebaut wurden sie aus allem, was Geneviève fand und recyceln konnte: altes Holz, Stoff, Plastik – upcycgling ganz à la Cucugnan !
Les maîtres de mon moulin
Maîtres de Mon Moulin nennen sich Roland Feuillas und seine Mitarbeiter. Sie haben die Mühle wieder in Betrieb genommen und mahlen dort seit fast zwei Jahrzehnten aus Biogetreide fünf Mehlsorten: Blé de population (Weizen), Grand Épeautre (Ur-Dinkel), Barbu du Roussillon und Blé de Khorasan. Letzteres ist eine Weizenart, die bereits vor mehr als 5.000 Jahren angebaut wurde und exklusiv als Kamut dort vertrieben wird.
Mit Ausnahme von Kamut, das aus dem kanadischen Saskatchewan stammt, werden die Getreide biodynamisch im Département Aude angebaut. Das Mehl verarbeiten die Maîtres de mon moulin nicht nur zu köstlichen Biobackwaren – Brot, Keksen und Kuchen. Sondern auch zu Nudeln: den Dentelles de Cucugnan.
Wer lernen möchte, wie das köstliche Bio-Backwerk entsteht, kann bei den Maîtres de mon moulin Kurse buchen. Bitte einmal hier klicken für die Kurse, die die Geheimnisse des Brotbackens lüften. Dort erfahrt ihr auch viel über die verwendeten Getreide!
Cucugnan: meine Reise-Infos
Schlemmen & genießen
Les Maîtres de Mon Moulin
Die berühmte Mühlenbäckerei von Cucugnan.
• 11350 Cucugnan, Tel. 04 68 33 55 03, Di. – So. 9.00 -18.30 Uhr, https://lesmaitresdemonmoulin.com
Le Bar du Vigneron
Pizza, Pasta und Burger in gemütlichem Ambiente gibt es bei den jungen Gastwirten Guillaum und Aneta – im Sommer auf ihrer schönen Terrasse.
• 5, place du Platane, 11350 Cucugnan, Tel. mobil 06 84 55 93 44
L’Auberge du Vigneron
Eine Institution in Cucugnan – mit grundsolider Kost und Logis samt schöner Terrasse im Sommer.
• 2, rue A Mir, 11350 Cucugnan, Tel. 04 68 45 03 00
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Im Blog
Einen Katzensprung entfernt von Cucugnan ist die Burg von Quéribus. Als eine der „fünf Söhne von Carcassonne“ gehörte die Burg zu einer Gruppe von fünf Festungen, die strategisch auf den Gipfeln der Corbières errichtet wurden, um die Grenze zwischen Frankreich und dem Königreich Aragón zu verteidigen.
Während der Albigenserkriegen, bei denen die Katharer als Ketzer verfolgt wurden, war die Burg ein wichtiger Zufluchtsort. Heute führt die für mich schönste Etappe des Sentier Cathare dorthin.
Im Buch
Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*
Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2024 in der 10. Auflage erschienen.
Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.
Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*
Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.
Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker! Hier* gibt es euren Begleiter.
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Wäre interessant zu erfahren, in welcher Art „Auto“ Daudet 1867 gefahren ist.
Da muss ich leider passen, lieber Siegfried, und leider bin ich auch der Sprache noch nicht kundig genug, um zu wissen, welche Fahrzeuge das Wort voiture im Jahr 1867 umfasste. Der Satz ist ein Zitat aus dem Werk von Daudet – und der offiziellen Übersetzung.