Geradezu lieblich für die Pyrenäen ist die Landschaft des Pays de Sault. Foto: Hilke Maunder
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Le Pays de Sault: Refugium auf der Höhe

Im Herzen der Pyrenäen des Départements Aude versteckt sich auf 900 bis 1.300 Meter Höhe über dem Meer das Pays de Sault. Gerne wird es mit dem Plateau de Sault verwechselt, auf dem der Lavendel wächst. Davon ist hier weit und breit nichts zu sehen.

Hier ist der Blick weit, das Ambiente alpin, authentisch und bäuerlich. Verwerfungen wie der Carcanet, die Rebenty-Schlucht, die Saint-Georges-Schlucht und die Pierre-Lys-Schlucht haben das Pays de Sault dreigeteilt.

So entstanden das große Plateau von Espezel-Belcaire-Camurac im Westen, das anschließende kleine Plateau von Rodome und das mittelgroße Plateau von Roquefortès im Süden.

So tief sind die Täler, die die Hochebenen des Pays de Sault trennen. Foto: Hilke Maunder
So tief sind die Täler, die die Hochebenen des Pays de Sault trennen. Foto: Hilke Maunder

Saltus, Waldtal, nannten die Römer in der Antike diese versteckte Fleckchen Erde, das die Franzosen heute Pays du Sault nennen. Wie zu Römerzeiten dominieren bis heute ausgedehnte Tannenwälder, Pferdekoppeln und ausgedehnte Weiden mit Rindern oder Schafen.

Von Juni bis Oktober sind indes kaum Tiere zu sehen. Sie verbringen die Sommer auf den Almen, wo sie die Patous bewachen, große Pyrenäen-Hirtenhunde mit hellem Fell.

Hohe Berge rahmen die Hochebene ein. Foto: Hilke Maunder
Hohe Berge rahmen die Hochebene ein. Foto: Hilke Maunder

Auf den Feldern wachsen Kartoffeln. Mona Lisa heißt die Sorte, die hier wächst, und jährlich beim großen Oktobermarkt in Espezel  als pomme de terre gastronomique verkauft wird.

Die 1979 gegründete Foire de l’Élevage in Espezel ist heute die größte Landwirtschaftsmesse des Départements Aude. Mit 65 Prozent ist die Viehzucht das wichtigste landwirtschaftliche Standbein im Département.

Die Kartoffel des Pays de Sault heißt Mona Lisa und ist festkochend. Foto: Hilke Maunder
Die Kartoffel des Pays de Sault heißt Mona Lisa und ist festkochend. Foto: Hilke Maunder

Eine tierische Messe!

12.000 Rinder stehen auf den Weiden des Départements Aude, die vor allem in den Corbières und in den Pyrenäen zu finden sind, allen voran die weiß-grauen Gasconbe-Rinder (4.000), gefolgt von 3.000 Limousin-, 1.800 Aubrac-Rindern und Kreuzungen. Hinzu kommen 500 Milchkühe.

Das Gasconne-Rind der Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder
Das Gasconne-Rind der Pyrenäen. Foto: Hilke Maunder

Und so ist die Foire de l’Élevage vor allem eines: ein riesiger Viehmarkt mit Rindern, Eseln, Pferden, Schafen und Schweinen, deren beste Exemplare mit Preisen bedacht werden. Wenn nicht, wie 2023, Mücken die Blauzungenkrankheit ins Département Hautes-Pyrenées gebracht hatten und daher in den Nachbargebieten alle Wiederkäuer zurück in den Stall mussten, um nicht vom Virus infiziert zu werden.

Alle möglichen landwirtschaftlichen Maschinen sind auf der Messe von Espezel ausgestellt. Foto: Hilke Maunder
Alle möglichen landwirtschaftlichen Maschinen sind auf der Messe von Espezel ausgestellt. Foto: Hilke Maunder

Am Dorfrand verwandelt sich zur Messezeit eine Wiese in eine Gerätemesse mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Erntemaschinen. Die Hauptstraße des Dorfes ist dann ein Wochenende lang eine Leistungsschau lokaler Produzenten und Erzeugern.

Christophe Vayssière, Baumkuchenbäcker von Le Sapin Doré aus Boulin im Département Pyrénées-Atlantiques. Foto: Hilke Maunder
Christophe Vayssière, Baumkuchenbäcker von Le Sapin Doré aus Boulin im Département Pyrénées-Atlantiques. Foto: Hilke Maunder

An ihren Ständen verkaufen sie so ziemlich alles, was im Pays de Sault und anderswo am Pyrenäenrand lokal hergestellt wird: von Baumkuchen bis Bier, von Millas (eine Art Polenta) bis Mohairwolle, von Wein bis Wurstwaren, von Käse bis Kuchen, Kerzen und Keramik, Textilien und Schmuck.

Man kommt früh, um noch einen der 1000 Parkplätze auf der grünen Wiese zu ergattern, erhält mit dem Eintrittsband zugleich ein Los für die Lotterie – und tafelt mittags gemeinsam mit Gasthaus oder am Grill unter freiem Himmel.

Bereits für den mittäglichen Ansturm bei der Messe: derr Relais du Pays de Sault – serviert wird ein Menü zum Einheitspreis, 2023 zum letzen Mal. Der Gasthof schließt. Wieder stirbt eine typisch französische Institution. Foto: Hilke Maunder
Bereits für den mittäglichen Ansturm bei der Messe: der Relais du Pays de Sault – serviert wird ein Menü zum Einheitspreis, 2023 zum letzen Mal. Der Gasthof schließt. Wieder stirbt eine typisch französische Institution. Foto: Hilke Maunder

Die Hauptstadt: Belcaire

Die „Hauptstadt“ des Pays de Sault ist Belcaire, ein gemütlicher kleiner Ort auf 1000 Meter Höhe. Rund vierhundert Einwohner leben dort in holzverkleideten Chalets oder Natursteinhäusern rund um eine Kirche an einem See, der im Sommer erfrischenden Badespaß bietet – aber nur nachmittags! Vormittags dürfen die Angler ihre Ruten auswerfen.

Der zu Belcaire gehörige Weiler Trassoulas bietet das schönste Panorama des oberen Aude-Tals. Sogar der Pic de Bugarach, die höchste Spitze der Corbières, ist von dort zu sehen.

Beliebter familiärer Badesee: der Lac de Belcaire. Foto: Hilke Maunder

Die Ketzer von Montaillou

Ebenfalls auf dem Grand Plateau liegt Montaillou, ein kleines, typisch okzitanisches Dorf mit schauriger Vergangenheit. Es gehörte im 4. Jahrhundert zu den letzten Rückzugsorten der “reinen Menschen”, die anderenorts schon längst als Ketzer verbrannt worden war.

Montaillou, Dorfeingang. Foto: Hilke Maunder
Montaillou ist ein okzitanisches Dorf, informiert am Ortseingang dieses Schild. Foto: Hilke Maunder

1325 reiste Bischof Jacques Fournier aus Pamiers in die Region. Die Inquisition hatte Montaillou erreicht. Akribisch führte der spätere Papst Benedikt XII. Protokoll. 578 Vernehmungen und 160 Zeugenaussagen hielt er fest. Sie bilden bis heute eine einzigartige Quelle zum Alltag der Menschen im Mittelalter auf einem Dorf. Dort erfährt man auch, wie Arnaud Sicre für die Inquisition als Spitzel arbeitete und die Gesellschaft seiner Nachbarn beobachtete. Er hob Dachziegel an, um die Gespräche besser belauschen zu können!

Montaillou: die Burgruine Foto: Hilke Maunder
Die Burgruine von Montaillou. Foto: Hilke Maunder

1966 arbeitete Emmanuel Le Roy Ladurie diese Quellen zu einem Lebensbild des Ortes aus, promovierte damit an der Pariser Uni und ließ seine Arbeit neun Jahre später vom französischen Verlag Gallimard veröffentlicht. Sein Buch Montaillou, village occitan de 1294 à 1324*  machte weltweit Schlagzeilen und wurde mit dem Titel Montaillou: Ein Dorf vor dem Inquisitor 1294 bis 1324*  im Jahr 1989 vom Ullstein-Verlag auf Deutsch herausgebracht und im Jahr 2000 neu verlegt.

Bis heute hallt das Werk des französischen Historikers nach, beschäftigt die Forscher – und holt Archäologen nach Montaillou, die mit ihren Ausgrabungen das schriftliche Sittenbild aus jener Zeit um viele Aspekte ergänzen.

Montaillou: die Landschaft ringsum. Foto: Hilke Maunder
Natur pur: das Pays de Sault bei Montaillou. Foto: Hilke Maunder

Rauf auf die Piste!

Touristisch ein wenig erschlossen ist der einzige Skiort von Aude: Camurac. Fünf blaue und je zwei Pisten in Grün, Rot und Schwarz sorgen dort für Abfahrtsspaß. Hinzu kommen Loipen für Langläufer sowie Winterwandern mit und ohne raquettes, Schneeschuhen.

Vom fünf Kilometer entfernten Col de Theil, der das Herz des kleinen Skizirkus bilden, eröffnen sich das ganze Jahr hindurch traumhafte Ausblicke mit der Pyrenäenkette gen Süden und den Ebenen von Aude und Ariège gen Norden und Nordwesten.

Ein ehemaliges Waschhaus dient heute als Dorfbibliothek und Treffpunkt. Foto: Hilke Maunder
Ein ehemaliges Waschhaus dient heute als Dorfbibliothek und Treffpunkt. Foto: Hilke Maunder

Pays de Sault: meine Reise-Infos

Hinkommen

Das Pays de Sault liegt in den Pyrenäen des Départements Aude rund 25 Kilometer südwestlich von Quillan, der nächstgelegenen Bahnstation. Von dort fährt die Buslinie 1010 als Transport à la Demande (TAD) zu den Orten des Pays de Sault.

Wer den Bus auf Abruf nutzen möchte, muss sich vorher kostenfrei registrieren: aude.fr/je-souhaite-beneficier-du-service-de-transport-la-demande. Welche Orte wann angefahren werden, verrät diese interaktive Karte: thinglink.com/scene/825000052584873984?buttonSource=viewLimits

Vorbeugung in eigener Sache: das Dorf Aunat beweist Humor. Foto: Hilke Maunder
Vorbeugung in eigener Sache: das Dorf Aunat beweist Humor. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen und schlafen

Es dominieren Campingplätze, Ferienwohnungen und Gästezimmer bei Privatvermietern, die abends den Gästen ein gemeinsames Essen als table d’hôte anbieten.

Hôtel Bayle

Eines der wenigen Hotels betreiben seit mehr als 20 Jahren Sandrine und Xavier Mouchard mit zehn modern gemütlichen Zimmern im Stil der Berge. Die Küche von Xavier ist tief im Pays de Sault verwurzelt mit seinen nussigen Kartoffeln, dem Käse und den Wurst- und Fleischwaren der Region. Im Sommer betreibt Sandrine eine Guinguette, eine Sommerbar, am Lac de Belcaire.
• 38, avenue d’Ax -es-Thermes, 11340 Belcaire, Tel. 04 68 20 31 05, www.hotel-bayle.com

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Montaillou: grasende Pferde. Foto: Hilke Maunder
Das Pays de Sault ist bis heute bäuerlich und ursprünglich. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Im Buch

Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt an den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*

Roadtrips FrankreichDas zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes. 

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

Hilke Maunder, Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportaits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

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