Le Soulor 1925: die Bergschuhe des Béarn
Le Soulor 1925 ist einzigartig in den Pyrenäen. Es ist einer der letzten französischen Hersteller von Lederschuhen, die nach Maß und von Hand geformt werden. Ein Werkstattbesuch in Pontacq und Nay. Und eine unglaubliche Geschichte einer Rettung.
Le Soulor 1925: die Wurzeln in Pontacq
Einen Schuhmacher gab es noch. Und eine Näherin. Damals, als Stéphane Bajenoff und Philippe Carrouché im Jahr 2016 in Pontacq in den Pyrénées-Atlantiques die 1925 gegründete Werkstatt übernommen hatten.
Drei Generationen hatte sie immer dieselbe Familie geführt, ganz in der Nähe der einst vielen Gerbereien, die sich ab dem 16. Jahrhundert in der Nähe des Oussère und Barade angesiedelt hatten.
Paradis-Pomiès hieß jene Schuhmacherei, und sie lieferte Lederstiefel mit Nieten, die Hirten, Förster, Jäger und Bauern liebten. Und sogar die Pariser, die sie in edlen Kaufhäusern wie La Samaritaine und Le Bon Marché erwarben und stolz bei Spaziergängen im Bois du Boulogne trugen.
In den 1950er- und 1960er-Jahren sorgte der Sohn des Gründers für überregionale Schlagzeilen, als er für Rugbyspieler wie Pierre Lacaze Schuhe schusterte. Lacaze stammte aus dem kleinen Ort im Béarn.
Doch mit der Konzentration und Globalisierung der Schuhindustrie liefen die Geschäfte immer schlechter. Anfang 2016 entschloss sich Joseph Paradis, die Werkstatt zu schließen.
50 Jahre lang hatte er in der Werkstatt gearbeitet. Als Senior von 70 Jahren fehlte ihm die Kraft und das Know-how, die Werkstatt auf die neue Zeit auszurichten.
Das gelang zwei Unternehmern mit Marketing-Rüstzeug. Getragen von der Hipster-Welle und der Rückbesinnung auf lokale Werte, definierten sie das Schuhwerk aus Pontacq als Inbegriff des Béarn.
Am 1. April 2016 eröffnete Stéphane, der zuvor 16 Jahre für die Golf-Abteilung von Decathlon gearbeitet hatte, die alte Schuhwerkstatt als trendige Stiefelschmiede unter neuem Namen: Le Soulor 1925.
Anderthalb Jahre später betrat Philippe, Sohn eines Bauern aus Pontarcq und Unternehmer im Ausland, neugierig den neuen Laden in seiner Heimat. Der Manager, der zuvor im Marketing in Malaysia und Singapur gearbeitet hatte, wurde Partner.
Per Crowdfunding beschaffte sich das Duo das Geld für neue Maschinen, intensivierte das Marketing und entwickelte erfolgreiche Werbekooperationen, die allen Beteiligten kaum Geld kostete, aber breite Wirkung zeigte.
So wie der Besuch von Bernard Monforte. Der Schauspieler und Leiter von Theatertruppen in Tarbes und Pau schlüpft bei der jährlichen Fête du Poule au Pot in Pau alljährlich in die Rolle von Heinrich IV., der den sonntäglichen Hühnereintopf für die Untertanen im Béarn zum Regierungsprogramm erhob.
An seinen Füßen trägt Henri XIV. jetzt Stiefel von Le Soulor 1925. Was das kleine Unternehmen so erfolgreich macht, ist die Qualität seiner Produkte.
Nay: die neue „alte“ Werkstatt
Der Erfolg der Bergschuhe brachte die kleine Werkstatt in Pontacq rasch an den Rand ihrer Kapazitäten. Le Soulor 1925 zog um. Nach Nay. Und nahm die historischen Maschinen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit, die wechseln wollten und konnten. Und so wird auch in Nay am Ufer der Gave de Pau gearbeitet wie einst.
Alle verwendeten Rohstoffe kommen aus Frankreich. Markenzeichen des Sortiments, das inzwischen auch Straßenschuhen umfasst, ist die „norwegische Naht“. Sie sorgt dafür, dass sich das Leder, anders als bei einer geklebten Naht, gut dem Fuß anpasst. Die seit Jahrhunderte geschätzte Naht gewährleistet zudem die Robustheit und Wasserdichtigkeit der Schuhe.
Bei Le Soulor 1925 sind es die Maschinen, die die inzwischen ein Dutzend Handwerker unterstützen, nicht umgekehrt. Ihre Erfahrung, ihr Können sind die Säulen des Betriebs, in dem viel noch Handarbeit ist.
Entwerfen, zuschneiden, nähen: Alles wird vor Ort erledigt in der Werkstatt, die sich ans Geschäft anschließt. Wien in Pontacq stapeln sich die Schuhmodelle aus Holz in den Regalen, und riecht die Luft nach Leder.
Le Soulor 1925 fertigt neben Konfektionsware auch Maßschuhe an. Wer übergroße, extrabreite oder ultraschmale Füße hat, einen zu hohen Spann, Knick- oder Spreizfüße, schickt seinen Fußabdruck den Schuhmachern, die dann das Modell entsprechend anpassen.
Alle Materialien für die Schuhe sind 100 % französisch. Das Leder liefern die Gerbereien Degermann aus Barr im Elsass und Remy Carriat aus Espelette im Baskenland.
2020 zeichnete Frankreich die Schuhmanufaktur von Le Soulor 1925 als Entreprise du Patrimoine Vivant aus, als Unternehmen des lebendigen Erbes.
Im Mai 2024 begann ein neuer Meilenstein in der Firmengeschichte. Stéphane Bajenoff und Philippe Carrouché sagten adishatz – und damit „auf Wiedersehen“. Nach acht gemeinsamen wie erfolgreichen Jahren übergaben sie die Fackel des fast hundertjährigen Unternehmens an ein neues Team unter der Leitung von Jean-Baptiste O’Neill (*1977), der nach Jahren im Ausland in leitenden Positionen mit seiner Familie in den heimatlichen Béarn zurückkehrt. Ihm zur Seite steht ein ehemaliger Sportartikelhändler in Bordeaux, dessen Wurzeln ebenfalls im Béarn liegen.
Hintergrund: das Siegel Entreprise du Patrimoine Vivant
Mit dem Siegel Entreprise du Patrimoine Vivant zeichnet Frankreich seit 2005 Unternehmen aus, die Innovation und Tradition, Know-how und Kreation, Arbeit und Leidenschaft, Erbe und Zukunft, Lokales und Internationales miteinander in Einklang bringen.
Dieses staatliche Gütesiegel ist dem Wirtschafts- und Finanzministerium angegliedert und wird von den Präfekten der Region verliehen. Der Staat hat die Verwaltung dieses Siegels 2019 dem Institut National des Métiers d’Art (INMA) übertragen. Das Label wird für einen Zeitraum von fünf Jahren vergeben.
Seit seiner Gründung im Jahr 2005 wurden 3.600 Unternehmen mit dem Label ausgezeichnet. Heute tragen fast und heute 1.400 Unternehmen mit 69.000 Arbeitsplätzen und einem Gesamtumsatz von über 15 Milliarden Euro das Gütesiegel.
Sie verteilen sich auf acht Branchen: industrielle, medizinische und mechanische Ausrüstungen, Tischkultur, Kultur & Kommunikation, Gastronomie, Architektur & Baukultur, Mode & Schönheit, Möbel & Dekoration, Freizeit & Transport. Alle Unternehmen, die wie Le Soulor 1925 das Label Entreprise du Patrimoine Vivant erhalten haben, sind hier gelistet.
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Im Blog
In Nay ist ein zweiter Bekleidungs-Klassiker daheim: das Béret. Ein privates Museum erzählt seine Geschichte. Erfahr hier mehr.
Im Buch
Marcus X. Schmid, Südwestfrankreich*
Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und dennoch sehr unterhaltsam und humorvoll.
Ich kann ihn aus ganzem Herzen empfehlen, denn auch in diesem Band zu Südwestfrankreich sind tolle Tipps enthalten. Auch kritische Anmerkungen fehlen nicht. Kurzum: ein Reiseführer, der grundehrlich das Reisegebiet vorstellt – ohne versteckte Promotions.
Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
Hilke Maunder, Le Midi*
Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.
Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.
Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportraits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.
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Liebe Hilke Maunders,
wie alle Ihre Berichte ist auch dieser sehr informativ, weil gut recherchiert wurde. Allerdings hätte ich mir auch gewünscht, zu lesen, was denn solche handgefertigten Schuhe kosten, jedenfalls eine Größenordnung, ohne sich dem Verdacht des Merchandizing auszusetzen. Oder habe ich den Artikel nicht aufmerksam genug gelesen?
PS: Freue mich schon auf Ihren nächsten Beitrag.
Uih, Herr Haidt, wenn ich das mache, wäre es Werbung für ein Produkt. Mich interessierten Handwerk und rurale Renaissance, Produkt-PR finde ich gruselig. Daher habe auch alle vermieden, was wie „Verkaufe“ aussieht. Die Schuhe sind Handarbeit und daher sicherlich teurer als Fabrikware vom Band, schauen Sie doch einfach mal in der E-Boutique des Schuhbetriebs: https://lesoulor1925.com/boutique. Beste Grüße, Hilke Maunder