Dortmund von oben. Foto: Stefanie Kleemann, Dortmund-Agentur, Stadt Dortmund

So viel Frankreich steckt in … Dortmund

Gleich zwei Mal hat er in den 1990er-Jahren in Dortmund bei einer deutschen Familie am Stadtrand gewohnt und in der Mittel- und Oberstufe die Schulbank gedrückt. Rilke, Grass und Goethe lernte er dort kennen und das üppige deutsche Frühstück lieben.

Doch kaum einer seiner Mitschüler hätte damals geahnt, was der drahtigen Mitschüler einmal werden würde: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Seine nordfranzösische Heimatstadt Amiens ist die älteste Partnerstadt von Dortmund.

Kontraste in Amiens: Wiederaufbau in Backstein und Jahrhunderte altes Erbe. Foto: Hilke Maunder
Kontraste in Amiens: Wiederaufbau in Backstein und Jahrhunderte altes Erbe. Foto: Hilke Maunder

Amiens – Dortmunds ältester Partner

Bereits 1952 hatte der damalige Bürgermeister der Stadt Dortmund, Ewald Görshop, und ein Unternehmensberater aus Amiens, die Vision einer Verbindung der beiden Städte.

Ganz zögernd und sehr langsam setzte ihre Idee durch – bei der  Stadtverwaltung, der  Handelskammer, bei den Schulen, dem Lions-Club, den Gewerkschaften und selbst bei den ehemaligen Arbeitsdeportierten.

Sieben Jahre später, am 20. November 1959, fasst der Stadtrat schließlich den Beschluss zur Städtepartnerschaft mit Amiens. Sie wurde am 2 April 1960 erfolgte während einer Ratssitzung im Goldsaal der Westfalenhalle im Beisein der Oberbürgermeister Dietrich Keuning und Maurice Vast feierlich verkündet.

Am 14. Mai 1960 trat sie im Festsaal der Akademie der Schönen Künste in Amiens mit der feierlichen Erklärung des Rates der Stadt Amiens in Kraft.

Amiens ist der älteste Partner der heute neun Städteverbindungen. Im Stadtbild  symbolisiert der Platz von Amiens die Freundschaft. Lange vernachlässigt, setzt heute der RWE-Tower mit seiner Fassade aus schwarzem, poliertem Granit einen architektonischen Akzent in der Dortmunder Innenstadt. In Amiens ist die Tour Perret der moderne Hingucker.

Motor der Begegnungen: die Schulen

Die Städtepartnerschaft zu Amiens prägen vor allem intensiven Beziehungen zwischen deutschen und französischen Schulen. Seit 1983 ist das Leibniz-Gymnasium als „Dortmund International School“ mit dem Lycée Privé Sacré-Coeur in Amiens verbunden. 1972 hatte die Première Dame Brigitte Macron ihr Baccalauréat an der gestrengen katholischen Schule abgelegt.

Das Heinrich-Heine-Gymnasium tauscht sich mit dem Lycée Edouard Branly aus. Auch die Johann-Gutenberg-Realschule hat bereits Schülerinnen und Schüler vom Collège St-Riquier empfangen.

Das Max-Planck-Gymnasium bietet seit 1991 das Abibac an und unterstützt den Spracherwerb mit Austauschprogrammen an Partnerschulen. Reisen in die Partnerstadt – auch für Erwachsene – und andere Regionen Frankreichs bietet die  Auslandsgesellschaft NRW e.V. an.

ie Dortmunder Friedenssäule. Foto: Stefanie-Kleemann, Dortmund-Agentur, Stadt Dortmund
Die Dortmunder Friedenssäule. Foto: Stefanie-Kleemann, Dortmund-Agentur, Stadt Dortmund

Turbulente Geschichte

Wer in den Museen der Stadt den Spuren der deutsch-französischen Geschichte von Dortmund folgt, merkt rasch: Kriege und Krisen dominierten. Bereits im Mittelalter hatten die Kaufleute der Hansestadt Dortmund eher den Ostseeraum und England im Blick als das nahe Frankreich.

Im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich finanzierten sie ab 1339  die englische Krone mit. Im  Gegenzug erhielten sie Zugriff auf den Wollhandel Englands auf den Kontinent. Ein sehr lukratives Geschäft!

Als Napoleon die Region eroberte, wurde Dortmund 1808 Hauptstadt des Ruhrdepartements, zu dem die drei Arrondissements Dortmund, Hagen und Hamm gehörten. Bauliche Spuren aus jener Zeit sind heute kaum noch erhalten.

Widerstand gegen die Ruhrbesetzung

Präsenter ist die Ruhrbesetzung, an die ein Denkmal im Westpark und eine Gedenktafel im Tunnel der Straße Hohle Eiche in Dortmund-Lötrtinghausen erinnerten. 1923 hatten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet besetzt, da Deutschland mit den Reparationszahlungen in Verzug geraten war. Bis nach Berghofen beherrschten die Truppen die Stadt. Schwerte blieb unbesetzt. Verkehrssperren und Visazwang, Einquartierungen von Soldaten und die permanente Anwesenheit der Besatzer brachten den Alltag fast zum Erliegen.

Nationallisten und Kommunisten verübten gemeinsam Sabotage- und Sprengstoffanschläge. Populistische Plakate heizten den Hass auf die fremden Mächte an. Zentrum des Widerstandes war der Dortmunder Borsigplatz.

Die Besatzer antworteten mit konsequenter Brutalität. Wer sich nicht an die Auflagen hielt, wurde erschossen. So auch in Dortmund sieben Männer, die sich nicht an die Ausgangssperre gehalten hatten.

Grassierende Inflation und Hunger höhlten den passiven Widerstand der Dortmunder aus. Zahlreiche Betriebe mussten schließen. Als die Franzosen am 22. Oktober 1924 Dortmund räumten, waren 788 Zechen im Oberbergamtsbezirk Dortmund stillgelegt. 90 Prozent der Dortmunder hatten keine Arbeit mehr. Am 7. März 1933 hängte man die Hakenkreuzfahne ans Dortmunder Rathaus.

Das Mahnmal Bittermark. Foto: Gaye Suse Kromer, Dortmund-Agentur

Karfreitag: Gedenken in der Bittermark

Der Zweite Weltkrieg zerstörte alle Spuren der 1100-jährigen Stadt. Als Rüstungsschmiede des Ruhrpotts legte die Alliierten den Stadtkern zu 95 Prozent in Schutt und Asche. 7,5 Mio. Kubikmeter räumten die Trümmerfrauen fort.

Doch während bereits amerikanische Truppen in einige Stadtteile Dortmunds eingewandert waren, kam es auf der der Waldlichtung „Spielwiese“ in der Bittermark, im Rombergpark und auf dem Eisenbahngelände zwischen Hörde und Berghofen zu Ostern zu einem Blutbad.

Wenige Tage vor Kriegsende ließ die Hörder Gestapo per Genickschuss noch rund 280 Menschen ermorden, fast alle Widerstandskämpfer und französischen Zwangsarbeiter.

Alljährlich zu Karfreitag gedenken am Mahnmal in der Bittermark Vertreter der Stadt, des Fördervereins Steinwache/Internationales Rombergpark-Komitee e. V.s und des französischen Verbandes der Zwangs- und Arbeitsdeportierten bei einer Kundgebung in deutscher und französischer Sprache dieser Gräueltat.

Dortmund & Frankreich: Was für Verbindungen!

Deutsch-Französische Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft NRW e.V.

Die Deutsch-Französische Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft NRW e.V. wurde 1948 als Deutsch-Französisches Institut gegründet, aus dem 1949 das Auslandsinstitut hervorging. Zum 7o. Geburtstag am 30. November 2018 reiste  Frankreichs Botschafterin Anne-Marie Descôtes  nach Dortmund und hielt eine Festrede.

Das musikalische Programm gestaltete eine Sängerin und Schauspielerin aus Montpellier, die heute in Hamburg lebt: Véronique Elling. Jurij Kandelja begleitet ihr Programm „Paris Chéri“ am Akkordeon. Seit 2008 leiten Odile Brogden und David Babin den größten Länderverein der Auslandsgesellschaft NRW.
• https://auslandsgesellschaft.de

Heinrich-Heine-Gymnasium

Lesewett- und Internetbewerbe, Besuche des FranceMobil und Parisfahrten: Die Fachschaft Französisch belebt mit einem bunt gefächerten Programm aus Aktionen vor Ort, Austauschen und Reisen ins Land den eigentlichen Unterricht und Spracherwerb.
• www.heinrichheinedo.de

Leibniz-Gymnasium

Die neunten und zehnten Klasse empfangen alljährlich Anfang Dezember rund 20 französische PartnerInnen für eine gute Woche in Dortmund und fahren vor den Osterferien zum Gegenbesuch nach Amiens.
www.leibniz-gym.de

Max-Planck-Gymnasium 

Das Max-Planck-Gymnasium, eine der größten und ältesten Schulen Deutschlands, bietet seit 1991 das Abibac an. Wer nicht ab Klasse fünf den bilingualen Zweig Französisch/Deutsch wählt, kann ab Klasse sechs im nicht-bilingualen Zweig ebenfalls die Sprache lernen.

Vertieft werden können die Sprachkenntnisse bei einem individuellen Austausch mit dem Collège Martin Luther King in Buc bei Paris. Im bilingualen Zweig der Sekundarstufe I besucht  die 9. Klasse bei einem einwöchigen Austausch das Lycée Monge in Charleville-Mézières (Champagne-Ardenne). Im bilingualen Zweig der Oberstufe bietet die Europaschule einen freiwilligen Austausch mit ihrer Abibac-Partnerschule Lycée Charles Péguy in Orléans an.
https://mpg-do.de

Melange e.V

Ganz viel Frankreich findet ihr auch im Programm des gemeinnützigen Vereins „Melange e.V.“. Gegründet von Kulturinteressierten und Künstler, Kulturwissenschaftlern und -vermittler, prägen Lesungen, Rezitationen, Kabarett und Chansons das Programm. Kurzum: Unterhaltung mit Niveau und Esprit, die zum Nachdenken und Vertiefen anregt.
www.melange-im-netz.de

Rotary Club Dortmund-Hörde

Der im Juni 1963 gegründete Rotarier-Club von Dortmund-Hörde ist seit 1967 mit den Rotariern von Amiens freundschaftlich verbunden.
• https://dortmund-hoerde.rotary.de

Schauburg Dortmund

Zeitnah zum Programmstart in Deutschland zeigt die Schauburg immer montags Filme in französischer Originalfassung mit deutschen Untertiteln.
• www.schauburg-kino.com

Technische Universität Dortmund

Der Dortmunder Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus kooperiert seit dem Wintersemester 2005/2006 mit der Université de Strasbourg sowie seit 2013 mit der Université de Bourgogne in Dijon. Etwa einmal im Jahr organisieren seine Lehrkräfte ein deutsch-französisches Projekt zu einem wissenschaftsjournalistischen Thema. Seit 2013 ist der Studiengang InfoCom/Euromédia aus Dijon am deutsch-französischen Seminar beteiligt.


Wie viel Frankreich steckt in Deutschland? Das verrät euch meine Blogparade. Alle Beiträge könnt ihr hier nachlesen. Ihr wollt, dass ich auch eure Stadt und ihre Verbindungen mit Frankreich vorstelle? Dann schreibt mir eine Mail! Ich freue mich auf ganz viele Tipps und Infos! Und sage: MERCI!

Das Buch

Frankreich in DeutschlandHamburg war einst Hauptstadt eines Départements von Napoleons Kaiserreich. Duisburg bot dem königlichen Musketier d’Artagnan ein Dach über dem Kopf. Dortmund war für ein paar Wochen der Wohnort, an dem der französische Austauschschüler Emmanuel Macron die Deutschen in natura erlebte. Göttingen ist die Stadt, aus der der Soundtrack der deutsch-französischen Versöhnung stammt.
Überall steckt so viel Frankreich in Deutschland. In 26 Berichten von Erkundungen vor Ort beschreibe ich in meinem ersten E-Buch die unzähligen Spuren, die unser französischer Nachbar im Laufe der ereignisreichen, gemeinsamen Geschichte in Deutschland hinterlassen hat. 2021 ist die 2. Auflage erschienen!E-Book: ISBN 9783752 665604 (14,99 Euro)
Print: ISBN 9783944299235 (25,50 Euro), zu bestellen u.a. hier*.
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4 Kommentare

  1. Coucou,

    Gibt es irgendwelche neue Termine?
    Ist zwar weit von Dorstfeld und ohne Auto sicher nicht einfach, wäre mir aber ein Versuch wert, trotz Rollator ?
    A bientot
    Silvia

    1. DAS KAM GERADE ALS ANTWORT: Liebe Hilke, in den nächsten kommenden Jahren wird es so schnell keine erneuten französischen Kulturtage in Holzwickede geben. Eventuell in drei oder vier Jahren erneut. Wir sind alle nur Ehrenamtler und schaffen es nicht, jedes Jahr erneut eine solche Veranstaltungsreihe zu stimmen. Absatz Liebe Grüße aus Aix in der Provence Jochen

  2. Ein wunderbarer Bericht über die französischen Spuren in Dortmund – Präsident Macron war immerhin auch schon hier. Und in Holzwickede freuen wir uns auf zahlreiche interessierte Besucher zu den französischen Kulturtagen im März! Soyez les bienvenus!

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