
Drei wuchtige Stadttore, massive Wehrmauern, enge Gassen, eine Kirche und ein lauschiger Platz: Die Altstadt von Marvejols bei Mende im Département Lozère ist wahrhaft filmreif – und hat Kinogeschichte geschrieben. Dort drehte Jean-Jacques Beineix nach dem Roman von Philippe Djian eine Szene aus dem Kultfilm Betty Blue: 37,2 Grad am Morgen*.
Der Film ist ein Roadmovie zweier Liebender mit tödlichem Ausgang. Der 34-jährige Zorg ist ein Handwerker, der für die Reparatur und Instandhaltung einer kleinen Feriensiedlung zuständig ist. Er lebt in Gruissans Strandviertel Les Chalets in einem Bungalow auf Stelzen und dort lernt Betty kennen: hübsch, impulsiv und sinnlich.
Im Sturm erobert sie sein Herz. Eine leidenschaftliche Liebesgeschichte beginnt. Doch Betty hat bald genug vom kleinen, engen Leben. Und sorgt mit ihrem Verhalten dafür, dass Zorg in Streit gerät mit seinem Chef und seinen Job verliert.

Nach einem Streit mit Zorgs Chef brechen die beiden Liebenden aus und begeben sich auf die Suche nach einem Ort, an dem sie ihre freie und unbeschwerte Liebe ausleben können.
So kommen sie schließlich in die Lozère nach Marvejols, wo Eddy nach dem Tod seiner Mutter einen Klavierladen geerbt hatte, die sie übernehmen. Doch auch dort steht ihre Liebe unter keinem guten Stern, sondern entfesselt zerstörerische Kräfte.
Zorg muss ansehen, wie die Frau, die er liebt, mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt. Eines Tages greift er zum Kissen. Und beendet das Martyrium ihrer zerstörerisch verschmelzenden Liebe.

Als der Film 1986 in die Kinos kam, wurde das Städtchen von Filmtouristen überrannt. Auch, weil nahezu zeitgleich noch ein anderer Film für Furore gesorgt hatte, der ebenfalls in Marvejols und Le Malzieu-Ville dreht worden war: Hors-la-Loi von Robin Davis.
Sein Spielfilm ist ein fulminantes Roadmovie rund um eine Gruppe Jugendlicher, die aus ihrem Heim mit einem geklauten Laster ausbrechen zu einer nächtlichen Kneipentour, die eskaliert, als es zum Streit beim Bezahlen kommt. Der Ton wird schärfer, der Wirt schießt – und trifft einen Jungen tödlich. Einer seiner Freunde sticht auf den Schützen ein. Danach fließt die Band – und flüchtet vor der Polizei in die Lozère.

Inzwischen verirrt sich kaum ein Kinogänger noch nach Marvejols. In seinen Gassen ist die rurale Renaissance noch nicht angekommen, zahlreiche Geschäfte sind verrammelt und verriegelt.
Doch dazwischen locken immer wieder kleine, inhabergeführte Geschäfte locken mit kreativen Kreationen und lokalen Spezialitäten. Nicht herausgeputzt, sondern authentisch: Marvejols, das stille Juwel der Lozère.


Landflucht & Neubürger
Das Département Lozère ist mit 76.586 Einwohnern das am dünnsten besiedelte Départements Frankreichs und gehört zu den bevölkerungsärmsten Gegenden der Europäischen Union.
Im 19. Jahrhundert hatten noch mehr als 150.000 Menschen dort gewohnt und von der Landwirtschaft, und besonders der Viehzucht, gelebt.

Die massive Landflucht im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung Frankreichs stoppte erst Mitte der 199er-Jahren dank der Erschließung des Massif Central mit Verkehrswegen. Die Autobahn A 75 hat dazu maßgeblich beigetragen. Besonders Marjevols profitierte und wuchs außerhalb der Altstadt entlang des Laufs der Colagne.
Seit der Corona-Pandemie erleben die einst abgeschiedenen Orte eine massive Nachfrage nach Grundstücken und Immobilien von Großstädtern. Künstler und Neorurale zieht es ebenfalls inzwischen in die Lozère – zumal dort auch der Internet-Ausbau mit Glasfaser und 5G massiv vorangetrieben wurde.

Marvejols: meine Reisetipps
Hinkommen
Marjevols ist nur einen Katzensprung von der mautfreien Autobahn A75 durch das Landesinnere entfernt.
Seit 1884 hält die Bahn in Marjevols – heute mit TER-Regionalzügen nach Béziers und Intercités nach Clermont-Ferrand.
Schlemmen und genießen
Au P’tit Crémier

Neben einer gut sortieren Auswahl lokaler, regionaler und beliebter französischer Käsesorten gibt es hier auch hausgemachtes Aligot zum Mitnehmen!
• 14, Rue Sadi Carnot, 48100 Marvejols

Schlafen
Noch mehr Betten*
In der Nähe
Les Loups du Gévaudan
Neun Kilometer nördlich von Marvejols stellt der fünf Wolfsrassen aus vier Kontinenten vor. Wer mag, kann im größten Wolfspark Europas auch übernachten.
• 48100 Saint-Léger-de-Peyre, Tel. 04 66 32 09 22, www.loupsdugevaudan.com
Étang de Bonnecombe
In Nähe des Col de Bonnecombe lädt auf 1340 Metern Höhe der Étang de Bonnecombe 23 Kilometer westlich von Marjevols zum Angeln mit der Familie oder mit Freunden eignet. Dazu wurden rund um den Teich Pontons angelegt. Mit ziemlicher Sicherheit könnt ihr dort eine Regenbogenforelle fangen – oder einfach nur das Ballett der Libellen bewundern, die zum Klang der Frösche und Kröten über dem Wasser tanzen und zwischen den Gräsern umherschwirren.
Cascade du Déroc
In Nasbinals, 30 Kilometer nordwestlich von Marjevols, beginnt der Wanderweg zur Cascade du Deroc, wo sich ein Nebenfluss der Bès über eine Basaltkante 30 Meter tief hinabstürzt – vor einer Höhle im Fels, die Räubern als Zuflucht diente, ehe Dr. Barthélémy Prunières sie entdeckte. Der Pariser Mediziner arbeitete in Marvejols als Arzt und interessierte sich, wie es zu seinen Lebzeiten groß in Mode war, für die Vorgeschichte. In Frankreich gilt er als Vater der Paläopathologie.
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Im Blog
22 Kilometer nördlich von Marvejols liegt Aumont-Aubrac auf rund 1000 Metern Höhe auf dem Plateau von Aubrac – ein lohnenswerter Abstecher von der mautfreien Autobahn A 75!
Im Buch
Secret Places Frankreich*
Eiffelturm, Lavendelfelder und die Schlösser der Loire sind weltbekannte Ziele in Frankreich. 60 wunderschöne Orte abseits des Trubels stellen Klaus Simon und ich in unserem dritten Gemeinschaftswerk vor.
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