Die Burgruine von La Ferte-Milon. Foto: Hilke Maunder
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La Ferté-Milon: Burgjuwel im Ourcq-Tal 

Ein riesiges Schaufelrad aus Holz dreht sich am Quai de la Poterne von La Ferté-Milon und schaufelt die Wasser der Ourcq, die auf den sumpfigen Wiesen oberhalb von Fère-en-Tardenois im Département Aisne entspringt und nach etwa 87 Kilometern bei Mary-sur-Marne in die Marne fließt. Das Schaufelrad auf der Île Lamiche trieb früher eine Weizenmühle an.

Der größte Teil des Wassers jedoch fließt über einen 1825 fertiggestellten Kanal, der ab Mareuil-sur-Ourcq als Canal de l’Ourcq nach Paris führt und im Bassins von La Villette den Canal Saint-Martin und den Canal Saint-Denis speist.

Am Canal de l'Ourcq in La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder
Am Canal de l’Ourcq in La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder

Der Kanal war Jahrhunderte lang der wichtige Transportweg für Brennstolz und Bauholz der Hauptstadt, floss doch die Ourcq direkt vorbei am Wald von Retz inspiriert, der im Ancien Régime im Besitz der Familien de Valois und d’Orléans war.

Dieser Wald, anfangs nur ein riesiges Jagdgebiet, wurde unter François de Valois, zur Quellen reicher Einkünfte. Der spätere François I. organisierte den Wald neu. Er gründete 1544 die Capitaines de la chasse als königliche Jagdgesellschaft von Villers-Cotterêts, ließ die ersten Waldschneisen schlagen, das Schloss bauen, die Quellen fassen und beauftragte Leonardo da Vinci damit, die ersten Versuche mit einer Schleusenkammer in Frankreich am Fluss Ourcq durchzuführen.

Die Fußgängerbrücke von Gustave Eiffel über die Ourcq. Foto: Hilke Maunder
Die Fußgängerbrücke von Gustave Eiffel über die Ourcq wurde 1868 eingeweiht – 20 Jahre vor dem Bau des Eiffelturmes. Foto: Hilke Maunder

Gesichert wurde der Lauf der Ourcq bereits weit vor dem Bau des Kanals mit Burgen. Bereits im 11. Jahrhundert errichtete eine gewisser Milon von Vexin als Graf des Vexin hier eine ferté . Das Wort entwickelt sich aus dem lateinischen Wort firmitas und bezeichnete im Altfranzösischen einen befestigten Ort oder eine Burg – und gab so dem Ort den Namen La Ferté-Milon.

1213 wurde La Ferté-Milon in die Grafschaft Valois integriert, die unter Philipp August unter die Krone Frankreichs kam. In dieser Zeit erhielt La Ferté-Milon seine fast 900 Meter lange Stadtbefestigung mit ihren 21 Türmen. Vier Tore mit Fallgittern sicherten einst den Zugang zur Stadt. Die mittelalterliche Burg wurde im Zug wechselnder Herrscher immer wieder ausgebaut, verstärkt und erweitert.

Heute verbindet eine kleine Eisenbrücke von Gustave Eiffel am östlichen Ende des idyllischen Uferparks die Ourcq mit ihrem Kanal – und ragt die einst stolze Festung, wie sie in den Annalen noch 1375 beschrieben wird, zwischen den Kronen der Linden als Ruine auf.

Die Esplanade des Château de La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder
Die Esplanade des Château de La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder

Die gigantische Burgruine gibt bis heute Zeugnis von der wichtigen strategischen Rolle des Städtchens, in dem 1631 Frankreichs Tragödiendichter Jean Racine geboren wurde – und Fabeldichter Jean de la Fontaine 1647 seine Marie Héricart heiratete. Und von den Machtkämpfen jener Zeit.

Die Ruine ist das letzte Zeugnis einer neuen Festung, die Ludwig I. von Orléans 1393 in Auftrag gegeben hatte. Sein Ziel: die Burg von La Ferté-Milon zu einer ebenso mächtigen Festung wie Pierrefonds zu machen.

Die Seitenansicht der Burg mit dem Königsturm. Foto: Hilke Maunder
Die Seitenansicht der Burg mit dem Königsturm. Foto: Hilke Maunder

Doch am 23. November 1407 wurde der Herzog von Orléans, der als Regent für seinen geisteskranken Bruder, König Karl VI. über Frankreich herrschte, auf offener Straße in Paris ermordet. Der Auftraggeber des Mordes war Johann Ohnefurcht, Herzog von Burgund.

Die beiden Männer waren erbitterte Rivalen um die Macht im Königreich Frankreich, und Johann Ohnefurcht strebte an die Spitze. Der burgundische Herzog stritt zunächst jede Beteiligung an dem Mord, aber jedermann wusste, dass er der Auftraggeber für den Meuchelmord gewesen war. Ludwigs Festung in La Ferté-Milon wurde daher nie fertiggestellt.

Die Fassade des Schlosses zur Schauseite samt Eingang. Foto: Hilke Maunder
Die Vorderseite des Schlosses samt Eingang. Foto: Hilke Maunder

Im 16. Jahrhundert tobten Religionskriege. 1594 nahm Heinrich IV. La Ferte-Milon in Besitz und beauftragte die Schleifung der Burg. 48 Tage lang dauerte der Abriss. Später verwüstete der Prinz von Condé als Führer der Fronde den Ort. Die dem König treue Garnison weigerte sich, sich zu ergeben.

Wie riesig die Anlage einmal werden sollte, lässt heute noch die Fassade ahnen. 102 Meter lang und 28 Meter hoch ragt sie hoch über dem Tal der Oise auf einem Felshang auf. Auf der Promenade sind noch zwei russische Kanonen aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen, die auf die Stadt gerichtet waren. 1918 ließen die deutschen Truppen ihre Kriegsbeute von der russischen Front hier zurück.

Wenige Schritte weiter findet ihr einen Picknickplatz auf dem Gras. Weit schweift der Blick über die alte Stadt und ihr Umland. Tief unten im Tal der Ourcq erinnert eine Statue an den berühmtesten Sohn des Städtchens. Doch dies ist eine andere Geschichte.

Die Statue von Jean Racine in La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder
Die Statue von Jean Racine in La Ferté-Milon. Foto: Hilke Maunder

La Ferté-Milon: meinen Reisetipps

Hinkommen

Bahn

La Ferté-Milon liegt an der Bahnstrecke Paris – Château-Thierry und wird von TER-Regionalzügen angefahren – ihr könnt kostenfrei Fahrräder mitnehmen!

Ansehen

Schlossruinen

• Chemin du Vieux Château, 02460 La Ferté-Milon, https://lafertemilon.fr

Musée Jean Racine

Jean Racine war Waise und wuchs im Hause der Großeltern auf. Ihr Haus nahe der Église Notre-Dame gehört heute zum Kreis der Maisons des Illustres Frankreichs und erzählt seit 1991 jenes Mannes, der neben Pierre Corneille als größter Tragödienautors Frankreichs gilt.
• 2, rue des Bouchers, 02460 La Ferté-Milon, Tel. 03 23 96 77 77, https://museejeanracine.neopse-site.fr

Jean Racine, verewigt in Street-Art. Foto: Hilke Maunder
Jean Racine, verewigt in Street-Art. Foto: Hilke Maunder

Musée Régional du Machinisme Agricole

In den alten Stallungen des Château Potel erzählt dieses Museum mit Traktoren und Landmaschinen aus dem 20. Jahrhundert sowie nachgestellte Werkstätten von Sattlern, Zinkbearbeitern, Schmieden und Mechanikern die Geschichte der Landwirtschaft in der Picardie.
• 68 Bis, rue de la Chaussée, 02460 La Ferté-Milon, Tel. 03 23 96 29 85, www.facebook.com

Schlemmen und schlafen

La Fontaine Racine

Geoffroy. Foto: Hilke Maunder
Geoffroy Dericq. Foto: Hilke Maunder

Fünf Gästezimmer im ersten Stock eines stattlichen Landhauses mit großem Ufergarten, in dem bei schönem Wetter das Essen serviert wird, findet ihr bei Geoffrey Dericq, einem jungen, charmanten Gastgeber, der es sichtlich genießt, im Anwesen seiner Eltern heute Gäste zu empfangen und zu bewirten. Die fünf Zimmer vereinen Nostalgie und Komfort in einem gemütlich-stylischen Ambiente.
• 9, rue Pomparde, 02460 La Ferté-Milon, Tel. 07 88 49 61 24, www.lafontaineracine.com; die Unterkunft ist für Menschen mit Gehbehinderung wegen der Treppen, Stufen und Schwellen sowie der recht glatten Holzböden nicht geeignet.

Das gelbe Zimmer der chambres d'hôtes La Fontaine Racine. Foto: Hilke Maunder
Das gelbe Zimmer der chambres d’hôtes La Fontaine Racine. Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Betten*

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Im Buch

Georg Renoeckel, Cover NordfrankreichGeorg Renöckel, 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss*

Wisst ihr, wo Banksy an Nordfrankreichs Küste seine Stencils hinterlassen hat? Wo ihr am besten salicornes sammeln könnt? Oder wo bis heute die Zeitung im Bleisatz gesetzt wird? Georg Renöckel kennt die ungewöhnlichsten, überraschendsten und außergewöhnlichsten Orte im Norden von Frankreich.

111 davon hat der Wiener Journalist (Jg. 1976), der u.a. in Paris studiert hat, für seinen Reiseführer 111 Orte, die man in Nordfrankreich gesehen haben muss* ausgesucht. Auch für Insider und gute Kenner der Region hält er noch so manche Entdeckung bereit.

Wer ausgiebig darin stöbert, erfährt auch, warum ein Zwerg die einst mächtigste Ritterburg der Welt zerstörte. Auf der Suche nach historischen, kulturellen und legendären Orten hat Georg Renöckl nicht nur die Picardie, das französische Flandern, den Hennegau und den Artois besucht, sondern auch die Île-de-France.

Heraus kam ein lesenswerter Band, der Lust macht auf Entdeckungen abseits eingetretener Pfade. Wer mag, kann den Reiseführer hier*online bestellen.

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