
Am 8. September 1940 machte Marcel Ravidat im Tal der Vézère einen Spaziergang mit seinem Hund. In Montignac begann sein Hund, ein Kaninchen zu jagen. Jenes flüchtete sich in ein Loch, das ein entwurzelter Baum gerissen hatte.
Um das Kaninchen hervorzulocken, warf Marcel Steine hinein. Und hörte, dass sie tiefer und tiefer fielen. Unter dem gut 30 Zentimeter großen Loch musste sich ein viel größerer Hohlraum befinden.

Die Entdeckung
Marcels Neugier war geweckt. Vier Tage später kehrte er in Begleitung seiner Freunde Georges Agniel, Simon Coencas und Jacques Marsal zurück. Ausgestattet mit Öllampe und Entermesser drangen die jungen Männer in die Höhle ein.
Am Donnerstag, den 12. September 1940, erblickten sie dort das erste Gemälde. Als sie ihre Entdeckung ihrem ehemaligen Lehrer Léon Laval erzählten, hielt jener es für einen schlechten Scherz.
Henri Breuil war der Erste, der ihnen glaubte. Noch im selben Jahr verbrachte der französische Priester und Prähistoriker mehrere Wochen vor Ort, um die Werke zu studieren.

Die weiße und die grüne Krankheit
Am 13. Juli 1948 besichtigten die ersten Besucher die Höhle. Bereits 1955 bemerkten die Forscher die ersten Folgen der Höhlenöffnung. Das Kohlendioxid der Luft griff die prähistorischen Malereien an.
1960 entdeckte der damalige Museumskurator Max Sarradet, dass Algen die Bilder als „grüne Krankheit“ schädigen – und Kalzit als „weiße Krankheit“. Besonders die grünen Flecken durch Algenkolonie breiteten sich immer weiter aus.

Die Schließung des Originals
Um weitere Schäden zu vermeiden, schloss am 20. April 1963 André Malraux als Minister für Kultur die Höhle. Mehr als eine Million Menschen hatten von 1948 bis 1963 die Meisterwerke der Vorzeit bewundert.
Um dies auch künftigen Generationen zu ermöglichen, entschied sich Frankreich für einen originalgetreuen Nachbau der Höhle, die seit 1979 zum Welterbe gehört.

Der erste Nachbau: Lascaux II
1972 begannen die Arbeiten an Lascaux II. 1983 öffnet die Replik nur 200 Meter von der Originalhöhle ihre Türen für die Öffentlichkeit. 2011 war Lascaux II. mit 250.000 Besuchern pro Jahr die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in der Dordogne. Und war dem Andrang kaum noch gewachsen.
So folgte am 24. April 2014 eine zweite Grundsteinlegung. Aurélie Filippetti, damals Ministerin für Kultur, gab den Startschuss für den Bau von Lascaux IV.

Der zweite Nachbau: Lascaux IV
Am 10. Dezember 2016 weihte der damalige Staatspräsident François Hollande den zweiten Höhlennachbau ein. Den internationalen Architekturwettbewerb für den 11.000 Quadratmeter großen Bau hatte am 18. Oktober 2012 das norwegische Unternehmen Snøhetta
gewonnen.

Snøhetta wurde 1989 gegründet und ist heute mit Büros in Oslo und New York präsent. Dort beschäftigen Craig Dykers und Kjetil Trædal Thorsen Architekten, Landschaftsarchitekten, Innenarchitekten und Grafikdesigner in ihrem Büro.
Gemeinsam entwarfen sie für Lascaux einen Bau, der sich in eine längliche Hügelfalte geradezu einzuschmiegen scheint – mit Glas, Beton und Aussichtsterrasse auf das Vézère-Tal bei Montignac.

Vorzeit & Virtual Reality
Beim Besuch von Lascaux erhaltet ihr ein Tablet. Es macht die Vorzeit heute lebendig – und dies bereits auf dem Belvédère. Beim Scannen der Landschaft erscheint auf dem Tablet eine Virtual-Reality-Karte. Sie zeigt euch die wichtigsten archäologischen Stätten in der Umgebung an, die öffentlich zugänglich sind.

Betretet dann den Betonbaum. Im abri beginnt die Zeitreise. Ein immersiver Bildschirm zeigt euch das Vézère-Tal vor fast 20.000 Jahren, als die Landschaft von Lascaux noch ganz anders aussah.
Damals erstreckte sich dort eine Steppe, die wilde Tierherden bevölkerten. Ein Zeitsprung – und ihr seid im Jahr 1940 hautnah dabei, als vier junge Teenager über den Bildschirm und in den Wäldern von Lascaux ein Abenteuer erleben.
Die Grotte

Nach dem abri, in dem sich eure Augen an die Dunkelheit gewöhnen sollen, geht es hinein in die Höhle. Lascaux IV stellt die Gesamtheit der ursprünglichen Höhle dar.

Beim Nachbau achteten das Atelier des Fac-Similés du Périgord und das Atelier du Béton darauf, auch das kleinste Detail der Originalhöhle zu übertragen – von der Oberfläche der Wände bis zur Atmosphäre.

Wie in einer echten Höhle ist es dunkel und kühl. Die Geräusche sind gedämpft, die Luft ein wenig feucht. Auch das Einstiegsloch wurde nachgebaut. Strahler erhellen hier und da die prähistorischen Motive.
Der Saal der Stiere

Die salle des taureaux zeigt die eindrucksvollsten Stierbilder und wird auch „Die Rotunde“ genannt.

Das axiale Divertikel
Die Decke dieser Galerie brachte Lascaux den Spitznamen der „Sixtinischen Kapelle der Vorgeschichte“ ein. So hatte der Abt Henri Breuil diesen Höhlenabschnitt genannt.

Die Passage
Hier gibt es die ersten überlagerten Gravuren und Malereien in der Höhle. Es ist auffällig, dass die Bilder weniger lebendig sind als in den anderen Räumen aufgrund der Luftströmung, die in der Originalhöhle die Farben verblassen ließ.

Die Abside
Hier ist die Decke recht hoch und reich an Gravuren.



Der letzte Saal

Hier könnt ihr einige der berühmtesten Malereien der Höhle bewundern: die „Schwarze Kuh“, den „Hirschfries“ und die „Schiefen Bisons“.


Die digitale Grotte
Nach der Besichtigung der Grotte kommt ihr in den Museumsbereich. Dort zeigt ein 3D-Kino den Film „Lascaux und die Welt“. Die Galerie de l’Imaginaire zeigt, was die Höhlenkunst mit dem Kunstschaffen von heute verbindet. Eine Wand mit 90 Bildschirmen präsentiert in der digitalen Grotte Werke berühmter Künstler wie Miró, Tàpies und Picasso.
Jean-Paul Jouary, Philosoph und Kurator der Ausstellung, hat die Werke ausgewählt nach Techniken, Themen, Darstellungsweisen und künstlerischer Inspiration. Sechs interaktive Terminals laden ein, tiefer einzudringen in die Verflechtung der Kunst quer durch alle Zeiten und Stile.


Die Höhle von Lascaux: meine Tipps
Lascaux barrierefrei
Lascaux IV ermöglicht auch Menschen mit Handicap einen immersiven Besuch der prähistorischen Höhle. Eine speziell thermisch aufgeblasene Broschüre, in Blindenschrift und vergrößerten Buchstaben, erlaubt, die wichtigsten Figuren der Höhlenkunst kennenzulernen.
Im 3D-Kino lassen Audiobeschreibungen die Bilder vor dem geistigen Auge auferstehen. Im Museum lassen sich die Malereien an einer Wand nachfühlen. Lascaux IV darf auch mit Blindenhunden besucht werden.
• Lascaux IV, Avenue de Lascaux 24290 Montignac, Tel. 05 53 50 99 10, www.lascaux.fr
Weiterlesen
Im Blog
Hauptstadt der Urzeit. Les Eyzies
Im Buch
Einfach aus dem Besten auswählen und Neues ausprobieren, ist das Motto der Marco Polo-Reiseführer. Den MARCO POLO Frankreich* habe ich vor vielen Jahren von Barbara Markert übernommen und seitdem umfassend aktualisiert und erweitert.
Freut euch auf neue Insidertipps, neue Reiseziele, frischen Hintergrund und viele Erlebnisvorschläge für Aktive und Entdecker – von Lichterkunst in Bordeaux’ U-Boot-Basis bis zu Wanderungen unter Wasser. Und damit ihr Frankreich noch besser versteht, gibt es natürlich auch viel Hintergrund zu Frankreich und seinen Menschen. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.
* Durch den Kauf über den Partner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !
Danke für den tollen Bericht.
Das steht noch auf meiner todo-Liste.
Bisou Verena
Merci, Verena! Meine Liste wird nach jeder Reise länger… das werde ich zeitlebens nicht schaffen, all jenes zu sehen, was mich interessiert… lach! Liebe Grüße! Hilke
Ein sehr schöner Artikel über Lascaux IV, vielen Dank dafür. Wir waren ein paar Tage später noch in Pechemerle – da kann man in die echte Höhle hinein. Auch sehr beeindruckend.
Danke, liebe Brigitta! Pechemerle möchte ich unbedingt auch noch sehen! Viele Grüße, Hilke
Hallo Hilke!
Vor ca. 3 Jahren waren wir im Perigord und besuchten unter anderem auch Lascaux IV. Auf uns wirkte es sehr künstlich. Aus unseren Sicht gibt es dort Höhlen, die den Charakter der Ursprünglichkeit weitaus besser repräsentieren. Eine der schönsten ist die Fond de Gaume in Les Eyzies.
Liebe Grüße Jutta und Peter
Liebe Jutta lieber Peter, Lascaux ist leider bislang die einzige Höhle gewesen, die ich besichtigen konnte bei all meinen Besuchen im Périgord – die anderen Städten waren leider stets dann geschlossen gewesen. Daher fehlt mir der Vergleich. Beeindruckt hat mich jedoch folgendes: in Lascaux wird zunächst versucht, eine möglichst genaue Replik der Originalhülle zu zeigen. In der digitalen Grotte erfolgt dann die Auseinandersetzung mit dem Thema multimedial. Es werden dort allgemeine Themen der Kunstgeschichte durch die Verbindung von Vorzeitkunst und heutiger Kreation gezeigt, Techniken erklärt und Dinge, die man vielleicht nicht sofort erkannt hatte, verständlich. So wurde auf einmal sehr deutlich, wie modern in Der Auseinandersetzung mit Alltag und Umfeld die damalige Malerei bereits war. Diese Doppelung der Auseinandersetzung hat mich sehr beeindruckt.Umso gespannter bin ich jetzt, wie die anderen Höhlen präsentiert werden. Viele Grüße, Hilke