Malerisch: die Häuser des Grand Roc von Les Eyzies. Foto: Hilke Maunder
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Hauptstadt der Urzeit: Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil

Es war der Hund von vier Jungen, der 1940 in einem  Eichenwäldchen von Lascaux bei Montignac in Südfrankreich eine Höhle mit riesigen Wandgemälden entdeckt hat. Stiere, Pferde und Hirsche, eingefangen in der Bewegung. Die Urzeitbilder waren so frisch erhalten, als seien sie gestern gemalt worden.

Die Höhle Lascaux IV. Foto: Hilke Maunder
Lascaux: Der Stier scheint zu leben. Foto: Hilke Maunder

Und stammten doch aus der Vorzeit vor rund 20.000 Jahren. Was Hans Baumann 1976 in dem Ravensburger Taschenbuch Die Höhlen der großen Jäger* beschrieb, faszinierte mich in den 1970er-Jahren als Jugendliche.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Über dem Dorf thront der Cro-Magnon als Skulptur. Foto: Hilke Maunder

Doch erst vier Jahrzehnte später kam ich, wenngleich viel zu kurz, beim Pendeln in diese Region. Und besuchte Les Eyzies.

Das kleine Dorf im Tal der Vézère, inzwischen mit Tayac und Sireuil zu einer 1000 Einwohner großen Verbundgemeinde verschmolzen, rühmt sich als Welthauptstadt der Urgeschichte.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Wuchtig wie eine Festung: das Nationalmuseum der Prähistorie in Les Eyzies. Foto: Hilke Maunder

400.000 Jahre Menschheitsgeschichte

Seit dem Paläolithikum leben hier im Périgord, 36 km südöstlich von Périgueux und 17 km nordwestlich von Sarlat-la-Canéda, Menschen. Erst in Felsüberhängen und Höhlen, die die Erosion in den hellen Fels gegraben hatte, später in Troglodyten und Natursteinhäuser, die heute ihr steinernes Innenleben hinter Putz mit Patina verstecken.

Rund 400.000 Jahre lang ist die Siedlungsgeschichte des Tales. Im Laufe der Zeit haben seine Bewohner mit ihren Zeugnissen und Hinterlassenschaften dem 1000-Einwohner-Dorf einen zweiten Superlativ beschert. Les Eyzies weist die höchste Konzentration an denkmalgeschützten und klassifizierten Stätten in Frankreich auf.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das hat den Ort zu einem touristischen Hotspot gemacht. Im Sommer drängen sich dort die Urlauber aus aller Welt vorbei an den Cafés, Bars und Boutiquen, die im Schatten der Tuffsteinfelsen die Hauptstraße säumen.

Nicht die grandiose Landschaft ringsum, sondern die archäologischen Entdeckungen begründeten einen Massentourismus, der im Juli und August den Ort völlig überrollt. Mit den Ausgrabungen, die Lartet und Christy 1863 in der Grotte Richard unternahmen, begann die Geschichte der Archäologie von Les Eyzies.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Der Abri Cro-Magnon. Foto: Hilke Maunder

Die Heimat des Cro-Magnon-Menschen

Fünf Jahre später entdeckte Louis Lartet unter einem Tuffstein-Überhang die ersten Überreste der Cro-Magnon-Menschen. Louis Lartet war wie seine Vater völlig fasziniert von der Vorzeit.  1968 legte er bei seinen Grabungen insgesamt fünf menschliche Skelette frei, die allesamt rund 30.000 Jahre alt war: drei Männer, eine Frau und ein Säugling.

Seinen Namen erhielt dieser Vorzeit-Mensch, der von Afrika aus nach Europa gekommen war, vom okzitanischen Wort cro, das Vertiefung oder Mulde bedeutet sowie vom Namen des damaligen Grundstücksbeistzers, Monsieur Magnon.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Dies lockte nicht nur die Wissenschaftler, sondern auch die Sammler an. Alle, die sich je für die Vorgeschichte interessierten, pilgerten nach Les Eyzies.

1891 wurde der erst 22 Jahre alte Denis Peyrony aus Cussac im Périgord Volksschullehrer des Dorfs. Als er dort den 15 Jahre älteren Dr. Louis Capitan traf, löste die Begegnung in ihm das „Fieber der Prähistorie“ aus.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Gemeinsam erforschten sie die Prähistorie von Dorf und Region. Im September 1901 entdeckten sie, begleitet vom jungen Abbé Breuil, erst die Höhle von Les Combarelles, am 12. September auch die Höhle Font-de-Gaume.

Die Höhle von Combarelles birgt mehr als 800 Gravuren im Stein auf einer Strecke von mehr als 300 Meter. Neben zahlreichen Tierdarstellungen zeigen 48 Gravuren auch die Menschen der Vorzeit. Ganz in der Nähe der Höhle von Combarelles, die 1901 entdeckt wurde, findet ihr die Höle von Font-de-Gaume Gravuren.

Die letzte öffentliche Originalhöhle

Sie ist heute die letzte mit vorzeitlichen Malereien versehene Original-Höhle, die noch öffentlich zugänglich ist. Ihre Malereien stammen größtenteils aus der Magdalenenzeit (12.000 vor Christus). Mammuts, Bisons, Rentieren und Pferden sind dort trotz der zerstörerischen Wirkung des Kalzit bewundernswert gut erhalten.

Zehn Jahre lang forschten Capitan und Peyrony gemeinsam, präsentierten Schlag auf Schlag ihre vorzeitlichen Entdeckungen. Und forderten immer eindringlicher, das archäologische Kulturerbe des Périgord zu schützten.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Denn neben den Forschern waren längst auch Sammler und Glücksritter ins Tal gekommen und hatten begonnen, die Fundstätten regelrecht auszuplündern. Berühmtheit erlangte dabei der Deutschschweizer Otto Hauser, der regen internationalen Handel mit der Vorzeitkunst trieb.

Auch davon berichtet in Les Eyzies das Nationalmuseum für Vorgeschichte, das seit 1918 mit 18.000 Objekten 400.000 Jahre Menschheitsgeschichte hautnah wieder auferleben lässt.

Entdeckt, wie die frühen Menschen Werkzeuge nutzten und formten, wie sie  Nahrung beschafften, woran sie glaubten – und welche Kunst sie hinterließen. Wahrzeichen des Museums ist der homme primitif, der an der Außenseite am Fels zu sehen ist. 1931 schuf Paul Dardé die Skulptur des Urmenschen.

Nach dem Museumsbesuch könnt ihr viele Stätten der Vorzeit auch vor Ort besuchen. 15 dieser prähistorischen Stätten und vorzeitlichen, mit Wandmalereien geschmückte Höhlen im Vézère-Tal erklärte die UNESCO 1979 zum Weltkulturerbe.

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Neun davon befinden sich in der Gemeinde Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil: Abri de Cro-Magnon, Abri du Poisson, Font-de-Gaume, La Micoque, La Mouthe, Laugerie basse, Laugerie haute, Le Grand Roc und Les Combarelles.

Laugerie-Basse: In solchen Lederzelten lebte der Magdalénien. Foto: Hilke Maunder
Laugerie-Basse: In solchen Lederzelten lebte der Magdalénien. Foto: Hilke Maunder

Der Abri von Laugerie-Basse ist eine bedeutende Fundstätte aus der Jungsteinzeit. Ihr findet im unteren Teil einer 45 Meter hohen und 500 Meter langen Steilwand auf der rechten Talseite der Vézère.

Der Abri ist eine 15 Meter tiefe Halbhöhle, die heute rund 15 Meter über dem Fluss liegt. Längsstreifen im Fels verraten bis heute, wo einst erst die Zelte, später die Häuser direkt an den Fels gebaut wurden. So konnte auf eine Rückwand und eiine Dachhälfte verzichtet werden.

Der Abri von Laugerie-Basse. Foto: Hilke Maunder
Der Abri von Laugerie-Basse. Foto: Hilke Maunder

Neben Werkzeugen aus behauenen Steinen wurden rund 600 Kunstwerke aus dem Magdalénien. Berühmt wurden besonders die „Schamlose Venus (Vénus impudique), die der Marquis de Vibraye dort 1864 gefunden hatte. Drei Jahre später fand Abbé Landesque im Arbi die „Frau unter dem Ren“ (la femme au renne).

Der Blick vom Grand Roc auf das Tal der Vézère. Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom Grand Roc auf das Tal der Vézère. Foto: Hilke Maunder

Mit dem Kombi-Ticket der Laugerie-Basse könnt ihr im Grand Roc noch ein atemberaubendes Naturwunder besichtigen: la grotte du Grand Roc. Die Tropfsteinhöhle, 1924 entdeckt und 1927 zugänglich, ist eine Wunderwelt aus Stein. Sie birgt Stalaktitenund Stalagmiten, Sinterbecken und Sterne aus Kristall, Calcit-Dreiecke und sogar einen kleinen See!

Die Grotte des Grand Roc. Foto: Hilke Maunder
Die Grotte des Grand Roc. Foto: Hilke Maunder
Die Grotte des Grand Roc. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Reiches Kulturerbe aus vielen Epochen

Erst seit wenigen Jahren „vermarktet“ die Großgemeinde Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil das Kulturerbe aus anderen Epochen. Besonders gut und häufig vertreten sind noch mittelalterliche Bauten wie die Wehrkirche von Tayac aus dem 12. Jahrhundert.

Und auch die troglos, die Tuffsteingrotten und -höhlen, wurden nicht nur in der Urzeit bewohnt, sondern bis in die Gegenwart genutzt: als Lager, Keller und Haus. In den alten Schmieden des Dorfes, die vom Einzug der industriellen Ära im Tal zeugen, wurden einst die Kanonenkugeln für die königliche Marine geschmolzen.

Les Eyzies. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Tal der Vézère – ein grand site de France

Les Eyzies liegt in einem der Haupttäler der Dordogne. Dort fließt die Vézère g auf einer Länge von 45 km entlang einer Nord-Ost/Süd-West-Achse durch den Südosten des Départements. Sechs Jahre lang arbeiteten dort die Partner des Pôle Préhistoire zusammen an einem Vorhaben, das am 31. Januar 2020 Wirklichkeit wurde. Seitdem gehört das Vallée de la Vézère zu den grands sites de France.

Zum Netzwerk, das im Jahr der Millenniumswende gegründet wurde, gehören heute vier Dutzend Stätten und zwei große Gebietskörperschaften, das Departement Hérault und das Departement Puy-de-Dôme.  Die Mitglieder eint das Bestreben, ihre besonderen Natur- und Kulturschätze nachhaltig zu entwickeln.

Im Herzen des Périgord Noir ist das Vézère-Tal ein recht tiefes Tal mit bunt gemischter landwirtschaftlicher Parzellen in der Ebene und bis zu 100 Meter hohen Felsen, die den Fluss begleiten. In diesen Felsen sind bis heute zahlreichen Spuren prähistorischer oder mittelalterlicher Besiedlung erhalten – Höhlen, Felsunterstände und Troglo, in den Fels gegrabene Lebensräume. .Mit 15 prähistorischen Höhlen, darunter die berühmte Höhle von Lascaux, gehört das Vézère-Tal zum UNESCO-Welterbes.

Tipp

Im Tal der Vézère führen drei ausgeschilderte Fahrradrouten hin zu prähistorischen Stätten und tollen Naturplätzen zum Picknicken. Wer kein eigenes Rad dabei kann, kann E-Bikes und andere Räder bei vier Verleihstationen sieben Tage die Woche rund um die Uhr ohne Kontakt mieten.
Buchung: www.mobility-parc.net

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Les Eyzies: meine Reisetipps

Schlemmen

Hôtel Les Glyzines

Das Hotel von 1862 ist ein Urlaubsziel für sich – mit 25 Zimmer, darunter 3 Lodges, in einem üppigen Park von 3 Hektar. Prinz Charles, Dalida, Yves Montand, Paul Guth, Guerlain, André Citroen und viele Prominente waren hier zu Gast. Und stets auch von der guten Küche begeistert. In dem Hotel, das mit Alain Ducasse verbandelt ist, könnt ihr sie heute in zwei Restaurants genießen: als bunte, schmackhaft frische Bistronomie im  Bistro des Glycines  und in Le 1862, wo Pascal Lombard und sein Team aus lokalen Produkten aromatische Abenteuer zaubert für Auge und Gaumen.
• 4, Avenue de Laugerie, 24620 Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil, Tel. 05 53 06 97 07, www.les-glycines-dordogne.com/en/hotel-les-eyzies

Au coup de Silex

Gegenüber vom Museum verwöhnt dieses kleine Lokal mit grundehrlicher Küche aus dem Périgord – im Sommer auch im Laubengang!
• 4, Rue du Musée, 24620 Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil, Tel. 05 53 05 14 29, www.facebook.com/Aucoupdesilex

nosco

Lokale Küche, frisch und saisonal, begleitet von ausgesuchten Weinen und sehr charmantem Ambiente. Das nosco überrascht – und liegt etwas abseits vom Trubel des Dorfzentrums. Im Winter gibt es Raclette aus dem Périgord: köstlich!
• 7, Rue du Moulin, 24620 Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil, Tel. 06 01 43 14 92, www.restaurantnosco.fr

Les Eyzies, Foto: Hilke Maunder
Etwas abseits vom großen Trubel: das Restsaurant nosco. Foto: Hilke Maunder

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10 Kommentare

    1. Bonjour, Patrick, et merci! J’ai mis quelques premiers impressions de votre hôtel sur Facebook „Mein Frankreich“ – je vous souhaite de très bons clients allemands! Bon soirée, Hilke

  1. Liebe Hilke, danke fuer deine schoene Postkarte aus Les Eyzies. Du musst jetzt da gewesen sein. Das Bild vom abbri du cro magnon kann nicht aus den 80er Jahren stammen. Du warst also da, in kaum 18 km von uns hier in Plazac (ich habe mich frueher schon mal gemeldet, der mit dem Jungrind). Vielleicht bist du ja noch in der Gegend? Melde dich doch bei uns: Lieu dit Arnotie 24580 Plazac, 06 78 13 58 78.

    1. Hallo Rudolf, ja, ich war in eurer Gegend – Mitte Oktober diesen Jahres. Danke für eure Einladung, mich das nächste Mal bei euch zu melden. Ich komme sicherlich noch einmal auf dem Weg nach England, wo Familie lebt, dort vorbei. Alles Gute und schöne Feiertage! Hilke

  2. Bonjour Hilke, leider haben wir es noch nicht geschafft die Höhlen zu besichtigen obwohl wir gar nicht soooo weit weg wohnen (Nord-Aveyron, an der Grenze zum Cantal).
    Aber, es wird eines unserer nächsten Ziele – nach dem Lockdown – sein.
    „Kenne“ die Höhlen auch aus den Büchern von Martin Walker 😉.
    Ein kleiner Tipp, das Lot-Tal, die Pilgerorte Conques, Estaing, Espalion ist auch eine Reise wert mit den alten Dörfer, Kirchen und natürlich das Aubrac….Natur pur! Darum haben wir uns vor 3.5 Jahren diese Region ausgesucht.
    Falls Sie interessiert sind, kann ich Ihnen gerne mehr erählen.
    Schönen 3. Advent. Liebe Grüsse Verena

  3. Sehr schön erläutert werden diese Höhlen und ihre Geschichte in den „Bruno“-Krimis von Martin Walker. Auch das Perigord wird dort ausgezeichnet und unterhaltsam erläutert.

  4. Hallo Frau Maunder, da wecken Sie meine Sehnsucht nach dem Perigord Noir! Um Font de Gaume und les Combarelles besuchen zu können, muss man sich ab 5 Uhr morgens im Sommer dort anstellen, um dann Stunden später Einlass zu bekommen. Darum habe ich es noch nie geschafft, sie zu besichtigen. Termine gab es nur Monate im voraus. Die Ur- und Frühgeschichte ist seit 30 Jahren mein Hobby. Leider gibt es nach Lascaux immer noch keine öffentlichen Verkehrsmittel. Man muss von Les Eyzies trampen oder ein Taxi für die letzten 25 km nehmen. Danke für den Beitrag.

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