Maître de Cabestany: Der Kopf verrät. Früher waren die Skulpturen farbig bemalt. Foto: Hilke Maunder
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Wer war der Maître von Cabestany?

Le Maître de Cabestany: Kaum ein Mann ist in der Kunstgeschichte Frankreichs so unbekannt wie dieser Meister aus einem alten Dorf in der Ebene des Roussillon. Im 12. Jahrhundert hat er dort gelebt und gewirkt.

Und nicht nur in den Pyrénées-Orientales und dem nahen Nachbardépartement Aude, sondern auch in Spanien und selbst der Toskana Skulpturen geschaffen, deren Handschrift unverwechselbar und einzigartig ist.

Le Maître de Cabestany. Religiöse Motive dominieren das Werk. Foto: Hilke Maunder
Pax vobis – der Friede sei mit euch. Foto: Hilke Maunder

Per Zufall entdeckt

Es war in den 1930er-Jahren, dass ein Tympanon als Schmuckgiebel zur Friedhofsseite bei der alten Kirche von Cabestany plötzlich die Aufmerksamkeit von Kunsthistorikern erregte.  Erst damals bemerkten sie den besonderen Charakter seines Stils.

In den 1940er-Jahren verglichen sie dieses Tympanon mit anderen Skulpturen in der Region. Sie entdecken Gemeinsamkeiten, gleiche Charakteristika – aber nie eine Signatur. Kein Dokument verriet, wer die außergewöhnlichen Steinarbeiten geschaffen hatte.

Le Maître de Cabestany: hat nahezu alle lokalen Gesteinarten bearbeitet. Foto: Hilke Maunder
Le Maître de Cabestany hat nahezu alle lokalen Gesteinsarten bearbeitet. Foto: Hilke Maunder

Der Meister von Cabestany

Als „Meister von Cabestany“ gehört er zu den rätselhaftesten Künstlern des Mittelalters im Roussillon. War er ein mächtiger, marginaler und isolierter Künstler? Ein freischaffender Bildhauer und Pilger, ein religiöser Mann, ein Kleriker oder ein besonders kunstfertiger Maurer?

In Cabestany könnt ihr seinen Spuren folgen. Dort steht die Kirche, in der der Tympanon entdeckt wurde. Und eine besondere Stätte.

Sinnliche Reise zur Romanik

Cabestany: Im Park Guilhem liegt der Eingang zum Museum. Foto: Hilke Maunder
Im Park Guilhem liegt der Eingang zum Museum von Cabestany. Foto: Hilke Maunder

Das Centre de Scuplture Romane ist kein Museum, sondern ein Interpretationszentrum, das mit einer behutsamen Lichtführung Themen und Besonderheiten des Werks herausarbeitet und auf Schautafeln kompakt und leicht verständlich vorstellt.

Hautnah taucht ihr dort in die Lebenswelt des Mittelalters ein, erfahrt, wie Bilder und Skulpturen dem leseunkundigen Volk Inhalte der Bibel vorstellten. Wie die Menschen lebten und arbeiteten. Und welche Werkzeuge die Bildhauer der Romanik benutzten. Unglaublich, wie die Steinmetze mit großem Hammer, Eisenkeil und Zirkeln so großartige Werke schufen!

Le Maître de Cabestany: Geschickt setzt die Lichtführung Details der Skulpturen in Szene. Foto: Hilke Maunder
Le Maître de Cabestany: Geschickt setzt die Lichtführung Details der Skulpturen in Szene. Foto: Hilke Maunder

Abdrucke einzigartiger Werke

Ausgestellt sind keine Originale, sondern Reproduktionen. Kunsthistoriker nahmen sie von den in Gebäuden und Kulturstätten aufbewahrten Originalwerke ab. Ihr Ziel: das bis dato unbekannte Werk des Meisters von Cabestany an einem Ort zu präsentieren.

Das Zentrum für romanische Skulptur inszeniert den Besuch als sinnliche Reise. Beim Sehen und Berühren erfahrt ihr Aspekte aus Leben und Werk hautnah, spürt das Material, das Gewicht der Werkzeuge, den Widerstand des Steins, die Weichheit der Formen. Eine einzigartige Erfahrung, die den Besuch auch für Kinder spannend und erlebnisreich macht.

Le Maître de Cabestany: Lamm. Foto: Hilke Maunder
Ein Lamm, aus dem Stein geholt vom Maître de Cabestany. Foto: Hilke Maunder

Lämmer, Blumen, Monster

Das Werk des Meisters von Cabestany ist nicht in seiner Gesamtheit erhalten geblieben. Sind die Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Werken Zufall? Oder doch nicht? Auffällig ist jedoch: Bestimmte Themen wiederholen sich. Immer wieder werden sie neu interpretiert. Mariä Himmelfahrt schuf Le Maître de Cabestany nicht nur für die Kirche von Cabestany, sondern auch für Rieux-Minervois.

Auch Monster begegnet euch im Werk des Maître de Cabestany. Foto: Hilke Maunder.
Auch Monster begegnen euch im Werk des Maître de Cabestany. Foto: Hilke Maunder.

Daniel in der Löwengrube findet ihr Saint-Papoul und Sant’Antimo (Italien), die Geburt und Kindheit Christi auf der Säule von Sugana (Italien) und in Le Boulou dargestellt. Auch weltliche Themen wiederholt der Künstler. Und arbeitet sie immer feiner und detailreicher aus.

Löwen, Fabelwesen, fürchterliche Monster, geöffnete Blüten und trompetenartig klingende Acephale. Im ersten Stock hebt die Ausstellung solche Details hervor.

Le Maître de Cabestany: So hat er Hände gearbeitet. Foto: Hilke Maunder
Hände, gestaltet vom Maître de Cabestany. Foto: Hilke Maunder

Wie hat der Künstler Augen und Hände gestaltet? Ausgewählte Beispiele zeigen seine Kunstfertigkeit. Eine Hand hat der unbekannte Meister meterhoch gestaltet: la main de Dieu – die Hand Gottes.

Le Maître de Cabestany: die Hand Gottes. Foto: Hilke Maunder
Die Hand Gottes. Foto: Hilke Maunder

Diese Reduktion auf die wichtigsten Elemente und Charakteristika macht das Zentrum zur romanischen Kunst so faszinierend.

Man hat nicht das Gefühl, überladen zu werden mit Details. Sondern hat am Ende des Besuchs das Gefühl, diesem Mann – und seiner Heimat –- tatsächlich begegnet zu sein. Faszinierend!

Maître de Cabestany: Religiöse Friese erzählen die Bibel. Foto: Hilke Maunder
Religiöse Friese erzählen die Bibel. Foto: Hilke Maunder

Der Maître de Cabestany: Hier könnt ihr noch mehr Werke entdecken!

Abbaye de Lagrasse

Eglise de Rieux Minervois

Abbaye de Saint Papoul

Abbaye de Saint-Hilaire

Das Martyrium des Saint-Sernin vom "Meister von Cavestany". Foto: Hilke Maunder
Das Martyrium des Saint-Sernin in der Abteikirche von Saint-Hilaire. Foto: Hilke Maunder

Prieuré du Monastir del Camp

Église du Boulou

Monastère de San Pere de Rodes

Château-musée de Peralada

Le Maître de Cabestany: Fabelwesen und Mensch, Tiere und Monster vereint dieser steinerne Fries (Ausschnitt). Foto: Hilke Maunder
Fabelwesen und Mensch, Tiere und Monster vereint dieser steinerne Fries (Ausschnitt). Foto: Hilke Maunder

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Wer sich für romanische Kunst interessiert, darf im Roussillon diese Stätte nicht verpassen: das Priorat von Serrabona. Foto: Hilke Maunder
Wer sich für romanische Kunst interessiert, darf im Roussillon diese Stätte nicht verpassen: das Priorat von Serrabona. Foto: Hilke Maunder

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2 Kommentare

    1. Lieber Thomas,
      schön, dass dieser Beitrag Dir gefällt! Beim Besuch dort habe ich erfahren, dass der Roussillon als Wieder der Romanik in Frankreich gilt – von dort hat er sich über das Languedoc im gesamten Land ausgebreitet. In den Pyrenäen findest Du daher auch eine überraschend hohe Dichte von Klöstern und Kirchen im Stil der Romanik. Zu einer der schönsten Zeugnissen gehört die Abbaye Saint-Martin-du-Canigou, in der Du sogar eine spirituelle Auszeit verbringen kannst. Neugierig? Dann klick mal hier!

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