Der Blick auf Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
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Saint-Martin-du-Canigou: Auszeit am Berg

Wie ein Adlerhorst thront die Abbaye de Saint-Martin-du-Canigou hoch über Vernet-les-Bains auf einer Felsspitze. Kein anderes Kloster im Roussillon liegt bis heute so weltentrückt. Und so pilgern heute von Casteil nicht nur Wanderer hinauf zum Kloster im Schatten des Canigou. Sondern auch immer mehr Menschen, die bei der Gemeinschaft der Seligpreisungen eine Auszeit vom Trubel der Welt nehmen möchten.

Entstanden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aus der charismatischen Erneuerung, vereint sie Gläubige mit den verschiedensten Hintergründen – Priester und Laien, Ehepartner und Ledige, Priester, Nonnen und Mönche. Gemeinsam sind ihnen das kontemplative Gebet sowie zahlreiche apostolischen und missionarischen Aktivitäten. Dazu gehört auch das Eintauchen in ihre Lebenswelt bei einer Auszeit in ihrer Abtei.

Große Kehren oder wilder Bergpfad?

Hinauf zur einstigen Abtei der Benediktiner führen zwei Wege. Erst in der prallen Sonne, dann durch schattigen Wald mit Eschen und Eichen verlaufen die Kehren der 1,6 Kilometer langen Zufahrtsstraße Chemin de Saint-Martin, bei der ihr auf halber Strecke die Feldsteinkapelle Saint-Martin-le-Vieux passiert. Je nach Kondition benötigt ihr für die 300 Höhenmeter 20 bis 60 Minuten.

Església de Sant Martí el Vell
Die Església de Sant Martí el Vell. Foto: Hilke Maunder

Anstrengender, steiler und wilder ist der Bergpfad, der von der Route de Mariailles durch den Bergwald hinauf führt, vorbei an gluckernden Bächen, großen Felsblöcken, umgestürzten Bäumen und blühenden Wildblumen.

Der Aufstieg zur Abtei kann zu einer großen Runde rund um das Kloster ausgeweitet werden. Um den berühmten Panoramablick zu genießen, müsst ihr noch einige Stufen im Wald hinauf zur Aussichtskanzel steigen.

Dämonen & Nackte

Vor der Abtei Saint-Martin-du-Canigou erstreckt sich diese große Aussichtsterrasse mit Blick auf Casteil im Tal. Foto: Hilke Maunder
Vor der Abtei Saint-Martin-du-Canigou erstreckt sich diese große Aussichtsterrasse mit Blick auf Casteil im Tal. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Besichtigen könnt ihr die Abtei nur im Rahmen einer Führung. Sie beginnt an der Klosterpforte. Erstes Highlight und Schmuckstück der Abtei ist der Kreuzgang, der einst zweistöckig war. Ein Foto erinnert daran, wie zerstört ihn die Mönche vorgefunden hatten.

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
So sah die Krypta von Saint-Martin-du-Canigou vor der Renovierung aus. Foto: Hilke Maunder

Was ihr heute seht, ist eine mitunter recht freie Restaurierung.

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zum Kreuzgang von Saint-Martin-du-Canigou. „Höre, Gott, spricht in der Stille“, informiert das Schild. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Mönche führen durch die Abtei von Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf den Kreuzgang vom kleinen Garten der Abtei Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Der Ausblick vom Kreuzgang der Abtei Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Kapitelle der Säulen sind indes original erhaltene romanische Meisterwerke. Geflügelte Löwen, dämonische Gestalten, selbst halbnackte Tänzerinnen könnt ihr auf ihnen entdecken. Seht einmal genau hin!

Saint-Martin-d-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Die Kapitelle des Kreuzgangs von Saint-Martin-du-Canigou sind reich geschmückt. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-d-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-d-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-d-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Faszinierende Doppelkirche

Die Kirchen von Saint-Martin-du-Canigou zeigen eine recht seltene Anlage: Sie liegen übereinander – und sind gleichsam bedeutet.  Wie eine Höhle wirkt die Unterkirche mit ihrem Tonnengewölbe und den massiven Pfeilern. Einige Säulen wurden später mit Mauerwerk verstärkt. Im Dämmerlicht der Krypta wird hier Maria gehuldigt.

Saint-Martin-du-Canigou. Die Unterkirche. Foto: Hilke Maunder
Die Unterkirche. Foto: Hilke Maunder

Die Muttergottes wird an Canigou auch „die Unterirdische“ genannt – und ist auch im nahen Kloster Saint-Michel-de-Cuxa in der Krypta zu sehen.  Die Oberkirche wurde dem Patron des Klosters und Apostel der Gallier, dem heiligen Martin, geweiht.

Saint-Martin-du-Canigou. Die Unterkirche. Foto: Hilke Maunder
Das Tonnengewölbe der Unterkirche von Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder

Wie in der Unterkirche sind auch die Kapitelle der Oberkirche recht grob und ungeschliffen. Später gesellten sich zu den einfach gemeißelten Gestalten Kreuzblume und Palmette – Schmuckelemente, die auch im Islam häufig verwenden wurden. Wie sie nach Saint-Martin kamen, ist noch eines der Rätsel, die diese Abtei aufgibt.

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Leider nicht bestiegen wird bei der Führung der Glockenturm, der an einen italienischen Campanile erinnert. Ursprünglich war er wohl höher als heute. Darauf deuten die Zinnen hin, die erst nach dem Erdbeben von 1428 aufgesetzt wurden

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Die Abteikirche von Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Vom Grafen zum einfachen Mönch

Gegründet wurde das Kloster in 1094 m Höhe im Jahr 1001 von einem Grafen, dessen Grab ihr in der Nähe des Turmes seht, ausgeschmückt mit dem Sang-et-Or-Banner, der rot-gelben katalanischen Flagge.

Der Legende nach soll Guifred II., Graf von Cerdagne, Conflent und Berg, das Grab für sich und seine Frau selbst in den Stein gehauen haben. Guifred II. war selbst Benediktinermönch geworden und hatte sich 1035 ins Kloster zurückgezogen – ora et labora statt höfisches Leben mit seiner Gattin. Am 31. Juli 1049 verstarb er dort als einfacher Mönch.

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Saint-Martin-du-Canigou: meine Reisetipps

Auszeit im Kloster / Besichtigung

Wichtig: Das Kloster bietet seinen Gîte nur für spirituelle Auszeiten an, nicht für Wanderer und andere Besucher!

Ein halte spirituelle kann zwei bis sechs Tage dauern und wird dienstags bis sonntags im Januar sowie zwischen dem  21. Juni und 1. Oktober angeboten. Bei eurem Aufenthalt nehmt ihr am liturgischen Leben teil und besucht mindestens zwei Mal pro Tag die Messe.

Ihr esst mit den Mönchen, wascht das Geschirr mit ab und beteiligt euch an den Aufgaben der Mönche morgens für eine Stunde. Beichten sind möglich. Was ihr für den Aufenthalt bezahlen möchtet, ist an eure persönlichen Mittel gebunden. Erwartet wird ein Betrag von mindestens 30 Euro pro Tag.
• Abbaye Saint-Martin-du-Canigou, 66820 Casteil, Tel. 04 68 05 50 03, www.stmartinducanigou.org

Saint-Martin-du-Canigou. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Schlafen

Hotel Le Molière

Die acht farbenfrohen Zimmer des einstigen Logis-Hotels sind alle zum Garten hin gelegen. Zum Dorfzentrum sind es zu Fuß fünf Minuten. Gute Küche, kostenlose Parkplätze. KEIN Internet!
• 6, bd Saint-Martin-du-Canigou, 66820 Casteil, Tel. 04 68 05 50 97, https://le-moliere-casteil.hotelmix.fr

Nicht verpassen

Parc animalier

Ein 3,5 Kilometer langer Rundweg bringt euch im 25 Hektar großen Tierpark, der vor mehr als 20 Jahren mit Tieren im Wohnzimmer begann, zu den Exoten aus aller Welt.
• Rue du Cady, 66820 Casteil, Tel. 04 68 05 67 54

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Saint-Martin-du-Canigou: Die Führung beginnt. Foto: Hilke Maunder
Die Führung beginnt. Foto: Hilke Maunder

7 Kommentare

  1. „Wir haben 2009 die Juwelen der Romanik von Elne aus bei einem unserer schönsten und eindrucksvollsten Urlaubstage aufgesucht und die innige Schönheiten der Abteien und Landschaften in uns aufgenommen, die Seele baumeln lassen. Dieser Bericht würde meiner lieben Frau auch gefallen,Herma ist nicht mehr.In Erinnerung gehe ich so die Wege die wir einst gemeinsam gegangen sind. So auch gegenwärtig. Eindrucksvoller Bericht. Vielen Dank !“ Günter Frey

  2. Wir hatten diesen schönen Ort schon ein paar Jahre im Visier und vor zwei Jahren haben wir es endlich geschafft, hinaufzugehen. Es hat sich absolut gelohnt! Der Bericht ist aber auch wundervoll!

  3. Ich koennte ja jetzt ganz faul sagen: Prima, hab die tollen Bilder gesehen. So muss ich da nicht mehr rauf in meinem hohem Alter. Aber leider haben die Fotos genau das Gegenteil bewirkt. Der Besuch da oben stand zwar schon immer auf meiner „will-ich-in-Occitanie-auf-jeden-Fall-noch-machen-Liste“. Aber angesichts der zu erwartenden Strapazen immer ganz unten. Jetzt ist das Projekt ein wenig nach oben gerueckt. Gleich hinter „reich werden“ und das Haus fertig renovieren und „die Architektenkammer in Paris“ erwuergen 😉

  4. Ein traumhaft schöner Ort! Auf unseren Urlaubsstreifzügen durch den Südwesten Frankreichs kamen wir vor zwei Jahren auch in der Abbaye de Saint-Martin-du-Canigou vorbei. Es gibt die Möglichkeit zu Fuß oder per Taxi-Jeep zur Abtei zu gelangen. Die Route zu Fuß ist die eindeutig eindrucksvollere und schönere.

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