Pressebild aus dem Film Bienvenue chez les Ch'tis. Copyright: Pathé
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Spurensuche bei den Sch’tis

Willkommen bei den Sch’tis: Nur wenige Kilometer von der belgischen Grenze entfernt, hat Dany Boon für seinen Erfolgsfilm Bienvenue chez les Ch’tis* seinen Drehort gefunden: das charmante Städtchen Bergues. Mit mehr als 20 Millionen Kinobesuchern ist die 2008 gedrehte Komödie der bislang erfolgreichste französische Film in Frankreich.

Wehrhaft und flämisch

Von Vauban befestigt und durch und durch flämisch, versteckt sich Bergues im Blootland, der weiten, gehölzarmen Küstenmarsch südlich von Dünkirchen. Im Kanal dümpeln Hausboote und lange, flache Schuten, die Transportkähne der Binnenschiffer.

Der Canal Basse-Colme mit dem ehemaligen Schlachthof. Foto: Hilke Maunder
Der Canal Basse-Colme mit dem ehemaligen Schlachthof. Foto: Hilke Maunder

Einlass ins historische Herz des 4.000 Seelen-Städtchens gewähren fünf Stadttore mit Schmuckportalen aus Sandstein. Die Häuser aus rotem Backstein schmücken ihre Fenster und Giebel mit hellem Weiß.

In der Taverne Le Bruegel serviert der behäbige Patron flämische Spezialitäten wie Pot’je vleesch, einen Eintopf mit drei hellen Fleischsorten.

Auf der Straße sprechen die Menschen tatsächlich so, wie Boon sie in seinem Film porträtiert hat: sympathisch nuschelig.

Info-Tafel des <em>Canal de la Basse-Colme</em< mit den Entfernungen zu den nächsten Orten und Schleusen. Foto: Hilke Maunder
Info-Tafel des Canal de la Basse-Colme mit den Entfernungen zu den nächsten Orten und Schleusen. Foto: Hilke Maunder

Auf den Spuren der Sch’tis

Das berühmte Läutwerk des Belfrieds kennt ihr bestimmt aus der Filmkomödie. Alle 15 Minuten markieren seine 50 Glocken den Lauf der Zeit. Im Schatten des Turmes werden wie im Film zur Mittagszeit moules frites (Miesmuscheln mit Pommes Frites) serviert. Doch die Post … wo ist sie nur?

Das verrät während der Saison das Office de Tourisme auf seiner Sch’tis-Tour. 90 Minuten lang führt sie als Rundgang zu den Orten, an denen vom 21. Mai bis 13. Juni 2007 die Komödie gedreht wurde.

Die Dachlandschaft des städtischen Museums von Bergues. Foto: Hilke Maunder
Die Dachlandschaft des städtischen Museums von Bergues. Foto: Hilke Maunder

Die Sch’tis in Paris

Wen wundert es, dass der Erfolgsfilm inzwischen indirekt eine Fortsetzung gefunden hat? Die Sch’tis in Paris*. Auch wieder mit Dany Boon. Aber doch anders.

Im zweiten Sch’tis-Film hat Boon es nach Paris geschafft und gehört zu den angesagtesten Möbeldesignern der Avantgarde. Er lebt mit seiner eleganten Frau (Laurence Arné) im trendigen Marais in einem durchgestylten Heim.

Sein Zuhause ist die satirisch überzeichnete, heile Welt der Schickeria der Pariser bobos. Bis die Verwandten aus dem Norden ihn besuchen, er von seinem selbst entworfenen Dreibeinstuhl fällt, er ohnmächtig wird und das Gedächtnis verliert. Als er wieder aufwacht, spricht er Sch’ti.

Häuserfassaden am <em>Canal de la Basse-Colme</em>. Foto: Hilke Maunder
Häuserfassaden am Canal de la Basse-Colme. Foto: Hilke Maunder

Noch mehr Scht’i

Dany Boon verlegte noch einen weiteren Erfolgsfilm ins Land der Sch’tis: Rien à déclarer* (Nichts zu verzollen, 2010). Gedreht wurde dieser Streifen am franco-belgischen Grenzübergang Hirson.

Der Grenzübergang von HIrson war Drehort. Foto: Hilke Maunder
Der Grenzübergang von Hirson war Drehort von „Nichts zu verzollen“. Foto: Hilke Maunder

Die Schlemmerküche der Sch’tis

Im französischen Film, und so auch bei Dany Boon, wird gerne und viel gespeist. Und so gehört zur Spurensuche bei den Sch’tis auch ein Blick in die Kochtöpfe und auf die Teller.

Zwei Genusslandschaften machen die Heimat der Sch’tis zum Gourmetziel.  An der Opalküste und der Baie d’Authie locken Fischmärkte mit Steinbutt, Kabeljau und Aal.

Ebbe an der Opalküste. Foto: Hilke Maunder
Ebbe an der Opalküste. Foto: Hilke Maunder

Räuchereien holen Hering und Makrele frisch aus dem Rauch. Mittags futtert die Küste moules et frites, Miesmuscheln mit Pommes Frites – am Imbiss wie im Edelbistro.

Sch't-Genuss: Miesmuscheln: Die Küche der Küste
Moules, Miesmuscheln, gibt es in vielen Variationen in Frankreich – aber immer mit Pommes Frites. Foto: Hilke Maunder

Das Hinterland im französischen Flandern liefert köstliches Gemüse. Allen voran der Chicorée mit 27 Sorten. Nordfrankreich ist der weltgrößte Chicorée-Produzent.

Am Rande der Sümpfe erstrecken sich in Clairmarais riesige Gemüsefelder. Foto: Hilke Mauder
Am Rande der Sümpfe erstrecken sich in Clairmarais riesige Gemüsefelder. Foto: Hilke Maunder

Auf den Moorböden des Marais Audomarois gedeihen Artischocken, Blumenkohl, Porree, Kartoffeln, Karotten und Knoblauch, der bei Arleux über Torffeuer geräuchert wird. Auf den Wiesen des Avesnois weiden Rinder.

Hochgenüsse von salzig bis süß

Miiaam... Maroilles! Foto: Hilke Maunder
Miam … Maroilles! Foto: Hilke Maunder

Mit Schwein, Hase und Truthahn begeistert das Land den Gourmet. Ein köstlicher Duft von Grillhähnchen zieht über die Märkte.

Aromatische Käse wie Boulette d’Avesnes, Vieux de Lille, Mimolette und Maroilles (AOC) stapeln sich auf den Käsetheken der fromageries.

Im Sommer verkauft Meert an einem nostalgischen Eisstand hausgemachte glaces und Sorbets. Foto: Hilke Maunder
Im Sommer verkauft Meert in Lille an einem nostalgischen Eisstand hausgemachte glaces und Sorbets. Foto: Hilke Maunder

Süße Verführer sind die Bêtises de Cambrai, die nach Vanille duftenden Waffeln der Konditorei Meert aus Lille und die Merveilleux, luftig-schokige Meringues von Frédéric Vaucamps.

Die Jahrhunderte alte Bierkultur haben lokale Brauereien mit Ch’ti, Jenlain, Choulette, Angélus, Goudale, Page 24 und Cuvée des Jonquilles neu belebt.

Sch't-Genuss: Lokales Bier wird an der Place des Héros von Arras serviert.
Lokales Bier wird an der Place des Héros von Arras serviert. Foto: Hilke Maunder

In Estaminets, gemütlichen Gasthäusern, kommt die ehrliche Küche von Nordfrankreich ganz authentisch auf den Tisch.

Sch’tis mit Sternen

Zu welchen Höhenflügen sie fähig ist, beweisen die Sterneköche im Land der Sch’tis. Einziger Zweisternekoch ist Marc Meurin vom Château de Beaulieu in Busnes.

Hinzu kommen die Einsterneköche Florent Ladeyn von der Auberge du Vert Mont in Boeschepe,  Nicolas Gautier von La Laiterie in Lambersart und Mathieu Boutroy vom Cerisier in Lille.

Köstliche Adressen

Einen Michelin-Stern gab es 2021 auch für Haut Bonheur de la table in Cassel, das Restaurant Nature in Armentières,  Le Marcq in Marcq-en-Baroeul sowie Christophe Hagnerelle von Le Val d’Auge in Bondues.

Und Alexandre Gauthier von der Auberge de la Grenouillère in La Madeleine-sous-Montreuil.  Gault-Millau hatte ihn 2016 zum Koch des Jahres erwählt.

Fabrice Seigner von Faim Gourmet steht seit mehr als 30 Jahren am Herd. Foto: CDT-Oise-ASF

Kochen wie die Sch’tis: die Kurse

Gemeinsam kochen und genießen steht auch im Mittelpunkt der Kochkurse des L’Atelier des Chefs in Lille. Zubereitet werden moderne Gerichte, die auch daheim leicht nachzukochen sind.

Die Geheimnisse der Haute Cuisine lüften die Kochkurse von Les Toquées. Fabrice Seigner steht seit mehr als 30 Jahren am Herd. Kniffe und Tipps verrät der Küchenchef bei den Kochkursen von Faim Gourmet.

Die Bierstraße der Sch’tis

Mitten durch die Hopfenfelder führt die Themenstraße Route des Brasseries. Wie vielfältig das Angebot der rund 40 Brauereien von Nord-Pas de Calais ist, verraten in Lille Olivier Faure, Nicolas Lescieux und Aurélie Baguet von L’Echappée Bière bei Brauereibesichtigungen samt Verkostung und Bierworkshops.

Sch'ti-Genuss: Carbonnade flamande - ein Lieblingsgericht der Nordfranzosen.
Carbonnade flamande – ein Lieblingsgericht der Nordfranzosen. Foto: CRT NPDC

Leibspeise der Sch’tis: Carbonnade flamande (Flämisches Biergulasch)

Zutaten für sechs Personen

  • 1,4 kg Rindfleisch (Schulter, Bug, Schwanz, Saumfleisch)
  • 700 ml braunes Bier (sollte malzig-süßlich schmecken)
  • drei Zwiebeln
  • drei Scheiben Gewürzbrot
  • 3 TL Rohrzucker
  • 3 TL Mehl
  • 4 TL Weinessig oder Aceto Balsamico
  • 4 TL Öl
  • 50 g Butter
  • zum Würzen: Lorbeer, Thymian, Gewürznelken, Salz, Pfeffer

Zubereitung

  • Das Fleisch in große Würfel schneiden und in einer feuerfesten Kasserolle mit Butter und Öl drei bis vier Minuten lang von allen Seiten scharf anbraten.
  • Die fein gehackten Zwiebeln hinzugeben, Mehl unterrühren und anschwitzen lassen.
  • Mit dem Weinessig bzw. Aceto Balsamico ablöschen, Bier hinzugeben und auf kleinster Hitze kochen, bis die Soße sämig ist.
  • Rohrzucker, klein gehacktes Gewürzbrot und einige Gewürznelken hinzugeben. Mit Salz, Pfeffer, einigen Lorbeerblättern und einigen Thymianzweigen würzen.
  • Das Gulasch rund zwei bis drei Stunden durchziehen und garen lassen und dabei regelmäßig umrühren.
Zwischen Doullens und Amiens: abgeerntete Kornfelder. Foto: Hilke Maunderwischen Doullens und Amien: abgeerntete Kornfelder
Riesige Kornfelder erstrecken sich in Nordfrankreich: Hilke Maunder

Wilkommen bei den Sch’tis: meine Reisetipps

Hôtel-Restaurant Bienvenue chez nous

Jean-Pierre und Valérie verwöhnen in der Altstadt mit guter Küche im Garten, auf der Terrasse und drei Speiseräumen. Wer bleiben möchte, findet ruhige, geräumige, individuell gestaltete Zimmer. Parkplatz findet ihr kostenlos vor dem Haus.
• 25, Rue du Collège, 59380 Bergues, Tel. 03 61 38 47 20, www.restaurant-bienvenuecheznousbergues.com

Le Bruegel

Rustikales, gemütliches Lokal mit traditioneller Hausmannskost.
• 1, Place du Marché aux Fromages, 59380 Bergues, Tel. 03 28 68 19 19, www.restaurantlebruegel.fr

Aux saveurs fromagères

• 13, Rue Lamartine, 59380 Bergues, Tel. 03 28 20 42 72, www.facebook.com/AuxSaveursFromageres

Der ehemalige Schlachthof von Bergues. Foto: Hilke Maunder
Der ehemalige Schlachthof von Bergues. Foto: Hilke Maunder

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Wisst ihr, wo Banksy an Nordfrankreichs Küste seine Stencils hinterlassen hat? Wo ihr am besten salicornes sammeln könnt? Oder wo bis heute die Zeitung im Bleisatz gesetzt wird? Georg Renöckel kennt die ungewöhnlichsten, überraschendsten und außergewöhnlichsten Orte im Norden von Frankreich.

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Wer ausgiebig darin stöbert, erfährt auch, warum ein Zwerg die einst mächtigste Ritterburg der Welt zerstörte. Auf der Suche nach historisch, kulturell und legendären Orten hat Georg Renöckl nicht nur die Picardie, das französische Flandern, den Hennegau und den Artois besucht, sondern auch die Île-de-France.

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2 Kommentare

  1. Salut Hilke – Vielen Dank an die Erinnerung an die Sch´ti. Aber schisser habe ich den Film so oft gesehen. Kurz nach seinem Erscheinen das erste mal in einem Programmkino, als die deutschen Verleiher nicht davon ausgingen, dass neue franz. Komödien hier durchschlagenden Erfolg haben.

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