Roter Backstein, helles Weiß: schmucke Bäder-Nostalgie in Soulac-sur-Mer. Foto: Hilke Maunder

Soulac-sur-Mer: Ferien-Träume in Backstein

Soulac-sur-Mer: Welch ein Auftakt für die Côte d’Argent ! Und wie glitzert die Sonne auf den Wogen! Dieses Funkeln gab der Silberküste von Nouvelle-Aquitaine ihren Namen. 250 Kilometer lang zieht sich ihr Band aus breiten Sandstränden, Dünen und Europas größtem Waldgebiet über zwei Départements an der Atlantikküste Frankreichs entlang.

Ihr nördlichstes Seebad ist zugleich eines der schönsten Seebäder im Médoc Atlantique: Soulac-sur-Mer. Türmchen und Holzschnitzereien, Balkone und Veranden schmücken die rund 400 Villen ihres village ancien aus der Blüte des Badewesens im Zweiten Kaiserreich. Ab 1874 konnten die Sommergäste mit der Bahn von Bordeaux aus zum Badeort reisen.

Die Stadt der 500 Villen

Im Norden des Médoc Atlantique hat der Sand seit Jahrtausenden die Küste und ihre Orte verändert. Und genau dort, wo der Sand die alte Pilgerkirche Basilique Notre-Dame-de-la-Fin-des-Terres einst unter Sand begraben hatte, stieg das alte Pilgerziel Soulac ab 1860 zum beliebten Badeort auf. Aus dieser Zeit hat das Städtchen westlich der Basilika unzählige Backsteinbauten bewahrt – ein nostalgischer Traum!

„Stadt der 500 Villen“ nennt sich stolz der alte Ortskern von Soulac-sur-Mer, das eine turbulente Geschichte erlebt hat: als römische Küstenstadt, englischer Flusshafen, religiöses Heiligtum und Etappenort auf dem Jakobsweg, dessen wichtigste Bauten in Frankreich heute zum Weltkulturerbe gehören – auch die Basilika von Soulac-sur-Mer.

Gegenüber beginnt an den Zwillingsvillen Neptun und Amphitrite mit Giebeltürmen, die Jakobsmuscheln der Pilger zieren, eine nostalgische Zeitreise zu Fuß. Zwischen 1860 und 1885 wurden die Villen zunächst noch verstreut, direkt am Meer oder in der Strandstraße errichtet: Marcellus, Flore, Brise du Soir, Aimée und Sapho erzählen davon. Von 1885 bis 1914 wurden die Villen nach Straßen gruppiert.

Das Flair der Belle Époque

Nun waren die Sommerhäuser in ihren Proportionen meist bescheidener, aber überreich in ihrer Dekoration: Eine geradezu überbordende Fantasie bezeugen die Fassaden! Türmchen, Erker und Vorbauten machten jedes Haus zum Unikum. Heller Kalkstein erhöhte edel den profanen Backstein.

Preiswerter war Farbe: Weiß für Fenster und Giebel, Rot, Braun, Beige, Grün, Gelb, Grau und Blau für leuchtende Akzente. Wer es sich leisten konnte, bestellte keine Holzschnitzereien, sondern ließ seine Verzierungen aus Metall schmieden.

Jedes Haus erzählt Geschichten. Zwischen 1914 und 1930 waren es nicht mehr die Sommergäste, sondern vor allem örtliche Unternehmer, die in Soulac-sur_Mer ihre Villen errichten. Besonders rund um die Rue Barriquand herum finden sich ihre Stadtpaläste mit klingenden Namen wie Colette, Ginevra, Brin de Mousse oder Morphée. Nicht alles war nunmehr altes Handwerk: Verbaut wurden erstmals auch Bauteile aus industrieller Produktion. Wie die Wellen des Atlantiks wandelten sich auch die Moden der Villen.

Die Macht des Ozeans

Kraftvoll donnern die Brecher an den Strand und lassen die Herzen der Surfer höher schlagen. Die kraftvollen Wellen sind jedoch das größte Problem von Soulac-sur-Mer. Seit den 1930er-Jahren hat die Kommune fast 200 Meter Küstenlinie verloren. In einigen Jahren wurden sogar bis zu zehn Meter Küste abgetragen. Sandaufspülungen und renaturierte Dünen sollen den Landfraß der Wellen stoppen.

Am 7. Februar 2023 jedoch wurde erstmals eine Ferienanlage im nahen Amélie Opfer des Klimawandels. Le Signal, 1967 mit 78-Urlaubswohnungen in sicheren 300 Metern vom Flutsaum errichtet, wurde plattgemacht – das Meer war bis auf 16 Meter ans Haus herangerückt. Mehr zu Küstenerosion an Frankreichs Atlantikküste erfahrt ihr hier.

Auferstanden aus dem Sand

Wie aus dem Sand befreit wurde hingegen die alte Pilgerkirche von Soulac-sur-Mer. Die Ursprünge der Basilika reichen bis ins 11. Jahrhundert zurück. Sie wurde als Kirche eines Benediktinerpriorats errichtet, das der Abtei Sainte-Croix in Bordeaux unterstand

Der Bau der romanischen Kirche wurde Anfang des 12. Jahrhunderts vollendet. Die Basilika spielte eine wichtige Rolle für Pilger auf dem Jakobsweg. Soulac-sur-Mer entwickelte sich zu einem Startpunkt für Pilger aus ganz Europa, die hier an Land gingen, um ihre Reise nach Santiago de Compostela zu beginnen.

Aufgrund ihrer Lage in den Dünen war die Kirche von Beginn an von Versandung bedroht. Bereits im 12. und 13. Jahrhundert wurden Schenkungen getätigt, um die fortschreitende Versandung auszugleichen. Später wurde dann der Kirchenboden um mehrere Meter angehoben und immer wieder das Gotteshaus freigebuddelt. Die Krypta, ursprünglich im Erdgeschoss gelegen, verwandelte sich durch die Sandablagerungen in ein Untergeschoss. Im 18. Jahrhundert hatte die Erosion der Dünen die Kirche fast vollständig versandet. Die Pilgerbasilika geriet erst in Vergessenheit.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Kirche wieder freigelegt. 1858 begannen die Ausgrabungs- und Restaurierungsarbeiten, und noch im selben Jahr gab Bischof von Bordeaux den Gottesdienstbetrieb in der freigelegten Kirche wieder frei. Heute ist die Basilika nicht nur ein wichtiges religiöses Gebäude, sondern seit 1998 auch Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Jakobswege in Frankreich.

Kirchenrettung mit Zahncreme

Geradezu legendär ist die Zahnpasta-Produktion in Soulac, mit der im 19. Jahrhundert die Abtei von Soulac die Entsandung des Sakralbaus finanzierte. Die Zahnpasta wurde als Naturprodukt vermarktet, deren Zusammensetzung auf den mittelalterlichen Rezepten des Benediktinermönchs Dom Maguelonne beruhte, der es 1373 fixiert habe.

Ob Mönche tatsächlich im 14. Jahrhundert schon Zahnpasta hergestellt haben, ist fraglich. Es ist wahrscheinlicher, dass diese Geschichte später erfunden wurde, um die Zahnpflege der Abtei als Pasta, Elixir oder Puder besser verkaufen zu können. Auch, ob die Zahnpasta tatsächlich eine besondere Wirksamkeit hatte und selbst Zahnschmerzen lindern konnte, ist nicht belegt. Die damaligen Werbeaussagen waren oft übertrieben und basierten mehr auf Emotionen als auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Geschichte der Zahnpasta aus Soulac zeigt, wie schon damals Geschichte und Mythos miteinander verwoben wurden für eine geschickte Marketingstrategie. Zugleich spiegelt die Zahnpasta-Produktion in Soulac-sur-Mer die damaligen Veränderungen in den Konsumgewohnheiten wider. Exklusive Hygiene wurde zum Statussymbol, und neue Märkte für Körperpflegeprodukte entstanden. Diese wussten die Mönche von Soulac-sur-Mer damals geschickt für sich zu nutzen.

Soulac-sur-Mer ist ein zauberhafter Ort voller Geschichten und Geschichte: von seiner entsandeten Basilika bis zu seinen Villen der Belle Époque, von seiner legendären Zahnpasta bis zur Kraft des Ozeans. Bienvenue !

Soulac-sur-Mer: meine Reisetipps

Erleben und unternehmen

Yoga am Meer

Die gebürtige Hamburgerin Katja Thomsen lebt in Soulac-sur-Mer und bietet Yoga-Urlaub am Meer an.
• https://yogaammeer.de

Erbe des Atlantikwalls

Von Norwegen bis zur spanischen Grenze errichteten die Nazis im Zweiten Weltkrieg, und vor allem in den Jahren 1942 bis 1945, ihren Atlantikwall. In Soulac-sur-Mer befindet sich die Batterie MKB Soulac, die Teil der sogenannten Forteresse du Nord Médoc (Festung Nord-Médoc) war.

Diese Festung umfasste insgesamt 38 Verteidigungsstellungen, die zwischen Soulac, Le Verdon-sur-Mer und der Gironde-Mündung verteilt waren. Eine besonders gut erhaltene Anlage ist die Batterie des Arros, die sich in der Nähe des Ortsteils Les Piscines in Soulac-sur-Mer befindet.

Die Batterie des Arros war ursprünglich eine französische Marinestellung, die 1938 errichtet und später von den Deutschen übernommen und ausgebaut wurde.

Le petit train touristique Pointe de Grave – Le Verdon – Soulac (PGVS)

Im Juli und August rattert der Touristenzug PGVS durch den Kiefernwald und verbindet auf seiner sieben Kilometer langen Strecke die Pointe de Grave mit Le Verdon und Soulac-sur-Mer.
• www.facebook.com/trainPGVS

In der Nähe

Montalivet

25 Kilometer südlich liegt Vendays-Montalivet – sein langer Sandstrand ist auch für FKK beliebt. Euronat gehört mit seinen 335 Hektarn zu den größten FKK-Anlagen Europas. Nur halb so groß und luxuriöser ist das FKK-Resort CHM Montana.

Sehr lohnenswert ist der Besuch des Wochenmarktes von Montalivet. Während der Hochsaison (15. Juni bis 15. September) ist der Markt täglich geöffnet und einer der größten und schönsten der Region. Außerhalb der Saison findet täglich außer montags ein kleinerer Markt in der überdachten Markthalle statt.

Schlemmen und genießen

Angesichts der tollen Produkte der Markthalle ist die Gastronomie in Soulac-sur-Mer überraschend bescheiden. Die Küche der Terrassenlokale am Strand ist durchschnittlich; die Lokale dort lassen sich den Meerblick bezahlen; besser esst ihr in den Seitengassen. Oder deckt euch bei den Händler des Ortes und auf dem Markt ein und macht ein Strandpicknick!

Marché Municipal

Ein echtes Schlemmerparadies ist die nostalgische Markthalle von Soulac-sur-Mer aus dem Jahr 1891 im alten Dorfkern. Schaut euch einmal die Dachbalken an!  Die Haken dort verraten, dass die Halle auch für Sport genutzt und früher dort gymnastische Geräte eingehängt wurden.
• Rue de la Plage, 33780 Soulac-sur-Mer; Di. – So. ab 8 Uhr, im Juli/Aug. tgl., dann auch abends von 18 bis 20 Uhr

L’Entre Deux Ô 

Nicht nur in der Markthalle, sondern auch mit einem eigenen Geschäft in der Straße zum Strand ist dieser Fischhöndler vertreter, der mittags vor seinen Laden ein paar Tische stellt: Wie wäre es mit frischen Austern oder anderem Seafood zum déjeuner ?
• 93, rue de la Plage, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. mobil 06 82 98 72 49, www.poissonnerielentredeuxo.com

La Cave des Amis

Beliebter uriger Treff zum Apéro mit Weinen im Offenausschank,.
• 35, rue Trouche, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 41 45 60

Le LB

LB steht für la bolée, doch hier gibt es weit mehr als nur eine Schale Cidre: frische Marktküche mit Fisch und Fleisch sowie feine Desserts.
• 6, rue Fernand Lafargue, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 09 92 60, www.facebook.com

La Station 1900

Neben Fisch und Fleisch serviert das beliebte Restaurant auch vegetarische Burger.
• 6, rue André Leroux, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 73 62 15, www.facebook.com/restohomemade

Ola

Die Buvette der Surferin Mélissa Cardenas hebt sich mit ihrer modernen, gesundheitsorientierten Küche vom üblichen Angebot ab. Es gibt vegetarische Gerichte, und der Kaffee wird gefiltert, nicht gepresst.
• 25, rue Trouche, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. mobil 06 49 75 05 91

Hier könnt ihr schlafen

An der Küste des Médoc Atlantique dominieren Campingplätze und Ferienhäuser. Von den nicht einmal 20 Hotels im Médoc Atlantique steht die Hälfte in Soulac-sur-Mer. Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, kann sich auf der aire communale vor die Dünen stellen und den Blick aufs Meer vom rollenden Zuhause genießen.

Camping Les Sables d’Argent

100 Stellplätze am südlichen Ortsausgang im Kiefernwald und an der Düne: eine schöne Lage, aber eher nicht so gut gepflegte sanitäre Anlagen.
• 39, boulevard de l’Amélie, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 09 82 87, www.sables-d-argent.com

L’Écume du Jour*

Oberhalb der Kirche findet ihr dieses Hotel, das nach einem Besitzerwechsel 2012 komplett renoviert wurde und zehn gemütliche Zimmer rund um einen Innenhof bietet. Wer den Blog unterstützten möchte, bucht hier*.
• 4, rue du Perrier de Larsan, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 09 81 34, www.hotelecumedesjours.fr

Hôtel Michelet-plage*

In der Nähe des Strandes könnt ihr in einer Backsteinvilla des 19. Jahrhunderts logieren. Hier* könnt ihr das charmante wie gut geführte Hotel buchen.
• 1, Rue Bernard Baguenard, 33780 Soulac-sur-Mer, Tel. 05 56 09 84 18, www.hotelmichelet.fr

Noch mehr Betten*

 

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