Purer Genuss an der Rhône: Tain-l’Hermitage
„Tain-l’Hermitage“ steht in großen Lettern auf der Ufermauer. Dicht drängen sich die alten Stadthäuser um die katholische Stadtkirche Notre-Dame.
Hinter dem kleinen Ortskern drängt sich noch die Bahnlinie ins Rhônetal, ehe die berühmten Hügel des knapp 6000 Einwohner großen Winzerstädtchens aufsteigen.
Die Winzer von Tain-l’Hermitage
Viticulteur, Vinificateur, Amoureux du Vin, ist auf der Visitenkarte von Michel Chapoutier zu lesen. Der jüngste Spross des Weinhauses, das 1808 im Rhônetal gegründet wurde, steht seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Unternehmens – und verwandelte es in einen Global Player.
Michel Chapoutier
Heute ist Chapoutier nicht nur in Tain ein großer Name, sondern in aller Welt, besitzt auch Rebflächen in Portugal und Australien.
„In 25 Jahren haben sich unsere Umsätze verfünfundzwanzigfacht und auf rund 50 Millionen Euro im Jahr eingependelt.“ Michel ist sichtlich stolz und fährt mit der Hand über seinen leicht ergrauten Bart am Kinn.
Paul Jaboulet Ainé
Wie Chapoutier hat auch Paul Jaboulet Aîné eine riesige Mauer mit seinem Namenszug in die Weinberge gesetzt. Die Domaine, 1834 gegründet, ist seit dem Jahr 2006 im Besitz von Caroline Frey aus einer Winzerfamilie der Champagne und ebenfalls Eigentümerin des Bordelaiser Weingutes Château La Lagune. Seit 2013 stellt sie ihre 100 ha großen Weinlagen in Tain auf Bioweinbau um.
Cave de Tain
Keine Mauer darf bislang die Cave de Tain haben. Die Hänge sind geschützt als Welterbe und müssen daher in ihrer traditionellen Form erhalten bleiben. Das ärgerte Xavier Gomart, bis 2021 Direktor der Genossenschaftskellerei. Sie ist der Marktführer für Syrah in Europa.
Der damalige Monsieur le Directeur, dem inzwischen Ludovic Beau nachgefolgt ist, sann daher auf eine kreative Lösung. Und ließ ein großes Cortenstahllogo an die Mauer der Weinbergterrasse hängen.
„Wir sind die zweitgrößte Kellerei vor Ort – und nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz steht auch uns eine Mauer zu!“ Wer mehr zur Kellerei erfahren will: Hier habe ich sie euch vorgestellt.
Ich habe kein Interesse daran, ein Meister des Weins zu sein, sondern nur daran, Freude am Leben zu haben.
Thomas Jefferson über Tain-l’Hermitage und seine Weine.
Doch bei aller Konkurrenz ist die Stimmung gut, und man kennt, schätzt und genießt die Tropfen der Kollegen. Im Winter in den vielen Weinbars des Ortes, vom 1. Mai bis 31. August in der bar éphémère auf dem Hügel von Hermitage. Dann verwandelt sich die Esplanade de la Chapelle allabendlich in eine Freiluftbar.
Einfach herrlich, hier bei Sonnenuntergang zum Rhôneblick die besten Tropfen der Winzer und die Champagner von Billecart-Salmon zu genießen.
Am Fuße des Hügel findet ihr das Vineum von Paul Jaboulet, wo ihr seine Tropfen das ganze Jahr hindurch verkosten könnt – an der Bar oder zur Küche von Sandro Belle.
Wein entdecken mit allen Sinne
84 Winzer der Côtes du Rhône Septentrionales mit ihren acht Appellationen Côte-Rôtie, Condrieu, Saint-Joseph, Crozes-Hermitage, Hermitage, Cornas, Saint-Peray und Brézème stellen sich seit 1984 alljährlich Ende Februar beim Salon des Vins de Tain im Espace Rochegude vor.
Alle zwei Jahre gastiert hier auch die Weinfachmesse Découvertes en Vallée du Rhône. Als gemeinsames Schaufenster der Kellereien vor Ort eröffnete 2012 die Maison des Vins de Tain l’Hermitage für Betriebe und Besucher.
Für Profis des Weinbusiness gibt es ein Analysebüro und Service bei Zoll- und Steuerfragen, für Besucher Verkostungen und viele Workshops– vom Zusammenspiel von Keller und Küche bis zu Erlebnisreisen, bei denen ihr eure Sinne entdecken und täuschen könnt.
Der Schoko-Papst
Naschkatzen verbinden Tain-l’Hermitage vermutlich eher mit Frédéric Bau. Keiner hat aus Kakao so tolle Kreationen wie der Meisterkonditor kreiert: weiche Schokoladenküchlein, Schokoladenbiskuits, Makronen, kandierte Schoko-Blüten, Minz-Schoko-Kuchen, Liebesknochen, Schokoladeneis…
Die Liste der Schlemmereien ist nahezu unendlich und in vielen Kochbüchern von Bau für alle, die ihm nachfolgen wollen, ausführlich vorgestellt.
1989 gründete Bau, der seit vielen Jahren mit der Japanerin Rika verheirat ist, gemeinsam mit Yann Duytsche und Vincent Bourdin für den Schokoladenhersteller Valrhôna die École du Grand Chocolat, an der Profis heute auch in Brooklyn die Geheimnisse der perfekten Schokoladen-Kreation kennenlernen.
Kakao für alle Sinne
Für die Schokofans unter den Amateuren hat Franck Vidal 2013 die Cité du Chocolat gegründet: ein Erlebnismuseum, das zur Sinnes- und Weltreise auf den Spuren des Kakao lädt.
Überall könnt ihr kosten und probieren – und für einen kleinen Aufschlag auf den Eintrittspreis an vielen Hands-On-Workshops teilnehmen.
Besonders beliebt sind die Ateliers, in denen ihr eure eigene Tafel fertigen und dekorieren könnt – da müsst ihr euch in Hauptferienzeiten rechtzeitig anmelden!
Die neue Malschule
Der reiche Weinhändler Sébastien Courbis versorgte einst Kardinal Richelieu mit erlesenen Weinen. Im Turm seines Wohnhauses aus dem 16. Jahrhundert mit seiner ausgetretenen Wendeltreppe aus Stein und seinen Sprossenfenstern befand sich bis vor kurzem das Musée Palué.
Es barg die Werksammlung von Pierre Palué (1920 – 2005) und Werke seiner Malerfreunde von der Nouvelle École de Paris (1945 – 1965).
Zu ihr gehörten Marcel Roche, Gustave Bolin, Maurice Savin, Jean Vinay, aber auch berühmte Namen wie Raoul Dufy. Inzwischen ist das private Museum leider geschlossen.
Durch Weinberge & Obstgärten
Typisch für Tain und das nördliche Rhônetal sind Mischkulturen – Weingärten und Obsthaine bilden ein buntes Mosaik: hier Aprikosen und Äpfel, dort Syrah, hoch gebunden auf Terrassen gepflanzt. Im Rebenland eröffnen Kapellen und Belvédères wunderschöne Aussichten auf das Tal.
An der Cave de Tain beginnt der Weinlehrpfad Sur les pas de Gambert, der euch zu Fuß zu elf Stationen führt, die die Geologie von Hermitage erklären, den Weinanbau in Terrassen mit ein bis zwei Meter langen Holzstöcken, échelas genannt, die Trauben und ihre Verarbeitung.
Oder lauft hinauf zur Kapelle mit tollem Rundblick über Tain, die Rhône und Tournon am anderen Ufer! Wunderschön ist auch der fünf Kilometer lang Rundweg De l’Hermitage à l’Hermitage.
Tain-l’Hermitage: meine Reisetipps
Schlemmen & genießen
Café de Nice
Zwischen den beiden Rhônebrücken essen hier die Einheimischen mittags den plat du jour und freuen sich, dass Live-Konzerte und Public Viewings von sportlichen Großveranstaltungen ebenfalls zum Programm des beliebten Bistros gehören.
• 3, Place Henri Defer, 26600 Tain-l’Hermitage,Tel. 04 75 08 01 56, www.facebook.com
Le Mangevins
Madame am Herd, Monsieur im Speisesaal, und auf der Karte des kleines Lokales viele regionale Weine: Ich bin von dem Bistro in der Mairie sehr angetan, zumal auch das Preis-Leistungs-Verhältnis top ist.
• 7, rue des Herbes, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 00 76, www.facebook.com/Le-Mangevins
Maison Gambert
Im Stammhaus der Cave de Tain residiert im Erdgeschoss seit Frühjahr 2016 das Restaurant Maison Gambert, wo der älteste Sohn von Bruno Chartron regionale Saisonküche im Bistrostil serviert. Mathieu Chartron hat zwei Jahre lang bei Guy Savoy in Las Vegas gearbeitet. 2015 wurde er als Rising Star of the Year ausgezeichnet. Sein Bruder Benoît ist chef-de-service.
• 2, rue de la Petite Pierrelle, Route de la chantemerle les blés, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 20 87, https://maisongambert.com
Le Quai
Das Restaurant mit kleiner Terrasse direkt an der Rhône gehört zum Gastro-Imperium von Sternekoch Michel Chabran, der es von seiner Schwester betreiben lässt. Lammkeule, gebratenem Foie gras und Tartar, top angemacht mit Kapern, sind Klassiker der Karte. Exzellent ist auch die Weinauswahl mit lokalen Tropfen.
• 7, Rue Joseph Peala, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 07 05 90, https://chabran.com/pages/le-quai
La Péniche
Laetitia und Stéphane Barbaret haben ein betagtes Restaurantschiff neu belebt und bieten leckere Mahlzeiten zu vernünftigen Preisen auf dem Wasser.
• 2, promenade Robert Schumann, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 06 31 27 38 48, www.lapeniche.biz
Bar Éphémère
Ein Bartresen aus solider Eiche, ein paar Tische, Musik und Wein: An Sommerwochenenden verwandelt sich die Esplanade de la Chapelle de l’Hermitage in eine Open-Air-Bar – mit herrlichen Ausblicken auf die Rhône und die Weinberge rings herum.
Wein erleben
Terres de Syrah
2016 gründeten die Cave de Tain und Marie Josée Faure die Terres de Syrah. Sie stellt euch dort mit vielfältigen Angeboten die Wiege des Syrah vor – mit Kellereiführungen, Ausflügen in die Weinberge mit E-Bikes, Segway oder zu Fuß, Wein-Workshops und Erlebnispaketen nach euren Wünschen.
• 17, rue Gabriel Faure, 07300 Tournon, Tel. 04 75 08 91 91, www.vin-et-sens.com
L’École M. Chapoutier
Verkostungen, zahlreiche Ateliers rund um den Wein und Ausflüge mit E-Bike durch die Rebgärten.
• 18, avenue Dr Paul Durand, 26601 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 92 51, www.chapoutier-ecole.com
Vineum
Auf dem zentralen Ortsplatz, wo der Opferstein einer römischen Stier-Kultstätte erhalten ist, findet ihr die Probierstube von Jaboulet, zugleich eine sehr charmante Bar.
• Place du Taurbole, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 09 26 20, http://vineum.blogspot.fr
Maison des Vins de Tain l’Hermitage
Die Weine von Tain-l’Hermitage können hier interaktiv entdeckt werden, zudem locken jeden Monat Wein-Workshops.
• 485, avenue des Lots, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 07 88 81, www.facebook.com/MaisonDesVinsDeTain
Compagnie de l’Hermitage
Georges Lelektsoglou ist Grieche, und einer der charmantesten Weinhändler im Rhône-Tal. Sein Sohn hat mir verraten, dass sein Vater die Trauben der Cave de Tain auch zu eigenen Tropfen verarbeitet. Ich durfte probieren: vorzüglich!
• 7, place du Taurobole, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 19 70, www.facebook.com
Le Petit Train des vignes de l’Hermitage
Natürlich gibt es auch in Tain den in Frankreich ungeheuer beliebten Minizug, der euch durch die Stadt und die Weinberge fährt und Sehenswertes ganz bequem mit Erläuterungen präsentiert.
• Quai Defer, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 06 75 59 80 16, www.petit-train-des-vignes.com
Mit dem Sommelier durchs Rebenland
Fabien Louis war Sommelier in zahlreichen Sternerestaurants. Heute führt er euch zu Fuß, mit dem E-Bike oder mit dem Weinbergzug durch das Anbaugebiet von Hermitage und lädt zum Picknick an der Weinbergskapelle, wo euch erlesene Weine und regionale Spezialitäten erwarten.
• 22, rue des Bessarts, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 40 56, mobil 06 70 11 09 18
Noch mehr Genuss-Momente
Cité du Chocolat
Wie gut Wein und Schokolade zusammen passen, entdeckt ihr in der Cité du Chocolat von ValRhôna.
• 12, Avenue du Président Roosevelt, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 09 27 27, www.citeduchocolat.com
Hier könnt ihr schlafen*
Les Deux Côteaux
Sympathisches Hotel mit 18 einfachen, recht kleinen Zimmern am Ufer der Rhône – einige haben Blick auf den Fluss! Für die Räder gibt es einen kleinen Schuppen in Laufnähe.
• 18, Rue Joseph Peala, 26600 Tain-l’Hermitage, Tel. 04 75 08 33 01, www.hotel-les-2-coteaux
Gîte M. Chapoutier
Vier Selbstversorgerhütten mitten in den Weinbergen für zwei, vier, sechs oder acht Personen – für ein Wochenende oder eine ganze Woche.
• www.chapoutier-gites.com
Noch mehr Betten*
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Im Blog
Am anderen Ufer der Rhône lohnt Tournon-sur-Rhône einen Besuch. Hier gibt es Tipps!
Im Buch
Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*
Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.
Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!
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