Das Türschloss des Château de Castelnaud. Foto: Hilke Maunder

Briefe aus Saint-Paul: Mysterium Türschloss

Mysterium Türschloss: Das erlebte ich schon oft in Frankreich. Jeder, der schon einmal dort gelebt oder Urlaub gemacht hat, kann wahrscheinlich eine Anekdote über seine ganz persönliche Begegnung mit dem Türschloss erzählen. Auch ich habe im Laufe der Jahre viele solcher Erfahrungen gemacht. Das erste Mal lange vor der Zeit, als ich in Saint-Paul-de-Fenouillet ein zweites Zuhause fand. Und nicht nur dort, sondern auch immer wieder in anderen Teilen Frankreichs. Türen zu verriegeln und abzuschließen, war oft mit Überraschungen verbunden.

Meine erste Begegnung mit dem typischen französischen Türschloss hatte ich bei einem Haustausch. Ich war gut ins Haus hineingekommen, doch als ich wieder hinaus wollte, um meinen Tag zu beginnen, stand ich plötzlich vor einem Problem. Der Schlüssel steckte, doch er ließ sich nicht drehen. Ich drückte die Klinke nach unten, rüttelte am Türschloss – mal mit, mal ohne Schlüssel – doch nichts tat sich. Der Schlüssel saß unbeweglich im Türschloss fest.

Schließlich kam ein Einheimischer die Gasse hinauf und sah mein Dilemma. „Klemmt der Schlüssel?“ fragte er und nahm mir das Schließen der Tür ab. Mit einem geübten Handgriff hob er die Klinke nach oben, drehte den Schlüssel, und die Tür war verschlossen. Voilà! Monsieur strahlte und gab mir den Schlüssel. Ich war verblüfft über diese einfache, aber effektive Türschloss-Technik.

Der Kniff mit dem Griff

Nach all den Jahren in Großbritannien, wo ich mich daran gewöhnt hatte, vor dem Verlassen des Hauses von innen einen Knopf zu drücken, um die Tür abzuschließen, stellte die französische Technik eine echte Offenbarung dar. Der Kniff, den Griff nach oben zu drücken, um die Mehrfachverriegelung zu aktivieren, hat sich als äußerst praktisch erwiesen.

Zum einen verhindert es, dass man den Schlüssel drinnen vergisst und sich aussperrt. Zum anderen bietet diese Technik den Vorteil, dass selbst verzogene Türen leichter zu verriegeln sind. Denn der Türgriff besitzt viel mehr Hebelkraft als ein Schlüssel im Türschloss. In Frankreich, wo alte Türen oft ein wenig schief hängen, ist das eine wahre Erleichterung.

In der Altstadt von Viviers. Foto: Hilke Maunder
Große Tür, kleines Schloss? Der Blick von außen trügt! Foto: Hilke Maunder

Gegen den Uhrzeigersinn

Die Mehrfachverriegelungssysteme, die in vielen französischen Türen eingebaut sind, haben eine lange Tradition. EEiner der führenden Hersteller dieser Schlösser ist die Firma Ferco aus Réding bei Sarrebourg. Die bereits 1934 gegründete ostfranzösische Firma gehört zur Stuttgarter Gretsch + Unitas-Gruppe. Traditionsreich ist auch Bricard, das einst in Paris sogar ein Musée de la Serrure betrieb. Dort konnte man die Entwicklung von Schlössern durch die Jahrhunderte hinweg bestaunen, von einfachen Bolzenverschlüssen bis hin zu hochmodernen Sicherheitsvorrichtungen.

Trotz all dieser Erlebnisse mit den eher traditionellen französischen Schlössern war ich nicht auf das vorbereitet, was mich wenige Wochen später erwartete. Dieses Mal stand ich vor einem System, bei dem weder das Hochziehen des Griffs noch das klassische Abschließen half. Die Lösung: Der Schlüssel musste im Türschloss gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden, um die Tür zu verriegeln. Eine kleine, aber entscheidende Variation, die mich erneut überraschte.

Türschloss-Trauma am Morgen

Eine weitere denkwürdige Erfahrung hatte ich in den Corbières, wo ich nach einem Apéro mit Wein bei einer Freundin übernachtete. Patricia wohnte in einem uralten Haus. Und genau dies war das Problem. Ich bekam die Tür nicht auf. Vier Schlösser und zwei große Riegel starrten mich an.

Was war wie zu bewegen? Patricia schlief tief und fest. Sie war bereits Rentnerin. Ich musste zur Arbeit. Doch ich musste sie geweckt haben bei meinem Versuchen, die Tür zu öffnen. Schlaftrunken kam sie die Treppe hinunter. Mit einem Druck auf den Summer öffnete sich die Tür wie von Geisterhand. Die antik aussehenden Schlösser und Riegel waren nichts weiter als Dekoration auf der vermeintlich alten Holztür gewesen. Diese jedoch war hochmodern und mit einem Mehrfachverriegelungssystem und Fingersensor ausgestattet. Das hatte ich im Halbdunkel nicht gesehen.

Symbol französischer Kultur

Türschlösser sind in Frankreich nicht nur funktional, sondern auch ein Stück Kulturgeschichte. Von den traditionellen, manuell bedienten Schlössern in alten Häusern bis hin zu den hochentwickelten Mehrfachverriegelungssystemen, die in modernen Wohnungen zu finden sind, spiegeln sie die französische Liebe zum Detail und zur Sicherheit wider. Sie erzählen Geschichten von Handwerkskunst, technischem Fortschritt und manchmal auch von der Eigenwilligkeit alter französischer Häuser.

So bleibt das französische Türschloss für mich ein kleines Mysterium, das immer wieder für Überraschungen sorgt – und ein Symbol für die charmante Eigenart des französischen Alltags

Wie ist es euch ergangen? Habt auch ihr in Frankreich mitunter vor einem Türschloss gestanden und gestaunt? Dann schreibt es auf – als Kommentar unter dem Beitrag. Merci!

Faszinierende Schlösser: mein Museums-Tipp

Musée Le Secq des Tournelles

Die entweihte gotische Saint-Laurent-Kirche birgt heute eine der bedeutendsten europäischen Sammlungen zur Schmiedekunst von den Römern bis heute. Ihren Ursprung legte die Sammelleidenschaft von Henri Le Secq des Tournelles, der seine Privatsammlung 1921 der Stadt Rouen vermachte. Neben Stühlen, Scheren und Treppen ist auch das Türschloss in zig Varianten ausgestellt.
• rue Jacques-Villon, Eingang für Menschen mit Handicap: rue Deshays, Rouen, Tel. 02 35 88 42 92, https://museelesecqdestournelles.fr

Rouen: das Musee Secq des Tournelles. Foto: Hilke Maunder
Das Musée Secq des Tournelles zeigt in Rouen 2000 Jahre Schmiedekunst. Foto: Hilke Maunder

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Hans-Jürgen Seevers. Foto: privat

Mein Frankreich fürs Ohr: Der Polizist Hans-Jürgen Seevers, der sich in seiner Freizeit zum Sprecher ausbilden lässt, hat diesen Beitrag für euch eingesprochen. Merci, Hans-Jürgen!

11 Kommentare

  1. Es ist interessant, dass Türschlösser in Frankreich so anders funktionieren. Waren die Schlösser immer an alten Häusern oder an neuen Häusern? Mich würde die Geschichte zu Schlössern interessieren.

    1. Liebe Anni, die Schlössergeschichte Frankreichs könnte bestimmt mehrere Bände füllen! Eine vielleicht interessante Info: Die Perfektionierung des mechanischen Schlosses fand in Frankreich während der Regierungszeit von Ludwig XVI. statt, der selbst der „Schlosserkönig“ war. Er war ein leidenschaftlicher Schlosser und verbrachte einen Großteil seiner Zeit in seiner Werkstatt, um seine Schlösser herzustellen.

  2. Oh ja, das kommt mir so bekannt vor! Bei einem gemieteten Ferienhaus vor 15 Jahren im Elsass standen wir mit 3 Frauen zu dritt vor dem Problem. Wir wollten los, aber das Haus ließ sich nicht abschließen. Vermieter nicht mehr zu Hause, kein Nachbar, der mal aus dem Fenster guckt oder über die Straße läuft – keiner da zum Fragen…. Wir haben bestimmt eine halbe Stunde an Klinke und Schlüssel gerüttelt, bis wir es zufällig herausbekommen haben. Mittlerweile kenne ich diese Variante auch am (englischen) Mobilheim – aber über damals lachen wir heute noch…

    1. Liebe Birgit, das ist ja schön zu lesen und lässt mich hier jetzt auch schmunzeln… sogar auch am Mobilheim? Mal gucken, wo uns andere Methoden des Auf- und Abschließens noch begegnen.
      Bleiben Sie gesund! Hilke

  3. Bitte als nächstes eine Recherche: Schlösser an der Loire. Nein, Entschuldigung, das soll nur komisch sein. Ich liebe solche kleinen Alltagsbeobachtungen. Manchmal, aber nur manchmal, bauen ie Franzosen ja sogar wieder hässliche Autos, die erst nach Jahrzehnten schön werden.

    1. lach, die Schösser der Loire sind schon gebloggt: https://meinfrankreich.com/loire_schloesser/ . Aber ganz im Ernst, mitunter bekomme ich da schon Angstschweiß auf der Stirn. So, wie vor der Ausgangssperre. Ich war einziger Gast in einem Hotel im Gers. Der Nachtportier gab mir den Schlüssel. Ich traf zum Essen Freunde, kam heim… aber das Schloss ging nicht auf… bis ich den Drückknopf an der Hauswand entdeckte, ihn beim Schlüsselumdrehen drückte… und dann endlich ins Hotel kam. Nicht auszudenken, wenn ich hätte draußen schlafen müssen!

  4. Oh ja, den Trick mit der Klinke nach oben musste ich mir auch erst von meiner Vermieterin auf einer Domain nahe Narbonne erklären lassen. Vorher hatte ich als sturer Deutscher alle möglichen und unmöglichen Tricks probiert, das vermaledeite Schloss doch noch zu zu bekommen

    1. Jo! Angeblich sollen die skandinavischen Schlösser mitunter auch so funktionieren, ist mir aber noch nie untergekommen. Viele Grüße!

  5. Hallo Frau Maunder, danke für diesen Artikel! Könnten Sie auch einen zu Fensterläden machen? Ich möchte mir für mein Haus in D frz Fensterläden in Frankreich bestellen. Die Aufhängung an der Wand ist uns aber ein Rätsel, da es verschiedene Varianten gibt. Herlichen Dank für alle Ihre Artikel, cordialement, Katharina Kehmer

    1. Oh, Frau Kehmer, danke für diese Textidee! Ich scheitere ja mitunter daran, die Fensterläden so zusammenzufalten, dass sie so flach werden, dass die Halterung sie auch wirklich hält. Dazu muss die Metallschiene mit dem Verschluss so gelegt werden, dass jener nach unten zeigt, und nicht nach oben … schönen Sonntag Abend!

  6. Eine Frage: Wie erfahre ich, wann ich wieder zu meinem Haus in Saint Chinian fahren darf? Wir wohnen dort normalerweise die Hälfte des Jahres, zahlen Steuern, Versicherungen, EdF, Wasser, Internet etc.

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